TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/30 W175 2179461-1

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Veröffentlicht am 30.04.2019
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Entscheidungsdatum

30.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W175 2179461-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , somalischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.10.2017, Zahl:

1092098506/151610543, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005,

§ 9 BFA-Verfahrensgesetz und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) brachte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 22.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl idgF (AsylG) ein.

2. Am 23.10.2015 fand die niederschriftliche Erstbefragung statt, in der der BF angab, volljährig zu sein, Identitätsdokumente könne er keine vorlegen.

Er sei in Kismayo geboren, habe dort vier Jahre die Volksschule besucht und sei bisher nicht berufstätig gewesen. Er sei verheiratet und habe einen eineinhalbjährigen Sohn. Seine Eltern, seine Ehefrau, sein Sohn und seine acht Geschwister würden in Somalia leben.

Der BF habe Somalia im März 2015 schlepperunterstützt verlassen und sei über Somalia, Äthiopien, den Sudan und Libyen nach Italien und dann weiter nach Österreich gelangt. Bezahlt hätten die Reise sein Vater und Angehörige seiner Volksgruppe, die Kosten hätten USD 2.000,- betragen.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, er fürchte um sein Leben, da er von einer anderen Volksgruppe (Al Shabaab) bedroht werde.

3. In der Einvernahme im Asylverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 23.10.2017 gab der BF an, keine gesundheitlichen Probleme zu habe und keine Medikamente zu nehmen.

Seine Eltern und seine Geschwister würden nach wie vor in Kismayo leben, ebenso mehrere Onkel und Tanten. Er habe keinen Kontakt mehr zu seiner Familie, da er "keine Nummer von seiner Familie mehr habe".

Sein Vater sei Koranlehrer gewesen und habe die Familie ernährt, sie hätten auch ein Haus und Tiere besessen und ein normales Leben geführt. Der BF habe nie gearbeitet. Er gehöre dem Clan der Sheikhal an und sei sunnitischer Moslem. Er sei verheiratet, seine Frau sei 20 Jahre alt, sein Sohn im April 2014 geboren. Der Name des Sohnes, den der BF anführte, entsprach nicht dem in der Erstbefragung angegebene Namen.

Der Vater des BF habe seine Ausreise organisiert.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF in freier Rede an, dass er in Somalia diskriminiert worden sei. Dies präzisierte er, indem er weiter ausführte, dass seine Frau dem Stamm der Ogaden angehöre. Ihre Familie sei mit der Heirat nicht einverstanden gewesen, weshalb sie in einen anderen Stadtteil zu einem Onkel väterlicherseits gezogen seien. Eines Tages, als der BF nicht zu Hause gewesen sei, sei die Frau von ihrer Familie mitgenommen worden. Der Onkel habe ihm geraten zu einer Tante zu ziehen, wo der BF dann sieben Monate verbracht habe. Eines Tages sei die Al Shabaab gekommen. Der BF sei nicht zu Hause gewesen. Er habe nur die Autos gesehen und sich versteckt, da er angenommen habe, es handle sich um Familienangehörige seiner Frau. Die Al Shabaab habe seinen Onkel und dessen Sohn festgenommen. Die Tante habe gemeint, dass es nicht sicher sei, weshalb er zurück nach Kismayo gegangen sei. Er habe dem Vater die Geschichte erzählt, dieser habe gemeint, es sei nicht sicher für ihn und habe seine Ausreise organisiert.

Der BF wurde vom BFA darauf hingewiesen, dass diese Angaben vage und unkonkret seien und wurde aufgefordert, diese zu konkretisieren.

Dazu gab der BF an, dass er keine Probleme gehabt hätte, wenn er diese Frau nicht geheiratet hätte. Aus diesem Grund habe er die Stadt verlassen und sei dann bei seiner Tante gewesen, wo "das Problem mit der Al Shabaab" dazugekommen sei.

Auf neuerliche Aufforderung, seine Angaben zu konkretisieren, meinte der BF, er habe bereits konkrete Angaben gemacht.

Daraufhin wurde der BF gefragt, ob er aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion verfolgt worden sei, was er bejahte. Auf die Frage, wie diese Bedrohung ausgesehen habe, meinte der BF: "Die Familie meiner Frau". Neuerlich um Konkretisierung ersucht, gab der BF an, er sei zur Familie seiner Frau gegangen und habe sie um ihre Einwilligung gefragt, diese habe gemeint, wenn er die Frau heiraten würde, werde man ihn töten. Neuerlich befragt, von wem er aufgrund der Volksgruppe bedroht worden sei, führte der BF die Familie der Frau an, die gegen die Heirat gewesen sei. Dies sei im Jahr 2013 gewesen.

Zu den Besonderheiten seines eigenen Clans befragt gab der BF an:

"religiös" und dass er das Hauptsiedlungsgebiet nicht kenne. In seinem Dorf sei Ogaden der Hauptclan. Auf die Frage, mit welchem Clan sein Clan verbunden sei, gab er Ogaden an. Er wisse nicht, was seinen Clan zu einem Minderheitenclan mache.

Der BF gab auf Nachfrage an, nie persönlich von der Al Shabaab bedroht oder verfolgt worden zu sein. Er habe keinen Kontakt zu ihnen gehabt. Auf Aufforderung, die Männer der Al Shabaab zu beschreiben, gab er an; "verschleiert". Die Sicherheitsbehörden habe er nicht kontaktiert, da diese auch dem Stamm der Ogaden angehören würden. Er wisse nicht, seit wann die Al Shabaab in ihrem Heimatort tätig seien.

Befragt, was er bei einer Rückkehr befürchte, gab er an, er habe Angst um seine Frau.

Zu seiner Integration in Österreich befragt gab der BF an, er spiele Fußball und Tennis und legte Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse und eine Unterstützungserklärung der Volks-hilfe vor. Er würde gerne Sozialarbeit studieren.

4. Das BFA wies mit dem gegenständlichen Bescheid vom 27.10.2017, zugestellt durch Hinterlegung am 04.11.2017, den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2

Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise des BF betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Ausgeführt wurde, dass die Identität des BF nicht feststehe. Die Zugehörigkeit zur vorgebrachten Volksgruppe wurde als glaubhaft angesehen. Der BF hab sein Fluchtvorbringen gegenüber der Erstbefragung gesteigert, das Vorbringen hinsichtlich der Verfolgung durch Angehörige seiner Frau wurde als unglaubhaft bewertet, da der BF auch auf mehrfache Nachfragen lediglich vage und unkonkrete Angaben machte. Eine konkrete Verfolgung aufgrund der Volksgruppe oder Religion sei nicht vorgebracht worden.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

Moniert wurde, dass das BFA nicht von Amts wegen darauf hingewirkt habe, dass der BF die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben vervollständigt habe, ohne dies näher auszuführen. Das BFA hätte konkretere Fragen stellen sollen.

Der BF sei zum Zeitpunkt des fluchtauslösenden Ereignisses erst 17 Jahre alt gewesen. Mangelnde Detailliertheit oder geringfügige Widersprüche seien ihm daher nicht anzulasten. Dass der BF in der Erstbefragung nicht alle Fluchtgründe angeführt habe, sei letztlich der Überlastung der Polizei zuzuschreiben.

Die Länderfeststellungen seien mangelhaft, sie enthielten keine Hinweise auf den vom BF geschilderten Clankonflikt beziehungsweise zu clanübergreifenden Heiraten. Angeführt wurden mehrere Berichte, die sich mit Clankonflikten und Clanehen befassen. Aus diesen gehe die Sheikhal betreffend hervor, dass diese einen speziellen religiösen Status hätten aufgrund dessen sie respektiert würden. Sie hätten politischen Einfluss und würden eine wichtige Rolle in der Ökonomie und Bildung spielen. Sie seien großteils mit den Hawiye assoziiert und würden von diesen geschützt. Zu den Mischehen wurden Probleme im Zusammenhang mit Angehörigen diverser Clans (vor allem Berufsclans, die Sheikhal finden keine Erwähnung) angeführt.

Das "Aufsuchen des BF im Haus der Tante stellt jedenfalls eine Verfolgung dar, auch wenn diese nicht persönlich erfolgt sei".

6. Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 13.12.2017 vorgelegt.

7. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 13.06.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF und seine gewillkürte Vertreterin persönlich teilnahmen. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil. Der BF wurde in Somalisch befragt.

Zu seiner Person befragt widerholte der BF die bisher im Verfahren gemachten Angaben, Identitätsdokumente könne er nach wie vor nicht vorlegen.

Seine Familie habe in Kismayo gelebt, als er Somalia verlassen habe. Seither habe er keinen Kontakt mehr zu ihnen. Er habe versucht, Kontakt herzustellen, habe aber ihre Telefonnummer auf dem Weg nach Europa verloren. Er habe diese auf einen Zettel geschrieben, ein Handy habe er nicht. Er habe nicht weiter versucht, Kontakt aufzunehmen, da er in Somalia niemand kenne, der noch in Somalia sei und seinen Vater kenne. Seine Ehefrau sei zuletzt auch in Kismayo gewesen. Er habe sie im Juli 2013 geheiratet, als sie etwa 16 Jahre alt gewesen sei.

Nach seine Fluchtgründen befragt gab der BF an, dass in Somalia Bürgerkrieg herrsche. Er gehöre dem Minderheitenclan der Sheikhal an. Sie würden von größeren Stämmen ständig verfolgt. Er sei auch aufgrund seiner Clanzugehörigkeit aus der Grundschule geworfen worden.

Er habe ein Mädchen kennengelernt, eine Angehörige des Stammes der Ogaden, sie hätten eine Beziehung gehabt und dann beschlossen zu heiraten. Eines Tages seien sie zur Familie des Mädchens gegangen. Der Vater habe seine Stammeszugehörigkeit genannt, woraufhin die Familie die Heirat abgelehnt habe. Die Familie des BF sei schockiert gewesen. Ein Onkel der Frau habe gemeint, er werde den BF töten, wenn er wieder Kontakt zu dem Mädchen habe. Der Vater des BF habe ihm auf dem Heimweg gesagt, er solle keinen Kontakt mehr haben. Der BF sei einverstanden gewesen.

Nach zwei Wochen habe ein Freund des BF ihm mitgeteilt, dass das Mädchen in der Nähe des Hauses auf ihn warte. Sie habe dem BF gesagt, dass sie mit der Entscheidung ihrer Eltern nicht einverstanden sei und ihn heiraten wolle. Der BF habe dies dem Vater erzählt, der ihn und das Mädchen zu einem Onkel außerhalb Kismayos gebracht habe, wo sie sieben Monate gelebt hätten. Dann sei die Familie des Mädchens in das Haus des Onkels gekommen, habe den Onkel geschlagen und die Tochter zurückgeholt. Es seien etwa 10 bewaffnete Personen gewesen. Einer habe dem Onkel gesagt, dass sie wiederkommen würden. Wenn sie den BF sähen, würden sie ihn auf der Stelle töten. Der Onkel habe das dem BF am Abend erzählt und ihn dann zu einer Tante gebracht, die "weit weg von dem Onkel" gewohnt habe.

Nach sieben Monaten seien eines Abends Mitglieder der Al Shabaab gekommen. Der BF sei im Stall gewesen und habe sich versteckt, da er dachte, es seien Familienmitglieder seiner Frau. Die Al Shabaab habe den Mann und den Sohn der Tante mitgenommen. Die Tante habe gemeint, es sei für den BF zu gefährlich zu bleiben, er solle wieder nach Kismayo. Befragt was die Al Shabaab gewollt hätte, gab der BF an, die Tante habe ihm erzählt, die Al Shabaab habe viele Leute verloren und habe Kämpfer gebraucht.

In der Früh sei er zu seinem Vater gegangen, dieser habe ihn noch am Vormittag zu einem Schlepper gebracht. Zuvor habe er ihm noch erzählt, dass seine Frau einen Sohn zur Welt gebracht habe. Dies sei im April 2014 gewesen. Der BF habe Somalia im März 2015 verlassen.

Zum Clan der Sheikhal befragt gab der BF an, dies sei ein Minderheitenstamm und nicht bewaffnet. Sie würden von größeren Stämmen diskriminiert und verfolgt. Mehr wisse er nicht. Es sei ein arabischer Name und komme vermutlich von dem Wort Scheich.

Der Vater habe als Koranlehrer gearbeitet, die ganze Familie habe davon leben können. Sie hätten ein Haus mit einem Grundstück.

Im Moment habe er niemanden in Somalia. Er wisse nicht, ob seine Familie noch dort aufhältig sei. Die Sicherheitslage sei auch nicht so gut. Außerdem seien die Angehörigen seiner Frau in Kismayo an der Macht. Es könne sein, dass sie ihn töteten.

Von der Vertreterin befragt gab der BF an, dass der Präsident der Regierung in Kismayo auch ein Ogaden sei. Die Mehrheit der Bevölkerung sei Ogaden. Die Sheikhal würden von keinem Clan in Somalia unterstützt. Von der Vertreterin befragt ob er wisse, was eine Interclanehe sei, gab der BF an, er dürfe als Angehöriger eines Minderheitenclans keine Frau eines anderen Stammes heiraten. Wenn die Familie seiner Frau das erlauben würde, würde sie von anderen Stammesangehörigen beschimpft. Er habe die Aufenthaltsdauer bei seinem Onkel nur geschätzt, seine Frau sei sieben Monate schwanger gewesen, als ihre Familie sie mitgenommen habe.

Er könne außerhalb Kismayos nicht Fuß fassen, er habe dort nur seine Tante und seinen Onkel.

Die aktuellen Länderfeststellungen des BFA (Stand 12.01.2018) seien der Vertretung bekannt. Eine innerhalb eines Monates angekündigte Stellungnahme, ist bis dato nicht erstattet worden.

Zu seiner Integration gab der BF an, er habe einen Deutschkurs gemacht und den Schulabschluss. Der BF konnte sich auf Deutsch verständlich machen. Er spiele Fußball als Hobby. Vorgelegt wurde eine Antrittsbestätigung zum Lehrgang zur "Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss" (Februar 2018 bis Februar 2019) und eine Unterstützungserklärung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in:

-

den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschrift der Erstbefragung am 23.10.2015, die Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA am 23.10.2017 sowie die Beschwerde vom 30.11.2017

-

die im Bescheid des BFA getroffenen Länderfeststellungen sowie die Feststellungen in der Beschwerde und die im gegenständlichen Erkenntnis zitierten aktuellen Länderfeststellungen

-

die vom BF vorgelegten Integrationsunterlagen.

Weiters herangezogen wurden die Angaben des BF in der Verhandlung vor dem BVwG am 13.06.2018.

Seitens des BF wurden im Verfahren vor dem BVwG keine Beweismittel oder sonstige Belege zu seiner Identität vorgelegt.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

a) Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei

1.. Der BF ist somalischer Staatsangehöriger und stammt aus Kismayo, Lower Juba, Somalia, die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan oder einer bestimmten Volksgruppe konnte nicht festgestellt werden. Der BF gab an zum Clan der Sheikhal zu gehören und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Somalisch.

2. Der BF ist in der Stadt Kismayo geboren und aufgewachsen und hat vier Jahre lang die Schule besucht. Seine Eltern, seine Ehefrau, sein Sohn und seine acht Geschwister leben nach wie vor in Kismayo, ebenso leben mehrere Tanten und Onkel in und um Kismayo. Die Familie besitzt ein Haus und Grund, der Vater arbeitet nach Angaben des BF als Koranlehrer und ist in der Lage der Familie durch seine Einkommen finanziell ein normales Leben zu ermöglichen. Der BF selber hat nicht gearbeitet.

3. Der BF verließ Somalia im März 2015 schlepperunterstützt und reiste zu einem nicht bekannten Zeitpunkt unrechtmäßig ins Bundesgebiet ein, wo er am 22.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

4. Der BF ist volljährig, gesund und arbeitsfähig. Er hat in Österreich keine familiären Beziehungen. Er besuchte eine einjährige "Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss" und kann sich auf Deutsch verständlich machen (Kursbesuchsbestätigung A 2.2.). Er geht keiner beruflichen Tätigkeit nach und pflegt nicht näher ausgeführte freundschaftliche Kontakte.

5. Er ist nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und war nie inhaftiert oder hatte sonstige Probleme mit ansässigen Behörden. Er war nicht politisch aktiv und hatte keine über das Antragsvorbringen hinausgehenden Probleme in seinem Herkunftsstaat.

Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer wie auch immer gearteten Verfolgungsgefahr ausgesetzt sein wird.

Gründe, die eine Verfolgung des BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Somalia aus asylrelevanten Gründen maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen, hat der BF nicht glaubhaft gemacht. Es kann somit nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle seiner Rückkehr nach Somalia eine Verfolgung aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aus seiner politischen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

6. Bei einer Rückkehr nach Somalia in seine Heimatstadt Kismayo droht dem BF kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit. Er läuft nicht Gefahr, in Kismayo grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. Der BF ist in Kismayo aufgewachsen, hat dort die Schule besucht und war in einen Familienverband eingebunden, der ihm ermöglichte, nicht berufstätig sein zu müssen. Die Kernfamilie des BF und mehrere Onkel und Tanten halten sich in und um Kismayo auf. Der Vater geht einer von der Land- und Viehwirtschaft unabhängigen Tätigkeit nach. Dass der Kontakt abgebrochen sei, konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb der BF nicht wieder von seiner Familie aufgenommen werden sollte.

Der BF kann somit bei einer Rückkehr mit finanzieller und sonstiger Unterstützung seitens seiner Familie rechnen. Er hat auch die Möglichkeit, Rückkehrunterstützung in Anspruch zu nehmen und damit eine weitere finanzielle Hilfe zu erhalten. Als gesunder leistungsfähiger Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf liefe der BF auch sonst nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. Der BF leidet an keinen Erkrankungen.

b) Zur Lage im Herkunftsstaat

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia (Stand 12.1.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 17.9.2018).

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 17.9.2018: Positiver Trend bei Versorgungslage

Nach den überdurchschnittlichen Regenfällen 2018 wird die Getreideernte die größten Erträge seit 2010 einbringen. Die Lage bei der Nahrungsversorgung hat sich weiter verbessert (UN OCHA 11.9.2018; vgl. UN OCHA 5.9.2018), dies gilt auch für Einkommensmöglichkeiten und Marktbedingungen (FSNAU 1.9.2018). Die Preise für unterschiedliche Grundnahrungsmittel haben sich in Mogadischu gegenüber dem Vorjahr drastisch verbilligt und liegen nunmehr unter dem Fünfjahresmittel. Dies betrifft namentlich Bohnen (cowpea), rotes Sorghum und Mais (FEWS NET 31.8.2018). Insgesamt hat sich die Ernährungssituation verbessert, auch wenn es im ganzen Land noch eine hohe Rate an Unterernährung gibt - speziell unter IDPs (UN OCHA 11.9.2018). Die Dürre ist zwar offiziell vorbei, es braucht aber mehr als eine gute Regenzeit, bevor sich die Menschen davon erholen (UN OCHA 2.9.2018). Vor allem vom Verlust ihres Viehs, von Überschwemmungen (im April/Mai 2018, Juba- und Shabelle-Täler) und vom Zyklon Sagar (Mai 2018, Nordsomalia) betroffene Gemeinden werden noch längere Zeit für eine Rehabilitation brauchen. Zwischen Februar und Juli 2018 konnten humanitäre Organisationen 1,9 Millionen Menschen pro Monat erreichen (UN OCHA 5.9.2018).

Die Stufe für akute Unterernährung hat sich verbessert. Die Zahl von an schwerer akuter Unterernährung Betroffenen ist nur bei zwei Gruppen kritisch: Bei den IDPs in Mogadischu und in der Guban Pastoral Livelihood in West-Somaliland (UN OCHA 5.9.2018). Allerdings werden auch noch andere Teile oder Gruppen Somalias als Hotspots genannt, wo Interventionen als dringend erachtet werden.

Dies sind im ländlichen Raum: Northern Inland Pastoral of Northeast (Teile von Sanaag, Sool und Bari); Hawd Pastoral of Northeast (Teile von Togdheer, Sool und Nugaal); Northwest Guban Pastoral (Teile von Awdal); der Bezirk Belet Weyne (Shabelle-Tal und agro-pastorale Teile); Agro-pastorale Teile und das Juba-Tal in Gedo; die Bezirke Mataban, Jalalaqsi und Buulo Burte in Hiiraan; Teile des Juba-Tals in Middle Juba. An Gruppen sind es die IDPs in Bossaso, Garoowe, Galkacyo, Qardho, Mogadischu, Baidoa, Kismayo und Doolow (FSNAU 1.9.2018). Überhaupt bleiben IDPs die am meisten vulnerable Gruppe (UN OCHA 11.9.2018).

Für die Deyr-Regenzeit 2018 (Oktober-Dezember) wird eine überdurchschnittliche Niederschlagsmenge prognostiziert (UN OCHA 5.9.2018; vgl. FAO 6.9.2018). Damit wird auch eine weitere Verbesserung bei den Weideflächen und bei der Wasserverfügbarkeit und i.d.F. Verbesserungen bei der Viehzucht und in der Landwirtschaft einhergehen (FAO 6.9.2018). Zusätzliche Ernten und weiter verbesserte Marktbedingungen werden zu weiteren Verbesserungen führen (FSNAU 1.9.2018)

Allerdings werden auch für das äthiopische Hochland höhere Niederschlagsmengen prognostiziert, was das Überschwemmungsrisiko entlang von Juba und Shabelle steigen lässt. Gegenwärtig sind einige Flussufer bzw. Flusseinfassungen beschädigt, was selbst bei normalen Regenmengen eine Gefahr darstellt (FAO 6.9.2018). Immerhin hat Somalia 2018 die schwersten Überschwemmungen seit 60 Jahren erlebt (WB 6.9.2018).

Quellen:

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ACTED (12.9.2018): Drought conditions continue to persist in Badhan district,

https://reliefweb.int/report/somalia/drought-conditions-continue-persist-badhan-district, Zugriff 14.9.2018

-

FAO - FAO SWALIM / FSNAU (6.9.2018): Somalia Rainfall Outlook for 2018 Deyr (October-December) - Issued: 6 September 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-rainfall-outlook-deyr-2018-october-december-issued-6-september-2018, Zugriff 14.9.2018

-

FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (31.8.2018):

Somalia Price Bulletin, August 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-price-bulletin-august-2018, Zugriff 14.9.2018

-

FSNAU - Food Security and Nutrition Analysis Unit / Famine Early Warning System Network (1.9.2018): FSNAU-FEWS NET 2018 Post Gu Technical Release,

https://reliefweb.int/report/somalia/fsnau-fews-net-2018-post-gu-technical-release-01-sep-2018, Zugriff 14.9.2018

-

UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.9.2018): Somalia - Humanitarian Snapshot (as of 11 September 2018),

https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-humanitarian-snapshot-11-september-2018, Zugriff 14.9.2018

-

UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (5.9.2018): Humanitarian Bulletin Somalia, 1 August - 5 September 2018,

https://reliefweb.int/report/somalia/humanitarian-bulletin-somalia-1-august-5-september-2018, Zugriff 14.9.2018

-

UN OCHA - UN UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.9.2018): Somalia - Food security improving but recovery remains

fragile,https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-food-security-improving-recovery-remains-fragile, Zugriff 14.9.2018

-

WB - Worldbank (6.9.2018): World Bank's Flagship Infrastructure Project Launched in Somalia,

https://reliefweb.int/report/somalia/world-bank-s-flagship-infrastructure-project-launched-somalia, Zugriff 14.9.0218

Politische Lage

Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Im Jahr 2013 kam es zu einem Abkommen zwischen der Bundesregierung und Delegierten von Jubaland über die Bildung des Bundesstaates Jubaland. Im gleichen Jahr wurde Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 3.3.2017). Der JIA ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Die Machtbalance in Jubaland wurde verbessert, seit die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden (BFA 8.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

-

AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM,

http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

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DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 24.11.2017

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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017

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EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017

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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

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UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017

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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017

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UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (13.9.2017):

SRSG Keating Briefing to the Security Council, https://unsom.unmissions.org/srsg-keating-briefing-security-council-1, Zugriff 11.11.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

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WB - World Bank (18.7.2017): Somalia Economic Update, http://documents.worldbank.org/curated/en/552691501679650925/Somalia-economic-update-mobilizing-domestic-revenue-to-rebuild-Somalia, Zugriff 20.11.2017

Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel.

Süd-/Zentralsomalia

Die Präsenz von AMISOM in Somalia bleibt auch mittelfristig essentiell, um die Sicherheit in Somalia zu gewährleisten. Sollte AMISOM überhastet abziehen oder die Verantwortung zu früh an somalische Sicherheitsbehörden übergeben, besteht das Risiko von Rückschritten bei der Sicherheit (UNSC 5.9.2017; vgl. ICG 20.10.2017).

AMISOM hat große Erfolge erzielt, was die Einschränkung der territorialen Kontrolle der al Shabaab anbelangt (ICG 20.10.2017). Weite Teile des Landes wurden durch AMISOM und durch die somalische Armee aus den Händen der al Shabaab zurückgeholt (UNHRC 6.9.2017), und AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 9.2016). AMISOM und die somalische Regierung konnten ihre Kontrolle in zurückgewonnenen Gebieten etwas konsolidieren (AI 22.2.2017). Es ist aber kaum zur Einrichtung von Verwaltungen gekommen (BFA 8.2017).

Gleichzeitig hat AMISOM ihre Kräfte überdehnt. Die Mission tut sich schwer dabei, nunmehr den Kampf gegen eine Rebellion führen zu müssen, welche sich von lokalen Konflikten nährt. Die al Shabaab ist weiterhin resilient (ICG 20.10.2017). Außerdem beherrschen einige der neu errichteten Bundesstaaten nicht viel mehr, als ein paar zentrale Städte. Der effektive Einfluss von AMISOM und den somalischen Verbündeten bleibt jedoch in vielen Fällen auf das jeweilige Stadtgebiet konzentriert, auch wenn es teils zu weiteren Exkursionen kommt. In einigen Städten ist es in jüngerer Vergangenheit zu Verbesserungen gekommen. Dies gilt mehrheitlich auch für Mogadischu (BFA 8.2017).

Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 9.2016). Kämpfe - vor allem unter Beteiligung von al Shabaab, aber auch unter Beteiligung von Clans - sowie Zwangsräumungen haben zu Vertreibungen und Verlusten geführt (HRW 12.1.2017). Dabei haben AMISOM und die somalische Armee seit Juli 2015 keine großen Offensive mehr geführt (SEMG 8.11.2017). Im Jahr 2016 gab es zwar Kämpfe zwischen AMISOM/Regierung und al Shabaab, es kam aber kaum zu Gebietswechseln (AI 22.2.2017). Im Jahr 2017 ist es zu weniger direkten militärischen Auseinandersetzungen zwischen al Shabaab und AMISOM gekommen. Die am meisten vom militärischen Konflikt betroffenen Gebiete sind die Frontbereiche, wo Ortschaften und Städte wechselnder Herrschaft unterworfen sind; sowie das Dreieck Mogadischu-Afgooye-Merka (BFA 8.2017).

Die reduzierten Kapazitäten der al Shabaab haben dazu geführt, dass sich die Gruppe auf Guerilla-Taktik und asymmetrische Kriegsführung verlegt hat. Al Shabaab begeht verübt komplexe Angriffe, Selbstmordattentate, und gezielte Attentate auf Einzelpersonen (UKHO 7.2017). Die Gruppe setzt den Guerillakampf im ländlichen Raum Süd-/Zentralsomalias fort. Regelmäßig kommt es zu Angriffen auf somalische und AMISOM-Truppen, die sich auf Verbindungsstraßen bewegen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNSC 9.5.2017).

Al Shabaab kontrolliert weiterhin wichtige Versorgungsrouten und hält gegen Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierungskräften Blockaden aufrecht (HRW 12.1.2017). Durch Guerilla-Aktivitäten isoliert al Shabaab mehrere Städte, die teils als Inseln im Gebiet der Gruppe aufscheinen (BFA 8.2017). AMISOM muss an vielen Einsatzorten von UNSOS aus der Luft versorgt werden, da die Überlandrouten nicht ausreichend abgesichert sind (UNSC 5.9.2017).

Es hat mehrere Fälle gegeben, wo internationale Truppen Gebiete in Bakool, Galgaduud, Hiiraan und Lower Shabelle ohne große Ankündigung geräumt haben. In der Folge ist al Shabaab unmittelbar in diese Gebiete zurückgekehrt und hat an der lokalen Bevölkerung zahlreiche Menschenrechtsverletzungen (Mord, Folter, Entführung, Vernichtung humanitärer Güter, Zwangsrekrutierung) begangen (SEMG 8.11.2017). Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eben jene Orte, aus denen die ENDF oder AMISOM rasch abgezogen sind, am meisten unter dem Konflikt leiden. Sobald die Regierungskräfte abziehen, füllt nämlich al Shabaab das entstandene Vakuum auf. Vergeltungsmaßnahmen gegen Zivilisten folgen umgehend. Es gibt regelmäßig Berichte darüber, dass AS mutmaßliche Kollaborateure hingerichtet hat. Die Menschen dort leben unter ständiger Bedrohung (BFA 8.2017).

Im September 2017 überrannte al Shabaab mehrere Stützpunkte der somalischen Armee, namentlich in Bulo Gaduud, Belet Xawo, Ceel Waaq und Bariire (19.12.2017 VOA).

Eine Infiltration von unter Kontrolle der Regierung stehenden Städten mittels größerer Kampfverbände der al Shabaab kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure der al Shabaab kommt in manchen Städten vor (BFA 8.2017). Al Shabaab ist dadurch nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 22.2.2017).

Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 9.2016). Politische Anstrengungen zur Etablierung bzw. Stärkung von Bundesländern verstärkten Clankonflikte in manchen Bereichen (ÖB 9.2016; vgl. BS 2016, BFA 8.2017). Auch dabei kommen Zivilisten zu Schaden (HRW 12.1.2017).

Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 9.2016).

Gezielte Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur mittels Selbstmordattentätern und anderen Sprengstoffanschlägen durch die al Shabaab haben weiterhin gravierende Folgen (HRW 12.1.2017). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, bei gezielten Attentaten, durch Sprengsätze oder Handgranaten und bei komplexen Anschlägen ums Leben oder werden verwundet (AI 22.2.2017). Generell hat al Shabaab vermehrt Gewalt gegen Zivilisten angewandt, nötigt oder bestraft in den Gebieten unter ihrer Kontrolle ganze Gemeinden. Aufgrund der durch die Dürre verstärkten Ressourcenknappheit hat al Shabaab Dörfern niedergebrannt und Älteste enthauptet, um ihre Steuerforderungen durchzusetzen - so z.B. im Raum Xaradheere im November 2016 (SEMG 8.11.2017). Im ersten Trimester 2017 wurden von al Shabaab 36 Personen entführt, davon wurden 15 später wieder freigelassen (UNSC 9.5.2017).

UNSOM hat für den Zeitraum 1.1.2016-14.10.2017 insgesamt 2.078 getötete zivile Opfer in Somalia dokumentiert; hinzu kommen 2.507 Verletzte. Für 60% der Opfer ist die al Shabaab verantwortlich (UNHRC 10.12.2017a). (UNHRC 10.12.2017b)

Für das Jahr 2016 berichtet das UN Mine Action Service von 267 durch Sprengstoffanschläge getötete und 727 verletzte Personen. Bei Kämpfen kamen zwischen Jänner und August 2016 492 Zivilisten ums Leben (USDOS 3.3.2017). Andererseits beruft sich die SEMG auf Zahlen von ACLED. Demnach seien im Zeitraum Jänner 2016 bis Mitte August 2017 bei 533 Zwischenfällen mit improvisierten Sprengsätzen insgesamt 1.432 Zivilisten zu Schaden gekommen, 931 davon wurden getötet (SEMG 8.11.2017). Das Rote Kreuz wiederum berichtet, dass im Jahr 2016 ca. 5.300 durch Waffen verletzte Personen in vom IKRK unterstützten Spitälern eine Behandlung erhalten haben; v.a. in Mogadischu, Baidoa und Kismayo (ICRC 23.5.2017). Es ist offenbar schwierig, die genaue Zahl festzustellen (AI 22.2.2017).

Im ersten Trimester 2017 wurden 646 Zivilisten getötet oder verletzt (UNSC 9.5.2017), im zweiten Trimester waren es 582 (ca. die Hälfte der letztgenannten Zahl ist al Shabaab zuzuschreiben, 12 Opfer der AMISOM, 41 den staatlichen Sicherheitskräften; bei durch die Dürre verschärften Ressourcenkonflikten kamen 175 Zivilisten zu Schaden) (UNSC 5.9.2017). Bei einer geschätzten Bevölkerung von rund 11 Millionen Einwohnern (CIA 6.11.2017) liegt die Quote getöteter Zivilisten: Gesamtbevölkerung für Gesamtsomalia im ersten Trimester 2017 bei ca. 1:17.000, im zweiten Trimester bei 1:18.900.

Auch wenn die Zahl von Gewalt gegen Zivilisten seit dem Jahr 2013 relativ konstant bleibt, so hat sich die Letalität - etwa aufgrund der Proliferation von destruktiveren Methoden - erhöht. Im Durchschnitt kommen bei jedem Vorfall also mehr Menschen zu Schaden (SEMG 8.11.2017). Absolutes Beispiel dieses Trends ist der Anschlag vom 14.10.2017 in Mogadischu, bei welchem mehr als 500 Menschen getötet wurden - wiewohl sich al Shabaab bislang nicht zu dem Anschlag bekannt hat (DS 2.12.2017).

Dahingegen ist bei den staatlichen Sicherheitskräften ein positiver Trend zu erkennen. Sie sind in keine größeren Angriffshandlungen gegen Zivilisten verwickelt (SEMG 8.11.2017).

Die Grafik zeigt, dass der Trend hinsichtlich der Anzahl an gewalttätigen Vorfällen gegen Zivilisten nach unten zeigt, während sich die Anzahl an Todesopfern pro Vorfall erhöht hat (SEMG 8.11.2017).

Die Anzahl an Sprengstoffanschlägen hat zugenommen, ihre Letalität ist hingegen kaum gestiegen (SEMG 8.11.2017).

Im zweiten Trimester 2017 kam es in ganz Somalia zu 16 Luftangriffen, die meisten davon in den Regionen Gedo (8), Lower Shabelle (4) und Lower Juba (3). Insgesamt kamen dabei 18 Zivilisten zu Schaden (UNSC 5.9.2017). Eine andere Quelle nennt als Gesamtzahl für die ersten beiden Trimester 2017 32 Luftangriffe durch Kenia, die USA und nicht identifizierte Kräfte (SEMG 8.11.2017). Insgesamt sollen alleine die USA im Jahr 2017 30 Luftschläge in Somalia durchgeführt haben (BBC 22.12.2017). Jedenfalls haben die USA ihre Angriffe verstärkt: Während sie im gesamten Jahr 2016 nur dreizehn Luftschläge führte, waren es alleine im Zeitraum Juni-September 2017 neun. Seit 2016 haben sich die Auswirkungen von Luftschlägen auf Zivilisten aufgrund gezielterer Angriffe verringert. Insgesamt wurden im Zeitraum Jänner 2016 bis Juni 2017 bei 58 Luftschlägen 36 zivile Opfer dokumentiert (SEMG 8.11.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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