TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/6 W182 2218093-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.05.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.05.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §33 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W182 2218093-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.04.2019, Zl. 1224741802 - 190341543, gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBI. I. Nr 33/2013 idgF, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wird gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz

(B-VG), BGBl I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an, ist Muslim und stellte im Zuge der Einreisekontrolle am Flughafen Wien Schwechat am 02.04.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er gegenüber dem einschreitenden Beamten in Anwesenheit eines russischen Dolmetschers damit, dass er XXXX hätte.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 03.04.2019 brachte der BF zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass man in seiner Heimat Tschetschenien seit 2015 wiederholt versucht habe, ihn zum Militärdienst einzuberufen. Da Freunde des BF nach der Einberufung in Kampfgebiete in die Ostukraine oder Syrien entsendet worden seien, sei der BF untergetaucht. Er habe sich immer wieder durch Verlegung seines Wohnsitzes bzw. Ortswechsel - so habe er etwa bei Verwandten gewohnt - der Einberufung entzogen. In der Zwischenzeit seien ca. zehn Ladungen von der Wehrdienstbehörde an die Adresse seiner Eltern zugestellt worden. Der BF habe noch nie in seinem Leben an Kampfhandlungen teilgenommen und wolle weder für Kadyrov noch für Putin kämpfen. Aus diesem Grund habe er das Herkunftsland verlassen. Er habe Angst, dass gegen ihn im Herkunftsland ein Verfahren eingeleitet werde und er als Militärdienstflüchtiger festgenommen und inhaftiert werde. Danach würde er zum Militär eingezogen und möglicherweise gegen seinen Willen nach Syrien entsendet werden. Er könnte auch gefoltert werden, weil er nicht zum Militär eingerückt sei. Der BF sei am 19.03.2019 legal mit einem vor ca. drei Jahren ausgestellten russischen Reisepass mit dem Flugzeug aus dem Herkunftsland XXXX ausgereist. Von dort sei er XXXX weitergereist und von dort mit einem Direktflug nach Österreich gekommen. Der BF konnte keine Personaldokumente vorlegen. Seinen Reisepass habe er im Flieger nach Wien zerrissen und über die Toilette entsorgt. Im Herkunftsland würden sich seine Eltern, seine Schwester sowie sein jüngerer, volljähriger Bruder aufhalten.

In einer Einvernahme in der Erstaufnahmestelle Flughafen durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 09.04.2019 brachte der BF in Beisein eines Rechtsberaters zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen wie bei der Erstbefragung vor. Bereits im Jahr 2015 seien Leute von der Stellungsbehörde zu seinem Elternhaus gekommen, zuletzt am XXXX . Dies habe der BF von seiner Mutter erfahren, mit der er in regelmäßigen Kontakt stehe, wobei das letzte Gespräch mit ihr heute gewesen sei. Diesbezüglich zu einer allfälligen Bedrohungssituation befragt, gab der BF an: "Sie hat gesagt, es sei alles sehr ruhig und es wäre niemand mehr gekommen."

Der BF habe ab 2015 jedes Jahr zwei Ladungen erhalten, auch im Jahr 2016. Zuletzt habe er am XXXX und dann am XXXX eine Ladung erhalten. Die Ladungen hätten immer nur seine Eltern erhalten, er sei nie dabei gewesen. Obwohl es insgesamt ca. zehn Ladungen gewesen seien, habe er nie persönlich etwas mit Unterschrift übernommen und habe auch nie selbst eine Einberufung als Papier erhalten. Auf Nachfragen gab der BF an, dass seine Stellung "in der 9., 10. oder 11. Schulstufe" gewesen sei. Dazu gab der BF weiter an, dass sie begonnen hätten, Leute nach Syrien und in die Ukraine zu schicken. Drei seiner Freunde seien nach Syrien und in die Ukraine geschickt worden. Nachgefragt gab der BF an, nur deren Vornamen zu wissen. Der BF sei niemals persönlich belangt, bedroht oder verfolgt worden. Danach befragt, wo er zuletzt gewohnt habe, gab er an, ab XXXX wieder an seiner Meldeadresse im Elternhaus im Heimatdorf gewohnt zu haben. Als im November 2018 die Ladungen gekommen seien, habe er in Grosny gewohnt. Er sei ins Elternhaus zurückgekehrt, als sich "dann die Lage beruhigt" habe. Der BF habe bis Februar 2019 mit seinem Vater als Schweißer und Maler und am Wochenende als Mechaniker gearbeitet. Der BF sei nicht schon im Dezember ausgereist, weil es kein Geld dafür gegeben habe. Er sei ledig und kinderlos. Dem BF wurden insbesondere Länderfeststellungen zum Militärdienst im Herkunftsland und Tschetschenien zu Kenntnis gebracht. Weiters wurde ihm mitgeteilt, dass beabsichtigt werde, seinen Antrag auf internationalen Schutz im Flughafenverfahren abzuweisen.

Der BF legte zu seinem Vorbringen zwei undatierte Vorladungen für den XXXX und XXXX zu einer Abteilung des Militärkommissariats der Tschetschenischen Republik für den Bezirk von Grosny zwecks Begutachtung durch die Stellungskommission vor.

Nachforschungen des Bundesamtes haben ergeben, dass auf einer Liste der Militärkommissariate der Tschetschenischen Republik die in den vom BF vorgelegten Vorladungen aufscheinende Adresse nicht zu finden ist.

2. Am 10.04.2019 wurde das Büro des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge in Österreich (in der Folge: UNHCR) gemäß § 33 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG 2005 um Erteilung der Zustimmung zur Abweisung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz ersucht.

3. Mit Schreiben des UNHCR vom 16.04.2019 wurde dem Bundesamt mitgeteilt, dass eine Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt werde, da das Vorbringen in Einklang mit Beschluss Nr. 30 des UNHCR-Exekutivkomitees als offensichtlich unbegründet eingestuft werden könne.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z 1 und 2 iVm § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde dem BF gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt.

Seitens der Behörde wurde im Wesentlichen festgestellt, dass die Identität des BF, der russischer Staatsangehöriger sei und der tschetschenischen Volksgruppe angehöre, nicht feststehe. Die von ihm vorgebrachten Beweggründe für das Verlassen seines Herkunftsstaats -Wehrdienstverweigerung in Verbindung mit zwei eingebrachten Ladungen - seien nicht glaubhaft. Es habe nicht festgestellt werden können, dass er im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Gefährdung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen sei oder wäre. Der gesunde, ledige und kinderlose XXXX jährige BF verfüge in seinem Heimatland über familiäre Anknüpfungspunkte (Eltern und Geschwister), Berufserfahrung und sei arbeitsfähig. Die elementare Grundversorgung in seinem Herkunftsland sei gewährleistet.

Zum Herkunftsstaat bzw. Tschetschenien wurden folgende Feststellungen getroffen:

"[...]

1 . N E U E S T E E R E I G N I S S E - I N T E G R I E R T E K U R

Z I N F O RMA T I O N E N

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB Russische Föderation

übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 18.4 Homosexuelle).

Ende 2018 kam es in Tschetschenien wieder zur Verhaftung von Homosexuellen. Laut Angaben des

russischen LGBT-Netzwerkes wurden mindestens 40 Frauen und Männer inhaftiert, mindestens zwei

sollen im Zuge von Folter getötet worden sein (LGBT Netzwerk 14.1.2019, vgl. Nowaja Gaseta

18.1.2019). Laut dem Leiter des LGBT-Netzwerkes, Igor Kotschetkow, kam es nicht nur zur

physischen Bedrohung bis zur Inkaufnahme des Todes der Festgehaltenen, sondern die

Sicherheitskräfte sollen auch versucht haben, die Frauen und Männer daran zu hindern, aus der

Teilrepublik auszureisen oder vor Gericht zu ziehen (NZZ 18.1.2019, vgl. UN News 13.2.2019). Die

Kampagne, deren Muster und auch der Ort der Inhaftierung, eine Anlage in der Stadt Argun, erinnern

an eine erste Welle an Verhaftungen von tschetschenischen Homosexuellen vor zwei Jahren. Nach

Einschätzung von Menschenrechtsaktivisten gingen die Einschüchterungen, Festnahmen und

Gewalttaten gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender weiter. Im Frühsommer 2017 hatte

das Ermittlungskomitee von höchster Stelle in Moskau aus wegen starken internationalen Drucks eine

Untersuchung der schwerwiegenden Vorwürfe angeordnet. Diese brachte allerdings nie konkrete

Resultate (NZZ 18.1.2019, vgl. Nowaja Gaseta 18.1.2019).

Quellen:

-

Russisches LGBT-Netzwerk (14.1.2019): New wave of persecution against LGBT people in

Chechnya: around 40 people detained, at least two killed, https://lgbtnet.org/en/newseng/newwave-

persecution-against-lgbt-people-chechnya-around-40-people-detained-least-two-killed,

Zugriff 28.2.2019

-

Nowaja Gaseta (18.1.2019): ,

https://www.novayagazeta.ru/articles/2019/01/16/79205-legitimnye-zhertvy, Zugriff 28.2.2019

-

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (18.1.2019): In Tschetschenien hat eine neue Welle der Verfolgung

Homosexueller begonnen,

https://www.nzz.ch/international/in-tschetschenien-hat-eine-neuewelle-

der-verfolgung-homosexueller-begonnen-ld.1452401, Zugriff 28.2.2019

-

UN News (13.2.2019): LGBT community in Chechnya faces 'new wave of persecution': UN human

rights experts, https://news.un.org/en/story/2019/02/1032641, Zugriff 28.2.2019

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB RUSS übernommen

(Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 16.3. Zeugen Jehovas).

Änderungen seit Mai 2018:

Erstens wurde weitere, die Zeugen Jehovas betreffende Literatur in die "Föderale Liste extremistischer

Materialien" des Justizministeriums der RF (http://minjust.ru/ru/extremistmaterials?

field_extremist_content_value) aufgenommen. Es handelt sich dabei um die Positionen

4471, 4472, 4485 bis 4488 und 4502, die aufgrund der Entscheidungen diverser russischer Gerichte

am 5.7.2018 bzw. am 31.8.2018 in die Liste aufgenommen wurden. Zweitens wurde der Erlass N 11

"Über die gerichtliche Praxis in Strafsachen zu Verbrechen mit extremistischer Ausrichtung" des

Plenums des Obersten Gerichts vom 28.6.2011 am 20.9.2018 novelliert, die Definition der Z 20 Abs.

2, was unter einer Teilnahme an einer extremistischen Organisation iSd Art. 282.2 russ. StGB zu

verstehen ist, ist aber ebenso unverändert geblieben wie der Art. 282.2 russ. StGB ("Organisation der

Tätigkeit einer extremistischen Organisation") selbst. Auch die Entscheidung des Obersten Gerichts

der RF N AKPI 17-238 vom 20. April 2017, mit der das "Leitungszentrum der Zeugen Jehovas in

Russland" als extremistische Organisation eingestuft und verboten wurde, ist unverändert gültig.

Unter dem Link http://gorod-che.ru/new/2018/10/10/58877 findet sich ein Artikel vom 10.10.2018,

wonach fünf Bewohner der Kirowsker Oblast festgenommen wurden wegen des Versuches, die

Tätigkeit einer religiösen Organisation, die die Glaubenslehre der Zeugen Jehovas weiterverbreitet,

wieder aufzunehmen. Trotz der Verbotsentscheidung des Obersten Gerichts vom 20.4.2017 hätten die

Festgenommenen laut Untersuchungskomitee - in voller Kenntnis der Gerichtsentscheidung - in der

Zeit vom 16.8.2017 bis zum 29.9.2018 beschlossen, die religiöse Tätigkeit wieder aufzunehmen.

Unter Beachtung aller konspirativen Maßnahmen hätten sie jedes Mal in neuen Wohnungen Treffen

von Jüngern und Teilnehmern der religiösen Vereinigung organisiert. Dort hätten sie biblische Lieder

gesungen, die Fertigkeiten bei der Durchführung der missionarischen Tätigkeit vervollkommnet und in

der Extremismus-Liste aufgeführte verbotene Literatur studiert (New World Translation of the Holy

Scriptures, Nr. 4488 der Liste). Außerdem hätten sie eine verbotene religiöse Organisation finanziert,

indem sie ca. 500.000 RUB von den Glaubensanhängern gesammelt hätten. Dieses Geld sei

zwischen den Führern der Organisation für die Miete der Räumlichkeiten, für den Erwerb und die

Wartung von Computern aufgewendet worden. Der Rest der Summe sei dem Leitungszentrum

überwiesen worden.

Art. 282.3 des russ. StGB

(http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_10699/51346ce1f845bc43ee6f3eadfa69f65119c9

41fa/) stellt die Finanzierung einer extremistischen Tätigkeit unter gerichtliche Strafe. Er lautet:

"Art. 282.3 Finanzierung einer extremistischen Tätigkeit

1. Die Zurverfügungstellung oder Sammlung von Mitteln oder die Erbringung finanzieller

Dienstleistungen, wissentlich bestimmt für die Finanzierung der Organisation, der Vorbereitung und

Begehung zumindest eines der Verbrechen extremistischer Ausrichtung oder für die Sicherstellung

der Tätigkeit einer extremistischen Vereinigung oder extremistischen Organisation wird mit einer

Geldstrafe in der Höhe von 300.000 bis 700.000 RUB bestraft oder in der Höhe des Arbeits- oder

eines anderen Einkommens des Verurteilten für einen Zeitraum von 2 bis 4 Jahren oder mit

Zwangsarbeiten für einen Zeitraum von 1 bis 4 Jahren mit dem Entzug des Rechts, bestimmte

Positionen einzunehmen oder bestimmte Tätigkeiten auszuüben mit einer Frist bis zu 3 Jahren oder

ohne einen solchen und mit einer Beschränkung der Freiheit mit einer Frist bis zu 1 Jahr oder mit

Freiheitsstrafe von 3 bis 8 Jahren.

2. Diese Taten, begangen von einer Person unter Ausnutzung ihrer Amtsstellung wird mit einer

Geldstrafe in der Höhe von 300.000 bis 700.000 RUB bestraft oder in der Höhe des Arbeits- oder

eines anderen Einkommens des Verurteilten für einen Zeitraum von 2 bis 4 Jahren oder ohne eine

solche oder mit Zwangsarbeiten für einen Zeitraum von 2 bis 5 Jahren mit dem Entzug des Rechts,

bestimmte Positionen einzunehmen oder bestimmte Tätigkeiten auszuüben mit einer Frist bis zu 5

Jahren oder ohne einen solchen und mit einer Beschränkung der Freiheit mit einer Frist von 1 bis zu 2

Jahren oder mit Freiheitsstrafe von 5 bis 10 Jahren.

Anmerkung: Eine Person, die erstmals ein Verbrechen gemäß dieses Art. begangen hat, wird von der

strafrechtlichen Verantwortlichkeit frei, wenn sie mittels rechtzeitiger Benachrichtigung der Behörden

oder auf andere Weise die Verhinderung des Verbrechens, das sie finanziert hat, sichergestellt hat,

ebenso wenn sie die Verhinderung der Tätigkeit der extremistischen Gesellschaft oder der

extremistischen Organisation sichergestellt hat, für deren Sicherstellung der Tätigkeit sie Mittel zur

Verfügung gestellt oder gesammelt oder finanzielle Dienstleistungen erbracht hat, wenn in ihren

Handlungen kein anderer Straftatbestand enthalten ist."

Teilnahmen an gemeinschaftlichen Zusammenkünften bzw. Missionierungen oder öffentlichen

Handlungen (der Zeugen Jehovas) werden also von den russischen Behörden im Lichte der

Verbotsentscheidung des Obersten Gerichts, des Auslegungserlasses und der Extremismus-Liste des

russischen Justizministeriums im Rahmen der russischen Strafgesetze weiterhin verfolgt.

Eine nochmalige Internetrecherche der ÖB Moskau hat aber weiterhin keine Hinweise erbracht, dass

einfache Gläubige der Zeugen Jehovas, die nicht an gemeinschaftlichen Zusammenkünften bzw.

Missionierungen oder öffentlichen Handlungen teilnehmen, von legalen Repressionen betroffen

wären.

Quellen:

-

ÖB Moskau (23.10.2018): Information per Email

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB Russische Föderation

übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 19. Bewegungsfreiheit bzw. 19.2.

Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens).

Bekanntlich werden innerstaatliche Fluchtmöglichkeiten innerhalb Russlands seitens renommierter

Menschenrechtseinrichtungen meist unter Verweis auf die Umtriebe der Schergen des

tschetschenischen Machthabers Kadyrow im ganzen Land in Abrede gestellt. Der medialen

Berichterstattung zufolge scheint das Netzwerk von Kadyrow auch in der tschetschenischen Diaspora

im Ausland tätig zu sein. Dem ist entgegenzuhalten, dass renommierte Denkfabriken auf die

hauptsächlich ökonomischen Gründe für die Migration aus dem Nordkaukasus und die Grenzen der

Macht von Kadyrow außerhalb Tschetscheniens hinweisen. So sollen laut einer Analyse des

Moskauer Carnegie-Zentrums die meisten Tschetschenen derzeit aus rein ökonomischen Gründen

emigrieren: Tschetschenien bleibe zwar unter der Kontrolle von Kadyrow, seine Macht reiche

allerdings nicht über die Grenzen der Teilrepublik hinaus. Zur Förderung der sozio-ökonomischen

Entwicklung des Nordkaukasus dient ein eigenständiges Ministerium, das sich dabei gezielt um die

Zusammenarbeit mit dem Ausland bemüht (ÖB Moskau 10.10.2018).

Quellen:

-

ÖB Moskau (10.10.2018): Information per Email

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB Russische Föderation

übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 4. Rechtsschutz / Justizwesen).

Die russischen Behörden zeigen sich durchaus bemüht, den Vorwürfen der Verfolgung von

bestimmten Personengruppen in Tschetschenien nachzugehen. Bei einem Treffen mit Präsident Putin

Anfang Mai 2017 betonte die russische Ombudsfrau für Menschenrechte allerdings, dass zur

Inanspruchnahme von staatlichem Schutz eine gewisse Kooperationsbereitschaft der mutmaßlichen

Opfer erforderlich sei. Das von der Ombudsfrau Moskalkova gegenüber Präsident Putin genannte

Gesetz sieht staatlichen Schutz von Opfern, Zeugen, Experten und anderen Teilnehmern von

Strafverfahren sowie deren Angehörigen vor. Unter den Schutzmaßnahmen sind im Gesetz

Bewachung der betroffenen Personen und deren Wohnungen, strengere Schutzmaßnahmen in Bezug

auf die personenbezogenen Daten der Betroffenen sowie vorläufige Unterbringung an einem sicheren

Ort vorgesehen. Wenn es sich um schwere oder besonders schwere Verbrechen handelt, sind auch

Schutzmaßnahmen wie Umsiedlung in andere Regionen, Ausstellung neuer Dokumente, Veränderung

des Aussehens etc. möglich. Die Möglichkeiten des russischen Staates zum Schutz von Teilnehmern

von Strafverfahren beschränken sich allerdings nicht nur auf den innerstaatlichen Bereich. So wurde

im Rahmen der GUS ein internationales Abkommen über den Schutz von Teilnehmern im

Strafverfahren erarbeitet, das im Jahr 2006 in Minsk unterzeichnet, im Jahr 2008 von Russland

ratifiziert und im Jahr 2009 in Kraft getreten ist. Das Dokument sieht vor, dass die Teilnehmerstaaten

einander um Hilfe beim Schutz von Opfern, Zeugen und anderen Teilnehmern von Strafverfahren

ersuchen können. Unter den Schutzmaßnahmen sind vorläufige Unterbringungen an einem sicheren

Ort in einem der Teilnehmerstaaten, die Umsiedlung der betroffenen Personen in einen der

Teilnehmerstaaten, etc. vorgesehen (ÖB Moskau 10.10.2018).

Quellen:

-

ÖB Moskau (10.10.2018): Information per Email

2 . P O L I T I S C H E L A G E

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (CIA 12.7.2018, vgl. GIZ 7.2018c). Russland ist eine

Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weit reichende exekutive

Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 7.2018a, vgl. EASO 3.2017). Er ernennt auf

Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die

Minister und entlässt sie (GIZ 7.2018a). Wladimir Putin ist im März 2018, bei der Präsidentschaftswahl im Amt

mit 76,7% bestätigt worden. Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und

erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl

ärgster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als

politisch motivierten Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die

Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe

Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung

von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, um an der Wahl

teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018,

FH 1.2018). Putin kann dem Ergebnis zufolge nach 18 Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land

führen. Gemäß der Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da

es eine Beschränkung auf zwei aufeinander folgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018, vgl.

OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die

Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch

verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist

Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die

Gesetzentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den

Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Parlament - Staatsduma und Föderationsrat - ist

in seinem Einfluss stark beschränkt. Der Föderationsrat ist als "obere Parlamentskammer" das

Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten:

Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus der Exekutive und Legislative in den Föderationsrat.

Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für vier Jahre nach dem Verhältniswahlrecht auf der Basis von Parteilisten

gewählt. Es gibt eine Siebenprozentklausel. Wichtige Parteien sind die regierungsnahen Einiges Russland

(Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern und Gerechtes Russland (Spravedlivaja Rossija) mit 400.000

Mitgliedern. Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, die die

Nachfolgepartei der früheren KP ist. Die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die

populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist, die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum

Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern, die Patrioten

Russlands (Patrioty Rossii), linkszentristisch, mit 85.000 Mitgliedern, die Partei der Volksfreiheit (PARNAS) und

die demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 7.2018a). Die Zusammensetzung der Staatsduma

nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (339 Sitze), Kommunistische Partei Russlands

(42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (40 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1

Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (AA 5.2018b).

Russland ist eine Föderation, die aus 85 Föderationssubjekten (einschließlich der international umstrittenen

Einordnung der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges, Sewastopol) mit unterschiedlichem

Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete,

Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 7.2018a, vgl.

AA 5.2018b). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion

der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier

vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 7.2018a).

Es wurden acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga,

Ural, Sibirien, Ferner Osten) geschaffen, denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der

Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu

aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der

Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim

gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und

wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der

Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und

kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum ("exekutive Machtvertikale") deutlich (GIZ 7.2018a).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (5.2018b): Russische Föderation - Außen- und Europapolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederationnode/

russischefoederation/201534, Zugriff 1.8.2018

-

CIA - Central Intelligence Agency (12.7.2018): The World Factbook,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 1.8.2018

-

EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors

of Protection,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-ofprotection.

pdf, Zugriff 1.8.2018

-

FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2017 - Russia,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html, Zugriff 1.8.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018a): Russland,

Geschichte und Staat,

https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c17836, Zugriff 1.8.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018c): Russland,

Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 1.8.2018

-

OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic

Institutions and Human Rights (18.3.2018): Russian Federation Presidential Election Observation

Mission Final Report,

https://www.osce.org/odihr/elections/383577?download=true, Zugriff

29.8.2018

-

Presse.at (19.3.2018): Putin: "Das russische Volk schließt sich um Machtzentrum zusammen",

https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5391213/Putin_Das-russische-Volk-schliesstsich-

um-Machtzentrum-zusammen, Zugriff 1.8.2018

-

Standard.at (19.3.2018): Putin sichert sich vierte Amtszeit als Russlands Präsident,

https://derstandard.at/2000076383332/Putin-sichert-sich-vierte-Amtszeit-als-Praesident, Zugriff

1.8.2018

-

Tagesschau.de (19.3.2018): Klarer Sieg für Putin, https://www.tagesschau.de/ausland/russlandwahl-

putin-101.html, Zugriff 1.8.2018

2.1. Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 22 Republiken der Russischen Föderation. Die Fläche beträgt 15.647

km2 (Rüdisser 11.2012) und laut offizieller Bevölkerungsstatistik der Russischen Föderation zum 1.1.2018

beläuft sich die Einwohnerzahl Tschetscheniens auf 1,4 Millionen (GKS 25.1.2018), wobei die offiziellen

Angaben von unabhängigen Medien infrage gestellt werden. Laut Aussagen des Republiksoberhauptes Ramzan

Kadyrow sollen rund 600.000 TschetschenInnen außerhalb der Region leben, die eine Hälfte davon in der

Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat die Hälfte Tschetschenien während

der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, bei der anderen Hälfte handle es sich um

Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens, die bereits vor über einem Jahrhundert entstanden seien,

teilweise durch Migration aus dem Russischen in das Osmanische Reich, und zwar über Anatolien bis in den

arabischen Raum (ÖB Moskau 12.2017). In Bezug auf Fläche und Einwohnerzahl ist Tschetschenien somit mit

der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im

Norden und Zentrum der Republik. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der

Bewohner/innen Tschetscheniens gaben [bei der letzten Volkszählung] 2010 an, ethnische

Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%.

Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen,

Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

In Tschetschenien gilt Ramzan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen

Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen, das vollkommen auf seine

eigene Person ausgerichtet ist und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB

Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018). So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts

Tschetscheniens nach Kritik von Kadyrow zurücktreten, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter

grundsätzlich in föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die

Zahl: 1224741802 - 190341543

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 62

FrÄG 2015 - § 33 AsylG + § 3 AsylG neg + § 8 AsylG neg + § 57 AsylG neg amtsw - BE-0311-538

tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im

Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene

Neuwahlen parallel zu den Wahlen zum Oberhaupt der Republik durchzuführen. Bei den Wahlen vom

18.9.2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Kadyrow

wurde laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere

Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen, in

deren Vorfeld Human Rights Watch über massive Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers

berichtet hatte. Das tschetschenische Oberhaupt bekundet immer wieder seine absolute Loyalität gegenüber

dem Kreml (ÖB Moskau 12.2017). Vertreter russischer und internationaler NGOs berichten immer wieder von

Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, einem Klima der Angst und Einschüchterung (AA 21.5.2018). Gegen

vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird rigoros

vorgegangen. Anfang 2016 sorgte Kadyrow landesweit für Aufregung, als er die liberale Opposition in Moskau

als Staatsfeinde bezeichnete, die danach trachteten, Russland zu zerstören. Nachdem er dafür von

Menschenrechtsaktivisten sowie von Vertretern des präsidentiellen Menschenrechtsrats scharf kritisiert

worden war, wurde in Grozny eine Massendemonstration zur Unterstützung Kadyrows organisiert (ÖB Moskau

12.2017).

Während der mittlerweile über zehn Jahre dauernden Herrschaft des amtierenden Republikführers Ramzan

Kadyrow gestaltete sich Tschetscheniens Verhältnis zur Russischen Föderation ambivalent. Einerseits ist

Kadyrow bemüht, die Zugehörigkeit der Republik zu Russland mit Nachdruck zu bekunden, tschetschenischen

Nationalismus mit russischem Patriotismus zu verbinden, Russlands Präsidenten in der tschetschenischen

Hauptstadt Grozny als Staatsikone auszustellen und sich als "Fußsoldat Putins" zu präsentieren. Andererseits

hat er das Föderationssubjekt Tschetschenien so weit in einen Privatstaat verwandelt, dass in der Umgebung

des russischen Präsidenten die Frage gestellt wird, inwieweit sich die von Wladimir Putin ausgebaute föderale

Machtvertikale dorthin erstreckt. Zu Kadyrows Eigenmächtigkeit gehört auch eine Außenpolitik, die sich vor

allem an den Mittleren Osten und die gesamte islamische Welt richtet. Kein anderer regionaler Führer

beansprucht eine vergleichbare, über sein eigenes Verwaltungsgebiet und die Grenzen Russlands

hinausreichende Rolle. Kadyrow inszeniert Tschetschenien als Anwalt eines russländischen Vielvölker-

Zusammenhalts, ist aber längst zum "inneren Ausland" Russlands geworden. Deutlichster Ausdruck dieser

Entwicklung ist ein eigener Rechtszustand, in dem islamische und gewohnheitsrechtliche Regelungssysteme

sowie die Willkür

des Republikführers in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands geraten (SWP 3.2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen

Föderation

-

GKS - Staatliches Statistikamt (25.1.2018): Bevölkerungsverteilung zum 1.1.2018,

http://www.gks.ru/free_doc/new_site/population/demo/PrPopul2018.xlsx, Zugriff 1.8.2018

-

ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation

-

Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation

n°15, Österreichischer Integrationsfonds,

http://www.integrationsfonds.at/themen/publikationen/oeif-laenderinformation/, Zugriff 1.8.2018

-

SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (3.2018): Tschetscheniens Stellung in der Russischen

Föderation. Ramsan Kadyrows Privatstaat und Wladimir Putins föderale Machtvertikale,

https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf, Zugriff 1.8.2018

3 . S I C H E R H E I T S L A G E

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in

Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen. Todesopfer forderte zuletzt ein

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten