TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/2 W166 2165320-1

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Veröffentlicht am 02.05.2019
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Entscheidungsdatum

02.05.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W166 2165318-1/9E

W166 2165308-1/14E

W166 2165320-1/13E

W166 2165326-1/9E

W166 2165316-1/7E

W166 2165314-1/9E

W166 2165322-1/9E

W166 2165324-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX

StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.04.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AslyG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.04.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AslyG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.04.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AslyG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.04.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AslyG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

5) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.04.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AslyG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

6) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.04.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AslyG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

7) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.04.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AslyG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

8) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.04.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AslyG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer reisten am 04.11.2015 gemeinsam mit ihren minderjährigen Kindern, den Drittbis Siebtbeschwerdeführern, illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag für sich und die minderjährigen Dritt- bis Siebtbeschwerdeführer gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz. Die Achtbeschwerdeführerin wurde am 03.09.2016 in Österreich geboren.

Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.11.2015 befragt, gab die Erstbeschwerdeführerin an, afghanische Staatsbürgerin, muslimische Schiitin und mit dem Zweitbeschwerdeführer verheiratet zu sein. Die Erstbeschwerdeführerin habe fünf Jahre die Grundschule in Afghanistan besucht, sei Hausfrau gewesen und habe immer im Heimatdorf XXXX in Herat gelebt.

Zum Fluchtgrund befragt, gab die Erstbeschwerdeführerin an, aus Afghanistan seien sie geflüchtet, da sie in der Heimat wegen der Taliban nicht sicher seien, und die Taliban würden Leute umbringen. Sie hätten immer Angst gehabt, die Kinder in die Schule zu schicken.

Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.11.2016 befragt, gab der Zweitbeschwerdeführer an, afghanischer Staatsangehöriger und muslimischer Schiit und mit der Erstbeschwerdeführerin verheiratet zu sein. Er sei Analphabet, habe keine Ausbildung und habe immer in seinem Heimatdorf XXXX in Herat gelebt.

Zum Fluchtgrund befragt, gab der Zweitbeschwerdeführer an, in Afghanistan herrsche Krieg, der Beschwerdeführer und seine Familie hätten Angst vor den Taliban, insbesondere, dass die Kinder entführt würden.

Am 13.04.2017 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz (in weiterer Folge: belangte Behörde), niederschriftlich einvernommen.

Die Erstbeschwerdeführerin gab ergänzend an, seit zwei Monaten einen Deutschkurs zu machen. In der Heimat hätten sie im Haus der Schwiegereltern gelebt, der Zweitbeschwerdeführer habe in der Landwirtschaft gearbeitet und Viehzucht betrieben. Das Grundstück habe dem Schwiegervater gehört, die Tiere den Beschwerdeführern. In Herat Stadt hätten sie eine eigene Wohnung gehabt, die sie vermietet und sodann verkauft hätten, um die Ausreise zu finanzieren. Die Eltern und Geschwister der Erstbeschwerdeführerin sowie die Schwiegereltern würden mittlerweile im Iran leben, die Erstbeschwerdeführerin habe regelmäßigen telefonischen Kontakt zu ihnen. Im Heimatdorf würden noch zwei Tanten und eine Oma leben, die Erstbeschwerdeführerin habe aber keinen Kontakt zu ihnen.

Zu den Fluchtgründen befragt, gab die Erstbeschwerdeführerin an, die Taliban hätten ihren Mann bedroht, Männer eines Anführers hätten drei Personen gesucht, und einer davon sei ihr Mann gewesen. Die Kinder hätten die Schule nicht besuchen dürfen. Zwei Personen seien umgebracht worden, als die Beschwerdeführer bei der Schwester der Erstbeschwerdeführerin gewesen seien, die Taliban seien auch bei ihnen zu Hause gewesen, und der Bruder der Erstbeschwerdeführerin habe sie gewarnt, nicht nach Hause zu kommen. Der Mann der Erstbeschwerdeführerin habe an zwei Kämpfen gegen die Taliban teilgenommen, daher werde er von den Taliban gesucht. Sie hätten sich dann bis zur Ausreise bei der Schwester versteckt. Die Asylanträge hätten sie gestellt, damit vor allem die Kinder in Sicherheit leben könnten insbesondere für die Töchter sei das wichtig.

Ebenfalls am 13.04.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen, gab der Beschwerdeführer ergänzend an, er habe zwar bis zu seiner Ausreise im Heimatdorf XXXX gelebt, sei aber auch schon in Herat City gewesen, wo sie ein Haus gehabt hätten, das zur Finanzierung der Ausreise verkauft worden sei. Seine Familie hätte einen großen Bauernhof gehabt, er habe in der eigenen Landwirtschaft gearbeitet und auch Schafe verkauft. Seine Eltern und Geschwister würden mittlerweile im Iran leben. Der Zweitbeschwerdeführer spreche schon ein wenig Deutsch.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, im Jahr 1997 habe er gegen die Taliban gekämpft und sei verletzt worden. Ein Kommandant gegen den er kämpft habe, hätte ihn und zwei weitere Personen gesucht. Diese zwei Personen seien getötet worden, er selbst sei zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause gewesen. Im Falle einer Rückkehr würde er befürchten von diesem Kommandanten getötet zu werden.

In weiterer Folge wurde die Erstbeschwerdeführerin betreffend eine Teilnahmebestätigung einer Volkshochschule über die Teilnahme an der Bildungsveranstaltung "Alpha Teil 2 für AsylwerberInnen" in der Zeit vom 10.10.2016 bis 20.03.2017, eine Urkunde über den mit ausgezeichnetem Erfolg bestandenen Basiskurs Deutsch "Alpha eins" vom 16.06.2016 sowie ein Unterstützungsschreiben eines Allgemeinmediziners aus XXXX vom 12.04.2017 vorgelegt. Den Zweitbeschwerdeführer betreffend wurden Unterstützungsschreiben der evangelischen Tochtergemeinde XXXX vom 08.04.2017, eines pensionierten Volksschullehrers vom 11.04.2017, des Bürgermeisters von XXXX vom 06.04.2017 sowie eines Allgemeinmediziners vom 12.04.2017, eine Teilnahmebestätigung einer Volkshochschule über die Teilnahme an der Bildungsveranstaltung "Alpha Teil 2 für AsylwerberInnen" in der Zeit vom 10.10.2016 bis 20.03.2017, eine Urkunde über die erfolgreiche Teilnahme an einem Basiskurs Deutsch "Alpha eins" vom 16.06.2016 sowie ein Wehrdienst-Entlassungsschein vorgelegt.

Mit den im Familienverfahren ergangenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2017, wies die belangte Behörde die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status als Asylberechtigte gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 idgF (Spruchpunkt I.) ab, und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 Asyl 2005 idgF wurden auch die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigte in Bezug auf den Herkunftsstadt Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gem. § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm §§ 9 BFA-Verfahrensgesetz idgF wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF erlassen (Spruchpunkt III.). Weiters wurde festgestellt, dass gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde in den Bescheiden im Wesentlichen aus, dass die von den Beschwerdeführern vorgebrachten Gründe, die sie zur Ausreise bewogen hätte und von einer Rückkehr abhalten sollten, nicht glaubhaft seien und daher nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft bzw. zur Gewährung des Asylstatus führen könnten. Es habe nicht glaubhaft gemacht werden können, dass die Beschwerdeführer von den Taliban mit dem Tod bedroht worden seien, und ein "westlicher Lebensstil" nicht dargelegt worden sei.

Subsidiärer Schutz würde den Beschwerdeführern ebenfalls nicht zuerkannt, da es keine Anhaltspunkte dafür gäbe, dass der Zweitbeschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan den Lebensunterhalt von sich und seiner Familie nicht durch berufliche Tätigkeiten bestreiten könne, die Beschwerdeführer anfänglich durch ihre Familie finanziell unterstützt werden könnten und aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer nicht ersichtlich sei, dass der Familie im Falle der Rückkehr eine unmenschliche Behandlung oder eine Gefährdungslage drohen würde.

Die Beschwerdeführer haben fristgerecht Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide erhoben, und einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 24.07.2017 vorgelegt.

Am 01.02.2019 langte ho. ein Antrag der Beschwerdeführer vom 28.01.2019 auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Fristsetzungsantrages ein. Dieser Antrag wurde von den Beschwerdeführern in der mündlichen Verhandlung zurückgezogen.

Mit Schreiben vom 18.02.2019 wurden die Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführer, die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer unter gleichzeitiger Übermittlung der aktuellen Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan insbesondere auch zur Situation von Frauen und zur Sicherheitslage, eine Dolmetscherin und die belangte Behörde zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen.

Die Verhandlung fand am 01.04.2019, unter Beisein der Erstbeschwerdeführerin, des Zweitbeschwerdeführers, der Drittbeschwerdeführerin, des Viertbeschwerdeführers und eines Dolmetschers für die Sprache Dari statt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, hat mit Schreiben vom 19.02.2019 bekanntgegeben, dass die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung dienstlichen und persönlichen Gründen nicht möglich ist.

Zu Beginn der mündlichen Verhandlung legten die Beschwerdeführer ein Konvolut an Beweismittel vor (Unterstützungserklärungen, Zeugnisse, Kursbesuchsbestätigungen, Schulbesuchsbestätigungen, Berichte über diverse Tätigkeiten, Lehrverträge), welche als Beilage zum Akt genommen wurden.

Zu den mit der Ladung zur Verhandlung übermittelten Länderfeststellungen ersuchte die Rechtsberaterin in der mündlichen Verhandlung um eine Frist zur Einbringung einer schriftlichen Stellungnahme, und wurde eine Frist von zwei Wochen gewährt.

Eine diesbezügliche Stellungnahme langte am 16.04.2019 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden

Sachverhalt aus:

Zu den Beschwerdeführern wird festgestellt:

Die Erst- bis Achtbeschwerdeführer sind Staatsangehörige von Afghanistan und gehören der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. Die Erstbeschwerdeführerin ist mit dem Zweitbeschwerdeführer seit dem Jahr 1998 verheiratet. Die Dritt- bis Achtbeschwerdeführer sind deren Kinder.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer haben gemeinsam mit den minderjährigen Dritt- bis Siebtbeschwerdeführern schlepperunterstützt Afghanistan verlassen und sind illegal in Österreich eingereist, und stellten am 04.11.2015 Anträge auf internationalen Schutz.

Die Achtbeschwerdeführerin wurde am 03.09.2016 in Österreich geboren.

Die Erstbeschwerdeführerin wurde in XXXX in der Provinz Herat geboren, und hat bis zu ihrer Ausreise mit ihrer Familie - zuletzt mit dem Zweitbeschwerdeführer und den minderjährigen Dritt- bis Siebtbeschwerdeführern - im Haus der Schwiegereltern im Heimatort gelebt.

Die Eltern und Geschwister der Erstbeschwerdeführerin leben nunmehr im Iran.

Die Erstbeschwerdeführerin hat in Afghanistan fünf Jahre die Schule besucht und nach ihrer Heirat als Hausfrau gearbeitet. Die Schule durfte sie als Mädchen nur kurze Zeit besuchen.

Die Erstbeschwerdeführerin ist in Österreich neben ihrer Tätigkeit als Hausfrau zehn Stunden pro Woche als Küchenhilfe tätig und arbeitet einen Tag wöchentlich ehrenamtlich in der Krankenbetreuung. Sie würde gerne eine Ausbildung zur Altenpflegerin machen. Die Erstbeschwerdeführerin hat sich schon darüber informiert, welche Ausbildung sie absolvieren muss, um Altenpflegerin zu werden. Die Erstbeschwerdeführerin möchte selbständig sein, ihr eigenes Geld verdienen, verwaltet das Familienbudget und organisiert das Familienleben. In Österreich unterstützt der Zweitbeschwerdeführer die Erstbeschwerdeführerin im Haushalt und bei der Betreuung der Kinder. Der Erstbeschwerdeführerin ist Bildung wichtig und sie wünscht sich auch für ihre Kinder eine gute Schul- und Berufsausbildung.

Die mittlerweile volljährige Drittbeschwerdeführerin absolviert erfolgreich eine Lehre zur Friseur- und Perückenmacherin, der mittlerweile volljährige Viertbeschwerdeführer absolviert erfolgreich eine Lehre zum Koch. Die Fünft- bis Achtbeschwerdeführer gehen zur Schule bzw. in den Kindergarten. Die Erstbeschwerdeführerin will auch, dass ihre Kinder ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen leben und - altersentsprechend - eigene Entscheidungen treffen können.

Die Erstbeschwerdeführerin möchte in Österreich berufstätig sein, in weiterer Folge Zeit für ihr eigenes Leben haben und keine weiteren Kinder mehr bekommen, weshalb sie nach der Geburt des letzten Kindes eine Sterilisation durchführen hat lassen.

Die Erstbeschwerdeführerin hat gute Deutschkenntnisse, hat die Deutschprüfung Niveau A2 erfolgreich absolviert und lernt derzeit für die Deutschprüfung Niveau B1.

Die Beschwerdeführer haben gute soziale Kontakte zu einigen Österreichern, die mittlerweile Freunde geworden sind, die Familie intensiv unterstützen und als Vertrauenspersonen mit zur mündlichen Verhandlung gekommen sind.

Im Rahmen eines Projektes ihrer Wohngemeinde als "Gesunde Gemeinde" leitet die Erstbeschwerdeführerin regelmäßig Kochkurse unter dem Titel "Kochen wie in Tausend und einer Nacht", und werden diese Kurse von einer Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, welche als Freundin und Vertrauensperson der Beschwerdeführer mit zur mündlichen Verhandlung gekommen ist, organisiert.

Die Erstbeschwerdeführerin ist eine selbständige Frau, die in ihrer Wertehaltung und Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Die Erstbeschwerdeführerin lebt in Österreich nicht nach der konservativ-afghanischen Tradition, lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan sowie Kleidungsvorschriften ab, und kann sich auch nicht vorstellen nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. Die Erstbeschwerdeführerin ist nicht besonders religiös. Diese Einstellung der Erstbeschwerdeführerin steht im Widerspruch zu den nach den Länderfeststellungen im Herkunftsstaat bestehenden traditionalistisch-religiös geprägten gesellschaftlichen Auffassungen hinsichtlich Bewegungsfreiheit und Zugang zu Erwerbstätigkeit für Frauen.

Die Erst- bis Viertbeschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin:

Bezogen auf die Situation der Erstbeschwerdeführerin sind folgende Länderfeststellungen -Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 26.03.2019 -als relevant zu werten:

Frauen

Die Lage afghanischer Frauen hat sich in den letzten 15 Jahren zwar insgesamt ein wenig verbessert, jedoch nicht so sehr wie erhofft (BFA Staatendokumentation 4.2018). Wenngleich es in den unterschiedlichen Bereichen viele Fortschritte gab, bedarf die Lage afghanischer Frauen spezieller Beachtung (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 23.3.2016). Die afghanische Regierung ist bemüht, die Errungenschaften der letzten eineinhalb Jahrzehnte zu verfestigen - eine Institutionalisierung der Gleichberechtigung von Frauen in Afghanistan wird als wichtig für Stabilität und Entwicklung betrachtet (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). Trotzdem gilt Afghanistan weiterhin als eines der gefährlichsten Länder für Frauen weltweit (AF 13.12.2017). In einigen Bereichen hat der Fortschritt für Frauen stagniert, was großteils aus der Talibanzeit stammenden unnachgiebigen konservativen Einstellungen ihnen gegenüber geschuldet ist (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AF 13.12.2017). Viel hat sich dennoch seit dem Ende des Talibanregimes geändert: Frauen haben das verfassungsmäßige Recht an politischen Vorgängen teilzunehmen, sie streben nach Bildung und viele gehen einer Erwerbstätigkeit nach (TET 15.3.2018). Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (MPI 27.1.2004). In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der Umsetzung dieser Rechte (AA 5.2018; vgl. UNAMA/OHCHR 5.2018). Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018). Traditionell diskriminierende Praktiken gegen Frauen existieren insbesondere in ländlichen und abgelegenen Regionen weiter (AA 5.2018).

Bildung

Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.7.2014). Laut Verfassung haben alle afghanischen Staatsbürger/innen das Recht auf Bildung (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Öffentliche Kindergärten und Schulen sind bis zur Hochschulebene kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten sind kostenpflichtig (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 2017). Aufgeschlossene und gebildete Afghanen, welche die finanziellen Mittel haben, schicken ihre Familien ins Ausland, damit sie dort leben und eine Ausbildung genießen können (z.B. in die Türkei); während die Familienväter oftmals in Afghanistan zurückbleiben (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Eine der Herausforderungen für alle in Afghanistan tätigen Organisationen ist der Zugang zu jenen Gegenden, die außerhalb der Reichweite öffentlicher Bildung liegen. Der Bildungsstand der Kinder in solchen Gegenden ist unbekannt und Regierungsprogramme sind für sie unzugänglich; speziell, wenn die einzigen verfügbaren Bildungsstätten Madrassen sind (BFA Staatendokumentation 4.2018).

In den Jahren 2016 und 2017 wurden durch den United Nations Children's Fund (UNICEF) mit Unterstützung der United States Agency for International Development (USAID) landesweit 4.055 Dorfschulen errichtet - damit kann die Bildung von mehr als 119.000 Kindern in ländlichen Gebieten sichergestellt werden, darunter mehr als 58.000 Mädchen. Weitere 2.437 Ausbildungszentren in Afghanistan wurden mit Unterstützung von USAID errichtet, etwa für Personen, die ihre Ausbildung in frühen Bildungsjahren unterbrechen mussten. Mehr als 49.000 Student/innen sind in diesen Ausbildungszentren eingeschrieben (davon mehr als 23.000 Mädchen). USAID hat mehr als 154.000 Lehrer ausgebildet (davon mehr als 54.000 Lehrerinnen) sowie 17.000 Schuldirektoren bzw. Schulverwalter (mehr als 3.000 davon Frauen) (USAID 10.10.2017). Sowohl Männer als auch Frauen schließen Hochschulstudien ab - derzeit sind etwa 300.000 Student/innen an afghanischen Hochschulen eingeschrieben - darunter 100.000 Frauen (USAID 10.10.2017). Dem afghanischen Statistikbüro (CSO) zufolge gab es im Zeitraum 2016-2017 in den landesweit 16.049 Schulen, insgesamt

8.868.122 Schüler, davon waren 3.418.877 weiblich. Diese Zahlen beziehen sich auf Schüler/innen der Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren sowie Religionsschulen. Im Vergleich mit den Zahlen aus dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Studentinnen um 5,8% verringert (CSO 2017). Die Gesamtzahl der Lehrer für den Zeitraum 2016-2017 betrug 197.160, davon waren 64.271 Frauen. Insgesamt existieren neun medizinische Fakultäten, an diesen sind 342.043 Studierende eingeschrieben, davon 77.909 weiblich. Verglichen mit dem Zeitraum 2015-2016 hat sich die Anzahl der Frauen um 18.7% erhöht (CSO 2017). Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (TE 13.8.2016; vgl. MORAA 31.5.2016). Im Jahr 2017 wurde ein Programm ins Leben gerufen, bei dem 70 Mädchen aus Waisenhäusern in Afghanistan, die Gelegenheit bekommen ihre höhere Bildung an der Moraa Universität genießen zu können (Tolonews 17.8.2017). Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (KP 18.10.2015; vgl. UNDP 10.7.2016). Im Jahr 2017 haben die ersten Absolvent/innen des Masterprogramms den Lehrgang abgeschlossen: 15 Frauen und sieben Männer, haben sich in ihrem Studium zu Aspekten der Geschlechtergleichstellung und Frauenrechte ausbilden lassen; dazu zählen Bereiche wie der Rechtsschutz, die Rolle von Frauen bei der Armutsbekämpfung, Konfliktschlichtung etc. (UNDP 7.11.2017).

Berufstätigkeit

Berufstätige Frauen sind oft Ziel von sexueller Belästigung durch ihre männlichen Kollegen. Die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen variiert je nach Region und ethnischer bzw. Stammeszugehörigkeit (AA 5.2018). Aus einer Umfrage der Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 geht hervor, dass die Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen außerhalb des Hauses unter den Hazara 82,5% beträgt und am höchsten ist. Es folgen die Usbeken (77,2%), die Tadschiken (75,5%) und die Paschtunen (63,4%). In der zentralen Region bzw. Hazarajat tragen 52,6% der Frauen zum Haushaltseinkommen bei, während es im Südwesten nur 12% sind. Insgesamt sind 72,4% der befragten Afghanen und Afghaninnen der Meinung, dass Frauen außerhalb ihres Hauses arbeiten sollen (AF 11.2017). Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig erhöht und betrug im Jahr 2016 19%. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UNW o. D.). Nichtsdestotrotz arbeiten viele afghanische Frauen grundlegend an der Veränderung patriarchaler Einstellungen mit. Viele von ihnen partizipieren an der afghanischen Zivilgesellschaft oder arbeiten im Dienstleistungssektor (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. LobeLog 15.11.2017). Aber noch immer halten soziale und wirtschaftliche Hindernisse (Unsicherheit, hartnäckige soziale Normen, Analphabetismus, fehlende Arbeitsmöglichkeiten und mangelnder Zugang zu Märkten) viele afghanische Frauen davon ab, ihr volles Potential auszuschöpfen (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. MENA FN 19.12.2017). Die Einstellung gegenüber der Berufstätigkeit von Frauen hat sich in Afghanistan in den letzten Jahren geändert; dies hängt auch mit den NGOs und den privaten Firmen zusammen, die in Afghanistan aktiv sind. Die städtische Bevölkerung hat kaum ein Problem mit der Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen oder Töchter. Davor war der Widerstand gegen arbeitende Frauen groß und wurde damit begründet, dass ein Arbeitsplatz ein schlechtes Umfeld für Frauen darstelle, etc. In den meisten ländlichen Gemeinschaften sind konservative Einstellungen nach wie vor präsent (BFA Staatendokumentation 4.2018) und afghanische Frauen sehen sich immer noch Hindernissen ausgesetzt, wenn es um Arbeit außerhalb ihres Heimes geht (BFA Staatendokumentation; vgl. IWPR 18.4.2017). Im ländlichen Afghanistan gehen viele Frauen, aus Furcht vor sozialer Ächtung, keiner Arbeit außerhalb des Hauses nach (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. WB 28.8.2017). Das Gesetz sieht zwar die Gleichstellung von Mann und Frau im Beruf vor, jedoch beinhaltet es keine egalitären Zahlungsvorschriften bei gleicher Arbeit. Das Gesetz kriminalisiert Eingriffe in das Recht auf Arbeit der Frauen; dennoch werden diese beim Zugang zu Beschäftigung und Anstellungsbedingungen diskriminiert (USDOS 20.4.2018).

Dennoch hat in Afghanistan aufgrund vieler Sensibilisierungsprogramme sowie Projekte zu Kapazitätsaufbau und Geschlechtergleichheit ein landesweiter Wandel stattgefunden, wie Frauen ihre Rolle in- und außerhalb des Hauses sehen. Immer mehr Frauen werden sich ihrer Möglichkeiten und Chancen bewusst. Sie beginnen auch wirtschaftliche Macht zu erlangen, indem eine wachsende Zahl Teil der Erwerbsbevölkerung wird - in den Städten mehr als in den ländlichen Gebieten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. WD 21.12.2017). Frauen als Ernährerinnen mit Verantwortung für die gesamte Familie während ihr Mann arbeitslos ist, sind keine Seltenheit mehr. Mittlerweile existieren in Afghanistan oft mehr Arbeitsmöglichkeiten für Frauen als für Männer, da Arbeitsstellen für letztere oftmals schon besetzt sind (BFA Staatendokumentation 4.2018). In und um Kabul eröffnen laufend neue Restaurants, die entweder von Frauen geführt werden oder in ihrem Besitz sind. Der Dienstleistungssektor ist zwar von Männern dominiert, dennoch arbeitet eine kleine, aber nicht unwesentliche Anzahl afghanischer Frauen in diesem Sektor und erledigt damit Arbeiten, die bis vor zehn Jahren für Frauen noch als unangebracht angesehen wurden (und teilweise heute noch werden) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. YM 11.12.2017). Auch soll die Anzahl der Mitarbeiterinnen im Finanzsektor erhöht werden (BFA Staatendokumentation; vgl. USAID 26.9.2017). In Kabul zum Beispiel eröffnete im Sommer 2017 eine Filiale der First MicroFinance Bank, Afghanistan (FMFB-A), die nur für Frauen gedacht ist und nur von diesen betrieben wird. Diese Initiative soll es Frauen ermöglichen, ihre Finanzen in einer sicheren und fördernden Umgebung zu verwalten, um soziale und kulturelle Hindernisse, die ihrem wirtschaftlichen Empowerment im Wege stehen, zu überwinden. Geplant sind zwei weitere Filialen in Mazar-e Sharif bis 2019 (BFA Staatendokumentation; vgl. AKDN 26.7.2017). In Kabul gibt es eine weitere Bank, die - ausschließlich von Frauen betrieben - hauptsächlich für Frauen da ist und in deren Filiale sogar ein eigener Spielbereich für Kinder eingerichtet wurde (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. GABV 26.7.2017). Eine Position in der Öffentlichkeit ist für Frauen in Afghanistan noch immer keine Selbstverständlichkeit (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. NZZ 23.4.2017). Dass etwa der afghanische Präsident dies seiner Ehefrau zugesteht, ist Zeichen des Fortschritts (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. WD 21.12.2017). Frauen in öffentlichen bzw. semi-öffentlichen Positionen sehen sich deshalb durchaus in einer gewissen Vorbildfunktion. So polarisiert die Talent-Show "Afghan Star" zwar einerseits das Land wegen ihrer weiblichen Teilnehmer und für viele Familien ist es inakzeptabel, ihre Töchter vor den Augen der Öffentlichkeit singen oder tanzen zu lassen. Dennoch gehört die Sendung zu den populärsten des Landes (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. NZZ 23.4.2017).

Politische Partizipation und Öffentlichkeit

Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Das per Präsidialdekret erlassene Wahlgesetz sieht eine Frauenquote von min. 25% in den Provinzräten vor. Zudem sind min. zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Indpendent Electoral Commission, IEC) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung veröffentlichte im Jänner 2018 einen Strategieplan zur Erhöhung des Frauenanteils im öffentlichen Dienst um 2% für das Jahr 2018 (AA 5.2018). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UNW o.D.). Im Winter 2017 wurde mit Khojesta Fana Ebrahimkhel eine weitere Frau zur afghanischen Botschafterin (in Österreich) ernannt (APA 5.12.2017). Dennoch sehen sich Frauen, die in Regierungspositionen und in der Politik aktiv sind, weiterhin mit Bedrohungen und Gewalt konfrontiert und sind Ziele von Angriffen der Taliban und anderer aufständischer Gruppen. Traditionelle gesellschaftliche Praktiken schränken die Teilnahme der Frauen am politischen Geschehen und Aktivitäten außerhalb des Hauses und der Gemeinschaft weiterhin ein. Der Bedarf einer männlichen Begleitung bzw. einer Arbeitserlaubnis ist weiterhin gängig. Diese Faktoren sowie ein Mangel an Bildung und Arbeitserfahrung haben wahrscheinlich zu einer männlich dominierten Zusammensetzung der Zentralregierung beigetragen (USDOS 20.4.2018).

Strafverfolgung und rechtliche Unterstützung

Afghanistan verpflichtet sich in seiner Verfassung durch die Ratifizierung internationaler Konventionen und durch nationale Gesetze, die Gleichberechtigung und Rechte der Frauen zu achten und zu stärken. In der Praxis mangelt es jedoch oftmals an der praktischen Umsetzung dieser Rechte (AA 5.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Viele Frauen sind sich ihrer in der Verfassung garantierten und auch gewisser vom Islam vorgegebener, Rechte nicht bewusst. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern oder traditionellen Stammesstrukturen bestimmt wird, nur in eingeschränktem Maße möglich (AA 5.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage oder auf Grund tradierter Wertevorstellungen nicht gewillt, Frauenrechte zu schützen. Gesetze zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Frauen werden nur langsam umgesetzt. Das Personenstandsgesetz enthält diskriminierende Vorschriften für Frauen, insbesondere in Bezug auf Heirat, Erbschaft und Beschränkung der Bewegungsfreiheit (AA 9.2016). Viele Gewaltfälle gelangen nicht vor Gericht, sondern werden durch Mediation oder Verweis auf traditionelle Streitbeilegungsformen (Schuren und Jirgas) verhandelt. Traditionelle Streitbeilegung führt oft dazu, dass Frauen ihre Rechte, sowohl im Strafrecht als auch im zivilrechtlichen Bereich wie z. B. im Erbrecht, nicht gesetzeskonform zugesprochen werden. Viele Frauen werden darauf verwiesen, den "Familienfrieden" durch Rückkehr zu ihrem Ehemann wiederherzustellen (AA 5.2018). Andere Frauen, die nicht zu ihren Familien zurückkehren können, erhalten in einigen Fällen Unterstützung vom Ministerium für Frauenangelegenheiten und Nichtregierungsinstitutionen, indem Ehen für diese arrangiert werden (USDOS 20.4.2018). Eine erhöhte Sensibilisierung seitens der afghanischen Polizei und Justiz führt zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. Insbesondere die Schaffung von auf Frauen spezialisierte Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen hatte positive Auswirkungen (AA 9.2016). Um Frauen und Kindern, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden, beizustehen, hat das Innenministerium (MoI) landesweit Family Response Units (FRU) eingerichtet. Die FRU sind mit Fachleuten wie Psychologen und Sozialarbeitern besetzt, welche die Opfer befragen und aufklären und ihre physische sowie psychische medizinische Behandlung nachverfolgen. Im Jahr 2017 existierten 208 FRU im Land (USDOD 12.2017).

EVAW-Gesetz

Das Law on Elimination of Violence against Women (EVAW-Gesetz) wurde durch ein Präsidialdekret im Jahr 2009 eingeführt und ist eine wichtige Grundlage für den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen - inklusive der weit verbreiteten häuslichen Gewalt (AA 5.2018). Das EVAW-Gesetz ist nach wie vor in seiner Form als eigenständiges Gesetz gültig (Pajhwok 11.11.2017; vgl. UNN 22.2.2018); und bietet rechtlichen Schutz für Frauen (UNAMA 22.2.2018). Das EVAW-Gesetz definiert fünf schwere Straftaten gegen Frauen: Vergewaltigung, Zwangsprostitution, die Bekanntgabe der Identität eines Opfers, Verbrennung oder Verwendung von chemischen Substanzen und erzwungene Selbstverbrennung oder erzwungener Selbstmord. Dem EVAW-Gesetz zufolge muss der Staat genannte Verbrechen untersuchen und verfolgen, auch, wenn die Frau die Beschwerde nicht einreichen kann bzw. diese zurückzieht. Dieselben Taten werden auch im neuen afghanischen Strafgesetzbuch kriminalisiert (UNAMA/OHCHR 5.2018). Das EVAW-Gesetz wird jedoch weiterhin nur unzureichend umgesetzt. Frauen können sich grundsätzlich, abgesehen von großen Städten wie Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif nicht ohne einen männlichen Begleiter in der Öffentlichkeit bewegen. Es gelten strenge soziale Anforderungen an ihr äußeres Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, deren Einhaltung sie jedoch nicht zuverlässig vor sexueller Belästigung schützt (AA 5.2018).

Frauenhäuser

Nichtregierungsorganisation in Afghanistan betreiben etwa 40 Frauenhäuser, zu denen auch Rechtsschutzbüros und andere Einrichtungen für Frauen, die vor Gewalt fliehen, zählen. Alle Einrichtungen sind auf Spenden internationaler Gruppen angewiesen - diese Einrichtungen werden zwar im Einklang mit dem afghanischen Gesetz betrieben, stehen aber im Widerspruch zur patriarchalen Kultur in Afghanistan. Oftmals versuchen Väter ihre Töchter aus den Frauenhäusern zu holen und sie in Beziehungen zurückzudrängen, aus denen sie geflohen sind, oder Ehen mit älteren Männern oder den Vergewaltigern zu arrangieren (NYT 17.3.2018). Die EVAWInstitutionen und andere Einrichtungen, die Gewaltmeldungen annehmen und für die Schlichtung zuständig sind, bringen die Gewaltopfer während des Verfahrens oft in Schutzhäuser (z. B. Frauenhäuser) (UNAMA/OHCHR 5.2018). Weibliche Opfer von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder Zwangsehe sind meist auf Schutzmöglichkeiten außerhalb der Familie angewiesen, da die Familie oft für die Notlage (mit-)verantwortlich ist. Landesweit gibt es in den großen Städten Frauenhäuser, deren Angebot sehr oft in Anspruch genommen wird. Manche Frauen finden vorübergehend Zuflucht, andere wiederum verbringen dort viele Jahre (AA 5.2018). Die Frauenhäuser sind in der afghanischen Gesellschaft höchst umstritten, da immer wieder Gerüchte gestreut werden, diese Häuser seien Orte für unmoralische Handlungen und die Frauen in Wahrheit Prostituierte (AA 5.2018; vgl. NYT 17.3.2018). Sind Frauen erst einmal im Frauenhaus untergekommen, ist es für sie sehr schwer, danach wieder in ein Leben außerhalb zurückzufinden. Das Schicksal von Frauen, die auf Dauer weder zu ihren Familien noch zu ihren Ehemännern zurückkehren können, ist bisher ohne Perspektive. Für diese erste "Generation" von Frauen, die sich seit Ende der Taliban-Herrschaft in den Schutzeinrichtungen eingefunden haben, hat man in Afghanistan bisher keine Lösung gefunden. Generell ist in Afghanistan das Prinzip eines individuellen Lebens weitgehend unbekannt. Auch unverheiratete Erwachsene leben in der Regel im Familienverband. Für Frauen ist ein alleinstehendes Leben außerhalb des Familienverbandes kaum möglich und wird gemeinhin als unvorstellbar oder gänzlich unbekannt beschrieben (AA 5.2018). Die EVAW-Institutionen konsultieren in der Regel die Familie und das Opfer, bevor sie es in ein Frauenhaus bringen (UNAMA/OHCHR 5.2018).

Gewalt gegen Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet und kaum dokumentiert. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzung und Misshandlung über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigung und Mord (AA 5.2018). Zu geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt zählen außerdem noch die Praxis der badal-Hochzeiten (Frauen und Mädchen, die im Rahmen von Heiratsabmachungen zwischen Familien getauscht werden, Anm.) bzw. des ba'ad (Mädchen, die zur Konfliktlösung abgegeben werden, Anm.) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 4.12.2017). Dem Bericht der AIHRC zufolge wurden für das Jahr 2017 4.340 Fälle von Gewalt gegen Frauen registriert. Die Anzahl der gemeldeten Gewaltvorfälle und der Gewaltopfer steigt (AIHRC 11.3.2018). Soziale Medien in Afghanistan haben Frauen und Mädchen neue Möglichkeiten eröffnet, um ihr Schicksal zu teilen. In den Medien ist der Kampf afghanischer Frauen, Mädchen und Buben gegen geschlechtsspezifische und sexuelle Gewalt in all ihren Formen tiefgründig dokumentiert. Die afghanische Regierung hat anerkannt, dass geschlechtsspezifische Gewalt ein Problem ist und eliminiert werden muss. Das soll mit Mitteln der Rechtsstaatlichkeit und angemessenen Vollzugsmechanismen geschehen. Zu diesen zählen das in Afghanistan eingeführte EVAWGesetz zur Eliminierung von Gewalt an Frauen, die Errichtung der EVAW-Kommission auf nationaler und lokaler Ebene und die EVAW-Strafverfolgungseinheiten. Auch wurden Schutzzentren für Frauen errichtet und die Rekrutierung von Frauen in der Polizei verstärkt. Mittlerweile existieren für Frauen 205 Spezialeinsatzeinheiten, die hauptsächlich von weiblichen Mitarbeiterinnen der afghanischen Nationalpolizei geleitet werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 4.12.2017).

Legales Heiratsalter:

Das Zivilgesetz Afghanistans definiert für Mädchen 16 Jahre (15 Jahre, wenn dies von einem Elternteil bzw. einem Vormund und dem Gericht erlaubt wird) und für Burschen 18 Jahre als das legale Mindestalter für Vermählungen (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 5.2018). Dem Gesetz zufolge muss vor dem Ehevertrag das Alter der Braut festgestellt werden. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung besitzt Geburtsurkunden. Quellen zufolge ist die frühe Heirat weiterhin verbreitet. Gemäß dem EVAW-Gesetz werden Personen, die Zwangsehen bzw. Frühverheiratung arrangieren, für mindestens zwei Jahre inhaftiert; dennoch hält sich die Umsetzung dieses Gesetzes in Grenzen (USDOS 20.4.2018). Im Rahmen von Traditionen geben arme Familien ihre Mädchen im Gegenzug für "Brautgeld" zur Heirat frei, wenngleich diese Praxis in Afghanistan illegal ist. Lokalen NGOs zufolge, werden manche Mädchen im Alter von sechs oder sieben Jahren zur Heirat versprochen - unter der Voraussetzung, die Ehe würde bis zum Erreichen der Pubertät nicht stattfinden. Berichte deuten an, dass diese "Aufschiebung" eher selten eingehalten wird. Medienberichten zufolge existiert auch das sogenannte "Opium-Braut-Phänomen", dabei verheiraten Bauern ihre Töchter, um Schulden bei Drogenschmugglern zu begleichen (USDOS 3.3.2017).

Familienplanung und Verhütung

Das Recht auf Familienplanung wird von wenigen Frauen genutzt. Auch wenn der weit überwiegende Teil der afghanischen Frauen Kenntnisse über Verhütungsmethoden hat, nutzen nur etwa 22% (überwiegend in den Städten und gebildeteren Schichten) die entsprechenden Möglichkeiten (AA 5.2018). Ohne Diskriminierung, Gewalt und Nötigung durch die Regierung steht es Paaren frei, ihren Kinderwunsch nach ihrem Zeitplan, Anzahl der Kinder usw. zu verwirklichen. Es sind u.a. die Familie und die Gemeinschaft, die Druck auf Paare zur Reproduktion ausüben (USDOS 3.3.2017). Auch existieren keine Berichte zu Zwangsabtreibungen, unfreiwilliger Sterilisation oder anderen zwangsverabreichten Verhütungsmitteln zur Geburtenkontrolle (USDOS 20.4.2018). Viele Frauen gebären Kinder bereits in sehr jungem Alter (AA 5.2018; vgl. USDOS 3.3.2017). Orale Empfängnisverhütungsmittel, Intrauterinpessare, injizierbare Verhütungsmethoden und Kondome sind erhältlich; diese werden kostenfrei in öffentlichen Gesundheitskliniken und zu subventionierten Preisen in Privatkliniken und durch Community Health Workers (CHW) zur Verfügung gestellt (USDOS 3.3.2017).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Herkunft, zur Religionszugehörigkeit sowie zur familiären Situation der Beschwerdeführer stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin, des Zweitbeschwerdeführers, der Drittbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers in der Erstbefragung bzw. in der Einvernahme vor der belangten Behörde, und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.04.2019. Die Identität der Beschwerdeführer steht mit der für das Verfahren ausreichenden Sicherheit fest.

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Erstbeschwerdeführerin als selbständige Frau, die die traditionell begründeten gesellschaftlichen Einstellungen und die sich daraus im Alltag ergebenden Zwänge gegenüber Frauen im Herkunftsstaat ablehnt, ergeben sich aus den glaubwürdigen Aussagen der Erstbeschwerdeführerin in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 13.04.2017 sowie insbesondere in der mündlichen Verhandlung am 01.04.2019.

Die Erstbeschwerdeführerin hat in ihrer Heimat fünf Jahre die Schule besucht, durfte dann aber als Frau nicht mehr weiter zur Schule gehen, sondern musste heiraten und Hausfrau werden.

In Österreich arbeitet die Erstbeschwerdeführerin neben ihrer Tätigkeit als Hausfrau zehn Stunden pro Woche als Küchenhilfe und einen Tag wöchentlich ist sie ehrenamtlich in der Krankenbetreuung tätig. In der mündlichen Verhandlung hat sie vorgebracht gerne eine Ausbildung zur Altenpflegerin machen zu wollen, und ausgeführt, welche Voraussetzungen sie dafür braucht. Die Erstbeschwerdeführerin hat weiters vorgebracht, sie möchte selbständig sein, ihr eigenes Geld verdienen und sie verwaltet bereits seit ihrer Ankunft in Österreich das Familienbudget bzw. organisiert das Familienleben. In Afghanistan habe sie der Zweitbeschwerdeführer nicht bei der Hausarbeit oder der Kinderbetreuung unterstützt, hier in Österreich unterstützt sie der Zweitbeschwerdeführer im Haushalt und bei der Betreuung der Kinder. Der Erstbeschwerdeführerin ist Bildung wichtig und sie wünscht sich auch für ihre Kinder eine gute Schul- und Berufsausbildung. Die Erstbeschwerdeführerin wollte auch nicht, dass die Drittbeschwerdeführerin - welche vor der Ausreise aus Afghanistan bereits im heiratsfähigen Alter war - in der Heimat verheiratet worden wäre. In der mündlichen Verhandlung führte die Erstbeschwerdeführerin zu ihrem Wunsch nach Selbständigkeit, und Ausbildung weiters bekräftigend aus, sie habe acht Kinder geboren dies sei genug und sie wolle keine Kinder mehr, da sie zukünftig vermehrt für ihr eigenes Leben und eigene Tätigkeiten Zeit haben wolle, und daher sei sie nach der Geburt der Achtbeschwerdeführerin "zu gemacht worden".

Die als Vertrauensperson zur mündlichen Verhandlung mitgekommene Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe hat - nachdem sie von der Erstbeschwerdeführerin von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht entbunden wurde - ausgeführt, dass bei der Erstbeschwerdeführerin eine Sterilisation durchgeführt wurde.

Auch der Erstbeschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, es sei ihm wichtig, dass seine Kinder eine Ausbildung machen, über ihr Leben bestimmen und auch, dass die Erstbeschwerdeführerin ein selbständiges Leben führen und eine Ausbildung machen bzw. arbeiten gehen kann. In Afghanistan hätte er aber darüber nicht entscheiden können, das hätte sein Vater entschieden und hätte er auch der Familientradition gehorchen und seine Tochter verheiraten müssen. Diese Angaben wurde auch von der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

Die Erstbeschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend vorgebracht, dass sie in Österreich nicht nach der konservativ-afghanischen Tradition lebt, auch nicht besonders religiös ist, die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan sowie Kleidungsvorschriften ablehnt, und sich auch nicht vorstellen kann nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. Die Erstbeschwerdeführerin ist in ihrer Wertehaltung und Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert und lebt auch danach. Dies wurde auch durch das äußere Erscheinungsbild der Erstbeschwerdeführerin, ihr selbstbewusstes Auftreten in der mündlichen Verhandlung und auch durch den Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin selbst Maßnahmen setzen ließ um ihrem Wunsch entsprechend keine Kinder mehr zu bekommen, bekräftigt.

Aus den dargelegten Gründen ergibt sich, dass die Erstbeschwerdeführerin als selbstständige Frau anzusehen ist, die in einer Weise lebt, die nicht mit den traditionell-konservativen Ansichten betreffend die Rolle der Frau in der afghanischen Gesellschaft übereinstimmt. Daher ist davon auszugehen, dass eine Ablehnung der konservativ-islamischen Wertvorstellungen der Erstbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund ihres Aufenthaltes im Ausland und ihrer Anpassung an das hier bestehende Gesellschaftssystem zumindest unterstellt würde, und der Erstbeschwerdeführerin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen drohen würde.

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen der Erstbeschwerdeführerin ergeben sich aus ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung und aus den diesbezüglich vorgelegten Unterlagen. Überdies konnte sich die erkennende Richterin in der mündlichen Verhandlung davon überzeugen.

Von der Richterin in der mündlichen Verhandlung zu dem am 01.02.2019 ho. eingelangten Antrag der Beschwerdeführer auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Fristsetzungsantrages befragt, gab der Zweitbeschwerdeführer an, den Inhalt habe jemand von der Caritas verfasst, er selbst habe den Antrag nur unterschrieben, wissen aber gar nicht was genau der Inhalt sei. Er sei nur zur Caritas gegangen, weil er wollte, dass so schnell wie möglich eine Entscheidung getroffen werde. In der mündlichen Verhandlung haben die Beschwerdeführer - nach Belehrung durch die Richterin über den Inhalt des Antrages und nach Rücksprache mit der Rechtsberaterin - den gegenständlichen Antrag zurückgezogen.

Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan ergeben sich aus den, den Beschwerdeführern mit der Verhandlungsladung übermittelten und anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.04.2019 erörterten Länderberichten, die der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt wurden. Die Länderfeststellungen stützen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben.

Die Rechtsberaterin hat in der mündlichen Verhandlung um eine Frist zur Einbringung einer Stellungnahme zu den Länderfeststellungen ersucht, und mit Schreiben vom 16.04.2019 insbesondere auf eine Verfolgung durch die Taliban und die westliche Orientierung der Erstbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführerin verwiesen.

Die Feststellungen, dass die Beschwerdeführer in Österreich strafrechtlich unbescholten sind, ergeben sich aus der Einsichtnahme ins österreichische Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu Spruchpunkt A):

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso liegen die Voraussetzungen bei Staatenlosen, die sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in diese

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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