TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/25 W200 2159560-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.04.2019
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Entscheidungsdatum

25.04.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W200 2159560-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike SCHERZ als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. HALBAUER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 18.04.2018, OB:

64717447200014, mit dem der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe abgewiesen als der Spruch zu lauten hat:

Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 09.01.2017 wird abgewiesen. Der Grad der Behinderung beträgt 30%.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Erstverfahren:

Die Beschwerdeführerin stellte am 09.01.2017 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Begründend wurde auch auf die bei der Beschwerdeführerin bestehende neuromuskuläre Erkrankung verwiesen. Vorgelegt wurde ein Ambulanzbrief des orthopädischen Spitals Speising, ein Verhandlungsprotokoll (Berufsunfähigkeitspension) des ASG Wien vom 01.02.2012, in dem eine ergänzende Aussage einer Fachärztin für Neurologie aufgenommen wurde.

Die belangte Behörde hatte am 15.03.2017 ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin eingeholt. Im Gutachten wurde ein Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 20 vH, Pos.Nr. 04.07.01, festgestellt.

Mit Bescheid vom 16.03.2017 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mangels Vorliegen der Voraussetzungen abgewiesen.

Aufgrund der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde hat das BVwG diesen Bescheid mit Beschluss vom 05.07.2017 gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen.

Im Beschluss wurde wie folgt ausgeführt:

"In weiterer Folge hat das SMS es unterlassen im Verfahren ein neurologisches Gutachten - unter Zugrundelegung des vom ASG Wien eingeholten neurologischen Gesamtgutachten - nach erfolgter fachärztlicher Untersuchung durch eine/n Fachärztin/arzt für Neurologie einzuholen, zumal die Ausführungen im eingeholten orthopädischen Gutachten (kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Hilfsmittel, das Gangbild mit Schuhen ist etwas verlangsamt mit gehemmtem Abrollen und angedeuteter Unsicherheit, der Barfußgang zeit geringgradig verkürzte Schrittlänge, ausreichende Bodenfreiheit, etwas schlurfend, insgesamt zügig) mit der Beschreibung im vorgelegten Verhandlungsprotokoll (Berufsunfähigkeitspension) des ASG Wien vom 01.02.2012 nicht einmal ansatzweise in Einklang zu bringen ist. (...)

Im weiteren Verfahren wird daher eine neurologisch-fachärztliche Untersuchung der Beschwerdeführerin durchzuführen sein und auf deren Basis sowie auch unter Zugrundelegung des vom ASG Wien eingeholten neurologischen Gesamtgutachten die Erstellung eines fachärztlichen neurologischen Gutachtens erfolgen zu haben."

Zweitverfahren:

Das SMS holte in weiterer Folge ein Gutachten einer Fachärztin für

Neurologie vom 25.09.2017 ein, das Folgendes ergab:

"Anamnese:

Kein VGA vorliegend (...)

Sie habe den Antrag auch gestellt, weil sie einen Elektroscooter habe und es wurde ihr gesagt, dass sie diesen nur benützen dürfe, wenn sie einen Nachweis ihrer Erkrankung habe. Sie wolle jetzt auch einen neuen Scooter zum Sitzen, der koste 2000 Euro. Eine Hilfsorganisation für behinderte Frauen habe ihr möglicherweise Hilfe zugesagt, wenn sie einen Behindertenpass habe.

Derzeitige Beschwerden:

Sie könne nicht gut gehen. Wenn sie gehe, dann brauche sie Kraft, dass sie gehen könne. Die Gehstrecke sei sehr unterschiedlich, einmal könne sie aufstehen und gehen und einmal könne sie gar nichts machen. Sie verwende auch manchmal einen Gehstock oder wenn sie stehenbleibe, stütze sie sich auf ihren Einkaufswagen.

Sie könne nicht so viel unternehmen, weil sie leicht ermüdbar sei.

Mit den Armen und Hände habe sie kein Problem.

(...)

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Nervenfachärztliches Ergänzungsgutachten Dr. XXXX 09.12.2011:

Diagnosen:

Neurologisch: Polyneuropathiesyndrom bei hereditärer motorisch sensibler Neuropathie, mit sensomotorischem Defizit

Psychisch: Reaktiv depressives Verstimmungsbild bei neurotischem

Grundmuster, Noopsychische Leistungen weitgehend

erhalten.........Die Klägerin beklagt bei der Untersuchung

vorwiegend Ermüdbarkeit, Schwäche beim Gehen, Sturzneigung. ......

Neurologisch besteht ein Polyneuropathiesyndrom bei verifizierter hereditärer motorisch sensibler Neuropathie, mit sensomotorischem Defizit,

Muskelatrophie....... Aufgrund der vorlegenden - genetisch

gesicherten - Diagnose, und der fortgeschrittenen

Beschwerdesymptomatik und der spezifischen Therapiedefizienz ist bei

progredientem Verlauf der Grunderkrankung, oben Genannte nicht mehr

in der Lage, einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Eine

Besserbarkeit ist nicht zu erwarten.

Befund FA f. Physikalische Medizin 24.11.2011: geringgradiges CTS rechts sowie sehr deutlich ausgeprägte periphere Innervationsstörungen beider Nn. peron. und Nn. tibiales im Sinne einer sehr deutlichen ausgeprägten Polyneuropathie....

Befund Kinderorthopädie Speising 18.05.2009: Bekanntlich wurde aufgrund der Verdachtsdiagnose einer distalen hereditären, motorischen Neuropathie von dominantem Erbgang die molekulargenetische Abklärung eingeleitet. Dabei wurden die wichtigsten, genetischen Ursachen für diese Erkrankung abgeklärt und es konnte dadurch auch die Ursache der Erkrankung geklärt werden. Der molekulargenetische Befund wurde ausgehändigt. Eine Mutation im HSB 27 Gen, welche bereits in der Literatur beschrieben ist, konnte gefunden werden.....

zur Untersuchung mitgebrachte Befunde:

Nervenfachärztliches Gutachten Dr. XXXX 16.11.2011: eingesehensiehe auch oben

Elektroneurographischer Befund Physikalischer FA Dr. XXXX 14.09.2017: sehr deutliche Innervationsstörung beider Nn. peron. und

nn. Tibiales......

Untersuchungsbefund: (...)

Klinischer Status - Fachstatus: (...)

Neurologisch:

Hirnnerven:

Geruch: anamnestisch unauffällig

Gesichtsfeld: fingerperimetrisch keine Einschränkung

Visus: Lesebrille

Pupillen mittelweit, rund isocor

Optomotorik frei, auf Konvergenz reagierend

keine Doppelbilder, Nystagmus: keiner

Facialis: seitengleich innerviert, kein mimisches Defizit

Sensibilität: unauffällig

Hörvermögen anamnestisch unauffällig,

Zunge: wird gerade herausgestreckt, stgl. gut beweglich Uvula mittelständig, Gaumensegel hebt symmetrisch Kopfdrehung und Schulterhebung: unauffällig

OE:

Rechtshänder

Kraft: seitengleich unauffällig Trophik: unauffällig Tonus:

unauffällig

Motilität: Nacken und Schürzengriff: nicht eingeschränkt Seitabduktion bds. bis zur Senkrechten Faustschluss und Fingerspreizen gut durchführbar Pinzettengriff: bds. möglich

Feinmotorik: ungestört

MER (BSR, RPR, TSR): seitengleich mittellebhaft

Pyramidenbahnzeichen: negativ Eudiadochokinese

AVV: beidseits gehalten ohne Absinken, ohne Pronation FNV:

zielsicher bds.

Sensibilität: seitengleich unauffällig

UE:

Kraft: Vorfußhebung- und senkung KG 3-4, Zehenhebung KG 1, Zehenplantarflexion KG 2-3

Trophik: frgl leichte Wadenatrophie, Atrophie der kleinen Fußmuskeln, hoher Rist, leichte Krallenstellung der Zehen

Tonus: unauffällig

Motilität: nicht eingeschränkt

PSR: links untermittellebhaft, rechts sehr schwach

ASR: bds nicht auslösbar

Pyramidenbahnzeichen: negativ

Laseque: negativ

Beinvorhalteversuch: kein Absinken Knie- Hacke- Versuch: zielsicher bds.

Sensibilität: distale Gefühlsminderung ab Knöchelhöhe zu den Zehen hin zunehmend,

Stand und Gang: ohne Schuhwerk: kein Fallfuß aber fehlendes Anheben der Zehen bds., Fuß bds. wird auf der Ferse aufgesetzt und abgerollt. Romberg: unauffällig Unterberger Tretversuch:

durchführbar aber etwas unsicher, kein Abweichen, keine Falltendenz

Zehen- und Fersenstand: nicht möglich

Sprache und Sprechen: unauffällig

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt alleine gehend zur Untersuchung, zieht einen Einkaufswagen auf Rollen hinter sich her, in dem Befunde etc. verstaut sind, und auch ein Walkingstock. Trägt normale Turnschuhe. Kommt mit ÖVM

Führerschein: ja, fahre auch selbst

Status Psychicus:

Kooperativ und freundlich, gut auskunftsfähig, bewusstseinsklar, voll orientiert, kein kognitiv- mnestisches Defizit,

Gedankenductus: geordnet, kohärent; Konzentration und Antrieb unauffällig;

Stimmungslage ausgeglichen, stabil, gut affizierbar;

Affekte: angepasst, keine produktive Symptomatik

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd.Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Polyneuropathie (HMSN- hereditäre motorisch und sensible Neuropathie) 2 Stufen über unterem Rahmensatz, da sensomotorisches Defizit der Beine, aber nicht wesentlich eingeschränkte, selbstständige Gehfähigkeit

04.06.01

30

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

(...)

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Stellungnahme nicht möglich, da kein VGA vorliegend

(...) Dauerzustand"

In weiterer Folge übermittelte das Sozialministeriumservice das Gutachten der Beschwerdeführerin am 25.09.2017 zum Parteiengehör mit einer Stellungnahmefrist von drei Wochen.

Dem Akt ist in weiterer Folge ein Email der Beschwerdeführerin vom 30.10.2017, 23:29 Uhr zu entnehmen, in dem sie ausführt, dass laut einem Erkenntnis des BVwG vom 27.03.2015 aufgrund ihrer genetischen Erkrankung Charcot-Marie-Tooth ein Gesamtgrad der Behinderung laut Pos.Nr. 04.07.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung mit zwischen 50% und 70% festzusetzen sei.

Die begutachtende Neurologin hätte weiters die reaktive psychische Belastungssituation und den Zustand der Erschöpfung und Resignation unberücksichtigt belassen.

Weiters seien die in der Anamnese vom 16.11.2011 erwähnten Gefühlsstörungen in den Armen und Beinen übersehen und unerwähnt geblieben.

Ihre genetische Erkrankung werde von einer erheblichen psychischen Belastung und der daraus resultierenden physischen Ermüdung begleitet. Die Funktionen ihrer Extremitäten seien erheblich eingeschränkt und dies belaste sie körperlich und psychisch, zumal sich die Belastungen summierten und sich dies negativ auf ihr Leben auswirke. Sie ermüde sehr schnell, dann spüre sie ihre Arme und Beine nicht mehr und dies führe zu einem Gleichgewichtsverlust. Sie sei im Bus und in der Straßenbahn gestürzt und könne öffentliche Verkehrsmittel nicht gefahrlos benützen und Rolltreppen und andere Niveauunterschiede nicht überwinden.

Darüber hinaus könne sie aus eigener Kraft keine 400m ohne fremde Hilfe zurücklegen. Unter Druck träten bei ihr Schwindelgefühle und Lähmungserscheinungen auf, ihre Arme und Beine würden anfangen unkontrolliert zu zittern.

Dieses Email wurde am 31.10.2017, 07.10 Uhr, vom Sozialministeriumservice, Außenstelle Wien, an die Digitalstelle weitergeleitet.

Am 31.10.2017, 10.04 Uhr übermittelte die Beschwerdeführerin das oben angeführt Emails abermals dem SMS per Mail. Dieser Stellungnahme waren ein Ambulanzbrief vom 18.05.2009, Auszüge des vom ASG eingeholten neurologischen Gutachten, die erste Seite des Protokolls des ASG Wien vom 01.02.2012 betreffend die Berufsunfähigkeitspension der Beschwerdeführerin, Auszüge der Anlage der EVO Pos.Nr. 04.06 und 04.07, und das Erkenntnis des BVwG vom 27.03.2015, I401 2002846-1; angeschlossen.

Diese Email wurde am 02.11.2017, 06.56 Uhr, vom Sozialministeriumservice, Außenstelle Wien, an die Digitalstelle weitergeleitet.

Mit Bescheid vom 06.11.2017 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mangels Vorliegen der Voraussetzungen abgewiesen. Der Bescheid wurde am 07.11.2017 versendet.

Aufgrund der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde hat das BVwG diesen Bescheid mit Beschluss vom 21.02.2018 gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen und erließ darin folgenden Auftrag:

"Im weiteren Verfahren wird das Sozialministeriumservice daher die Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme einer Beurteilung durch die befasste Neurologin zu unterziehen haben und eine Einstufung vorzunehmen haben.

Konkret werden folgende Fragen zu stellen sein:

1. Warum ist die Einstufung unter Pos.Nr. 04.06.01 erfolgt und nicht unter Pos.Nr. 04.07.XX?

Hingewiesen wird darauf, dass die Neurologin im Gutachten vom 21.09.2017 (Seite 1 und Seite 6) angibt, keine Stellungnahme zu einem Vorgutachten abgeben zu können, da keines vorliege, obwohl im Erstverfahren ein Gutachten eingeholt worden war. Offensichtlich hat das SMS der befassten Neurologin das im Erstverfahren eingeholte Gutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 14.03.2017 nicht zur Verfügung gestellt. In diesem Gutachten wurde die Erkrankung unter Pos.Nr. 04.07.01 eingestuft.

2. Hat die Beschwerdeführerin die reaktive psychische Belastungssituation und den Zustand der Erschöpfung und Resignation bei der Gutachterin vorgebracht?

3. Liegt eine reaktive psychische Belastungssituation und den Zustand der Erschöpfung und Resignation bei der Beschwerdeführerin vor und wenn ja - wurde diese in der vorgenommenen Einstufung berücksichtigt? (Die Beschwerdeführerin spricht in ihrer Stellungnahme von einer erheblichen psychischen Belastung und physischen Ermüdung.)

4. Liegen bei der Beschwerdeführerin Gefühlsstörungen in den Armen und Beinen vor?

(Im Gutachten wurde unter "derzeitige Beschwerden" ausgeführt: "Mit den Armen und Händen habe sie kein Problem.", während im vom ASG Wien eingeholten Gutachten auf Seite 2 von 9 ausgeführt wird:

"zunehmend vorzeitige Ermüdbarkeit mit Gefühlsstörung in den Armen und Beinen".)

5. Ist seit dem Verhandlungsprotokoll (Berufsunfähigkeitspension) des ASG Wien vom 01.02.2012, in dem eine ergänzende Aussage einer Fachärztin für Neurologie aufgenommen wurde, wonach die Beschwerdeführerin maximal 100m zurücklegen könne und danach eine zehnminütige Pause benötige und anschließend in einem zweiten Teil 30m zurücklegen könne, eine Besserung eingetreten?

6. Sind die Ausführungen in der Stellungnahme geeignet die vorgenommene Einstufung zu ändern?

Das BVwG geht aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes davon aus, dass das SMS die gebotenen Ermittlungen absichtlich unterlassen hat, damit diese dann durch das Bundesverwaltungsgericht vorgenommen werden.

Im weiteren Verfahren wird das Sozialministeriumservice daher die Stellungnahme der Beschwerdeführerin einer Beurteilung durch die befasste Neurologin zu unterziehen haben, wobei dieser auch das eingeholte Gutachten des Erstverfahrens (Pos.Nr. 04.07.01) zur Verfügung zu stellen sein wird. Es wird eine Gesamteinschätzung des Grades der Behinderung unter Zugrundelegung der getätigten Vorbringen - auch zum psychischen Gesundheitszustand - erfolgen zu haben.

Drittverfahren:

Das SMS holte in weiterer Folge eine Stellungnahme der bereits befassten Sachverständigen für Neurologie vom 06.03.2018 ein, in der Folgendes ausgeführt wurde:

"Stellungnahme:

Es wird um Beantwortung ersucht, ob die nachgereichten Unterlagen (Befunde mit BV gekennzeichnet) eine Änderung des Gutachtens vom 25.9.2017 ergeben.:

Es werden teilweise neue Befunde vorgelegt:

Befund Orthopädie Speising (sehr schlecht lesbar) 18.05.2008?; auf

Seite 3, 4 Neurologischer Befund Dr. XXXX 24.11.2011:

Polyneuropathie bei hereditärer motorisch sensibler Neuropathie, reaktiv depressives Verstimmungsbild bei neurotischer Grundstruktur, die kognitive und mnestischen Parameter weitgehend erhalten.

Befund Orthopädie Speising 18.05.2009: bereits beim Gutachten 21.09.2017 vorliegend.

Tonbandprotokoll Arbeits- Sozialgericht Wien 01.02.2012: AW gegen PV wegen BU Pension- Vergleich abgeschlossen

Gerichtsspruch 27.03.2015 BVwG: Beschwerde gegen Bescheid des Bundesrates für Soziales und Behindertenwesen (Landesstelle Vorarlberg): Gesamtgrad der Behinderung 70%, Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel"

Gutachten BBG Dr. XXXX 16.02.2017: angeborene motorische Neuropathie Gdb 20%

(...)

Beantwortung der Fragen des BVWG:

ad1) Obwohl es sich um eine Krankheit durch Veränderung des Erbgutes handelt, wurde im gegenständlichen Fall die Positionsnummer 04.06.XX gewählt, da hier die peripheren Nerven betroffen sind (Neuropathien) und in Folge der Nervenschädigung es zu verschieden stark ausgeprägten Muskelstörungen im Sinne von Muskelrückbildung und Muskelschwäche kommt. Die Position 04.07.XX wird in der Regel für genetisch bedingte Dystrophien (d.h. primäre Muskelerkrankungen, wo es durch Veränderungen des Erbgutes zu Defekten der Funktionen der Muskeln kommt) verwendet. Das VGA des Erstverfahrens vom 14.03.2017, wo die Pos. Nr. 04 07 01 eingestuft wurde, lag nicht vor, daher konnte kein Bezug darauf genommen werden.

ad2) Die BF hat in der Anamnese und Schilderung der Beschwerden keine reaktive psychische Belastungssituation und Zustand der Erschöpfung und Resignation vorgebracht. Rezente psychiatrische Befunde, die solches untermauern, wurden nicht vorgelegt. Es wurde keine entsprechende spezifische Therapie oder nervenfachärztliche Behandlung angegeben.

ad3) Nein- siehe ad 2.

ad4) Gefühlsstörungen der Arme wurden nicht angegeben. Die Gefühlsstörungen der Beine wurden lt. Angabe angeführt. Eine erhöhte Ermüdbarkeit der Arme wurde nicht angegeben. Eine Kraftminderung der Arme konnte in der neurologischen Untersuchung nicht festgestellt werden.

ad5) Eine Besserung seit 01.02.2012 ist aus fachärztlicher Sicht nicht anzunehmen.

ad6) Die Ausführungen in der Stellungnahme sind nicht geeignet, die vorgenommene Einstufung zu ändern.

Stellungnahme zur Stellungnahme der BF vom 03.11.2017 (soweit sie nicht schon in der Fragen des BvWG beantwortet wurden-siehe oben - Fragen 1-6): Alle zum Zeitpunkt der Untersuchung am 21.09.2017 vorliegenden medizinischen Fakten wurden eingesehen, angeführt, berücksichtigt und nicht übersehen. Die Wahl der Positionsnummer wurde obig erklärt, der Rahmensatz ergibt sich aus der klinisch neurologischen Untersuchung und Bewertung der funktionellen Einschränkungen wie ausführlich beschrieben - mit unter anderem einer Muskelkraft von 50-75% der Vorfußhebung - und Senkung. Auf die psychischen Aspekte wurde bereits obig eingegangen. Die Gefühlsstörung der Beine wurde nach Angabe im Gutachten angeführt. Gefühlsstörungen der Arme wurden bei der gegenständlichen Untersuchung nicht angegeben. Daher wird dem aktuell angegebenen Zustand mehr Gewicht beigemessen, als der vorliegenden Anamnese vom 16.11.2011. Die Unsicherheit beim Gehen wurde im Gutachten dokumentiert. Eine erhebliche Erschwernis der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist daraus nicht ableitbar. Die Angaben der BF wurden im gegenständlichen Gutachten am Computer 1:1 mitgeschrieben. Es kann aber nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden, dass in der Fülle der Information eine Vertippung von 45 auf 54 möglich gewesen ist.

Die nachgereichten Unterlagen (Befunde mit BV gekennzeichnet) ergeben keine Änderung des Gutachtens vom 25.9.2017."

In weiterer Folge übermittelte das Sozialministeriumservice das Gutachten der Beschwerdeführerin am 08.03.2018 zum Parteiengehör mit einer Stellungnahmefrist von drei Wochen.

Mit Stellungnahme vom 04.04.2018 zeigte sich die Beschwerdeführerin mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zufrieden. Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Sachverständige die falsche Pos.Nr. 04.06.XX gewählt habe. Ihre CMT Krankheit sei im angeführten Befund klar definiert und habe die Pos.Nr 04.07.XX. Weiters hätte die Sachverständige angeblich keine Befunde erhalten, welche die reaktive psychische Belastungssituation sowie den Zustand der Erschöpfung und Resignation untermauern würden. Im Anhang wurde der Befund nun mitgeschickt, welcher dies untermauere. Zudem seien in der Anamnese ihre Ermüdungserscheinungen, welche nach 100 Metern, mit Pause weiters nach 30 Metern auftreten würden, nicht überprüft worden. Die Sachverständige habe sich mit den Befunden leider nicht genügend auseinandergesetzt und das Fehlen eines passenden Belastungs- und Ermüdungstests setze die Anamnese der Sachverständigen in Frage.

Das SMS holte in weiterer Folge eine weitere Stellungnahme der bereits befassten Sachverständigen für Neurologie vom 16.04.2018 ein, in der Folgendes ausgeführt wurde:

"Gutachten vom 21 09 2017 und 1. Stellungnahme vom 06 03 2018

PG-Unterlagen eingelangt am 04.04.2018

vorgelegte Befunde/ Gutachten eingelangt 04 04 2018:

Elektroneurographie FA Physikalische Medizin Dr. XXXX 14.09.2017:

(Anmerkung: dieser Befund lag bereits beim Gutachten vom 21.09.2017 vor und wurde berücksichtigt)

Diagnose und Beurteilung:

Sehr deutliche Innervationsstörungen beider nn.peron. und nn.tibales und geringgradige periphere Innervationsstörungen beider nn.femorales - diese sind mittels Elektroneurographie und Reizstromuntersuchung zu verifizieren. Diese elektrodiagnostischen Ergebnisse sind ganz ähnlich wie im Gutachten vom 24.11.2011.

Neurologisches Psychiatrisches Sachverständigengutachten Ergänzungsgutachten Dr. XXXX 09.12.2011:

(Anmerkung: dieses Gutachten lag bereits beim Gutachten vom 21.09.2017 vor und wurde berücksichtigt):

Neurologisch besteht ein Polyneuropathiesyndrom bei verifizierter hereditären motorisch sensiblen Neuropathie, mit sensomotorischem Defizit, Muskelatrophie

Psychisch: findet sich eine reaktive Depressio, bei neurotischer Grundstruktur, mit Schwankung im Konzentrations-/Aufmerksamkeitsbereich. Es findet sich kein Hinweis auf psychotische Radikaie.

Aufgrund der vorliegenden - genetisch gesicherten - Diagnose und der fortgeschrittenen Beschwerdesymptomatik und der spezifischen Therapiedefizienz ist bei progredientem Verlauf der Grunderkrankung oben Genannte nicht mehr in der Lage, einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Eine Besserbarkeit ist nicht zu erwarten. Der Zustand besteht seit Untersuchungszeitpunkt. Neurologisch psychiatrisches Sachverständigengutachten Dr. XXXX 16.11.2011:

(Anmerkung: dieses Gutachten lag bereits beim Gutachten vom 21.09.2017 vor und wurde berücksichtigt)

BEURTEILUNG:

Vor abschließender Stellungnahme wird ein elektroneurodiagnostischer Befund eingeholt. Diesbezüglich wird der Klägerin eine Zuweisung zu Prim. Dr. XXXX mitgegeben. Die Erstellung des Kalküls erfolgt nach Einlangen des ausständigen Befundes.

Die mit 04.04.2018 eingelangten Gutachten/Befunde sind bereits beim Gutachten mit Untersuchung vom 21.09.2017 und bei der 1. Stellungnahme vom 06.03.2018 vorgelegen und wurden eingesehen und berücksichtigt.

Daher ergibt sich hier keine Änderung der Einschätzung."

Mit Bescheid vom 18.04.2018 wies das Sozialministeriumsservice den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mangels der Voraussetzungen ab. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten verwiesen.

In weiterer Folge erhob die Beschwerdeführerin am 14.05.2018 dagegen Beschwerde. Die Beschwerde entsprach ihrer Stellungnahme vom 04.04.2018.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin erfüllt die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 v.H.

1.2. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

beschwerderelevanter Status:

Obere Extremitäten: Kraft: seitengleich unauffällig; Trophik:

unauffällig; Tonus: unauffällig; Motilität: Nacken und Schürzengriff: nicht eingeschränkt Seitabduktion bds. bis zur Senkrechten Faustschluss und Fingerspreizen gut durchführbar

Pinzettengriff: bds. möglich Feinmotorik: ungestört; MER (BSR, RPR, TSR): seitengleich mittellebhaft; Pyramidenbahnzeichen: negativ Eudiadochokinese; AVV: beidseits gehalten ohne Absinken, ohne

Pronation FNV: zielsicher bds.; Sensibilität: seitengleich unauffällig.

Untere Extremitäten: Vorfußhebung- und senkung KG 3-4, Zehenhebung KG 1, Zehenplantarflexion KG 2-3; Trophik: frgl leichte Wadenatrophie, Atrohpie der kleinen Fußmuskeln, hoher Rist, leichte Krallenstellung der Zehen; Tonus: unauffällig; Motilität: nicht eingeschränkt; PSR: links untermittellebhaft, rechts sehr schwach;

ASR: bds nicht auslösbar; Pyramidenbahnzeichen: negativ; Laseque:

negativ; Sensibilität: distale Gefühlsminderung ab Knöchelhöhe zu den Zehen hinzunehmend.

Stand und Gang: ohne Schuhwerk: kein Fallfuß, aber fehlendes Anheben der Zehen bds., Fuß bds. wird auf der Ferse aufgesetzt und abgerollt. Romberg: unauffällig. Unterberger Tretversuch:

durchführbar aber etwas unsicher, kein Abweichen, keine Falltendenz.

Zehen- und Fersenstand: nicht möglich. Beinvorhalteversuch: kein

Absinken. Knie- Hacke- Versuch: zielsicher bds.

Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt alleine gehend zur Untersuchung, zieht einen Einkaufswagen auf Rollen hinter sich her, in dem Befunde etc. verstaut sind, und auch ein Walkingstock. Trägt normale Turnschuhe. Kommt mit ÖVM.

Psychischer Status: Kooperativ und freundlich, gut auskunftsfähig, bewußtseinsklar, voll orientiert, kein kognitiv- mnestisches

Defizit, Gedankenductus: geordnet, kohärent; Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen, stabil, gut affizierbar; Affekte: angepasst, keine produktive Symptomatik.

1.3. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Polyneuropathie (HMSN - hereditäre motorisch und sensible Neuropathie) 2 Stufen über unterem Rahmensatz, da sensomotorisches Defizit der Beine, aber nicht wesentlich eingeschränkte, selbstständige Gehfähigkeit.

04.06.01

30

Der Gesamtgrad

der Behinderung beträgt 30 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Die belangte Behörde holte im Erstverfahren ein Gutachten einer Fachärztin für Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 15.03.2017 ein, die das neurologische Leiden "angeborene motorischen Neuropathie" unter 04.07.01 eingestufte.

Aufgrund der damaligen Beschwerde wurde der im Erstverfahren bekämpfte Bescheid vom BVwG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen mit dem Auftrag ein neurologisches Gutachten einzuholen.

Im fachärztlich-neurologischen Gutachten vom 25.09.2017, welches von der belangten Behörde im Zweitverfahren nunmehr eingeholt wurde, stufte die Sachverständige das Leiden der Beschwerdeführerin (Polyneuropathie (HMSN - hereditäre motorisch und sensible Neuropathie) nachvollziehbar unter Zugrundelegung der von ihr vorgelegten medizinischen Unterlagen sowie der eigenen Untersuchung unter Pos. Nr. 04.06.01 ein.

Aufgrund der damaligen Beschwerde wurde auch der im Zweitverfahren bekämpfte Bescheid vom BVwG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen, insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Einstufungen und 04.07.XX bzw. 04.06.XX. In den im Drittverfahren eingeholten Stellungnahmen vom 06.03.2018 und 16.04.2018 der bereits befassten Sachverständigen für Neurologie beschreibt die Fachärztin für Neurologie den Status der Beschwerdeführerin genau und detailreich und unterzog auch alle von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen einer Beurteilung.

Das Leiden 1 - Polyneuropathie (HMSN- hereditäre motorisch und sensible Neuropathie) - wurde unter der Pos.Nr. 04.06.01 zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz korrekt eingestuft, da im Rahmen der Begutachtung sensomotorische Defizite der Beine objektiviert werden konnten und keine wesentlich eingeschränkte und somit selbständige Gehfähigkeit vorliegt.

Wenn die Beschwerdeführerin moniert, dass das Leiden 1 unter der falschen Positionsnummer eingestuft worden sei und richtigerweise unter Pos.Nr. 04.07.XX einzustufen gewesen wäre, so ist dem die nachvollziehbare und schlüssige Ausführung der befassten Fachärztin für Neurologie entgegenzuhalten, wonach trotz Bestehen einer Krankheit durch Veränderung des Erbgutes die Pos.Nr. 04.06.XX gewählt wurde, da im gegenständlichen Fall die peripheren Nerven betroffen sind (Neuropathien) und in Folge der Nervenschädigung es zu verschieden stark ausgeprägten Muskelstörungen im Sinne von Muskelrückbildung und Muskelschwäche kommt. Die Position 04.07.XX wird jedoch in der Regel für genetisch bedingte Dystrophien (d.h. primäre Muskelerkrankungen, wo es durch Veränderungen des Erbgutes zu Defekten der Funktionen der Muskeln kommt) verwendet.

Hinsichtlich des Beschwerdevorbringens, wonach ihre reaktive psychische Belastungssituation und der Zustand der Erschöpfung und Resignation nicht überprüft worden seien, ist anzumerken, dass keine rezenten psychiatrischen Befunde, die ein solches Leiden untermauern, vorgelegt wurden. Darüber hinaus hält die befasste Sachverständige für Neurologie fest, dass auch keine entsprechende spezifische Therapie oder nervenfachärztliche Behandlung dokumentiert ist.

Wenn die Beschwerdeführerin geltend macht, dass sie an einer zunehmend vorzeitigen Ermüdbarkeit mit Gefühlsstörung in den Armen leide, so ist festzuhalten, dass im Rahmen der Begutachtung derartige Gefühlsstörungen nicht angegeben wurden und zudem eine neurologische Kraftminderung der Arme im Rahmen der neurologischen Untersuchung auch nicht objektiviert werden konnten.

Die geltend gemachte Unsicherheit beim Stehen sowie Gehen besteht und wurde bei der Beurteilung im Gutachten berücksichtigt.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des eingeholten Sachverständigengutachtens. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die Fachärztin beschreibt den Status der Beschwerdeführerin genau und detailreich und unterzog auch alle von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen einer Beurteilung.

Die Beschwerdeführerin ist dem eingeholten Sachverständigengutachten in ihrer Beschwerde nicht auf gleicher fachlicher Ebene ausreichend konkret entgegengetreten.

Für den erkennenden Senat ergibt sich kein Anhaltspunkt vom festgestellten Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 von Hundert abzuweichen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Zu A)

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Vorheriger Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vor- und Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen (§ 42 Abs. 1 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Die Feststellung hinsichtlich des Grades der Behinderung gründet sich auf das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten einer Fachärztin für Neurologie, worin ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 % festgestellt wurde.

Die Beschwerdeführerin ist dem Gutachten nicht in substantiierter Weise entgegengetreten.

Nachdem die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Änderung des Spruches erfolgte unter Zugrundelegung des Erkenntnisses des VwGH vom 13. Dezember 2018, Ra 2018/11/0204-7, Rz

23.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG).

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der beschwerdeführenden Partei festgestellten Gesundheitsschädigungen.

Zur Klärung des Sachverhaltes wurden mehrere ärztliche Gutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde das neurologische Gutachten samt Stellungnahme als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Die beschwerdeführende Partei hat auch mit der Beschwerde keine Beweismittel vorgelegt, welche mit der erstinstanzlichen gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Für den erkennenden Senat lässt sich aus einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W200.2159560.3.00

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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