TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/7 W165 2213829-1

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Veröffentlicht am 07.05.2019
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Entscheidungsdatum

07.05.2019

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5 Satz1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W165 2213828-1/6E

W165 2213829-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX und 2. XXXX , geb. XXXX , beide StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2019, Zl. 1214026603-181160019 (1.) und Zl. 1214026505-181160027 (2.), zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gem. § 5 AsylG 2005 idgF als unbegründet

abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 1. Satz BFA-VG idgF wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig war.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2), sind ein Ehepaar und Staatsangehörige der Russischen Föderation. Die BF gelangten illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellten am 03.12.2018 Anträge auf internationalen Schutz.

Zur Person der BF2 liegt eine EURODAC-Treffermeldung der Kategorie "1" zu Litauen vom 16.11.2018 vor.

In den polizeilichen Erstbefragungen am 03.12.2018 gaben die BF an, dass sie keine an der Einvernahme hindernden oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigenden Beschwerden oder Krankheiten haben würden. Sie hätten ihren Wohnort ca. Mitte Oktober mit dem Linienbus nach Grosny verlassen und seien am selben Tag mit einem Mini-Van nach Weißrussland gereist. Ihr Reiseziel sei Österreich gewesen, da ihr einziger Sohn hier lebe, der einen positiven Asylbescheid habe. Die BF2 gab an, dass sie mehrere Krankheiten habe, jedoch in der Lage sei, der Einvernahme zu folgen. Sie habe Medikamente mitgenommen. Zur Frage, ob sie in Litauen einen Asylantrag gestellt hätten, gab der BF1 an, dass sie mehrere Schriftstücke ausgefüllt und unterschrieben und gewusst hätten, dass es sich um einen Asylantrag handle. Die BF2 erklärte, dass sie nicht glaube, einen Asylantrag gestellt zu haben. Zu ihrer Reiseroute gaben die BF zu Protokoll, dass sie von Russland nach Weißrussland, anschließend nach Litauen (zwei Nächte Aufenthalt in einem Flüchtlingslager), dann nach Polen gelangt (zwei Wochen Aufenthalt) und schließlich über unbekannte Länder am 03.12.2018 nach Österreich eingereist seien.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) richtete am 05.12.2018 auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Feststellung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO), gestützte Wiederaufnahmeersuchen an Litauen.

Mit Schreiben vom 17.12.2018 stimmten die litauischen Behörden den Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO ausdrücklich zu und teilten mit, dass die BF während des laufenden Asylverfahrens untergetaucht seien.

Am 09.01.2019 fanden niederschriftliche Einvernahmen der BF vor dem BFA statt. Die BF gaben an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Auf Frage, ob er an irgendwelchen schwerwiegenden Erkrankungen leiden würden, gab der BF1 zu Protokoll, dass er im August 2018 einen Hirnschlag gehabt habe, weshalb er an Schwäche und Herzproblemen leiden würde. Es gehe ihm gesundheitlich nicht so gut. Auf Frage, ob er in Österreich bei einem Arzt in Behandlung gewesen sei, gab der BF1 an, dass er deswegen nicht bei einem Arzt gewesen sei. Es hätten nur obligatorische Untersuchungen stattgefunden. In Österreich habe er keine medizinischen Unterlagen. In Tschetschenien habe er Unterlagen, diese allerdings nicht mitgenommen. Die BF2 gab zur Frage, ob sie an irgendwelchen schwerwiegenden Erkrankungen leide, zu Protokoll, dass sie das nicht genau sagen könne, jedoch die Ärzte bei ihnen nicht so gut seien. Sie sei allerdings nicht gesund. Sie bekomme kleine Wunden und habe auch einen Hirnschlag gehabt. Sie wisse, dass ihre Blutwerte nicht okay seien und dass sie hohen Blutdruck habe. Sie sei in Österreich bei einem Arzt gewesen. Sie hätte einen Verband bekommen. Ihre Hand sei geschwollen gewesen und es sei ihr schlecht gegangen, weshalb sie in ein Krankenhaus gefahren sei. Es sei ihr dort auch Blut abgenommen worden, die Ergebnisse würden allerdings noch nicht vorliegen. Von der letzten Untersuchung habe sie keinen Befund, allerdings habe sie die nächsten Terminbestätigungen zu Hause. Die BF gaben an, dass in Österreich ihr Sohn mit seiner Ehefrau und fünf Kindern leben würde. Ihr Sohn befinde sich seit fünf bis sechs Jahren in Österreich. Bis zur Ausreise ihres Sohnes hätten sie im gemeinsamen Haushalt mit diesem gelebt und würden auch in Österreich gemeinsam in einem Haus leben. Ihr Sohn würde sie in jeder Hinsicht, auch finanziell, unterstützen. Er habe ihnen immer wieder Geld geschickt und komme gänzlich für sie auf. Sie würden nichts vom Staat erhalten. Als sie sich noch nicht in Österreich aufgehalten hätten, hätten sie Kontakt mit ihrem Sohn über das Telefon bzw. die sozialen Medien gehabt, zeitweise jeden Tag, teilweise nur zwei bis drei Mal in der Woche (BF1) bzw zwei bis drei Mal im Monat (BF2). Die BF2 gab an, dass sie mehrmals versucht hätten, ein Visum zu bekommen, um zu ihrem Sohn zu gelangen. Allerdings seien ihnen die Visa immer wieder verweigert worden. Sie seien dann in Polen gewesen und hätten dort mehrmals versucht, über die Grenze zu kommen, was nicht möglich gewesen sei. Einziges Ziel sei gewesen, zu ihrem einzigen Sohn nach Österreich zu gelangen und nie in Litauen zu verbleiben. Sie würden bei ihrem Sohn bleiben wollen, zudem seien sie in Litauen in einem schrecklichen Lager gewesen und hätten nichts zu essen bekommen. Auch die medizinische Versorgung in Litauen sei laut Angaben von Landsleuten katastrophal. Hinsichtlich der Zustände im Lager hätten sie sich nicht an die zuständige Verwaltung vor Ort gewendet, da sie dort einfach nicht bleiben hätten wollen. Das Wichtigste sei, in der Nähe ihres Sohnes zu sein. Sie seien beide krank und ihr Sohn sei ihre Bezugsperson.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Litauen für die Prüfung der Anträge gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die BF gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Litauen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Litauen wurden in den angefochtenen Bescheiden wie folgt zusammengefasst (unkorrigiert):

1. Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (MD 25.1.2014; vgl. MD 13.3.2015, RoL 28.4.2015, FAFO 2017, USDOS 20.4.2018; für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

Quellen:

-

FAFO - Fafo Research Foundation (2017): Anne Brunovskis (author):

Asylum, integration and irregular migration in Lithuania. Policy and practice at the edge of the European Union, https://www.fafo.no/index.php/zoo-publikasjoner/fafo-rapporter/item/asylum-integration-and-irregular-migration-in-lithuania, Zugriff 2.11.2018

-

MD - Migracijos Departamentas (25.1.2014): Examining an application, http://www.migracija.lt/index.php?21088311, Zugriff 29.10.2018

-

MD - Migracijos Departamentas (13.3.2015): Granting of Asylum, http://www.migracija.lt/index.php?1976995706, Zugriff 29.10.2018

-

RoL - Republic of Lithuania (28.4.2015): Law on the legal status of aliens,

https://e-seimas.lrs.lt/portal/legalAct/lt/TAD/d7890bc0fa2e11e4877aa4fe9d0c24b0?jfwid=181l7li0hc, Zugriff 29.10.2018

-

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Lithuania, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430320.html, Zugriff 29.10.2018

2. Dublin-Rückkehrer

Nach Art. 72 (3) des litauischen Gesetzes über den legalen Status von Fremden, muss Litauen einen Asylantrag inhaltlich prüfen, wenn es für die Abwicklung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß Artikel 76 (2), ist Asylwerbern, die im Rahmen des Dublin-Abkommens nach Litauen zurückgeschickt werden, weil Litauen für deren Verfahren zuständig ist, temporäres territoriales Asyl zuzusprechen (RoL 28.4.2015).

Der Zugang zum Asylverfahren nach Dublin Rücküberstellung ist vom Stand des Verfahrens in Litauen abhängig. Wenn ein Dublin-Rückkehrer in Litauen noch keinen Antrag gestellt hat, kann er dies nach seiner Rückkehr tun (EASO 24.10.2017).

Entzieht sich ein Antragsteller dem Verfahren, wird dieses suspendiert und neun Monate später eingestellt. Wurde das Verfahren eines Rückkehrers in der Zwischenzeit eingestellt, kann ein neuer Antrag gestellt werden (EASO 24.10.2017).

Wurde das Verfahren eines Rückkehrers bereits rechtskräftig abgeschlossen, kann ein neuer Antrag gestellt werden (EASO 24.10.2017).

Ist das Verfahren eines Dublin-Rückkehrers suspendiert, kann dieses fortgesetzt werden (EASO 24.10.2017).

Wenn das Verfahren eines Dublin-Rückkehrers noch läuft, etwa weil er vom Ausgang seines Verfahrens noch nicht in Kenntnis gesetzt wurde oder weil noch ein Beschwerdeverfahren anhängig ist, kann das Verfahren fortgesetzt werden (EASO 24.10.2017).

Dublin-Rückkehrer haben in Litauen ohne Unterschied dieselben Ansprüche betreffend Unterbringung und medizinische Versorgung wie andere Asylwerber auch (EASO 24.10.2017).

Quellen:

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EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query.

Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail

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RoL - Republic of Lithuania (28.4.2015): Law on the legal status of aliens,

https://e-seimas.lrs.lt/portal/legalAct/lt/TAD/d7890bc0fa2e11e4877aa4fe9d0c24b0?jfwid=181l7li0hc, Zugriff 29.10.2018

3. Non-Refoulement

Die litauischen Behörden erlauben Asylwerbern, die aus sicheren Herkunfts- oder Drittstaaten kommen, nicht den Zutritt zum Territorium. Stattdessen werden sie ohne inhaltliche Überprüfung des Vorbringens in selbige zurückgeschickt (USDOS 20.4.2018).

Solche Fälle gibt es pro Jahr nur wenige. Diese Regelung gilt nicht für unbegleitete Minderjährige und auch nicht bei EU-Mitgliedsstaaten, denn dann gelten die Dublin-Bestimmungen (FAFO 2017).

Quellen:

-

FAFO - Fafo Research Foundation (2017): Anne Brunovskis (author):

Asylum, integration and irregular migration in Lithuania. Policy and practice at the edge of the European Union, https://www.fafo.no/index.php/zoo-publikasjoner/fafo-rapporter/item/asylum-integration-and-irregular-migration-in-lithuania, Zugriff 2.11.2018

-

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Lithuania, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430320.html, Zugriff 29.10.2018

4. Versorgung

In Litauen gibt es zwei Zentren zur Unterbringung von Fremden. Asylwerber werden bis zum Ende ihres Verfahrens im Fremdenregistrierungszentrum (FRC) in Pabrade untergebracht. Das umfasst auch eine eventuelle Beschwerdephase. Die Asylbehörde kann auch eine private Unterbringung genehmigen. Während eines Aufenthalts in einer Unterkunft, die von den Behörden der Republik Litauen zur Verfügung gestellt wird, hat ein Asylbewerber das Recht alle Aufnahmeeinrichtungen zu nutzen. Er hat das Recht auf Information über seine Rechte und Pflichten und auf staatlich garantierte Prozesskostenhilfe, kostenlose Dienste eines Dolmetschers, kostenlose medizinische Grundversorgung und soziale Leistungen in den Zentren (MIPAS 24.11.2017). Abgesehen vom offenen Bereich für Antragsteller besitzt Pabrade auch einen geschlossenen Bereich für illegale Migranten. Die Unterbringungsbedingungen in Pabrade haben sich in den letzten Jahren sehr verbessert und werden als sehr gut beschrieben, jedoch gibt es auch Stimmen, die es für langfristige Unterbringung als ungeeignet empfinden und weitere Verbesserungen fordern (FAFO 2017).

Die Kapazitäten der beiden Zentren betragen 98 Plätze im geschlossen Bereich von Pabrade und 88 Plätze im offenen Bereich, sowie 20 Plätze in Rukla. Alle Antragsteller in Litauen erhalten ein Taggeld in Höhe von EUR 10,- im Monat. Nahrung und Hygieneartikel werden vom Zentrum zur Verfügung gestellt (EASO 2.2016; vgl FAFO 2017).

Asylwerber haben während ihr Verfahren anhängig ist keinen Zugang zum Arbeitsmarkt (FAFO 2017).

Quellen:

-

FAFO - Fafo Research Foundation (2017): Anne Brunovskis (author):

Asylum, integration and irregular migration in Lithuania. Policy and practice at the edge of the European Union, https://www.fafo.no/index.php/zoo-publikasjoner/fafo-rapporter/item/asylum-integration-and-irregular-migration-in-lithuania, Zugriff 2.11.2018

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MIPAS - Platform for Migration Information and Cooperation (24.11.2017): Receipt of Asylum Seekers and Asylum System, http://mipas.lt/en/2017/11/24/receipt-of-asylum-seekers-and-asylum-system/, Zugriff 31.10.2018

4.1. Medizinische Versorgung

Asylwerber erhalten im Rahmen der allgemeinen Krankenversorgung notwendige medizinische Versorgung (zum Unterschied von lediglich Notfallversorgung einerseits und vollem Zugang zu medizinischer Versorgung andererseits). Vulnerable Antragsteller haben Zugang zu psychologischer Unterstützung (EASO 2.2016).

Während eines Aufenthalts in einer Unterkunft, die von den Behörden der Republik Litauen zur Verfügung gestellt wird, hat ein Asylbewerber das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung im Zentrum (MIPAS 24.11.2017).

Im Unterbringungszentrum für Flüchtlinge in Rukla (RCR) erhalten Schutzberechtigte und unbegleitete Minderjährige medizinische Versorgung (RPPC o.D.).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Quality Matrix

Report: Reception conditions, per E-Mail

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MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):

Auskunft MedCOI, per E-Mail

-

MIPAS - Platform for Migration Information and Cooperation (24.11.2017): Receipt of Asylum Seekers and Asylum System, http://mipas.lt/en/2017/11/24/receipt-of-asylum-seekers-and-asylum-system/, Zugriff 31.10.2018

-

RPPC - Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.):

Arriving foreigners, http://www.rppc.lt/3733/, Zugriff 31.10.2018

5. Schutzberechtigte

Anerkannte Flüchtlinge erhalten zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für fünf Jahre, subsidiär Schutzberechtigte eine solche für zwei Jahre (FAFO 2017). Für Schutzberechtigte beginnt im Unterbringungszentrum für Flüchtlinge in Rukla (RCR) die erste Integrationsphase. Diese umfasst medizinische Versorgung, Bildung, soziale und andere Leistungen sowie finanzielle Unterstützung. Mehrere Ministerien und NGOs sind in die Integration Schutzberechtigter involviert (MIPAS 24.11.2017). Während der Integrationsphase erhalten Schutzberechtigte EUR 71,40 im Monat als Handgeld. Die Unterbringungsbedingungen in Rukla liegen über jenen in Pabrade, es gibt dort auch sowohl innen wie auch im Außenbereich ein umfangreiches Freizeitangebot für Erwachsene und Kinder (FAFO 2017).

Das RCR Rukla ist zuständig für die Unterbringung und soziale Integration von Schutzberechtigten sowie für die temporäre Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen während ihres Verfahrens (RPPC o.D.a: vgl. UNHCR 9.2014).

Integrationsunterstützung in Rukla wird normalerweise für drei Monate gewährt, kann aber unter Umständen auf sechs Monate verlängert werden, besonders bei Vulnerabilität (FAFO 2017). In Rukla erhalten die Schutzberechtigten neben Unterbringung auch medizinische und soziale Versorgung, sowie intensives Sprach- und Jobtraining. Die Mitarbeiter des Zentrums helfen bei der Arbeitssuche und der Integration (RPPC o.D.; vgl. UNHCR 9.2014). Nach dem Verlassen des Zentrums Rukla ist für Schutzberechtigte Integrationsunterstützung in einer Gemeinde für 12 Monate möglich (RPPC o.D.d; vgl. UNHCR 9.2014). Die Integration in den Gemeinden wird vom Litauischen Roten Kreuz betreut. Die teilnehmenden Schutzberechtigten erhalten für die ersten sechs Monate EUR 204,-- und für die folgenden sechs Monate EUR 102,-- an Integrationsunterstützung, was als zu niedrig kritisiert wird. Die meisten Schutzberechtigten verlassen jedoch Litauen bald nachdem sie ein Reisedokument erhalten haben. Es gibt Berichte über Schwierigkeiten bei der Suche nach Wohnung und Arbeit (FAFO 2017).

Quellen:

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FAFO - Fafo Research Foundation (2017): Anne Brunovskis (author):

Asylum, integration and irregular migration in Lithuania. Policy and practice at the edge of the European Union, https://www.fafo.no/index.php/zoo-publikasjoner/fafo-rapporter/item/asylum-integration-and-irregular-migration-in-lithuania, Zugriff 2.11.2018

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MIPAS - Platform for Migration Information and Cooperation (24.11.2017): Receipt of Asylum Seekers and Asylum System, http://mipas.lt/en/2017/11/24/receipt-of-asylum-seekers-and-asylum-system/, Zugriff 31.10.2018

-

RPPC - Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.):

Arriving foreigners, http://www.rppc.lt/3733/, Zugriff 31.10.2018

-

RPPC - Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.a):

General information about centre, http://www.rppc.lt/3221/activity.html, Zugriff 31.10.2018

-

RPPC - Homepage des Flüchtlingsaufnahmezentrums Rukla (o.D.d):

State support for integration for FGA in municipalities. http://www.rppc.lt/9925/services/state-support-for-integration-for-fga-in-municipalities.html, Zugriff 31.10.2018

-

UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (9.2014):

Integration of refugees in Lithuania, Participation and Empowerment, http://www.refworld.org/pdfid/58a486e34.pdf, Zugriff 3.5.2017

Beweiswürdigend wurde festgehalten, dass die Identität der BF nicht feststehe. Es habe nicht festgestellt werden können, dass es sich bei den von den BF vorgebrachten gesundheitlichen Beschwerden um einen überstellungshinderlichen oder gar lebensbedrohlichen Zustand handeln würde. Abhängigkeiten bzw eine besonders eine enge Beziehung zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen oder österreichischen Staatsangehörigen seien im Verfahren nicht hervorgekommen. Eine besondere Integration in Österreich könne aufgrund der nur kurzen Aufenthaltsdauer ausgeschlossen werden. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, das die Gefahr einer Verletzung des Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen lassen würde, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 sei nicht erschüttert worden und habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben.

Gegen die Bescheide richten sich die fristgerecht eingebrachten gleichlautenden Beschwerden vom 25.01.2019, worin zusammengefasst vorgebracht wurde: Die Behörde habe die Frage der Einvernahmefähigkeit mit jener des Vorliegens einer schweren, lebensbedrohlichen Erkrankung vermischt. Aus der Verneinung des Vorliegens an der Einvernahme hinderlicher Erkrankungen könne keinesfalls pauschal abgeleitet werden, dass keine schweren lebensgefährlichen Krankheiten bestehen würden. Die BF2 habe von sich aus darauf hingewiesen, dass sie mehrere Krankheiten habe und auch Medikamente mitgenommen habe. Der BF1 habe in der Einvernahme vor dem BFA nach schwerwiegenden Erkrankungen befragt, angeführt, dass er im August einen Schlaganfall gehabt habe, aufgrund dessen er noch immer an Schwäche und Herzproblemen leiden würde und sich gesundheitlich nicht gut fühle. Die BF2 habe auf diese Frage ebenfalls geantwortet, dass sie sich nicht gesund fühlen würde, dass sie auch einen Schlaganfall gehabt habe, immer wieder kleine offene Wunden bekomme und die Blutwerte und der Blutdruck nicht in Ordnung seien. Außerdem sei sie bereits in Österreich beim Arzt gewesen, um das Blut untersuchen zu lassen. Ohne die angeforderten medizinischen Unterlagen aus ihrer Heimat abzuwarten, sei zwei Tage nach der Einvernahme der angefochtene Bescheid erlassen worden. Es sei bekannt, dass ein Schlaganfall sehr wohl lebensbedrohlich sei und mit erheblichen Folgeschäden verbunden sein könne. Die BF seien laufend in ärztlicher Behandlung. Inzwischen seien die von der Erstbehörde geforderten medizinischen Unterlagen aus Tschetschenien eingelangt, die der Beschwerde beiliegen würden. Daraus gehe hervor, dass sich der BF1 vom 08.08.2018 bis 13.08.2018 in stationärer Behandlung einer neurologischen Abteilung eines Krankenhauses befunden habe. Als Grund sei eine zerebrovaskuläre Erkrankung angeführt, die zu einem ischämischen Schlaganfall geführt habe. Hinsichtlich der gesundheitlichen Situation der BF2 gehe aus den tschetschenischen medizinischen Unterlagen hervor, dass diese an Bluthochdruck, einer koronaren Herzkrankheit, Angina pectoris und einem Zustand nach Schlaganfall im Jänner 2018 leide. Als Nachweis, dass der BF1 auch in Österreich laufend in ärztlicher Behandlung stehe, seien der Beschwerde die aktuellen Überweisungen und Termine zu weiteren Untersuchungen angeschlossen. Es handle sich um Überweisungen zum HNO-Arzt aufgrund von Taubheit (rechts) bzw. Schwerhörigkeit (links), zum Radiologen aufgrund einer brachiofazialen Lähmung sowie zur Kontrolle der Halsschlager und zuletzt zu einem Termin für die Durchführung einer Operation aufgrund einer Dupuytren-Erkrankung am 05.04.2019. Die Behörde habe es unterlassen, den tatsächlichen gesundheitlichen Zustand der BF und damit deren etwaigen Pflegebedarf, zu erheben. Die BF hätten in den zwei Tagen ihres Litauenaufenthaltes selbst gesehen, wie dort mit Flüchtlingen umgegangen werde. Sie hätten dort auch keinen Arzt gesehen und hätten von den schon länger dort anwesenden Landsleuten erfahren, dass die medizinische Versorgung katastrophal sein solle. Aus den Länderfeststellungen gehe überhaupt nicht hervor, wie in Litauen ältere, pflegebedürftige Asylwerber versorgt würden, was in ihrem Fall jedoch eine zentrale Frage sei, da sie schon bei den einfachsten Dingen des Alltages Hilfe benötigen würden. Ihr gesundheitlicher Zustand habe sich vor allem seit den Schlaganfällen im Jänner bzw. August 2018 drastisch verschlechtert. Aufgrund ihrer persönlichen gesundheitlichen Situation sei es völlig nachvollziehbar, dass sie sich dazu entschlossen hätten, zu ihrem Sohn (ihrem einzigen Kind) und dessen Frau und fünf Kindern nach Österreich zu kommen. Ihr Sohn habe die Heimat vor fünf bis sechs Jahren verlassen und seien sie stets in Kontakt geblieben. Sie würden innerhalb des Familienverbandes ihres Sohnes optimal versorgt werden und dem Staat auch nicht zur Last fallen. Sie seien aufgrund ihres hohen Alters, ihrer körperlichen Einschränkungen und der schwerwiegenden gesundheitlichen Probleme auf die Unterstützung ihres Sohnes angewiesen. Somit seien die Voraussetzungen des Art. 16 Dublin III-VO erfüllt. In Litauen hätten die BF keinerlei soziale Anknüpfungspunkte. Da sie im Fall einer Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt wären, in Litauen mangels adäquater medizinischer Versorgung und Pflege einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt zu sein, würde im Fall einer Überstellung nach Litauen neben der Verletzung von Art. 8 EMRK auch eine Verletzung von Art. 3 EMRK vorliegen.

Der Beschwerde waren je eine medizinische Unterlage betreffend den BF1 und eine medizinische Unterlage betreffend die BF2 in tschetschenischer Sprache (beide ohne deutsche Übersetzung) und eine weitere (handschriftliche) tschetschenische Unterlage (ebenso unübersetzt) angeschlossen. Mit der Beschwerde wurden weiters eine Überweisung des BF1 an einen Facharzt für HNO wegen Presbyakusis beidseits, rechts: taub, links: schwerhörig, vom 29.03.2019, eine Zuweisung des BF1 an eine Radiologie wegen Zn. rezid. PRIND mit brachiofacial Parese links und erbetener Carot s-Duplex beidseitig sowie eine Terminbestätigung über eine stationäre Aufnahme des BF1 in einem Krankenhaus zur Operation einer Dupuytren-Erkrankung am 05.04.2019 vorgelegt.

Am 28.02.2019 wurden die BF auf dem Luftweg nach Litauen überstellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der unter I. dargelegte Verfahrensgang.

Besondere, in der Person der BF gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Litauen sprechen würden, liegen nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Litauen an.

Es kann nicht erkannt werden, dass im litauischen Asyl- und Rechtssystem relevante systemische Mängel bestehen würden. Ebenso kann nicht erkannt werden, dass die litauischen Behörden Sonderrechtspositionen gegenüber Antragstellern aus bestimmten Regionen vertreten würden.

Die BF leiden an keinen akuten lebensbedrohlichen Erkrankungen, die eine Überstellung nach Litauen als reale Gefahr iSd Art. 3 EMRK erscheinen lassen könnten.

Der BF1 gab an, im August 2018 einen Hirnschlag gehabt zu haben und deshalb an Schwäche und Herzproblemen zu leiden. Mit der Beschwerde wurde eine medizinische Unterlage aus dem Herkunftsstaat in tschetschenischer Sprache beigebracht. Österreichische Befunde wurden nicht vorgelegt. Es wurden eine Überweisung an einen Facharzt für HNO wegen Taubheit bzw. Schwerhörigkeit, eine Überweisung zu radiologischen Untersuchungen sowie eine Terminbestätigung für eine operative Behandlung einer Dupuytren-Erkrankung beigebracht.

Die BF2 gab an, dass sie kleine Wunden habe und einen Hirnschlag gehabt habe. Ihre Blutwerte seien nicht in Ordnung und sie würde an Bluthochdruck leiden. Nach einem Arztbesuch in Österreich befragt, gab die BF2 an, dass sie im Spital gewesen und einen Verband bekommen habe. Ihre Hand sei geschwollen gewesen. Das Ergebnis einer Blutabnahme würde noch nicht vorliegen. Von einem mit der Beschwerde vorgelegten Befund aus dem Herkunftsstaat in tschetschenischer Sprache abgesehen, wurden keine Befunde vorgelegt.

Krankenhausaufenthalte der BF während ihres Österreichaufenthaltes wurden weder behauptet noch können solche der Aktenlage entnommen werden.

Laut Angaben der BF lebt der hier asylberechtigte erwachsene Sohn mit Ehefrau und fünf Kindern seit rund fünf bis sechs Jahren in Österreich. Ein gemeinsamer Haushalt der BF mit ihrem namentlich nicht genannten Sohn kann nicht festgestellt werden. Laut ZMR-Auszug sind die BF seit 07.12.2018 beim Unterkunftgeber "Lebensräume" gemeldet, was auf eine Flüchtlingsunterkunft hindeuten dürfte. Es bestehen keine finanziellen oder sonstigen Abhängigkeiten der BF von ihrem erwachsenen Sohn.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Reiseweg der BF gründen sich auf die Aktenlage und den EURODAC-Treffer der Kategorie "1" zu Litauen betreffend die BF2 vom 16.11.2018. Die BF reisten gemeinsam, reisten gemeinsam in Österreich ein und stellten zeitgleich Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Der Umstand, dass hinsichtlich des BF1 kein EURODAC-Treffer der Kategorie "1" zu Litauen aufscheint, kann auch insofern vernachlässigt werden, als Litauen jedenfalls der Wiederaufnahme beider BF ausdrücklich zugestimmt und hinsichtlich beider BF in seinem Zustimmungsschreiben angegeben hat, dass die BF während des laufenden Asylverfahrens untergetaucht seien. Die Tatsache, dass auch der BF1 ungeachtet des Nichtvorliegens eines diesbezüglichen EURODAC-Treffers in Litauen einen Asylantrag gestellt hat, ergibt sich somit bereits aus der dies außer Streit stellenden Zusage Litauens zur Wiederaufnahme auch des BF1.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF beruhen auf der Aktenlage und den Angaben der BF. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die festgestellten persönlichen Verhältnisse der BF folgen aus den eigenen Angaben und der damit im Einklang stehenden Aktenlage.

Eine die BF konkret betreffende Bedrohungssituation in Litauen wurde nicht ausreichend substantiiert und glaubhaft vorgebracht.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch ausreichend aktuelle Quellen belegte Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.

Die Überstellung der BF nach Litauen am 28.02.2019 ergibt sich aus dem diesbezüglichen Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 28.02.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerden:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine

Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 21 Abs. 5 BFA-VG idgF lautet:

§ 21 (5) Wird gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme Beschwerde

beim Bundesverwaltungsgericht erhoben und hält sich der Fremde zum Zeitpunkt der Erlassung der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet auf, so hat das Bundesverwaltungsgericht festzustellen, ob die aufenthaltsbeendende Maßnahme zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig war. War die aufenthaltsbeendende Maßnahme nicht rechtmäßig, ist die Wiedereinreise unter einem zu gestatten.

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine

Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) lauten:

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Art. 16 Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründ

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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