Entscheidungsdatum
25.04.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W200 2187504-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , gegen die Beschwerdevorentscheidung des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 07.02.2018, OB: 83399748100029, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 70 vH und stellte unter Vorlage von medizinischen Unterlagen am 05.09.2017 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung". Der Beschwerdeführer gab an, dass er kehlkopflos sei und keine Stimmbänder mehr habe. Daher sei eine Verständigung in den öffentlichen Verkehrsmitteln schwer und mühsam. Zudem hätte er Fuß-, Schulter- und Rückenschmerzen.
Das vom Sozialministeriumservice eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.12.2017, basierend auf einer Begutachtung am selben Tag, ergab Folgendes:
"Anamnese:
2001 Z.n. Arthrodese rechtes oberes Sprunggelenk, 12/15 und 12/16 Z.n. TUR/vesicae bei Urothelcarzinom, ohne Nachbehandlung, 01/16 Z.n. Laryngektomie beidseits, Pharyngektomie partial rechts und Neck dissection beidseits bei Sinus piriformiscarzinom, anschließend Radiatio, die Nachsorgeuntersuchungen bisher ohne pathologischen Befund, es besteht ein Impingementsyndrom rechte Schulter mehr als links
Derzeitige Beschwerden:
kann nicht weit gehen, Schmerzen und Bewegungseinschränkung im rechten Sprunggelenk, der rechte Fuß schwillt im Laufe des Tages an, Schmerzen in beiden Schultergelenken
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Thyrex, orthopädisches Schuhwerk, Tracheostoma
Sozialanamnese:
verheiratet, 4 erwachsene Kinder, Pensionist
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
08.05.2017 Pflegegeldgutachten (Stufe 1), Dg.: St.p. Laryngektomie bds, St.p. Pharyngektomie partial rechts 01/16 bei Sinus piriformis Ca., St.p. Urothelca 12/16, Impingement beide Schultern, Omarthrose
re>li, weitere Dg. siehe Vorgutachten, Status: .......freier Stand
und freier Gang....... 30.08.2017 orthopädischer Befund, Dg.:
Meniskusläsion li, Z.n. Arthrodese re oberes SG, Impingement re Schulter, Hallux valgus li>re, Spreizfuß schwer bds, Clavus 1-5, Z.n. Larynxca, Z.n. Blasenca., V.a. PNP, 30.12.2016 KH Wr. Neustadt,
Urologie, Dg.: N.vesicae rezidiv, Th.: TUR/ves am 27.12.2016
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut, Ernährungszustand: gut
Größe: 175,00 cm Gewicht: 83,00 kg Blutdruck: 140/80
Klinischer Status - Fachstatus:
67-jähriger Mann kommt gehend ohne Begleitung in meine Ordination. Caput/Collum: Optomotorik unauffällig, Pupillen rund isocor, reagieren prompt auf Licht, die einsehbaren Schleimhäute gut durchblutet, Zahnfleisch von Radiatio zum Teil stark gerötet, Zähne saniert, blande Narbe nach OP, Tracheostoma in situ. Thorax symmetrisch, Herzaktion rein rhythmisch normocard, Vesikuläratmung, keine pathologischen RGs auskultierbar. Abdomen weich eindrückbar, Leber am Rippenbogen, Milz nicht tastbar. Durchblutung und grob neurologisch unauffällig.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Extremitäten: OE: die Elevation des rechten Armes bis knapp unter die Horizontale, links bis zur Horizontalen möglich, Nackengriff beidseits bis zum Ohr, Schürzengriff beidseits bis gluteal möglich, Faustschluss beidseits komplett, grobe Kraft beidseits gut, die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich, UE: die rechte Wadenmuskulatur im Seitenvergleich etwas atrophiert, das rechte Sprunggelenk deutlich verplumpt, blande Narbe nach OP, nur Wackelbewegungen möglich, Hallux valgus links mehr als rechts, Spreizfuß beidseits, die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich, WS: HWS: Reklination des Kopfes wegen Tracheostoma deutlich eingeschränkt, Drehung und Seitneigung des Kopfes nach links und rechts endlagig eingeschränkt, Kinn-Jugulum-Abstand: 6cm, BWS/LWS: Drehung und Seitneigung des Oberkörpers nach links und rechts endlagig eingeschränkt, Finger-Bodenabstand: 10cm. Das Gangbild rechtshinkend mit fehlendem Abrollen, normalschrittig und flüssig, Einbeinstand beidseits ohne Anhalten kurz möglich, Zehengang beidseits nicht, Fersengang beidseits etwas erschwert durchführbar. Die Sprache durch das Tracheostoma etwas schwer verständlich, eine Kommunikation ist aber möglich, bewusstseinsklar, allseits orientiert, Stimmungslage euthym, Allgemeintempo von normaler Schnelligkeit, Gedächtnis und Konzentration unauffällig
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Zustand nach Laryngektomie und Neck dissection beidseits bei Larynxcarcinom
2
Zustand nach Sprunggelenksversteifung rechts
3
Abnützungserscheinungen in beiden Schultergelenken mit Funktionseinschränkung mittleren Grades
4
Hörstörung beidseits
5
Zustand nach zweimaliger Entfernung eines Harnblasencarzinoms ohne weiterführende Behandlungsnotwendigkeit
Stellungnahme zu
gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Schulterleiden neu hinzugekommen
(...) Dauerzustand. (...)
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich einschränken. Die Sprunggelenksversteifung rechts führt zwar zu einer Einschränkung der Beweglichkeit in diesem Gelenk, das objektivierbare Ausmaß des Defizits kann jedoch eine maßgebliche Erschwernis der Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel nicht ausreichend begründen. Kurze Wegstrecken und ein paar Stufen können allein ohne Unterbrechung, vor allem unter Verwendung orthopädischer Schuhe, zurückgelegt werden, sodass das sichere Ein- und Aussteigen gewährleistet ist. Im Bereich der oberen Extremitäten liegen keine maßgeblichen Funktionseinschränkungen vor, das Erreichen von Haltegriffen und das Festhalten sind nicht eingeschränkt. Kraft und Koordination sind ebenfalls zufriedenstellend und stellen kein Hindernis dar. Tracheostoma mit etwas eingeschränkter, aber durchaus verständlicher Sprache, ist per se kein Grund für die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein"
Mit Bescheid des Sozialministeriumservice vom 11.01.2018 wurde der gegenständliche Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten vom 20.12.2017 verwiesen.
Im Rahmen der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde monierte der Beschwerdeführer, dass er am 20.01.2016 eine totale Laryngektomie-Kehlkopfentfernung mit Neck dissection mit einer Dauer-Tracheotomie und anschließender Strahlentherapie gehabt hätte. Durch die Entfernung des Kehlkopfes bestünde daher eine schwer verständliche Kommunikation und eine erhöhte Infektionsgefahr in öffentlichen Verkehrsmitteln. Der Beschwerdeführer legte zudem eine fachärztliche Stellungnahme vom 29.01.2018 vor.
Das Sozialministeriumservice holte daraufhin eine allgemeinmedizinische Stellungnahme vom 07.02.2018 ein, wonach es mit einem Tracheostoma möglich sei, ungehindert ein öffentliches Verkehrsmittel zu erreichen, dieses gefahrlos zu besteigen und bei vorliegender Gang- und Standsicherheit auch sicher während der Fahrt zu benützen. Das Argument der eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit sei nicht spezifisch für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und auch nicht in erheblichem Ausmaß erforderlich. Es liege keine Orientierungsstörung oder fehlende Gefahreneinschätzung vor. Seitens der chronischen Entzündung der Schleimhäute, verbunden mit häufigem Husten und Absetzen von Schleim, sei festzustellen, dass Stomaträger mit einer entsprechenden Vliesklappe und/oder mit einem Halstuch versorgt seien, sodass es nicht notwendig sei, den Schleim in die Umgebung abzuhusten. Die entsprechende Verwendung dieser Hilfsmittel werde in der Regel in den jeweiligen Krankenanstalten im Rahmen des Anlegens des Stomas gezeigt. Eine maßgebliche Erhöhung der Infektanfälligkeit liege nicht vor, da keine dauerhafte immunsuppressive Therapie erforderlich sei.
Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 07.02.2018 wies das Sozialministeriumservice die Beschwerde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen. Begründend wurde auf die Stellungnahme vom 07.02.2018 verwiesen.
Gegen diesen Bescheid stellte der Beschwerdeführer rechtzeitig einen Vorlageantrag und verwies auf sein bisheriges Beschwerdevorbringen. Überdies legte er erneut die fachärztliche Stellungnahme vom 29.01.2018 vor. Zudem legte er einen Befundbericht vom 30.08.2017 vor.
Das Bundesverwaltungsgericht holte in weiterer Folge ein HNO-fachärztliches Gutachten vom 23.09.2018, basierend auf einer Untersuchung am 30.08.2018 ein, welches Folgendes ergab:
"(...) VORGESCHICHTE UND VERLAUF DES VERFAHRENS
Gekommen mit eigenem Auto, er ist selbst gefahren. Am 20.1.2016 wurde Laryngektomie, part. Pharyngektomie und Neck-Dissection bds. wegen PlattenepitehlCarcinoms des rechten Unterrachens und Kehlkopfes vorgenommen. Postoperative Radiatio ist erfolgt.
Verlauf des Verfahrens:
Im HNO GA von 08/2016 (s.u. 1.) wurde "Unzumutbarkeit" abgelehnt.
Antrag auf "Unzumutbarkeit" (3.9.2017, Abl. 7-10) wegen Stimmstörung bei Kehlkopflosigkeit sowie Beschwerden im Fuß und Schulter und Rücken, wurde auch in weiterem allgmeinmed. GA vom 12/2017 abgelehnt (s.u. 2.)
Dagegen neuerlicher Einspruch (30.1.2018) unter Beilegung einer Stellungnahme vom HNO-FA Dr. XXXX vom 29.1.2018. (Abl. 46-47 = Abl. 60-61)
Er weist hin auf
1. Stimmstörung
2. erhöhte Infektanfälligkeit
3. Verlegung durch Schleim
4. schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Hals/Schultergürtelbereich
In einer Stellungnahme vom 7.2.2018 (Abl. 50, s.u.3.) hält die Allgemeinärztin ihre Ablehnung der "Unzumutbarkeit" aufrecht.
Daher neuerlicher Einspruch (15.2.2018 (Abl. 58)
Therapien/Medikamente: Inhalieren lx/Tag; Thyrex
VORBEFUNDE
1. GA HNO-FA Dr. XXXX vom 25.8.2016 (Abl. 21-25): folgende Leiden wurden anerkannt:
1. Z.n. Laryngektomie und Neck-Diss. bds. 70%
2. Z.n. Versteifung des rechten Sprunggelenkes 30%
3. Hörstörung beidseits 20%
4. Z.n. Entfernung eines Harnblasencarcinoms ohne weiterführende Behandlungsnotwendigkeit 10%
Die "Unzumutbarkeit" wurde abgelehnt.
2. Befund von Orthopäden Dr. XXXX vom 30.8.2017 (Abl. 13 = Abl. 59):
"Frozen shoulder re, Impingementsyndrom bds."
3. Allgemein.GA vom 20.12.2017 (Abl. 36-40): Sprache eingeschränkt, aber verständlich. "Obere Extremitäten: Die Elevation des rechten Armes bis knapp unter die Horizontale, links bis zu Horizontalen möglich, Nackengriff beidseits bis zum Ohr...
FIWS: Reklination des Kopfes wegen Tracheostoma deutliche eingeschränkt, Drehung und Seitneigung des Kopfes nach links und rechts endlagig eingeschränkt"
Das Leiden "Abnützung in beiden Schultergelenken" wurde neu aufgenommen; die "Unzumutbarkeit" wurde neuerlich abgelehnt.
4. Stellungnahme der Allgemeinmedizinerin vom 7.2.2018 (Abl. 50):
Weiterhin Ablehnung der "Unzumutbarkeit".
Neu vorgelegte Befunde:
5. Stellungnahme von HNO-FA Dr. XXXX vom 29.1.2018 (Abl. 60-61).
SUBJEKTIVE BESCHWERDEN
Bezüglich Blase keine nennenswerten Beschwerden.
Stimmstörung: Ösophagusersatzstimme.
Schlucken: "Essen - je dünner, desto besser", muss immer dazu trinken. Das linke, seitliche Gesicht fühle sich etwas bamstig an; nach raschen Bewegungen "Kribbeln ganzer Kopf". Er hat immer die Kanüle drinnen, wechselt 2 täglich.
Verschleimung sei mehr als vor der Operation, aber die Verwendung eines Saugers ist derzeit nicht erforderlich.
Wenn er weitere Strecken geht, dann nimmt die Walking-Sticks, er verwendet aber auch manchmal den normalen Stock.
STATUS
Gewicht nach eigenen Angaben: um 82kg herum stabil.
Kommt etwas hinkend in orthop. Schuhen.
Rechts Ohr: matt bland
Linkes Ohr: idem
Nase: sept. etwas nach li, hängende Nasenspitze
Mund/Rachen: Tons klein, Mundschleimhaut praktisch unauffällig,
Zungenbeweglichkeit normal.
Hypopharynxtrichter: Schleimhaut gerötet, kein Rezidiv
Gesicht/Hals: bds Hals etwas derb und Narben nach Neck-diss.
Das Tracheostoma ist völlig bland, keinerlei Verschleimung.
Der BF trägt eine Kunstsstoffkanüle mit aufgesetztem Atemfilter.
Stimme: Ösophagusersatzstimme ist relativ gut, aber doch tlw. nicht
verständlich
Klinische Hörprüfung: Flüstersprache wird rechts nur "am Ohr" verstanden, links auf 2m,
Umgangssprache rechts auf 3m, links auf 6m.
Psychisch: orientiert, kooperativ, affizierbar;
BEANTWORTUNG DER FRAGEN
1. Diagnoseliste der dauernden Gesundheitsschädigungen
1. Zustand nach Laryngektomie und Neck-Dissection beidseits bei Larynxcarcinom
2. Zustand nach Versteifung des rechten Sprunggelenkes
3. Abnützungserscheinungen in beiden Schultergelenken mit Funktionseinschränkung mittleren Grades
4. Hörstörung beidseits
5. Zustand nach zweimaliger Entfernung eines Harnblasencarcinoms ohne weiterführende Behandlungsnotwendigkeit
2. Auswirkung der Leiden auf die Benützung öffentlicher
Verkehrsmittel:
Zur Schleimproduktion: Bei der Untersuchung war das Tracheostoma bland, es war keinerlei Schleimproduktion zu beobachten. Es ist nicht zu erwarten, dass im konkreten Fall des BF in "kurzen Abständen reflexartig notwendiges Abhusten" auftritt, dass "dieser Auswurf nicht zur Gänze aufgefangen werden und andere Fahrgäste unabsichtlich vom Auswurf getroffen werden."
Zur Stimmstörung: Die Stimmbildung ist im Vergleich zum GA vom 25.8.2016 (s.o. 1.) zwar gebessert, da der BF eine relativ gute Ösophagusersatzstimme entwickelt hat, dennoch ist sie schwach, twl. nicht gleich verständlich.
Grundsätzlich jedoch: eine Stimmstörung begründet eine "Unzumutbarkeit" nicht, da auch z.B. für Gehörlose, die keine Lautsprache entwickelt haben, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.
2.1. Droht durch Verlegung der Atemöffnung durch Schleim das Ersticken? Kann dem vorgebeugt werden?
Ein Hustenanfall kann jedem immer passieren, daher ist eine vollständige "Vorbeugung" nicht möglich. Ein Mensch mit Kehlkopf bringt den Auswurf nach dem Husten in den Rachen oder in den Mund, kann ihn dann meist abschlucken; der Halsatmer hat den Nachteil, dass der Schleim immer durch das Tracheostoma herausmuss. Ersticken droht keinesfalls, da zunächst der Atemfilter und im Extremfall die Kanüle jederzeit herausgenommen werden können und dann der Schleim abgehustet werden kann. Beides sind zwar unangenehme Situationen, nicht aber gefährliche. Der BF ist auch ohne Kanüle in keiner Weise bedroht; er hustet den Schleim dann über das Tracheostoma ab und atmet normal über das Tracheostoma weiter.
2.2. Besteht eine erhöhte Infektanfälligkeit?
Ein generell erhöhtes Infektionsrisiko ist bei Halsatmern nicht nachgewiesen; eine schwere Immunschwäche besteht beim BF nicht. Virusinfekte nehmen ihren Weg über die Schleimhäute von Nase und Auge - ein häufigeres Auftreten bei Halsatmern ist nicht anzunehmen; primär bakterielle Infekte sind selten, eine besondere zusätzliche Gefährdung bei ansonsten immunkompetenten Patienten ist unwahrscheinlich und nicht belegt (1). Keinesfalls besteht eine Problematik, die einer- wie im entsprechenden Erlass geforderten - "Erkrankungen mit hochgradiger Immunschwäche" entspräche.
Literatur: 1. Harlid R1, Andersson G, Frosteil CG, Jörbeck HJ, Ortqvist AB. Respiratory tract colonization and infection in patients with chronic tracheostomy. A one-year study in patients living at home. Am J RespirCrit Care Med, 1996 Jul; 154(1): 124-9.
2.3. Erhöht die durchgemachte Strahlentherapie aktuell die Infektanfälligkeit?
Die durchgemachte Strahlentherapie schädigt alle Strukturen im betroffenen Bereich, insbesondere die Haut. Es kann daher in Kombination mit der Feuchtigkeit des Schleimes leichter zur lokalen Irritationen der Haut im Tracheostomabereich kommen. Solche sind beim BF nicht zu beobachten gewesen und auch wenn, würden sie nicht eine größere Häufigkeit von Bronchitis oder anderen, nicht lokalen Infekten zur Folge haben, die einer "Erkrankungen mit hochgradiger Immunschwäche" gleichzusetzen wäre.
2.4. Beweglichkeit nach Operation
Die Greif- und Haltefunktionen sind erhalten, Anhalten über Kopf mag erschwert oder unangenehm sein, aber ein sicherer Transport in einem Öffentlichen Verkehrsmittel (ÖVM) ist gegeben. Daher hat auch die allgemeinmedizinische Gutachterin (s.o. 3.) nach genauer Untersuchung der Funktion der Arme und in Kenntnis des orthopädischen Privatbefundes (s.o. 2.) die Benützung von ÖVM für zumutbar erachtet.
Die mangelnde Bauchpresse erschwert vor allem den Stuhlgang, aber die Bauchpresse ist nicht erforderlich für die Stabilität des Rumpfes "im Falle eines Bremsmanövers" (Abl. 61), keinesfalls in einem Ausmaß, dass die Benützung eines ÖVM nicht sicher möglich wäre."
Im gewährten Parteiengehör gab der Beschwerdeführer zum übermittelten Gutachten keine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 70 von Hundert.
1.2. Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Status:
Altgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.
Größe 175 cm, Gewicht 83 kg, RR 140/80
Caput/Collum: Optomotorik unauffällig, Pupillen rund isocor, reagieren prompt auf Licht, die einsehbaren Schleimhäute gut durchblutet, Zahnfleisch von Radiatio zum Teil stark gerötet, Zähne saniert, blande Narbe nach OP, Tracheostoma in situ.
Thorax symmetrisch.
Herzaktion rein rhythmisch normocard, Vesikuläratmung, keine pathologischen RGs auskultierbar.
Abdomen weich eindrückbar, Leber am Rippenbogen, Milz nicht tastbar. Durchblutung und grob neurologisch unauffällig.
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Die Elevation des rechten Armes bis knapp unter die Horizontale, links bis zur Horizontalen möglich, Nackengriff beidseits bis zum Ohr, Schürzengriff beidseits bis gluteal möglich, Faustschluss beidseits komplett, grobe Kraft beidseits gut, die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Die rechte Wadenmuskulatur im Seitenvergleich etwas atrophiert, das rechte Sprunggelenk deutlich verplumpt, blande Narbe nach OP, nur Wackelbewegungen möglich, Hallux valgus links mehr als rechts, Spreizfuß beidseits, die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich.
Wirbelsäule:
Reklination des Kopfes wegen Tracheostoma deutlich eingeschränkt, Drehung und Seitneigung des Kopfes nach links und rechts endlagig eingeschränkt, Kinn-Jugulum-Abstand: 6cm, BWS/LWS: Drehung und Seitneigung des Oberkörpers nach links und rechts endlagig eingeschränkt, Finger-Bodenabstand: 10cm.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Rechtshinkend mit fehlendem Abrollen, normalschrittig und flüssig, Einbeinstand beidseits ohne Anhalten kurz möglich, Zehengang beidseits nicht, Fersengang beidseits etwas erschwert durchführbar. Die Sprache durch das Tracheostoma etwas schwer verständlich, eine Kommunikation ist aber möglich.
Status psychicus: bewusstseinsklar, allseits orientiert, Stimmungslage euthym, Allgemeintempo von normaler Schnelligkeit, Gedächtnis und Konzentration unauffällig.
Funktionseinschränkungen: Zustand nach Laryngektomie und Neck dissection beidseits bei Larynxcarcinom; Zustand nach Sprunggelenksversteifung rechts; Abnützungserscheinungen in beiden Schultergelenken mit Funktionseinschränkung mittleren Grades; Hörstörung beidseits; Zustand nach zweimaliger Entfernung eines Harnblasencarzinoms ohne weiterführende Behandlungsnotwendigkeit.
1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Beim Beschwerdeführer liegt zwar eine Sprunggelenksversteifung rechts vor, die zu einer Einschränkung der Beweglichkeit in diesem Gelenk führt, das objektivierbare Ausmaß des Defizits kann jedoch eine maßgebliche Erschwernis der Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel nicht ausreichend begründen. Eine ausreichende Beweglichkeit ist gegeben, sodass er sich im öffentlichen Raum unter Verwendung orthopädischer Schuhe selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 200 - 300 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen kann.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich - auch im Zusammenwirken - nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität durch die festgestellten Funktionseinschränkungen. Es besteht auch keine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, es besteht keine schwere Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems oder der Lunge. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Es besteht auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit.
Die Greif- und Haltefunktionen sind erhalten. Das Anhalten über Kopf mag erschwert oder unangenehm sein, das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist jedoch ausreichend möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.
Beim Beschwerdeführer liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.
Es ist insbesondere auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
2. Beweiswürdigung:
Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.12.2017 eingeholt worden. Bereits im vorzitierten Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt und kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Die Leiden des Beschwerdeführers führen laut Gutachten nachvollziehbar nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bzw. einer Sinnesbeeinträchtigung. Die Sprunggelenksversteifung rechts führt zwar zu einer Einschränkung der Beweglichkeit in diesem Gelenk, das objektivierbare Ausmaß des Defizits kann jedoch eine maßgebliche Erschwernis der Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel nicht ausreichend begründen. Kurze Wegstrecken und ein paar Stufen können allein ohne Unterbrechung, vor allem unter Verwendung orthopädischer Schuhe, zurückgelegt werden, sodass das sichere Ein- und Aussteigen gewährleistet ist. Im Bereich der oberen Extremitäten liegen keine maßgeblichen Funktionseinschränkungen vor, das Erreichen von Haltegriffen und das Festhalten sind nicht eingeschränkt. Kraft und Koordination sind ebenfalls zufriedenstellend und stellen kein Hindernis dar.
In weiterer Folge behauptete der Beschwerdeführer eine schwer verständliche Kommunikation aufgrund der Kehlkopfentfernung sowie eine erhöhte Infektionsgefahr in öffentlichen Verkehrsmitteln und legte eine fachärztliche Stellungnahme vom 29.01.2018 vor. Dem hielt die Allgemeinmedizinerin in der vom SMS eingeholten medizinischen Stellungnahme nachvollziehbar entgegen, dass beim Beschwerdeführer keine Orientierungsstörung oder fehlende Gefahreneinschätzung vorliegt. Seitens der chronischen Entzündung der Schleimhäute, verbunden mit häufigem Husten und Absetzen von Schleim, hielt sie fest, dass Stomaträger mit einer entsprechenden Vliesklappe und/oder mit einem Halstuch versorgt sind, sodass es nicht notwendig ist, den Schleim in die Umgebung abzuhusten. Die entsprechende Verwendung dieser Hilfsmittel wird demnach in der Regel in den jeweiligen Krankenanstalten im Rahmen des Anlegens des Stomas gezeigt. Eine maßgebliche Erhöhung der Infektanfälligkeit liegt ebenfalls nicht vor, da keine dauerhafte immunsuppressive Therapie erforderlich ist.
In dem vom BVwG in Auftrag gegebenen Gutachten eines HNO-Facharztes vom 23.09.2018 wird darüber hinaus schlüssig und nachvollziehbar auf die einzelnen Beschwerdepunkte des Beschwerdeführers eingegangen.
So hält der HNO-Facharzt zur Schleimproduktion fest, dass das Tracheostoma zum Zeitpunkt der Untersuchung bland war und keine Schleimproduktion zu beobachten war. Es ist nicht zu erwarten, dass im konkreten Fall des Beschwerdeführers in kurzen Abständen reflexartig notwendiges Abhusten auftritt und dass dieser Auswurf nicht zur Gänze aufgefangen werden könnte und andere Fahrgäste unabsichtlich vom Auswurf getroffen würden.
Zur Stimmstörung hält der Sachverständige schlüssig fest, dass die Stimmbildung im Vergleich zum Gutachten vom 25.08.2016 zwar gebessert ist, da der Beschwerdeführer eine relativ gute Ösophagusersatzstimme entwickelt hat, sie aber dennoch schwach bzw. teilweise nicht gleich verständlich ist. Zum Argument der eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit wird an dieser Stelle festgehalten, dass diese nicht für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel erforderlich ist.
Die Frage, ob durch Verlegung der Atemöffnung durch Schleim das Ersticken drohe bzw., ob dem vorgebeugt werden könne, beantwortet der Sachverständige schlüssig damit, dass ein Hustenanfall grundsätzlich immer und jeder Person passieren könne und eine vollständige Vorbeugung nicht möglich ist. Ein Mensch mit Kehlkopf bringt den Auswurf nach dem Husten in den Rachen oder Mund, kann ihn dann meist abschlucken. Der Halsatmer hingegen hat den Nachteil, dass der Schleim immer durch das Tracheostoma herausmuss. Es droht demnach aber keinesfalls das Ersticken, da zunächst der Atemfilter und im Extremfall die Kanüle jederzeit herausgenommen werden können und der Schleim sodann abgehustet werden kann. Beides ist demnach zwar unangenehm, jedoch nicht gefährlich. Der Beschwerdeführer ist auch ohne Kanüle keineswegs bedroht, da er den Schleim sodann über das Tracheostoma abhustet und normal über das Tracheostoma weiteratmet.
Ebenso wenig ist dem schlüssigen Gutachten zufolge ein generell erhöhtes Infektionsrisiko bei Halsatmern nachgewiesen. Eine schwere Immunschwäche besteht beim Beschwerdeführer nicht, da Virusinfekte ihren Weg über die Schleimhäute von Nase und Auge nehmen. Ein häufigeres Auftreten bei Halsatmern ist nicht anzunehmen. Primär bakterielle Infekte sind selten, eine besondere zusätzliche Gefährdung bei ansonsten immunkompetenten Patienten ist unwahrscheinlich und nicht belegt. Keinesfalls besteht jedoch eine Problematik, die einer Erkrankung mit hochgradiger Immunschwäche entspräche.
Zu einer etwaigen Erhöhung der Infektanfälligkeit durch die durchgemachte Strahlentherapie hält der Gutachter nachvollziehbar fest, dass diese alle Strukturen im betroffenen Bereich schädigt, insbesondere die Haut. Es kann daher in Kombination mit der Feuchtigkeit des Schleimes leichter zu lokalen Irritationen der Haut im Tracheostomabereich kommen. Solche sind beim Beschwerdeführer jedoch nicht zu beobachten gewesen und auch wenn, würden sie nicht eine größere Häufigkeit von Bronchitis oder anderen, nicht lokalen Infekten zur Folge haben, die einer Erkrankung mit hochgradiger Immunschwäche gleichzusetzen wäre.
Zur Beweglichkeit nach der Operation hält der HNO-Facharzt nachvollziehbar fest, dass die Greif- und Haltefunktionen erhalten sind. Anhalten über dem Kopf mag zwar erschwert oder unangenehm sein, aber ein sicherer Transport in einem Öffentlichen Verkehrsmittel ist gegeben. Daher hat auch die allgemeinmedizinische Gutachterin nach genauer Untersuchung der Funktion der Arme und in Kenntnis des orthopädischen Privatbefundes die Benützung von Öffentlichen Verkehrsmitteln für zumutbar erachtet.
Zur mangelnden Bauchpresse hält er fest, dass diese zwar die vor allem den Stuhlgang erschwert, aber nicht erforderlich für die Stabilität des Rumpfes im Falle eines Bremsmanövers ist.
Eine erhebliche Funktionsbeeinträchtigung der unteren Extremitäten bzw. insbesondere eine die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausschließende Immunschwäche kann der erkennende Senat somit unter Zugrundelegung insbesondere des schlüssigen HNO-fachärztlichen Gutachtens vom 23.09.2018 beim Beschwerdeführer nicht erkennen. Die Ausführungen sind in Kombination mit den sonstigen ärztlichen Ausführungen in den übrigen Gutachten, nämlich, dass keine maßgebliche Beeinträchtigung des Bewegungsapparates gefunden habe werden können, zu sehen, weshalb auch das Vorliegen erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten zu verneinen ist.
Aus den Gutachten ergeben sich auch keinerlei Hinweise auf maßgebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen.
In den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten wird auf den Zustand des Beschwerdeführers ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich somit ein nachvollziehbares Bild des Zustandes des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer ist den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, welche zum gleichen Ergebnis gelangen, nicht auf gleicher fachlicher Ebene ausreichend konkret entgegengetreten bzw. wurden die im Rahmen der Beschwerde und des Parteiengehörs vorgelegten Befunde im vom BVwG eingeholten Sachverständigengutachten mitberücksichtigt und waren diese nicht geeignet eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel darzutun. Anhaltspunkte für eine Befangenheit der Sachverständigen liegen nicht vor.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der von der belangten Behörde und vom BVwG eingeholten Sachverständigengutachten. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Zu A)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).
Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:
Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:
Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-
arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-
Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-
hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-
Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-
COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-
Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-
mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
-
anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),
-
schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
-
fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
-
selten auftretender chronischer Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Beim Beschwerdeführer liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus (Schuheinlagen, Gehstock, Stützkrücke, orthopädische Schuhe) ist - da die Funktionalität der oberen Extremitäten beim Beschwerdeführer ausreichend gegeben ist - zumutbar und bedingt kein relevantes Hindernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Es ist beim Beschwerdeführer von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen, die vorgebrachte Einschränkung der Gehstrecke konnte nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren. Ebenso wenig liegt eine Unzumutbarkeit aufgrund der Kehlkopfoperation und der Folgen dieser vor.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar."
rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)
Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG)
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)