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L66506 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke Flurbereinigung SteiermarkNorm
AgrGG Stmk 1985 §6 Abs5Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des Ing. S N in D, vertreten durch Mag. Gerd Egner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Joanneumring 11/IV, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 22. November 2018, Zl. LVwG 53.28-1859/2018-4, im Umfang der Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I des Bescheides der Agrarbezirksbehörde für Steiermark vom 4. Juni 2018, betreffend eine Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis einer Agrargemeinschaft (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Agrarbezirksbehörde für Steiermark), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Mitglied der Agrargemeinschaft F (in weiterer Folge: Agrargemeinschaft), und sein Rechtsvorgänger brachten mit einem an die Agrarbezirksbehörde für Steiermark (ABB) gerichteten Schreiben vom 30. September 2017 eine Beschwerde gemäß § 6 Abs. 5 und § 43 Abs. 2 des Steiermärkischen Agrargemeinschaftengesetzes (StAgrGG) ein, weil der Nutzungsvertrag vom 23. Oktober 2013 (betreffend die Windkraftanlagen WEA 1, WEA 2 und WEA 3) durch die Vollversammlung der Agrargemeinschaft abgelehnt, aber dennoch durch den Obmann und den Schriftführer der Agrargemeinschaft unterfertigt und dessen Einverleibung zugunsten des Vertragspartners, eines Energieunternehmens, zugestimmt worden sei.
2 Mit Schreiben vom 9. April 2018 erhob (ua) der Revisionswerber Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG.
3 Mit Bescheid vom 4. Juni 2018 wies die ABB die Säumnisbeschwerde des Revisionswerbers vom 9. April 2018 auf Grund der Beschwerde vom 30. September 2017 als unzulässig zurück (Spruchpunkt I); mit Spruchpunkt II wurde über den Revisionswerber eine Mutwillensstrafe verhängt.
4 Spruchpunkt I wurde damit begründet, dass die Beschwerde vom 30. September 2017 der Wortwahl nach als Aufsichtsbeschwerde zu werten sei; eine bescheidmäßige Erledigung sei nicht beantragt worden. Auf die Erlassung eines Bescheides bestehe im Aufsichtsverfahren aber kein rechtlicher Anspruch (§ 68 Abs. 7 AVG), sodass die Verletzung der Entscheidungspflicht mittels Säumnisbeschwerde nicht geltend gemacht werden könne.
5 Der Revisionswerber erhob Beschwerde, in der er neuerlich auf das Fehlen einer Zustimmung der Vollversammlung zum Vertrag und die ungeachtet dessen vorgenommene Unterfertigung des Vertrages sowie der Einwilligung zu den darin enthaltenen Dienstbarkeiten verwies. Es handle sich bei seiner Beschwerde um eine Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis (zwischen dem Revisionswerber und dem Obmann und dem Schriftführer der Agrargemeinschaft). Aufgrund der Nichtigkeit des Nutzungsvertrages sei dieser absolut nichtig und sei das Windparkprojekt mit den genannten Anlagen rückabzuwickeln.
6 Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis vom 22. November 2018 wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des Bescheides der ABB unbegründet ab. Spruchpunkt II wurde ersatzlos behoben. Die ordentliche Revision wurde mit Formelbegründung nicht zugelassen.
7 Das LVwG vertrat - soweit vorliegendenfalls von Interesse - die Ansicht, dass die ABB das Anbringen des Revisionswerbers innerhalb der Frist des § 16 Abs. 1 VwGVG mit einer missverständlichen Formulierung des Spruches zurückgewiesen und das Säumnisbeschwerdeverfahren eingestellt habe. Die Beschwerde sei aber nicht berechtigt. Ein Agrargemeinschaftsmitglied habe kein subjektiv-öffentliches Recht auf Wahrnehmung der behördlichen Aufsichtsbefugnis, sondern nur ein Recht auf Wahrung seiner Mitgliedschaftsrechte, das er in einem Streit mit der Agrargemeinschaft auf dem Wege der Minderheitenbeschwerde verfolgen könne.
8 Im vorliegenden Fall schildere der Revisionswerber die Angelegenheit aus seiner Sicht so, dass der erwähnte Beschluss der Vollversammlung der Agrargemeinschaft am 9. Dezember 2013 ohnehin rechtmäßig zustande gekommen sei. Der Revisionswerber sehe hier den Streitfall zwischen ihm bzw. seinem Rechtsvorgänger und dem Obmann bzw. dem Schriftführer der Agrargemeinschaft darin, dass nach seiner Ansicht eine beschlusswidrige Umsetzung stattgefunden habe. Die subjektiv-öffentlichen Rechte eines Mitglieds der Agrargemeinschaft erschöpften sich jedoch in den materiellen Mitgliedschaftsrechten, das seien die Bezüge, die Teilnahme an der Verwaltung sowie die Übernahme von Verpflichtungen. Aufgekommene Zweifel allein am satzungskonformen Handeln des Obmanns berührten die Mitgliedschaftsrechte des Antragstellers nicht, sodass entgegen seinem Vorbringen tatsächlich keine Streitigkeit im Sinne des § 6 Abs. 5 des Steiermärkischen Agrargemeinschaftengesetzes (St AgrGG) geltend gemacht worden sei (VwGH 19.5.1994, 90/07/0163; 10.6.1999, 99/07/0054). Die Rechtsansicht der ABB, wonach die Wahrnehmung der behördlichen Aufsichtsbefugnis kein subjektivöffentliches Recht der Mitglieder darstelle, treffe zu. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des Bescheides der ABB sei daher als unbegründet abzuweisen.
9 In seiner gegen dieses Erkenntnis im Umfang der Abweisung seiner Beschwerde gegen Spruchpunkt I des Bescheides der ABB vom 4. Juni 2018 erhobenen außerordentlichen Revision macht der Revisionswerber Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (Aktenwidrigkeit) geltend.
10 Die ABB erstattete dazu mit Schriftsatz vom 25. Februar 2019 eine Revisionsbeantwortung, in der sie auf Teile der Begründung des über die - ebenfalls im Zusammenhang mit der Umsetzung des Vollversammlungsbeschlusses vom 9. Dezember 2013 stehenden - Amtshaftungsklage des Revisionswerbers ergangenen Urteils des OLG Graz vom 4. September 2018, 5R 107/18x, verwies.
11 Der Revisionswerber erstattete dazu eine Äußerung vom 10. März 2019, in der er auf eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Graz vom 30. Oktober 2014 zur Untermauerung seines Vorbringens, die Vollversammlung habe dem Vertrag nicht zugestimmt, verwies und die Behauptung aufstellte, das Protokoll der Vollversammlung vom 9. Dezember 2013 sei in Hinblick auf eine "Nachtrags- und Ergänzungsvereinbarung" verfälscht worden.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
16 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG bei einer außerordentlichen Revision gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung über die Revision zu lösen hätte (VwGH 21.11.2014, Ra 2014/02/0114, mwN). Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. etwa jüngst VwGH 28.2.2019, Ra 2019/07/0004 bis 0008, mwN).
17 2. In seinen Zulässigkeitsausführungen meint der Revisionswerber, er habe die Einhaltung der Willensbildung der Agrargemeinschaft geltend gemacht. Ein Streit mit den Organen der Agrargemeinschaft entstehe, wenn entgegen der Willensbildung Verträge unterzeichnet würden. Aufgrund der durch Obmann und Schriftführer missachteten Vertretungsmacht sei die zulässige (verfahrenseinleitende) Beschwerde gemäß § 6 Abs. 5 StAgrGG ergangen. Der Revisionswerber habe in rechtskonformer Weise die Streitentscheidungskompetenz der ABB gemäß § 6 Abs. 5 StAgrGG geltend gemacht; aufgrund der zulässigen Beschwerde bzw. Säumnisbeschwerde liege eine aktenwidrige Entscheidung des LVwG vor.
18 3. Die Revision erweist sich als zulässig. Im vorliegenden Fall ist die rechtliche Zuordnung einer Beschwerde eines Mitgliedes einer Agrargemeinschaft als Aufsichtsbeschwerde oder als Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis zu klären; dies vor dem Hintergrund eines Antrags, der auf Rückabwicklung eines durch Organe einer Agrargemeinschaft - entgegen der Willensbildung der Vollversammlung - abgeschlossenen Vertrages gerichtet war.
19 Das LVwG ging - insofern in Übereinstimmung mit dem Revisionswerber - davon aus, dass der Obmann bzw. der Schriftführer der Agrargemeinschaft entgegen einem Vollversammlungsbeschluss vom 9. Dezember 2013 einen Nutzungsvertrag über bestimmte agrargemeinschaftliche Flächen mit einem Energieunternehmen abgeschlossen hätten. Diesen Annahmen wird in der Revisionsbeantwortung seitens der ABB durch einen Hinweis auf entsprechende Feststellungen und rechtliche Erwägungen im Urteil des OLG Graz vom 4. September 2018 entgegengetreten; diesen zufolge kommt dem Nutzungsvertrag vom 23. Oktober 2013 angesichts bereits zuvor zustande gekommener, einstimmig beschlossener Optionsverträge (aus 2004 und 2006) und der bereits im Jahr 2011 gezogenen Option keine eigenständige rechtliche Wirkung zu.
20 Darauf, ob der Abschluss des Nutzungsvertrages vom 23. Oktober 2013 überhaupt die ihm vom Revisionswerber zugeschriebene rechtliche Wirkung nach zieht, kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an. Das LVwG wies (im Rechtszug) die Beschwerde des Revisionswerbers vom 30. September 2017 nach § 6 Abs. 5 StAgrGG zurück, weil es sich dabei um eine Aufsichtsbeschwerde und nicht um eine Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis handle. Nur die Frage der Qualifikation dieser Beschwerde und nicht deren inhaltliche Berechtigung war daher im vorliegenden Fall vom Verwaltungsgerichtshof zu klären.
21 4. Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des StAgrGG haben folgenden Wortlaut:
"Überwachung der Agrargemeinschaften
§ 6. (1) Die Agrarbehörde hat die Agrargemeinschaften zu überwachen.
(2) Die Überwachung erstreckt sich auf alle Agrargemeinschaften, gleichgültig, ob für die einzelne Gemeinschaft ein auf Grund der bisher geltenden gesetzlichen Bestimmungen oder dieses Gesetzes erlassener rechtskräftiger Regulierungsplan besteht oder nicht.
(3) ...
(5) Über Streitigkeiten, die zwischen Mitgliedern einer Agrargemeinschaft und dieser oder ihren Organen aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstehen, entscheidet die Agrarbehörde."
22 §§ 23 und 24 der Verwaltungssatzungen der Agrargemeinschaft lauten:
"§ 23. Aufsichtsbestimmungen
(1) Die örtlich zuständige Dienststelle der Agrarbezirksbehörde für Steiermark hat als Aufsichtsbehörde die Agrargemeinschaft zu überwachen (§ 6 Abs. 1 StAgrGG 1985 i.d.g.F.).
(2) Die Aufsichtsbehörde kann, falls die Mitglieder die Einsetzung der Verwaltung unterlassen, dieselbe nicht wirksam zustande kommt oder fortbesteht, selbst eine solche einsetzen; die Agrargemeinschaft hat alle hieraus erwachsenden Kosten zu tragen.
(3) Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, Funktionäre von Amts wegen oder über begründetes Einschreiten von Mitgliedern ihres Amtes zu entheben, wenn Gründe gegen deren Weiterbelassung im Amt sprechen. In diesem Falle steht es der Aufsichtsbehörde frei, entweder eine Neuwahl durchführen zu lassen oder vom freien Bestellungsrecht für bestimmte Zeit oder für die Zeit bis zum Ablauf der Funktionsperiode Gebrauch zu machen.
(4) Die Aufsichtsbehörde überwacht die Geschäfts- und Wirtschaftsführung der Agrargemeinschaft im allgemeinen, insbesondere hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der darauf beruhenden Anordnung sowie hinsichtlich des Schutzes und der Sicherung der Ansprüche der Mitglieder gegenüber der Agrargemeinschaft. Sie kann jederzeit in alle Rechnungsunterlagen und schriftlichen Aufzeichnungen Einsicht nehmen.
(5) Über Antrag des Ausschusses oder einzelner Verwaltungsorgane kann die Aufsichtsbehörde die Beschlussfassung der Agrargemeinschaft zur Ausführung notwendiger Verbesserungen sowie zur Hintanhaltung von Schädigung in der Bewirtschaftung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke fordern, insoweit sich diese Verbesserungen auf die Sicherung des Bodens und auf die Herstellung der für den Wirtschaftsbetrieb unerlässlichen Einrichtung beziehen.
(6) Die Verletzung der den befugten Vertretern der Gemeinschaft nach den Verwaltungssatzungen obliegenden Pflichten wird als Verwaltungsübertretung von der Agrarbehörde bestraft (§ 65 Abs. 2 und § 43 Abs. 2 lit h StAgrGG 1985 i.d.g.F).
§ 24 Einwendungen und Beschwerden
(1) Über Streitigkeiten, die zwischen den Mitgliedern der Gemeinschaft und dieser oder ihren Organen aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstehen, wozu auch Einwendungen und Beschwerden gegen die Wahl der Gemeinschaftsfunktionäre und gegen Verfügungen der Verwaltung gehören, - entscheidet - soweit hiefür nicht die ordentlichen Gerichte zuständig sind - die Aufsichtsbehörde (§ 6 Abs. 5 und § 43 Abs. 2 lit. h StAgrGG 1985 i.d.g.F).
(2) Gegen Vollversammlungsbeschlüsse und gegen Verfügungen der Verwaltung können die überstimmten Mitglieder Einwendungen erheben, denen jedoch keine aufschiebende Wirkung zukommt.
(3) Alle Einwendungen und Beschwerden sind innerhalb von 8 Tagen bei der Aufsichtsbehörde einzubringen. Diese Frist wird, wenn es sich um einen Vollversammlungsbeschluss handelt, vom Tage der Vollversammlung und, wenn es sich um eine Verfügung der Verwaltung handelt, von dem Tag an gerechnet, an dem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erlangt hat.
(4) Gegen Verfügungen der Verwaltung können Beschwerden innerhalb der im Abs. 3 dieser Satzung bestimmten Frist auch beim Obmann eingebracht werden, worüber der Ausschuss und in weiterer Folge die Vollversammlung entscheidet.
(5) Bei Streitigkeiten, die zwischen Mitgliedern untereinander oder mit den Verwaltungsorganen entstehen, hat der Obmann in erster Linie zu versuchen, schlichtend einzugreifen."
23 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Streitigkeiten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass sie Rechte und Pflichten der Gemeinschaft gegenüber dem Mitglied, Rechte und Pflichten des Mitgliedes gegenüber der Gemeinschaft und Rechte und Pflichten des Mitgliedes gegenüber den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft zum Gegenstand haben. Gegenstand einer Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis kann nur sein, was die die Agrargemeinschaften regelnden gesetzlichen Vorschriften und die darauf gegründeten Rechtsakte, insbesondere die Satzungen, über das Mitgliedschaftsverhältnis bestimmen. Eine Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis liegt vor, wenn das Mitgliedschaftsverhältnis für die geltend gemachten Ansprüche dem Grunde nach bestimmend ist (vgl. ua VwGH 18.12.2014, 2012/07/0231; 30.9.2010, 2009/07/0075; 13.12.2007, 2007/07/0135).
24 Die Befugnis der Agrarbehörde über Streitigkeiten zu entscheiden, "die aus dem Mitgliedschaftsverhältnis" entstehen, bedeutet aber nicht, dass Streitigkeiten aller Art, wenn nur irgendein Bezug zum Mitgliedschaftsverhältnis besteht - etwa durch die Zugehörigkeit der Streitparteien zu einer Agrargemeinschaft - schon die Zuständigkeit der Agrarbehörde begründet. Die Streitigkeit muss vielmehr das Mitgliedschaftsverhältnis selbst berühren. Hierzu zählt zB. die unterschiedliche Auffassung über die rechtmäßige Art der Ausübung eines agrargemeinschaftlichen Anteilsrechtes, weil dieses mangels Klärung nicht im gesetzlich vorgesehenen Umfang rechtswirksam werden kann. Die Auswirkungen einer solchen Rechtsausübung auf private Nachbargrundstücke hingegen - bezüglich deren das Verfügungsrecht, insbesondere das Eigentum zudem ohne Einfluss der Agrarbehörde oder der Agrargemeinschaft wechseln kann, die also ebenso gut Mitgliedern wie Nichtmitgliedern der Agrargemeinschaft gehören können - fallen nicht darunter (VwGH 21.10.1986, 86/07/0198).
25 Wie die oben wiedergegebenen Bestimmungen des StAgrGG und der Satzungen der Agrargemeinschaft aufzeigen, sollen Streitigkeiten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis durch fallbezogene Entscheidungen der ABB als Aufsichtsbehörde geschlichtet und nachhaltig beendet werden. Eine Grenze für die Annahme einer Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis liegt daher auch in der Zuständigkeit und den damit verbundenen rechtlichen Entscheidungsmöglichkeiten der Agrarbehörde. Sowohl die Bestimmungen des StAgrGG (§ 48) als auch der Satzung (§ 24 Abs. 1) setzen der Aufsichtsbehörde diesbezüglich klare Grenzen.
26 In der Beschwerde des Revisionswerbers vom 30. September 2017 wird zwar das Fehlverhalten des Obmannes bzw. des Schriftführers aufgezeigt, aber kein konkretes Begehren an die ABB herangetragen. In seiner Beschwerde an das LVwG begehrt der Revisionswerber die "Rückabwicklung des Windparkprojektes aufgrund der Nichtigkeit des Nutzungsvertrages".
27 Mit diesem Begehren trägt der Revisionswerber eine Angelegenheit an die Agrarbehörde heran, die zwar in einem Bezug zu seinem Mitgliedschaftsverhältnis zur Agrargemeinschaft steht; dennoch liegt keine Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis nach § 6 Abs. 5 StAgrGG vor.
28 Nach § 24 Abs. 1 der Satzung entscheidet die Agrarbehörde nämlich nur insoweit über Streitigkeiten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis, als hiefür nicht die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Mit seinem Begehren auf "Rückabwicklung des Windparkprojektes wegen Nichtigkeit des Nutzungsvertrages" macht der Revisionswerber die Rechtsunwirksamkeit bzw. Nichtigkeit des von Organen der Agrargemeinschaft abgeschlossenen Vertrages geltend und begehrt dessen zivilrechtliche Rückabwicklung. Zur Entscheidung über die Rechtsunwirksamkeit oder Nichtigkeit von Verträgen und gegebenenfalls über deren Rückabwicklung sind aber die ordentlichen Gerichte zuständig.
29 Ohne dass hier auf die mit einem solchen Begehren im Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Fragen näher einzugehen wäre, ist im vorliegenden Fall daher davon auszugehen, dass eine Zuständigkeit der Agrarbehörde zur Entscheidung über eine solche Streitigkeit bereits nach § 24 Abs. 1 der Satzung ausscheidet.
30 Die Ansicht des LVwG, es liege hier keine Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis vor, steht daher im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Rechtslage.
31 Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Wien, am 28. März 2019
Schlagworte
sachliche ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019070011.L00Im RIS seit
03.07.2019Zuletzt aktualisiert am
03.07.2019