TE Bvwg Beschluss 2019/4/29 W185 2202610-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.04.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

29.04.2019

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W185 2202610-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch RA Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Plainstraße 23, 5020 Salzburg, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Ankara vom 15.05.2017, Zl. Ankara-ÖB/KONS/0892/2017, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige aus Somalia, stellte am 23.03.2016 bei der Österreichischen Botschaft Ankara (im Folgenden: "ÖB Ankara") einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG. Begründend führte sie aus, ihr Ehemann, XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, sei in Österreich aufhältig. Diesem sei mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2015 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden.

Dem Antrag wurden folgende Unterlagen in Kopie beigelegt:

-

Reisepass der Bezugsperson

-

Bescheid des Bundesamtes betr. Zuerkennung des Asylstatus an die Bezugsperson

-

ZMR-Auszug die Bezugsperson betreffend

-

Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin

-

bezirksgerichtliche Bestätigung vom 14.03.2016 betreffend die Eheschließung zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson am 05.04.2012 in Mogadischu

Nachdem die Antragsunterlagen dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelt wurden, teilte dieses der belangten Behörde mit Schreiben vom 09.08.2016 mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten im vorliegenden Fall nicht wahrscheinlich sei, da die Ehe zwischen der Antragstellerin und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, weshalb die Antragstellerin keine Familienangehörige im Sinne des 4. Hauptstücks des AsylG 2005 sei. Zudem würden die Angaben der Antragstellerin zur Angehörigeneigenschaft gem. § 35 AsylG 2005 in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen.

In der bezughabenden Stellungnahme des Bundesamtes vom 09.08.2016 wurde konkretisierend ausgeführt, dass der Bezugsperson am 05.10.2015 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden und ein Aberkennungsverfahren nicht anhängig sei. Die Antragstellerin bringe vor, die Ehefrau der Bezugsperson zu sein. Die Einreise der Antragstellerin sei nicht möglich, da im Herkunftsland kein Eheleben bestanden habe. Im Zuge der Prüfung des bestehenden Familienverhältnisses hätten sich bei einer Gegenüberstellung der Angaben der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson gravierende Widersprüche ergeben. Aufgrund dieser Widersprüche und mangels vorgelegter, relevanter und unbedenklicher Beweismittel sei keineswegs vom Nachweis im Sinne eines vollen Beweises des Familienverhältnisses auszugehen. Konkret wurde angeführt, dass die Beschwerdeführerin in einem ergänzenden Fragekatalog keine Antwort darauf habe geben können, seit wann sie ihren angeblichen Ehemann kenne. Der angebliche Ehemann der Beschwerdeführerin gab an, im Zeitraum von 2006 bis 2012 für die UNO und eine NGO gearbeitet zu haben, wobei seine Tätigkeit nachweislich in Somalia, XXXX , stattgefunden habe. Die Bezugsperson habe zahlreiche Dokumente vorgelegt welche diese Tätigkeit bestätigen würden. Die Beschwerdeführerin habe demgegenüber angegeben, gemeinsam mit der Bezugsperson im Februar 2012 von Saudi-Arabien nach Somalia gezogen zu sein. Somit seien offensichtlich falsche Angaben getätigt worden. Diese Vermutung werde auch durch ein Schreiben des UNHCR vom 22.09.2015 untermauert, nachdem auch hier keine Rede von einem Aufenthalt in Saudi-Arabien sei. Im Übrigen habe die Beschwerdeführerin im Antragsformular einerseits angegeben, Arabisch und Englisch zu sprechen, wohingegen sie im ergänzenden Fragekatalog angeführt habe, Arabisch, etwas Englisch und Somali zu sprechen. Ihr angeblicher Ehemann habe in seiner Erstbefragung vom 29.04.2015 angeführt, dass seine Muttersprache Somali sei. Er habe jedoch nicht angegeben, Arabisch zu sprechen. Da die beiden Personen angegeben hätten, vom gleichen Clan und verheiratet zu sein, würden sich auch hier Zweifel an der Glaubwürdigkeit ergeben. Des Weiteren würden Zweifel an der Echtheit der Heiratsurkunde bestehen, da der Name der Mutter der Beschwerdeführerin mit einem blauen Stift nachträglich eingefügt worden sei. In Bezug auf somalische Dokumente müsse grundsätzlich darauf hingewiesen werden, dass eine Dokumentensicherheit bei somalischen und somaliländischen Dokumenten nicht gegeben sei. Aus den dargelegten Gründen sei zum derzeitigen Zeitpunkt die Zuerkennung des Status iSd § 35 Abs. 4 AsylG nicht wahrscheinlich.

Mit "Aufforderung zur Stellungnahme (Parteiengehör)" vom 11.08.2016, übernommen am 16.08.2016, wurde der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben, die angeführten Ablehnungsgründe durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen. Ablehnungsgründe: Die Ehe zwischen der Antragstellerin und der Bezugsperson habe nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden, weshalb die Antragstellerin keine Familienangehörige iSd 4. Hauptstücks des AsylG 2005 sei (§ 35 Abs 5 AsylG 2005). Die Angaben der Antragstellerin zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG 2005 widersprächen in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben.

Mit Stellungnahme vom 22.08.2016 hielt die Beschwerdeführerin, vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, Generalsekretariat, zunächst fest, dass die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson am 05.04.2012 in Mogadischu geheiratet hätten. Die Ausstellung der Urkunde über die Eheschließung habe im Jahr 2016 stattgefunden. Die Eheleute hätten nach der Hochzeit in einer gemieteten Wohnung in Mogadischu gelebt. Im Dezember 2012 habe die Bezugsperson das Land verlassen müssen. Die Beschwerdeführerin habe weiterhin in der genannten Mietwohnung gelebt und sei von der Bezugsperson finanziell unterstützt worden, um die Miete bezahlen zu können. Die Familie der Beschwerdeführerin habe in der Nachbarschaft gelebt. Am 05.10.2015 sei der Bezugsperson in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden. Im Dezember 2015 habe die Beschwerdeführerin Somalia verlassen und am 23.03.2016 bei der Botschaft in Ankara den vorliegenden Einreiseantrag gestellt, um mit ihrem Ehemann das gemeinsame Familienleben in Österreich fortsetzen zu können. Zum Ablehnungsgrund des "Nichtbestehens der Ehe bereits im Herkunftsland" wurde vorausgeschickt, dass gemäß den Bestimmungen des IPR-Gesetzes im vorliegenden Fall das somalische Eherecht zur Bestimmung der Gültigkeit der Ehe herangezogen werden müsse. In der polizeilichen Erstbefragung habe die Bezugsperson vor den Behörden seine traditionelle Eheschließung angeführt und auch den Namen und das Alter seiner Ehefrau genannt. Diese Aussage sei im Asylverfahren der Bezugsperson nicht bezweifelt worden. In Somalia sei eine traditionelle Eheschließung durchaus üblich und anerkannt. Die nachträgliche Ausstellung der Heiratsurkunde würde nicht das ursprüngliche Hochzeitsdatum verändern; die Heiratsurkunde sei eine Bestätigung, dass eine Hochzeit zu dem angegebenen Datum stattgefunden habe. Im vorliegenden Fall sei nicht nachvollziehbar, wie die Behörde zu dem Ergebnis komme, dass die Ehe nicht im Herkunftsstaat bestanden habe. Falls sich der Ablehnungsgrund auf die generelle Beweiskraft somalischer Dokumente beziehe, sei festzuhalten, dass die Ablehnung eines Antrages nicht ausschließlich mit dem Fehlen von Belegen begründet werden dürfe. Zum Ablehnungsgrund der sich "widersprechenden Angaben der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson" wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführerin keine Möglichkeit für eine relevante Stellungnahme gegeben worden sei, da weder die zuständige Inlandsbehörde noch die zuständige Botschaft bekannt gegeben hätten, in welchen Aussagen genau die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson einander widersprechen würden. Es werde beantragt, die vermeintlichen Widersprüche konkret zu benennen, um der Beschwerdeführerin die Abgabe einer Stellungnahme hiezu zu ermöglichen.

Mit Schreiben des Bundesamtes an die ÖB Ankara vom 25.08.2016 wurde mitgeteilt, dass die Ausführungen in der Stellungnahme vom 22.08.2016 nicht geeignet seien, die negative Wahrscheinlichkeitsprognose vom 09.08.2016 zu beeinflussen, zumal keine Neuerungen vorgebracht worden seien, sondern lediglich gefordert worden sei, die vermeintlichen Widersprüche konkret zu benennen, um eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen. Es sei jedoch bereits in der Stellungnahme vom 09.08.2016, welche zusammen mit der Mitteilung vom 09.08.2016 an die Botschaft übermittelt worden sei, auf alle Widersprüche ausführlich eingegangen worden. In weiterer Folge wurde der Inhalt der Stellungnahme vom 09.08.2016 erneut wiedergegeben und ausgeführt, dass der Sachverhalt für das Bundesamt unverändert bleibe und die negative Wahrscheinlichkeitsprognose demnach aufrecht bleibe. Ein Eheverhältnis zur Ankerperson habe nicht festgestellt werden können, weshalb eine Statusgewährung nicht wahrscheinlich sei.

Mit E-Mail Schreiben vom 21.09.2016 wurde dies dem Vertreter der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht; in der Anlage dieses Schreibens wurde die Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2016 (erstmalig) übermittelt.

In der daraufhin am 23.09.2016 übermittelten Stellungnahme wurde klargestellt, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Familie bis 2012 in Saudi-Arabien und anschließend in Somalia gelebt habe, wo sie in das Haus ihres (damals zukünftigen) Ehemannes gezogen sei. Die Beschwerdeführerin habe nie angegeben, mit ihrem Ehemann in Saudi-Arabien gelebt zu haben. Sie sei - wie erwähnt - nach ihrer Rückkehr nach Somalia im Februar 2012 mit ihrer Familie in das Haus der Familie der Bezugsperson gezogen und habe diese im April 2012 geheiratet. Das Ehepaar komme aus demselben Clan; etwa ein Jahr vor ihrer Rückkehr sei sie mit ihrem nunmehrigen Ehemann (mit Hilfe von Telefon, Skype, Facebook und Viber) in Kontakt getreten; persönlich getroffen habe sie diesen in Somalia erst im Jahr 2012. Weiters wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin im Antragsformular angeführt habe, Arabisch und Englisch zu sprechen, da sie gedacht habe, die Frage würde sich nach ihren Fremdsprachenkenntnissen richten. Ihre Muttersprache sei jedoch Somali. Beide Eheleute würden sogar den gleichen Dialekt - Mayaa Tri - sprechen; es komme zu keinen sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten zwischen den beiden. Zu den ausgebesserten Namen auf der Heiratsurkunde wurde Folgendes ausgeführt: Die ausstellende Behörde habe auf der Heiratsurkunde anstelle des Namens der Mutter XXXX den Namen XXXX angeführt. Der Name sei von der Behörde selbst nachträglich verbessert worden und habe diese die vorgenommenen Änderungen auch mit einem Stempel bestätigt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.05.2017 verweigerte die ÖB Ankara die Erteilung des Einreisetitels gem. §26 FPG, iVm §35 AsylG. Die ÖB Damaskus habe die Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 22.08.2018 dem Bundesamt zugeleitet. Das Bundesamt habe nach deren Prüfung mitgeteilt, dass durch das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht hätte unter Beweis gestellt werden können, dass die Stattgebung eines Antrags auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten entgegen der seinerzeit erfolgten Mitteilung wahrscheinlich sei. Deshalb halte das Bundesamt an seiner Entscheidung vom 09.08.2016 fest. Der Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels sei daher abzuweisen gewesen.

Gegen den Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 31.05.2017. Darin wird kritisiert, dass es das Bundesamt und die Botschaft unterlassen hätten, sich mit den Argumenten in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 23.09.2016, in welcher die Widersprüche aufgeklärt worden seien, auseinanderzusetzen. Es sei nicht erkennbar, ob die Ausführungen der Stellungnahme ignoriert oder aber in der Bescheidbegründung allfällig getroffene Erwägungen nicht dargestellt worden seien. Für die Wahrung des Rechts auf Parteiengehör sei es aber nicht ausreichend, dass lediglich eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt werde, sondern sei nach Abgabe dieser Stellungnahme eine Auseinandersetzung mit den angeführten Argumenten erforderlich. Diese Auseinandersetzung sei in der Begründung des Bescheides wiederzugeben. Die unterlassene Auseinandersetzung mit den in der Stellungnahme vorgebrachten Argumenten, Beweismitteln und Anträgen, stelle eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör bzw. einen Begründungsmangel dar. Im Übrigen wurden die Ausführungen aus der Stellungnahme vom 23.09.2019 wiederholt. Die Beschwerdeführerin entspreche der Definition des § 35 Abs. 5 AsylG und sei als Familienangehörige zu betrachten.

Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen.

Mit E-Mail vom 03.07.2018 erkundigte sich der zwischenzeitig bevollmächtigte Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin bei der ÖB Ankara nach dem Erhalt der Beschwerde bzw dem weiteren Verfahrensablauf.

Mit Schreiben des BMI vom 01.08.2018 wurden die Verfahrensakten dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

Mit Schriftsatz des gewillkürten Vertreters der Beschwerdeführerin vom 04.02.2019 wurde ein Fristsetzungsantrag gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof forderte das Bundesverwaltungsgericht mit verfahrensleitender Anordnung vom 14.02.2019, Zl Fr 2019/18/0004-2, beim BVwG eingelangt am 26.02.2019, auf, binnen drei Monaten eine Entscheidung zu erlassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Behebung des Bescheides und Zurückverweisung:

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 idgF lauten:

Familienverfahren im Inland

"§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

2. aufgehoben

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

2. aufgehoben

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

§ 35 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 68/2013

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

"§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat."

§ 75 Abs. 24 AsylG 2005 lautet:

"(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs. 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:

Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

"§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

Die Regelung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Falle, dass die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 12.11.2014, Zl. Ra 2014/20/0029 (unter Verweis auf das Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063) zur Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG ausgeführt:

"Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dort mit dieser Frage auseinandergesetzt und dargelegt, dass ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch die Verwaltungsgerichte gesetzlich festgelegt ist. Die nach § 28 VwGVG von der meritorischen Entscheidungspflicht verbleibenden Ausnahmen sind strikt auf den ihnen gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem genannten Erkenntnis insbesondere ausgeführt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden kann. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden."

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, sofern in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN sowie VfSlg. 14.421/1996 und 15.743/2000).

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH vom 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel:

"Verwaltungsverfahren Band I2", E 84 zu § 39 AVG).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesamtes über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung, und kommt dieser diesbezüglich keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034; VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).

Ungeachtet dieser für die Vertretungsbehörden bestehenden Bindungswirkung an die Prognoseentscheidung des Bundesamtes steht es dem Bundesverwaltungsgericht allerdings nunmehr - innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems - offen, auch die Einschätzung des Bundesamtes über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002). Auch wenn es sich bei der Mitteilung des Bundesamtes um keinen Bescheid handelt, der vom Antragsteller (selbständig) angefochten werden kann (VwGH 06. 10.2010, 2008/19/0527), setzt die Möglichkeit einer Überprüfung der Richtigkeit dieser Prognose durch das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls voraus, dass dieser Mitteilung des Bundesamtes in nachvollziehbarer Weise zu entnehmen ist, aus welchen Gründen das Bundesamt die Zuerkennung des beantragten Schutzstatus für nicht wahrscheinlich hält.

Diesem Erfordernis vermögen die Mitteilungen des Bundesamtes im gegenständlichen Fall - wie im Folgenden dargelegt wird - nicht zu genügen:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stützte seine negativen Wahrscheinlichkeitsprognosen zum einen auf den Umstand, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, weshalb die Beschwerdeführerin nicht als Familienangehörige im Sinne des 4. Hauptstücks des AsylG 2005 (§ 35 Abs 5 AsylG 2005) anzusehen sei. In der erstmaligen negativen Mitteilung des Bundesamtes gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 vom 09.08.2016 wird lapidar festgehalten, dass im Herkunftsland kein Eheleben bestanden habe. Dies wurde, soweit ersichtlich, aus den von der Beschwerdeführerin im "ergänzenden Fragenkatalog" getätigten Angaben geschlossen, welche nach Ansicht der Behörde mehrere gravierende Widersprüche zu den Angaben der Bezugsperson in seinem Asylverfahren aufweisen würden. Auch seien Zweifel an der Echtheit der vorgelegten Heiratsurkunde entstanden, nachdem darin nachträgliche Eintragungen erfolgt seien.

Dies vermag die Verneinung des Bestehens einer Ehe bereits im Herkunftsstaat bzw. nach nunmehriger Rechtslage vor der Einreise der Bezugsperson (vgl § 35 Abs 5 AsylG 2005 idgF), allerdings nicht zu begründen, zumal jegliche Ausführungen zur Rechtsgültigkeit der im Jahr 2012 traditionell geschlossenen und im Jahr 2016 registrierten Ehe seitens der Behörde unterlassen wurden. Die Bezugsperson hat in ihrem Verfahren angegeben, mit der Beschwerdeführerin nach traditionellem Ritus verheiratet zu sein. Die Beschwerdeführerin hat in der Stellungnahme vom 22.08.2016 ausgeführt, die Bezugsperson im April 2012 im Mogadischu vor zwei Zeugen geheiratet zu haben; die Registrierung der Ehe sei im Jahr 2016 erfolgt. Ausführungen, weshalb die traditionell erfolgte Eheschließung mit nachträglicher Registrierung im Herkunftsstaat keine bereits im Herkunftsstaat gültige Ehe gewesen sein soll, sind zur Gänze unterblieben.

Was die Frage der Beurteilung der Rechtsgültigkeit einer Eheschließung von Drittstaatsangehörigen im Ausland betrifft, so entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ausländisches Recht keine Rechtsfrage, sondern eine Tatfrage darstellt, welche in einem - grundsätzlich amtswegigen - Ermittlungsverfahren festzustellen ist, wobei eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht, soweit dies erforderlich ist (z.B. VwGH, 27.06.2017, Ra 2016/18/0277; 19.03.2009, 2007/01/0633).

Das Bundesamt hat nach dem Gesagten aber jegliche Auseinandersetzung mit den rechtlichen Voraussetzungen einer Eheschließung nach somalischem Recht im Allgemeinen und den dortigen Gepflogenheiten sowie der behördlichen Anwendungspraxis, unterlassen.

Als Begründung der ihrer Ansicht nach fehlenden Familienangehörigeneigenschaft führte das Bundesamt in seiner Stellungnahme nach § 35 Abs 4 AsylG vom 09.08.2016 aus, dass die Angaben der Beschwerdeführerin zur Angehörigeneigenschaft im ergänzenden Fragenkatalog (Anm: Welcher sich nicht im Akt findet) in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen würden. In der genannten Stellungnahme des Bundesamtes findet sich eine detaillierte Auflistung der vom Bundesamt (vermeintlich) festgestellten Widersprüche in den Aussagen. Die Wahrscheinlichkeitsprognose veranlasste die ÖB Ankara, die Beschwerdeführerin am 11.08.2016 zur Abgabe einer Stellungnahme aufzufordern. Als Ablehnungsgründe wurden darin bekannt gegeben: Die Ehe zwischen der Antragstellerin und der Bezugsperson habe nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden, weshalb die Antragstellerin keine Familienangehörige iSd 4. Hauptstücks des AsylG 2005 sei (§ 35 Abs 5 AsylG 2005). Die Angaben der Antragstellerin zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG 2005 widersprächen in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben. Nähere Ausführungen finden sich im genannten Schreiben des Bundesamtes nicht. In der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 22.08.2016 wurden Ausführungen zum Bestand der Ehe im Herkunftsstaat getroffen und letztlich auch beantragt, die vermeintlichen Widersprüche konkret zu benennen, um der Beschwerdeführerin eine zweckgerichtete Stellungnahme zu ermöglichen. Diese Stellungnahme wurde dem Bundesamt zugeleitet, welche nach "Prüfung" beim Inhalt ihrer Wahrscheinlichkeitsprognose blieb (25.08.2016).

Die ausführliche Stellungnahme des Bundesamtes vom 09.08.2016 wurde der Beschwerdeführerin mit E-Mail vom 21.09.2016 erstmalig zur Kenntnis gebracht. Demnach war es der Beschwerdeführerin erst ab diesem Zeitpunkt tatsächlich möglich, zu den angeblichen Widersprüchen zielgerichtet und substantiiert Stellung zu nehmen. Von dieser Möglichkeit machte die Beschwerdeführerin am 23.09.2016 auch Gebrauch. Aus der Aktenlage ergibt sich jedoch nicht, dass sich das Bundesamt oder die Botschaft mit dem Inhalt dieser Stellungnahme auseinandergesetzt hätten. Eine 3. Prognoseentscheidung findet sich im Akt jedenfalls nicht. Auch in dem angefochtenen Bescheid vom 15.05.2017 haben diese "Klarstellungen" keinen ersichtlichen Eingang gefunden haben. Es ist davon auszugehen, dass diese Ausführungen und Klarstellungen tatsächlich keine Berücksichtigung im vorliegenden Fall gefunden haben. Eine Beschwerdevorentscheidung, in der die Ausführungen der Beschwerdeführerin vom 23.09.2016 hätten Berücksichtigung finden können, wurde nicht erlassen. Ein bloßer Austausch der diesbezüglichen Erwägungen zwischen dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und der ÖB Ankara ist nicht ausreichend. Ein Antragsteller muss in die Lage versetzt werden, auch zur Einschätzung des Bundesamtes über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes ein zweckentsprechendes, zielgerichtetes Vorbringen zu erstatten. Dazu wird er regelmäßig nur dann in der Lage sein, wenn ihm die Gründe für die Einschätzung des Bundesamtes im Verfahren hinreichend genau dargelegt werden.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im Sinne der Rechtsprechung des VwGH mögliche Widersprüche, die sich aus den Einvernahmen mit der Bezugsperson und aus den Angaben der Antragsteller ergeben können, konkret bekannt zu geben sind, um einem Antragsteller eine entsprechende Stellungnahme dazu zu ermöglichen (VwGH, 09.11.2010, 2007/21/0323). Der Beschwerdeführerin wurde nach dem Gesagten in casu die Möglichkeit genommen, im Rahmen eins ordnungsgemäßen Parteiengehörs auf konkret angeführte Vorhalte der Behörde einzugehen, um so zweckmäßige Ausführungen, welche in der Entscheidung der Behörde auch Berücksichtigung finden, zu erstatten. Dieser der Behörde unterlaufene Verfahrensmangel ist jedoch potenziell von Relevanz für den Ausgang des Verfahrens.

Wie bereits oben kurz erwähnt, ist weiters zu bemängeln, dass es dem erkennenden Gericht aufgrund der unvollständigen Aktenlage bzw. mangels geeigneter Darstellung im Verwaltungsakt, nicht möglich ist, die von der belangten Behörde herangezogenen und als mitausschlaggebend für die gegenständliche Entscheidung angesehenen, vermeintlichen Widersprüche nachzuvollziehen, da weder das Befragungsprotokoll der Bezugsperson noch der "ergänzende Fragenkatalog" (Anm: Welcher seitens des BVwG auch nicht einfach beizuschaffen wäre) im Akt aufliegen. Ein bloßer Verweis darauf bzw. ein bloß auszugsweises Zitieren der (angeblichen) Aussagen der Betroffenen, ohne dass die konkreten Protokolle (samt Datum, Unterschrift etc.) vorliegen würden, ist jedenfalls nicht geeignet, um darauf basierend eine effektive Kontrolle durch das Gericht zu ermöglichen.

Gravierende, zur Kassation iSd § 28 Abs. 3 VwGVG berechtigende Ermittlungslücken iSd vorstehend wieder gegebenen höchstgerichtlichen Judikatur liegen demnach gegenständlich vor.

Im fortgesetzten Verfahren werden daher geeignete Ermittlungen zu den einschlägigen somalischen Rechtsvorschriften einschließlich der dortigen Gepflogenheiten und der Anwendungspraxis in Bezug auf Eheschließungen - wie etwa durch Zugriff auf Informationen der Staatendokumentation - anzustellen und entsprechende Feststellungen zu treffen sein. In deren Lichte wären sodann die Rechtsgültigkeit einer in Somalia traditionell geschlossenen und Jahre später registrierten Ehe - und damit die Familienangehörigeneigenschaft der Beschwerdeführerin iSd § 35 Abs. 5 AsylG 2005 - einer neuerlichen Beurteilung zu unterziehen. Allenfalls wird die (behauptetermaßen gefälschte) Heiratsurkunde kriminaltechnisch einer Echtheitsuntersuchung zu unterziehen sein. Ebenso werden sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Bezugsperson (erneut) zu den vermeintlichen Widersprüchen zu befragen bzw jedenfalls die in der Stellungnahme vom 23.09.2016 erstatteten Ausführungen der Beschwerdeführerin hiezu zu würdigen sein.

Das Bundesverwaltungsgericht weist noch auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W185.2202610.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten