TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/30 W239 2217286-1

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Veröffentlicht am 30.04.2019
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Entscheidungsdatum

30.04.2019

Norm

AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §35
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W239 2217289-1/2E

W239 2217286-1/2E

W239 2217287-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 13.03.2019, Zl. XXXX , aufgrund der Vorlageanträge von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX und

3.) mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Syrien, alle vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, über die Beschwerden gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 09.01.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 35 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin ( XXXX , geb. XXXX ) ist die Mutter der volljährigen Zweitbeschwerdeführerin ( XXXX , geb. XXXX ) und des minderjährigen Drittbeschwerdeführers ( XXXX , geb. XXXX ). Alle sind Staatsangehörige Syriens und stellten am 06.06.2018 schriftlich und am 18.06.2018 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Damaskus (in der Folge: ÖB Damaskus) jeweils einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005.

Als Bezugsperson wurde der Sohn bzw. Bruder der Beschwerdeführer, XXXX geb. XXXX 1999, StA. Syrien, angeführt, welchem mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) vom 10.05.2017, Zl. XXXX , der Status des Asylberechtigten in Österreich zuerkannt wurde.

Zusammen mit dem Antrag wurden Reisepässe, Personenstandsurkunden, Geburtsurkunden, die Sterbeurkunde des Ehemannes bzw. Vaters der Beschwerdeführer, ein Auszug aus dem Familienstandesregister und eine Heiratsurkunde vorgelegt.

2. In seiner Stellungnahme nach § 35 AsylG 2005 vom 31.10.2018 und der Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005 vom selben Tag führte das BFA im Wesentlichen aus, dass betreffend die Beschwerdeführer die Gewährung des Status eines Asylberechtigten oder eines subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Bezugsperson am

XXXX 1999 geboren worden und somit volljährig sei.

3. Mit Schreiben vom 07.11.2018 wurde den Beschwerdeführern die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Ihnen wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass das BFA nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, wobei auf die Stellungnahme und die Mitteilung des BFA vom 31.10.2018 verwiesen wurde, welche ebenfalls übermittelt wurden. Den Beschwerdeführern wurde die Gelegenheit gegeben, innerhalb einer Frist von einer Woche ab Zustellung die angeführten Ablehnungsgründe durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen, widrigenfalls aufgrund der Aktenlage entschieden werde.

4. Mit fristgerechter Stellungnahme vom 13.11.2018 wurde seitens der Vertretung der Beschwerdeführer lediglich mitgeteilt, dass (auch) auf Art.°8 EMRK hinzuweisen sei.

5. Die Stellungnahme wurde dem BFA weitergeleitet und teilte dieses in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 09.01.2019 mit, dass an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten werde.

Begründend führte das BFA unter anderem aus, dass für die Behörde - wie bereits erwähnt - feststehe, dass die Bezugsperson mit XXXX 2017 volljährig geworden sei. Die Legaldefinition des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 stelle nur bei antragstellenden Kindern darauf ab, dass ihre Minderjährigkeit "im Zeitpunkt der Antragstellung" vorliegen müsse. Nur bei einreisewilligen Kindern schade es daher nicht, wenn sie im Entscheidungszeitpunkt bereits volljährig sein sollten. Demgegenüber komme es bei antragstellenden Elternteilen darauf an, dass die Bezugsperson in Österreich auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einreiseantrag noch minderjährig sei (vgl. VwGH 26.01.2016, Ra 2015/21/0230). Sei im Zeitpunkt der Entscheidung die Volljährigkeit der Bezugsperson in Österreich bereits gegeben, sei die Einreise der Eltern mangels gesetzlicher Familieneigenschaft zu verweigern.

In Ausnahmefällen könne es dazu kommen, dass der Familienbegriff nicht nach der Legaldefinition des § 35 AsylG 2005 zu prüfen sei, sondern nach Art. 8 EMRK, um ein konventions- und verfassungskonformes Ergebnis zu erzielen (vgl. VwGH 11.02.2016, Ra 2015/22/0145); beispielsweise bei einem volljährigen, schwerstbehinderten Kind, dessen Beziehung zum Elternteil aufgrund eines besonderen Abhängigkeitsverhältnisses einer typischen Eltern-mj. Kind-Beziehung gleichkomme.

Jedenfalls sei im vorliegenden Fall kein derart besonderes Abhängigkeitsverhältnis gegeben, das einer Eltern-mj. Kind-Beziehung gleichkomme. Entgegen der in der Stellungnahme vertretenen Auffassung sei bei der Beurteilung der Familienangehörigeneigenschaft § 35 AsylG 2005 heranzuziehen; eine Beurteilung nach Art. 8 EMRK habe im vorliegenden Fall nicht zu erfolgen.

6. Mit angefochtenem Bescheid vom 09.01.2019 wies die ÖB Damaskus die Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 ab.

7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte und für alle Beschwerdeführer gleichlautende Beschwerde, in der geltend gemacht wurde, dass der Schutz der Familie und die Wahrung oder Herstellung des Familienlebens Ziele der Europäischen Union seien. Auf die schwierige Lage von Flüchtlingen sei besonders Rücksicht zu nehmen. Unter diesen Umständen seien geringfügige Abweisungen im Alter hinzunehmen. Art.°8 EMRK bzw. die korrespondierende Bestimmung in der Grundrechtecharta erlaube es der Behörde, eine positive Entscheidung im Sinne der Beschwerdeführer zu fällen. Zu berücksichtigen sei, dass es zu dem angestrebten Einreisetitel keine Alternative gebe, da es auf der Hand liege, dass die Voraussetzungen der Familienzusammenführung nach dem NAG nicht erfüllt werden könnten.

8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 13.03.2019 wies die ÖB Damaskus die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach §°35°AsylG°2005 an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden seien. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des BFA durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht.

Auch nach dem Beschwerdevorbringen sei unstrittig, dass die Beschwerdeführer einen Antrag nach §°35 Abs.°1 AsylG°2005 gestellt hätten und dass eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA ergangen sei. Auch seien die Beschwerdeführer ordnungsgemäß zur Stellungnahme aufgefordert worden und es sei über die Anträge erst nach Prüfung der abgegebenen Stellungnahme bescheidmäßig abgesprochen worden. Als allein tragender Grund für die Abweisung der von den Beschwerdeführern gestellten Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß §°35 Abs.°1 AsylG°2005 komme somit (nur) in Betracht, dass nach der Mitteilung des BFA die Erfolgsaussichten eines Antrags der Beschwerdeführer auf Gewährung desselben Schutzes (wie der Bezugsperson) als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen worden.

Die belangte Behörde teile die Auffassung des BFA, dass im Hinblick auf die Volljährigkeit der Bezugsperson zum Entscheidungszeitpunkt ein Einreistitel gemäß §°26 FPG iVm §°35 AsylG°2005 nicht zu erteilen sei; dies entspreche der erst jüngst im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 12.04.2018, A und S, C-550/16, ergangenen Rechtsprechung im Erkenntnis des VwGH vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609.

Ausgehend davon, dass die Bezugsperson zweifelsfrei zum Entscheidungszeitpunkt bereits die Volljährigkeit erreicht habe, sei auch hier der Rechtsprechung zu folgen, wonach der VwGH im Erkenntnis vom 28.01.2016, Ra 2015/21/0230 und 0231, zum Ergebnis gekommen sei, dass es hinsichtlich der Volljährigkeit der Bezugsperson nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auf den Entscheidungszeitpunkt ankomme.

Von dieser Rechtsprechung abzugehen, habe sich der VwGH auch im Erkenntnis Ra 2017/19/0609 nicht veranlasst gesehen. Wie nämlich der VwGH bereits im Erkenntnis vom 22.11.2107, Ra 2017/190218, ausführlich dargelegt habe, sei der nationale Gesetzgeber aufgrund der Familienzusammenführungsrichtlinie nicht gehalten, einem nachzugswilligen Familienangehörigen einen besonderen Schutzstatus - hier: jenen des Asylberechtigten - zu gewähren. Solches sei auch vom EuGH im Urteil vom 12.04.2018 nicht zu Ausdruck gebracht worden, und im Übrigen auch nicht vom Generalanwalt in seinem Schlussantrag.

Im gegenständlichen Beschwerdefall handle es sich nach den getroffenen Feststellungen bei jener Person, der in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei und an den die gegenständlichen Einreiseanträge nach §°35 AsylG 2005 anknüpfen würden, um den Sohn der Erstbeschwerdeführerin bzw. um den Bruder der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers. Angesichts des unstrittigen Geburtsdatums der Bezugsperson habe diese am XXXX 2017 das 18. Lebensjahr vollendet; damit habe sie unstrittig vor Erlassung des angefochtenen Bescheides die Volljährigkeit erlangt. Nach der oben dargestellten Rechtslage und der hierzu ergangenen Judikatur, die auch auf den gegenständlichen Fall zu übertragen sei, sei die Erstbeschwerdeführerin ab diesem Zeitpunkt nicht mehr "Familienangehörige" iSd §°35 Abs.°1 AsylG bzw. Abs.°5°AsylG 2005.

Was die Geschwister (die Zweitbeschwerdeführerin und den Drittbeschwerdeführer) der in Österreich lebenden Bezugsperson betreffe, so handle es sich weder um einen Elternteil oder Ehegatten, noch um ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediger Kind eines Fremden im Sinne des §°35 Abs.°5 AsylG 2005, sodass auch diese vom maßgeblichen Familienangehörigenbegriff des §°35 Abs.°5 AsylG 2005 nicht erfasst würden. So habe auch der VwGH in seinem Erkenntnis vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611-10, bestätigt, dass aufgrund des - insoweit von vornherein als klar einzustufenden - Gesetzeswortlautes Geschwister nicht als Familienangehörige gemäß §°35 Abs.°5 AsylG 2005 gelten würden.

Es sei darauf hinzuweisen, dass mit der Verweigerung des Einreisetitels nicht die Ausübung einer Berechtigung eingeräumt werde, weshalb die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht einem Beschwerdeführer von vornherein nicht jene Rechtsposition einzuräumen vermöge, die er mit Hilfe der Beschwerde erst erreichen möchte (vgl. VwGH 20.10.1992, 90/04/0266). Damit komme einem allfälligen Vorlageantrag gemäß §°15 Abs.°2 Z°1 VwGVG von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zu.

9. Am 14.03.2019 wurde bei der ÖB Damaskus ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht. Zur Begründung wurde auf die Beschwerde vom 05.02.2019 verwiesen.

10. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 09.04.2019, eingelangt am 11.04.2019, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakten übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Syriens und stellten am 06.06.2018 schriftlich und am 18.06.2018 persönlich bei der ÖB Damaskus einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß §°35 Abs.°1 AsylG°2005. Als Bezugsperson wurde XXXX , geb. XXXX 1999, StA. Syrien, genannt, welcher der Sohn der Erstbeschwerdeführerin und der Bruder der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers ist. Der Bezugsperson wurde in Österreich mit Bescheid des BFA vom 10.05.2017 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Die Bezugsperson XXXX wurde am XXXX 2017 volljährig.

Das BFA teilte nach Prüfung des Sachverhaltes mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da es sich bei den Beschwerdeführern nicht um Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 handle. Die Bezugsperson sei volljährig.

Den Beschwerdeführern wurde die Stellungnahme des BFA vom 31.10.2018 mitgeteilt und ihnen die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Die Beschwerdeführer gaben am 13.11.2018 eine Stellungnahme ab. Diese wurde dem BFA übermittelt, welches an seiner negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festhielt.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen, insbesondere das Alter der Bezugsperson, ergeben sich zweifelsfrei aus den Akten der ÖB Damaskus und wurden von den Beschwerdeführern nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

§ 34 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

"§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

Die dem Verfahren zu Grunde liegenden Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln wurden am 06.06.2018 schriftlich und am 18.06.2018 persönlich und somit jedenfalls nach Inkrafttreten des § 35 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 24/2016 am 01.06.2016 gestellt. Gemäß den Übergangsbestimmungen des § 75 Abs. 24 AsylG 2005 ist daher § 35 AsylG 2005 nunmehr in der Fassung der zuletzt erfolgten Novellierung durch BGBl. I Nr. 145/2017 anzuwenden. Die Bestimmungen lauten:

"§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."

§ 11 FPG 2005 idF BGBl I Nr. 145/2017 lautet:

"§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.

(9) Für Entscheidungen über die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§ 2 Abs. 4 Z 13) ist Art. 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden."

§ 11a FPG 2005, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 68/2013, lautet:

"§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."

§ 26 FPG 2005 idF BGBl I Nr. 145/2017 lautet:

"§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des BFA) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).

Nach dieser Rechtsprechung ist zur Frage des Prüfungsumfangs der österreichischen Vertretungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels im Sinne des § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 auf die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung der Vorgängerbestimmung (§ 16 AsylG 1997) zurückzugreifen. Danach sollten die bei den österreichischen Berufsvertretungsbehörden im Ausland gestellten Asylanträge an die Durchführung eines Vorverfahrens gebunden sein. Bei diesem speziellen Sichtvermerksantrag sollte nämlich ein relativ formalisiertes Ermittlungsverfahren betreffend eine mögliche Asylgewährung stattfinden, in welches das Bundesasylamt einzubinden sei. Treffe das Bundesasylamt die Prognose, dass eine Asylgewährung wahrscheinlich sei, habe die Berufsvertretungsbehörde ohne Weiteres einen entsprechend befristeten Sichtvermerk zur Einreise zu erteilen, worauf das eigentliche Asylverfahren stattzufinden habe. Dieser Mechanismus solle auf der Ebene eines Sichtvermerksverfahrens dazu dienen, die im Hinblick auf eine potentielle Schutzbedürftigkeit heiklen Fälle aus der Vielzahl der Asylanträge im Ausland herauszufiltern, ohne zugleich - im Hinblick auf das relativ formalisierte Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde - durch eine negative Asylentscheidung res iudicata zu bewirken und den Asylwerber für immer von einem ordentlichen Asylverfahren auszuschließen. Werde ein Sichtvermerk nicht erteilt, sei der betreffende Asylantrag als gegenstandslos abzulegen (RV 686 BlgNR 20.GP 23).

Schon diese Ausführungen lassen erkennen, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung des (nunmehr) BFA über die Prognose einer Schutzgewährung gebunden ist. Das Gesetz stellt nur klar, dass es bei einer positiven Mitteilung über die voraussichtliche Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten keiner weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung bedarf, somit die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des FPG diesfalls unbeachtet zu bleiben haben. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Vertretungsbehörde im Falle einer negativen Mitteilung des BFA noch einmal eine eigene Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Asylgewährung vorzunehmen hätte und zu einem gegenteiligen Ergebnis als die zur Entscheidung über Asylanträge sachlich zuständige Behörde kommen könnte. Für diese Auffassung gibt das Gesetz keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es würde auch dem Zweck der Erteilung dieses Einreisetitels zuwiderlaufen, dem Familienangehörigen einer schutzberechtigten Ankerperson im Hinblick auf die voraussichtliche Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz die Einreise zu ermöglichen, wenn das zur Beurteilung des Schutzantrages zuständige BFA die Stattgebung unter diesem Titel nicht für wahrscheinlich erachtet (siehe zu dem Ganzen BVwG 12.01.2016, W184 2112510-1 ua.).

Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offen steht, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis, weil die Prognose des BFA nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes zutreffend ist:

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 28.01.2016, Ra 2015/21/0230-0231, ausführlich unter Einbeziehung der diesbezüglichen Materialien mit der - im Rahmen der mit BGBl. I Nr. 24/2016 erfolgten Novellierung des AsylG 2005 unverändert gebliebenen - Bestimmung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 auseinandergesetzt. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof auch auf die unionsrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die von den revisionswerbenden Parteien angesprochene Richtlinie 2003/86/EG (Familienzusammenführungsrichtlinie), Bedacht genommen. Weiters hat er darauf hingewiesen, dass der Verfassungsgerichtshof infolge eines anlässlich an ihn herangetragenen Falles offenkundig keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 gehegt hat.

Der Verwaltungsgerichtshof ist im genannten Erkenntnis vom 28.01.2016 zum Ergebnis gekommen, dass bei der Beurteilung, ob ein Einreisetitel zu den in § 35 Abs. 1 AsylG 2005 genannten Zwecken an einen Elternteil eines minderjährigen Kindes auszustellen ist, - vor dem Hintergrund, dass gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 (sowohl in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 24/2016 als auch danach) nur "Familienangehörige gemäß Abs. 5" den maßgeblichen Antrag stellen "können" - an der Relevanz der in § 35 Abs. 5 AsylG 2005 enthaltenen Definition des "Familienangehörigen" kein Zweifel bestehen kann, und dass ein Verständnis dahingehend, dass bei antragstellenden Eltern bezüglich des Kriteriums der Minderjährigkeit ihres in Österreich Asyl oder subsidiären Schutz erhalten habenden Kindes auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen wäre, nicht in Betracht kommt (vgl. insbesondere Pkt. 3 der Entscheidungsgründe des angeführten Erkenntnisses vom 28.01.2016). Insbesondere hat der Verwaltungsgerichtshof auch mit näherer Begründung darauf hingewiesen, dass eine erweiternde Auslegung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 - sofern man sie überhaupt für möglich erachten würde - dergestalt, dass es im Verfahren nach § 35 AsylG 2005 auch bei antragstellenden Eltern eines minderjährigen Kindes für die Eigenschaft als "Familienangehöriger" hinsichtlich der Minderjährigkeit auf den Antragszeitpunkt ankomme, nicht in Betracht gezogen werden könne.

Diese Judikatur wurde vom Verwaltungsgerichtshof auch in den Beschlüssen vom 26.01.2017, Ra 2016/20/0231-0234, und vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0253-0254, sowie im Erkenntnis vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0218, bestätigt.

Mittlerweile hat der EuGH über das hier relevante Vorabentscheidungsersuchen mit Urteil vom 12.04.2018, A und S, C-550/16, entschieden. Auch vor dem Hintergrund des kürzlich ergangenen Urteils des EuGH hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609-0611, keinen Anlass gesehen, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen, und abermals Folgendes klargestellt (Rz 32):

"Wie bereits im oben zitierten Erkenntnis Ra 2017/19/0218 ausführlich dargelegt wurde, ist der nationale Gesetzgeber aufgrund der Familienzusammenführungsrichtlinie nicht gehalten, einem nachzugswilligen Familienangehörigen einen besonderen Schutzstatus - hier in den Blick zu nehmen: jenen des Asylberechtigten - zu gewähren. Solches wurde auch vom EuGH im erwähnten Urteil vom 12. April 2018 nicht zum Ausdruck gebracht (und im Übrigen auch nicht vom Generalanwalt in seinem Schlussantrag, auf den sich die Revision zu stützen sucht). Gerade auf die Zuerkennung eines solchen Schutzstatus zielt aber letztlich die Visumerteilung nach § 35 AsylG 2005 ab; kann doch gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 ein solcher Antrag ausdrücklich nur "zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13" AsylG 2005 gestellt werden.

Im genannten Erkenntnis Ra 2017/19/0218 hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 35 AsylG 2005 auch auf unionsrechtliche Regelungen der Familienzusammenführungsrichtlinie Bedacht genommen hat, was letztlich dazu führen kann, dass in bestimmten Konstellationen der Familienzusammenführung dem Familienangehörigen weitergehende Rechte - etwa durch die Gewährung des Status des Asylberechtigten - eingeräumt werden als es die Familienzusammenführungsrichtlinie vorsieht. Dies lässt diese Richtlinie auch ausdrücklich zu (vgl. deren Art. 3 Abs. 5).

Andererseits ist es unschädlich, wenn für die Erteilung eines Visums nach § 35 AsylG 2005, dessen Erteilung nicht nur die Familienzusammenführung ermöglichen soll, sondern auch dazu dient, dem Familienangehörigen die Gelegenheit einzuräumen, zwecks Erlangung eines besonderen Schutzstatus im Weg des § 34 AsylG 2005 eine - nur im Inland zulässige - Antragstellung auf internationalen Schutz vornehmen zu können, gegenüber der Familienzusammenführungsrichtlinie weitergehende Voraussetzungen festgelegt werden (vgl. wiederum das schon mehrfach erwähnte Erkenntnis Ra 2017/19/0218 und die diesbezügliche oben wiedergegebene ausführliche Begründung)."

Zuletzt hat der Verwaltungsgerichtshof seine Sichtweise in der Revisionszurückweisung vom 24.05.2018, Ra 2018/19/0042-0049, unter Verweis auf seine Ausführungen in Ra 2017/19/0609-0611 einmal mehr bekräftigt:

"Aus den dort genannten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, besteht kein Anlass von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof zum Begriff der "Familienangehörigen" nach § 35 Abs. 5 AsylG 2005 (vgl. dazu VwGH 28.1.2016, Ra 2015/21/0230-0231; 26.1.2017, Ra 2016/20/0231-0234; 22.11.2017, Ra 2017/19/0218) abzugehen und ist es weiterhin nicht geboten, den Anwendungsbereich des § 35 AsylG 2005 zu erweitern, um dem Anliegen der revisionswerbenden Parteien, nämlich der Gestattung der Familienzusammenführung mit ihrer in Österreich lebenden Bezugsperson, in unionsrechtskonformer Weise Rechnung zu tragen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es hinreichend, dass sichergestellt ist, dass den revisionswerbenden Parteien im Einklang mit den Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie ein Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) erteilt werden kann. Dass eine unionsrechtliche Verpflichtung bestünde, den revisionswerbenden Parteien eine über dieses Ziel hinausgehende Rechtsstellung, die die Familienzusammenführungsrichtlinie gar nicht zum Regelungsinhalt hat, zu verschaffen (nämlich letztlich den Status der Asylberechtigten), ist aus dem in der Revision genannten Urteil des EuGH vom 12. April 2018, A und S, C-550/16, nicht abzuleiten."

Im vorliegenden Fall wurden Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich asylberechtigte XXXX 1999, StA. Syrien, als Sohn der Erstbeschwerdeführerin und Bruder der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers genannt.

Es ergibt sich aus den vorliegenden Akten zweifelsfrei, dass die angegebene Bezugsperson im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits volljährig war. Die Bezugsperson wurde am XXXX 2017 volljährig, womit der Familienbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 bezüglich der Erstbeschwerdeführerin nicht mehr erfüllt ist. Die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer als Geschwister der Bezugsperson werden per definitionem nicht vom Familienbegriff des §°35 Abs.°5 AsylG°2005 erfasst.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in Ra 2016/18/0253-0254 vom 21.02.2017 zudem ausführte und auch kürzlich in Ra 2017/19/0609-0611 vom 03.05.2018 wiederholte, stellt die Ausstellung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 nur eine von mehreren im nationalen österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung dar, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck, für die nachziehenden Personen nach Einreise ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 zu eröffnen. Diesem Zweck wird aber nicht entsprochen, wenn - wie im gegenständliche Fall - der Mutter eines im Laufe des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig gewordenen Asylberechtigten bzw. seiner Geschwister die Einreise nach Österreich gestattet würde, da sie bei der Beantragung des internationalen Schutzes nach Einreise nicht mehr bzw. von vorneherein nicht dem Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 unterliegen würden.

Der Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 erweist sich daher von vornherein als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen der Beschwerdeführer auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen (bereits volljährig gewordenen) Sohn bzw. Bruder zu entsprechen. Sie sind vielmehr auf die anderen - im NAG und FPG eröffneten - Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Ausstellung von entsprechenden Einreisetiteln zu verweisen.

Da die belangte Behörde über den betreffenden Einreiseantrag ein jeweils mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, kam sie aufgrund der zutreffenden Mitteilung des BFA, wonach die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an die Beschwerdeführer in Bezug auf die in Österreich befindliche Bezugsperson nicht wahrscheinlich sei, zu Recht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 AsylG 2005 nicht vorliegen.

In Hinblick auf das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK ist auszuführen, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005 ist, worüber die Botschaft in einem relativ formalisierten Ermittlungsverfahren zu entscheiden hat, und dass die Tatbestandsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung im gegenständlichen Fall nicht vorliegen. Die Regelung des Art. 8 EMRK schreibt auch keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Vielmehr wird im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen. Dazu wurde in der Stellungnahme des BFA auch schlüssig dargelegt, dass im vorliegenden Fall keineswegs ein besonders schützenswertes Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Beschwerdeführern und der Bezugsperson vorliegt; ein solches wurde im Verfahren auch nicht behauptet.

Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen (so kann etwa Asylberechtigten nach fünf Jahren unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 12 NAG ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" gewährt werden, danach kann eine Familienzusammenführung nach § 46 NAG erfolgen). Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. In einem Verfahren nach den Bestimmungen des NAG sind aber auch die öffentlichen Interessen, insbesondere am wirtschaftlichen Wohl des Landes, entsprechend in die Prüfung einzubeziehen (z.B. Einkünfte, Integrationsvereinbarung, Quotenplatz), wird doch das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht absolut verbürgt, sondern nur unter Gesetzesvorbehalt. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der EuGH in seinem jüngsten Urteil vom 21.04.2016, in der Rechtssache C 558/14, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV ausgesprochen hat, dass Art. 7 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.09.2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen sei, "dass er es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats erlaubt, die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung auf eine Prognose darüber zu stützen, ob es wahrscheinlich ist, dass die festen, regelmäßigen und ausreichenden Einkünfte, über die der Zusammenführende verfügen muss, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen zu decken, während des Jahres nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags weiterhin vorhanden sein werden, und dabei dieser Prognose die Entwicklung der Einkünfte des Zusammenführenden während der sechs Monate vor der Antragstellung zugrunde zu legen.". Diese Auslegung lässt jedenfalls erkennen, dass Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes im Zusammenhang mit dem Familiennachzug im Rahmen der öffentlichen Interessen offenkundig ein hoher Stellenwert zukommen darf.

Im Hinblick darauf, dass es im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels gibt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben. Die Entscheidung ergeht somit im Einklang mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Volljährigkeit der Bezugsperson: VwGH 28.01.2016, Ra 2015/21/0230-0231; VwGH 26.01.2017, Ra 2016/20/0231-0234; VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0253-0254; VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0218; VwGH 03.05.2018, Ra 2017/19/0609-0611; VwGH 24.05.2018, Ra 2018/19/0042-0049).

Schlagworte

Einreisetitel, Familienangehöriger, Volljährigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W239.2217286.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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