Entscheidungsdatum
06.05.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W133 2166065-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.07.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.05.2018 zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird XXXX , geboren am
XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer stellte am 13.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 15.07.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er an, dass er am XXXX in der Provinz Baghlan in Afghanistan geboren worden sei und die afghanische Staatsangehörigkeit besitze. Er sei traditionell verheiratet, gehöre der Volksgruppe der Usbeken an und sei Moslem sunnitischer Ausrichtung. Er habe von 1998 bis 2006 in Afghanistan die Schule besucht, zuletzt sei er in Afghanistan als Soldat tätig gewesen. Sein Vater sei verstorben, seine Mutter, seine Ehefrau und seine acht Geschwister würden sich nach wie vor in Afghanistan aufhalten. Befragt zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass er von den Taliban bedroht worden sei, weil er Soldat gewesen sei und mit den Amerikanern zusammengearbeitet habe. Vor circa zwei Monaten sei er von den Taliban gefangen genommen worden, sie hätten ihn gefoltert und von seinem Bruder eine hohe Lösegeldsumme verlangt. Dieser habe ein Grundstück verkaufen müssen, damit der Beschwerdeführer freikommen habe können. Aus Angst um sein Leben habe er dann seine Flucht aus Afghanistan beschlossen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan habe er Angst davor, von den Taliban getötet zu werden. Im Rahmen der Erstbefragung legte der Beschwerdeführer in Kopie Dokumente über seine Tätigkeit als Soldat vor.
Mit Schreiben vom 13.03.2017 wurde eine Kopie einer ID-Karte des Beschwerdeführers betreffend seine Tätigkeit als Soldat bei der "Afghanistan Task Force" in XXXX vorgelegt.
Am 09.05.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er aus, dass er gesund sei. Zu seiner Person sagte er aus, dass er am XXXX in der Provinz Baghlan in Afghanistan geboren worden sei. Er sei traditionell verheiratet, gehöre der Volksgruppe der Usbeken an, sei Moslem sunnitischer Ausrichtung und besitze die afghanische Staatsbürgerschaft. Alle seine Familienangehörigen würden nach wie vor in seinem Heimatdorf leben, seine Frau halte sich bei seiner Mutter auf. Sein ältester Bruder arbeite in der Landwirtschaft und versorge die Familie. Er stehe mit seiner Familie in Kontakt. Der Beschwerdeführer gab weiters an, dass er von 2000 bis 2006 in Afghanistan die Schule besucht habe. Von 2010 bis 2014 sei er in einem Camp in der Provinz XXXX gewesen, das Camp sei von Engländern und Amerikanern geführt worden. Er sei dort über einen weitschichtigen Verwandten hineingekommen. Der Beschwerdeführer sei ein Soldat gewesen. In einem Zeitraum von drei Monaten sei er von den Afghanen und den Amerikanern ausgebildet geworden. Seine Aufgabe sei es gewesen, mit einer Gruppe in der Nacht bzw. zeitig am Morgen die Umgebung nach Taliban abzusuchen. Sie hätten die Taliban dann angegriffen und auch getötet. Er sei direkt bei den Amerikanern angestellt gewesen und habe sein Gehalt von diesen bezogen. Befragt zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, dass er mit ausländischen Leuten zusammengearbeitet habe. Afghanistan werde zu 50 % von der Regierung und zu 50 % von den Taliban regiert. Er sei aufgrund seiner Zusammenarbeit mit Ausländern öfters von den Taliban verwarnt worden. Nach diesen Warnungen sei er für ein paar Monate nicht mehr nach Hause gegangen, danach habe er geheiratet und sei dann wieder zur Arbeit gegangen. Daraufhin sei er von Taliban gefangen genommen worden. Sie seien nachts zu ihm nachhause gekommen. Fünf Taliban seien in das Haus seiner Familie gestürmt, einer davon sei in das Schlafzimmer des Beschwerdeführers gekommen und habe ihn aufgefordert aufzustehen. Ihm seien seine Hände und Augen verbunden worden und er sei entführt worden. Nach der Entführung hätten die Taliban seinen Bruder kontaktiert, sie hätten von ihm für die Freilassung des Beschwerdeführers Geld verlangt. Sein Bruder habe daraufhin mit dem ältesten Mann im Dorf gesprochen und ihn für Verhandlungen zu den Taliban geschickt. Ganz am Anfang hätten sie 10.000 US-Dollar verlangt, dann seien sie auf 8.000 US-Dollar hinunter gegangen. Der Älteste habe dann das Geld zu den Taliban gebracht, woraufhin der Beschwerdeführer - nachdem er zwei Nächte von den Taliban gefangen gehalten und misshandelt worden sei - freigekommen sei. Er sei nachts von den Taliban in sein Heimatdorf zurückgebracht worden. Aufgrund des Vorfalls habe sein Bruder vorgeschlagen, dass er nach Europa gehen solle. Sein Bruder habe die Reisekosten für den Beschwerdeführer übernommen. Im Rahmen der Einvernahme wurden folgende Unterlagen des Beschwerdeführers vorgelegt: Zwei Beschäftigungskarten, eine Tazkira, ein afghanischer Führerschein, ein XXXX Spielerpass, medizinische Unterlagen vom 15.02.2017, Deutschkursbesuchsbestätigungen vom 13.10.2016 und 20.12.2016, ein Empfehlungsschreiben vom 05.05.2017, eine Teilnahmebestätigung vom 16.03.2017 und ein A1 Zertifikat vom 30.03.2016
Das BFA wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit dem oben genannten Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach das BFA aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Mit Verfahrensanordnung vom 18.07.2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom selben Tag ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.
Mit Schriftsatz vom 28.07.2017 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die XXXX , gegen den oben genannten Bescheid fristgerecht eine Beschwerde.
Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 28.07.2017 vom BFA vorgelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht brachte dem Beschwerdeführer bzw. dessen rechtsfreundlichen Vertretung das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung zur Kenntnis.
Mit E-Mail vom 24.05.2018 übermittelte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine Stellungnahme zu den übermittelten Länderberichten.
Am 29.05.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der der Beschwerdeführer, dessen Rechtsvertretung und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde blieb entschuldigt der Verhandlung fern. Im Rahmen der Verhandlung wurden diverse Unterlagen des Beschwerdeführers vorgelegt, und zwar diverse Fotos, eine Übersetzung der Geburtsurkunde und des Führerscheins des Beschwerdeführers, die Tazkira seiner Frau, ein Verdienstnachweis und ein Sozialversicherungsauszug vom April 2018, ein Empfehlungsschreiben vom 26.05.2018, eine Kursbestätigung vom 23.05.2018, ein XXXX Spielerpass, die Stellungnahme seiner Rechtsvertretung vom 24.05.2018, eine Entscheidung des französischen Asylgerichts vom 09.03.2018, ein Zeitungsartikel vom 12.02.2018, ein Gutachten von XXXX XXXX und ein Kommentar von XXXX .
Am 28.09.2018 langte beim erkennenden Gericht eine weitere Stellungnahme der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers ein, darin wird insbesondere darauf Bezug genommen, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keine zumutbare Fluchtalternative auffinden würde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in der Provinz Baghlan in Afghanistan geboren. Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Usbeken und sunnitischer Moslem. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.
Der Beschwerdeführer ist traditionell verheiratet, er hat keine Kinder. Seine Ehefrau lebt gemeinsam mit seiner Mutter in seinem Heimatdorf in der Provinz Baghlan. Dort leben auch seine Geschwister. Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben.
Im Jahr 2015 verließ der Beschwerdeführer Afghanistan. Er reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 13.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Usbekisch, weiters beherrscht er die Sprache Dari in Wort und Schrift. Der Beschwerdeführer hat von 2000 bis 2006 die Schule besucht. Von 2010 bis 2014 hat er in der Provinz XXXX in einem Camp für Briten und Amerikaner gearbeitet. Seine biometrischen Daten wurden im Zuge seiner Tätigkeit registriert.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hat von 2010 bis 2014 in einem von Engländern und Amerikanern geführten Camp in der Provinz XXXX gearbeitet. Er hat im Rahmen seiner Arbeit diverse militärische Ausbildungen von den Amerikanern erhalten. Er hat an Kampfhandlungen gegen die Taliban teilgenommen, unter anderem war er daran beteiligt als Ortschaften in der Provinz XXXX von den Taliban befreit wurden. Für diese Tätigkeit hat der Beschwerdeführer von seinen ausländischen Dienstgebern auch Einkommen erhalten.
Aufgrund dieser Tätigkeit wurde der Beschwerdeführer eines Nachts von den Taliban verschleppt. Er war insgesamt zwei Wochen lang in deren Gefangenschaft. Nachdem sein Bruder Lösegeld in Höhe von 8.000 US-Dollar bezahlt hat, wurde der Beschwerdeführer von den Taliban freigelassen. Daraufhin beschloss er, Afghanistan zu verlassen.
Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan kann nicht mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer landesweit eine Verfolgung durch die Taliban aufgrund einer ihm zumindest unterstellen politischen Gesinnung droht.
Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Sicherheitslage
Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).
In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).
Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).
Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).
Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).
Kontrolle von Distrikten und Regionen
Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).
Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).
Rebellengruppen
Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).
Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).
Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).
Taliban und ihre Offensive
Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).
Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).
Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).
Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:
The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).
Haqqani-Netzwerk
Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).
Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).
Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).
Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).
Al-Qaida
Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).
Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)
Siehe Kapitel 2 - Politische Lage - Friedens- und Versöhnungsprozesse
IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat
Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:
MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).
Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).
Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).
Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).
Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).
Drogenanbau und Gegenmaßnahmen
Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen auch weiterhin den Aufstand und kriminelle Netzwerke (USDOD 12.2016). Laut einem Bericht des afghanischen Drogenbekämpfungsministeriums, vergrößerte sich die Anbaufläche für Opium um 10% im Jahr 2016 auf etwa 201.000 Hektar. Speziell in Nordafghanistan und in der Provinz Badghis, verstärkte sich der Anbau: Blaumohn wächst in 21 der 34 Provinzen, im Vergleich zum Jahr 2015, wo nur 20 Provinzen betroffen waren. Seit dem Jahr 2008 wurde zum ersten Mal von Opiumanbau in der Provinz Jawzjan berichtet. Helmand bleibt mit 80.273 Hektar (40%) auch weiterhin Hauptanbauprovinz, gefolgt von Badghis, Kandahar und der Provinz Uruzgan. Die potentielle Opiumproduktion im Jahr 2016 macht insgesamt 4.800 Tonnen aus - eine Steigerung von 43% (3.300 Tonnen) im Gegensatz zum Jahr 2015. Die hohe Produktionsrate kann einer Steigerung des Opiumertrags pro Hektar und eingeschränkter Beseitigungsbemühungen, aufgrund von finanziellen und sicherheitsrelevanten Ressourcen, zugeschrieben werden. Hauptsächlich erhöhten sich die Erträge aufgrund von vorteilhaften Bedingungen, wie z.B. des Wetters und nicht vorhandener Pflanzenkrankheiten (UN GASC 17.12.2016).
Zivile Opfer
Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).
UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).
Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).
Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).
Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte
Die Taliban greifen weiterhin Mitarbeiter/innen lokaler Hilfsorganisationen und internationaler Organisationen an - nichtsdestotrotz sind der Ruf der Organisationen innerhalb der Gemeinschaft und deren politischer Einfluss ausschlaggebend, ob ihre Mitarbeiter/innen Problemen ausgesetzt sein werden. Dieser Quelle zufolge, sind Mitarbeiter/innen von NGOs Einschüchterungen der Taliban ausgesetzt. Einer anderen Quelle zufolge kam es im Jahr 2015 nur selten zu Vorfällen, in denen NGOs direkt angegriffen wurden (IRBC 22.2.2016). Angriffe auf Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen wurden in den letzten Jahren registriert; unter anderem wurden im Februar 2017 sechs Mitarbeiter/innen des Int. Roten Kreuzes in der Provinz Jawzjan von Aufständischen angegriffen und getötet (BBC News 9.2.2017); im April 2015 wurden 5 Mitarbeiter/innen von "Save the Children" in der Provinz Uruzgan entführt und getötet (The Guardian 11.4.2015).
Die norwegische COI-Einheit Landinfo berichtet im September 2015, dass zuverlässige Berichte über konfliktbezogene Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen vorliegen. Andererseits konnte nur eine eingeschränkte Berichtslage bezüglich konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokaler Angestellter ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 9.9.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).
Grundsätzlich sind Anfeindungen gegen afghanische Angestellte der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürger/innen verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis bei den internationalen Truppen zurückzuführen. Des Weiteren bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Beruf für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).
KI vom 25.9.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).
Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).
Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).
Baghlan
Baghlan liegt in Nordostafghanistan und wird als eine der industriellen Provinzen Afghanistans gesehen. Sie ist von strategischer Bedeutung, da sie an sieben weitere Provinzen, inklusive Kabul, grenzt. Baghlan hat folgende administrative Bezirke, inklusive der Provinzhauptstadt Puli Khumri: Kinjan, Dushi, Banu, Dih Salah, Puli Hisar, Jilgah, Khost, Talawa Barfak, Farang, Guzargah-a-Noor, Nahrin, Burkah und Dahana-i-Ghori. Im Nordosten grenzt sie an die Provinzen Panjsher, Takhar und Kunduz, im Westen an Samangan und Bamyan, im Süden grenzt sie an die Provinz Parwan (Pajhwok o.D.h). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 926.969 geschätzt (CSO 2016).
Im Zeitraum 1.1. - 31.8.2015 wurden in der Provinz Baghlan 354 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).
Baghlan zählt zu den relativ volatilen Provinzen Nordafghanistans; die Taliban sind in einer Anzahl von abgelegenen Bezirken aktiv (Khaama Press 5.9.2016). In den letzten Monaten war die einst relativ friedliche Region - die Provinzen Baghlan, Kunduz und Takhar - von heftigen Zusammenstößen zwischen Taliban und Regierungskräften betroffen (Khaama Press 24.1.2017; Khaama Press 15.5.2016; Global Times China 15.1.2017; vgl. auch: News Ghana 30.1.2017).
In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 10.1.2017; Pajhwok 9.1.2017; Khaama Press 8.1.2017; Khaama Press 5.1.2016; Bakhtar News 22.8.2016). Bei diesen Militäroperationen hatten Aufständische Verluste zu verzeichnen (Pajhwok 9.1.2017; Bakhtar News 22.8.2016). In manchen Fällen wurden Talibankommandanten getötet (Tolonews 23.12.2016; Pajhwok 23.12.2016; Khaama Press 5.1.2016; Independent 27.2.2016).
Helmand
Die Provinz Helmand hat eine Fläche von 36.402 km2 und ist damit die größte Provinz Afghanistans (The Diplomat 31.5.2016). Helmand hat, inklusive der Hauptstadt Lashkargah City, folgende administrative Einheiten: Nadali, Marja, Garmsir, Khanshin, Disho, Nava, Greshk, Sangin, Kajaki, Musa Qala, Baghran, Noorzad und Washir. Im Osten grenzt sie an die Provinz Kandahar, im Norden an Uruzgan, Daikundi und Ghor; im Westen grenzt sie an die Provinzen Farah und Nimroz, während sie im Osten 162 km an die Durandlinie grenzt (Pajhwok o. D.ab). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 940.237 geschätzt (CSO 2016).
Helmand ist eine der landwirtschaftlich fruchtbarsten Provinzen Afghanistans. Der Fluss Helmand fließt in einem relativ gut organisierten Kanalsystem durch die Provinz und bewässert somit Agrarflächen. Das Klima eignet sich zum Anbau eines großen Spektrums an Kulturen, so auch Opium, welches in hohem Maße die Finanzen der Taliban stützt (The Diplomat 31.5.2016).
Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Helmand 1.828 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Im Jahr 2016 versuchten die Taliban einige Provinzhauptstädte einzunehmen, unter anderem auch in Helmand (Hindustan Times 8.1.2017). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten herausforderten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch:
Stars and Stripes 14.1.2017). Helmand zählt zu den volatilen Provinzen in Südafghanistan, in welcher Talibanaufständische in verschieden Distrikten operieren und öfters Angriffe durchführen (Khaama Press 4.2.2017; Ariana News 16.2.2017; Pajhwok 14.1.2016; Pajhwok 14.12.2016). Um der jährlichen Frühlingsoffensive der Taliban standzuhalten (Al-Jazeera 7.1.2017), sollen im Frühjahr 300 US-amerikanische Soldaten nach Helmand entsendet werden (Stars and Stripes 14.1.2017).
Im Jänner 2017 wurden weiterhin militärische Aktivitäten gegen die Taliban durchgeführt mit einem speziellen Fokus auf die Provinz Helmand - dort bekamen die afghanischen Sicherheitskräfte Luftunterstützung von den US-Amerikanern (ICT 7.2.2017). In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Sputnik News 4.2.2017; Xinhua 21.11.2016; Khaama Press 10.1.2016; Xinhua 3.1.2016; Xinhua 21.12.2015; Xinhua 18.11.2015; Pajhwok 21.10.2016; Tolonews 19.5.2015, Tolonews 25.5.2015; Tolonews 31.7.2015; Pajhwok 19.6.2015; Afghanistan Times 25.8.2016); unter anderem in Form von Luftangriffen (Pajhwok 11.2.2017; Khaama Press 7.2.2017); Taliban wurden getötet (Sputnik News 4.2.2017; RFE/RL 24.12.2016; Xinhua 17.11.2017); unter anderem auch Taliban-Kommandanten (Khaama Press 7.2.2017; Khaama Press 15.1.2017). In der Provinz kommt es zu Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (Khaama Press 31.1.2017; Xinhua 20.5.2016).
Rechtsschutz/Justizwesen
Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia (islamisches Gesetz), Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9.2016; vgl. auch: USIDP o.D. und WP 31.5.2015). Fast 80% der Dispute werden außerhalb des formellen Justizsystems gelöst - üblicherweise durch Schuras, Jirgas, Mullahs und andere in der Gemeinschaft verankerte Akteure (USIP o.D.; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).
Traditionelle Rechtsprechungsmechanismen bleiben für viele Menschen, insbesondere in den ländlichen Gebieten, weiterhin der bevorzugte Rechtsweg (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: FH 27.1.2016). Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 13.4.2016). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (FH 27.1.2016).
Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan weitverbreitet akzeptiert ist, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.). Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 13.4.2016).
Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin (USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert (SZ 29.9.2014; vgl. auch: CRS 8.11.2016), davon waren rund 200 Richterinnen (CRS 8.11.2016). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt (RFE/RL 30.6.2016). Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt (WP 31.5.2015). Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar (USDOS 13.4.2016).
Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen (USDOS 13.4.2016).
Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen (FH 27.1.2016), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 13.4.2016). Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar (WP 31.5.2015). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (Reuters 12.11.2016).
Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 9.2016).
Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).
Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."
(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9.2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).
Usbeken
Die usbekische Minderheit ist die viert-größte Minderheit Afghanistans (WSJ 23.1.2017); die etwa 9% der Bevölkerung ausmacht (GIZ 1.2017). Usbeken sind Sunniten und siedeln sowohl im ländlichen Raum, wie auch in urbanen Zentren (Mazar-e Sharif, ebenso Kabul, an Kandahar, Laschkargah u.a.), wo ihre Wirtschafts- und Lebensformen kaum Unterschiede zu Dari-sprachigen Gruppen aufweisen. In den Städten und in vielen ländlichen Gegenden sind Usbeken zweisprachig. Sie beherrschen neben dem Usbekischen auch Dari auf nahezu muttersprachlichem Niveau. Heiratsbeziehungen zwischen Usbeken und Tadschiken sind keine Seltenheit (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Der wohl berühmteste Führer der Usbeken ist Abdul Rashid Dostam (CRS 12.1.2015); ein ehemaliger Warlord, der gleichzeitig der Anführer der usbekischen Minderheit in Afghanistan ist. Mittlerweile ist er erster Vizepräsident Afghanistans (WSJ 23.1.2017).
Die usbekische Minderheit ist im nationalen Durchschnitt mit etwa 8% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).
2. Beweiswürdigung
Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zu Grunde:
Zum Verfahrensgang:
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.
Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zum Geburtsdatum und zum Geburtsort des Beschwerdeführers ergeben sich aus der im Akt aufliegenden Übersetzung seiner Tazkira. Da davon ausgegangen wird, dass die vorgelegte Tazkira echt ist, konnte die Identität des Beschwerdeführers zweifelsfrei festgestellt werden.
Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zur familiären Situation des Beschwerdeführers gründen sich auf die vom Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, dem BFA sowie dem Bundesverwaltungsgericht dahingehend stets gleichlautenden und daher glaubhaften Angaben. Der Beschwerdeführer sagte glaubhaft aus, dass er traditionell verheiratet ist, im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte er eine Kopie der Tazkira seiner Frau vor. Vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung sagte der Beschwerdeführer gleichbleibend aus, dass er keine Kinder hat. Seine Tochter sei in Afghanistan bei ihrer Mutter gestorben, als sie ein Monat alt gewesen sei, er sei zu dieser Zeit gerade auf der Flucht gewesen. Weiters sagte der Beschwerdeführer glaubhaft aus, dass seine Ehefrau gemeinsam mit seiner Mutter in seinem Heimatdorf in der Provinz Baghlan lebe und dass sich auch seine Geschwister noch dort befinden würden. Aufgrund der glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers diesbezüglich konnte festgestellt werden, dass sein Vater verstorben ist.
Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Bildung und zur bisherigen Berufstätigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglich gleichbleibenden Aussagen bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan in der Provinz XXXX in einem Camp für Briten und Amerikaner gearbeitet hat, ergibt sich vor allem aus den vorgelegten Beschäftigungskarten (vgl. AS 105 und 107) sowie aus den dahingehend glaubhaften Angaben im Laufe des Verfahrens.
Die Feststellung zu seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer brachte in Laufe des Verfahrens glaubhaft vor, dass er in Afghanistan einem erhöhten Risiko einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt sei, da er mit Ausländern (Briten und Amerikanern) zusammengearbeitet habe. Der Beschwerdeführer konnte glaubhaft machen, dass er von 2010 bis 2014 in einem von Engländern und Amerikanern geführten Camp in der Provinz XXXX gearbeitet hat. Diesbezüglich hat der Beschwerdeführer - wie bereits ausgeführt - Beschäftigungskarten vorgelegt, deren Echtheit vom erkennenden Gericht nicht angezweifelt wird. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Beschwerdeführer diverse Fotos seiner Tätigkeit in dem Camp in der Provinz XXXX vorgelegt. Der Beschwerdeführer hat vom amerikanischen Militär einige militärische Ausbildungen erhalten (vgl. AS 19 und 21). Er hat mit Amerikanern und Briten mehrere Jahre lang (2010 bis 2014) an Kampfhandlungen gegen die Taliban in der gesamten Provinz XXXX teilgenommen. Der Beschwerdeführer sagte glaubhaft aus, dass er dafür von seinen ausländischen Dienstgebern ein gutes Einkommen erhalten hat. Bereits aufgrund dieser Tätigkeit bzw. Zusammenarbeit in Form aktiver Kampfhandlungen gegen die Taliban besteht für den Beschwerdeführer in Afghanistan ein stark erhöhtes Verfolgungsrisiko.
Der Beschwerdeführer brachte im Laufe des Verfahrens weiters glaubhaft vor, dass er aufgrund seiner Tätigkeit für ausländische Kräfte von den Taliban verschleppt worden sei. Die vom Beschwerdeführer behauptete "Verschleppung" durch die Taliban konnte er im Laufe des Verfahrens nicht sehr detailreich schildern, auch in der mündlichen Verhandlung blieben die Ausführungen des Beschwerdeführers zu seiner Entführung durch die Taliban eher detailarm. Es ist jedoch festzuhalten, dass der Beschwerdeführer auch bei Berichten über andere emotionale Themen, zum Bespiel den Tod seiner Tochter und den Tod seines besten Freundes, eine Detailarmut in den Erzählungen bzw. eine gewisse "Distanziertheit" an den Tag legte. Der Beschwerdeführer ist insgesamt eher einfach in seiner Ausdrucksweise. Außerdem kann im vorliegenden Fall der seit den vorgebrachten Ereignissen verstrichene Zeitraum zugunsten des Beschwerdeführers beweiswürdigend berücksichtigt werden. Die Schilderungen zu seiner Entführung durch die Taliban aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit wiesen keinerlei Widersprüche auf. Der Beschwerdeführer erstattete keine ausweichenden Angaben und beantwortete alle an ihn gestellten Fragen. Weiters ist festhalten, dass es keine Steigerung im Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers gab: Er brachte bereits in seiner Erstbefragung am 15.07.2015 vor, dass er von den Taliban bedroht worden sei, weil er Soldat gewesen sei und mit den Amerikanern zusammengearbeitet habe. Der anzulegende Maßstab ist nicht der Nachweis der Richtigkeit der vorgebrachten Fluchtgeschichte, sondern die Glaubhaftmachung derselben. Diesen Maßstab hat der Beschwerdeführer in Bezug auf sein Vorbringen betreffend die Entführung durch die Taliban erfüllt.
Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wird daher insgesamt als glaubhaft erachtet.
Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die fallbezogenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan stützen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 30.01.2018, und beruhen auf einer Vielzahl von im Länderinformationsblatt angeführten verschiedenen, voneinander unabhängigen Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen. In ihrer Kernaussage bieten diese Dokumentationen ein stimmiges und einheitliches Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche und besteht daher für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der darin getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums (siehe die Aktualisierungen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 29.06.2018, Stand der letzten Kurzinformation 26.03.2019) für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Die oben wiedergegebenen Länderberichte wurden dem Beschwerdeführer - neben darüber hinaus gehenden Länderfeststellungen - vor der mündlichen Verhandlung übermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Beschwerdeführer erstattete zwar im Wege seiner Rechtsvertretung am 24.05.2018 und 27.09.2018 schriftliche Stellungnahmen, trat den wiedergegebenen Länderberichten und Erkenntnisquellen jedoch nicht substantiiert entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsg