Index
L82000 Bauordnung;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Mag. Dr. Walter Zussner in Krumpendorf, vertreten durch DDr. Georg M. Krainer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Feldm.-Conrad-Platz 11, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 11. Juli 1997, Zl. 8 B-BRM-36/1/1997, betreffend Baubewilligung und Parteistellung im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Rosalinde Hinteregger in Klagenfurt, Ausstellungsstraße 5/1/5; 2. Gemeinde Krumpendorf am Wörther See, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 25. Juli 1995 ersuchte der Rechtsvorgänger der Erstmitbeteiligten um die Erteilung der Bewilligung für die Änderung des Verwendungszweckes der im Erdgeschoß des Wohn- und Geschäftshauses in Krumpendorf, Schloßallee 23, gelegenen Räume von derzeit Geschäftslokal in ein Bistro-Cafe-Imbisse. Bauliche Änderungen würden weder im Inneren noch an der Fassade vorgenommen.
Mit Kundmachung vom 8. August 1995 wurde die mündliche Verhandlung dieses Bauverfahrens für den 11. August 1995 anberaumt. Zu dieser Verhandlung wurden die Eigentümer der Grundstücke an den seitlichen Nachbargrenzen des Baugrundstückes geladen. Der Beschwerdeführer, der Eigentümer eines an der hinteren Grundgrenze unmittelbar angrenzenden Grundstückes ist, wurde zu der Verhandlung nicht geladen.
Mit Schriftsatz vom 9. August 1995 (eingelangt bei der mitbeteiligten Gemeinde am 10. August 1996) erhob der Beschwerdeführer Einwendungen, die insbesondere darauf gerichtet waren, dass durch die Verwendungszweckänderung unzumutbare Immissionen (insbesondere Lärm- und Luftverunreinigungen) vor allem durch die zu errichtenden Autoabstellplätze entstehen würden.
Mit Schreiben vom 20. Juli 1996 ersuchte der Beschwerdeführer um Anerkennung der Parteistellung, sowie, daraus resultierend, um den abschließenden Bescheid für das Bauvorhaben. Sollte die Parteistellung negativ entschieden werden, ersuche er um die Erlassung eines diesbezüglichen Bescheides.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. Oktober 1996 wurde das angeführte Bauvorhaben nach Maßgabe der einen Bestandteil des Bescheides bildenden Baupläne samt Baubeschreibung unter Auflagen bewilligt. Die Einwendungen der dem Verfahren beigezogenen Nachbarn wurden als unbegründet abgewiesen und der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der Parteistellung wurde abgewiesen.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid zur Gänze Berufung, indem er sich sowohl dagegen wendete, dass das beantragte Bauvorhaben bewilligt und zum anderen sein Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung abgewiesen worden sei. Er machte insbesondere geltend, dass mit dem angefochtenen Bescheid nur über seinen Antrag vom 20. Juli 1996, nicht jedoch über seine Einwendungen vom 9. August 1995 abgesprochen worden sei. Schon aus diesem Grund sei der erstinstanzliche Bescheid mangelhaft.
Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. Februar 1997 wurde der Berufung "gegen den Bescheid des Bürgermeisters ... vom 22. Oktober 1996 ... gemäß § 66 Abs. 4 AVG stattgegeben. Der Spruch des bekämpften Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass dem Beschwerdeführer Parteistellung gemäß § 8 AVG i.V.m. § 21 KBO zuerkannt wird."
Die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, dass Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 erster Satz AVG für die Berufungsbehörde die Angelegenheit ist, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet, und nicht das, was der Berufungswerber zum Inhalt der Berufungsschrift gemacht habe. Die Befugnis der Berufungsbehörde erstrecke sich nur auf die Sache des Berufungsverfahrens, also auf den Gegenstand des Verfahrens in der Vorinstanz, soweit der darüber ergangene Bescheid mit Berufung angefochten worden sei. Habe die Behörde erster Instanz die Einwendungen der Berufungswerber mangels Parteistellung zurückgewiesen und die beantragte Bewilligung ohne sachliche Erledigung der Einwendungen erteilt, so sei "Sache" des Berufungsverfahrens nur die Frage, ob dem Berufungswerber von der Behörde erster Instanz die Parteistellung zu Unrecht versagt worden sei. Gemäß dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1980, Slg. Nr. 10.305/A, falle es in einem solchen Falle nicht in die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsbehörde, sich in die sachliche Erledigung der Einwendungen einzulassen. Habe die Berufungsbehörde diese Zuständigkeit verletzt, so sei der Bescheid rechtswidrig. Aufgrund der Aktenlage stehe unbestrittenermaßen fest, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der Parteistellung abgewiesen worden und somit auch eine Auseinandersetzung mit seinen Einwendungen gegen das Bauvorhaben nicht erfolgt sei. Sache sei daher im vorliegenden Fall für die Berufungsbehörde die Frage, ob die Parteistellung zu Recht verneint worden sei. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, dass in dem dem Beschwerdeführer zugestellten Bescheid der Baubehörde erster Instanz auch über den Bauantrag abgesprochen worden sei, weil sich infolge der Nichtzuerkennung der Parteistellung die Zustellung des Bescheides auch nur auf den Spruchteil betreffend die Zurückweisung seines Antrages beziehen könne und überdies allein durch die Zustellung eines Bescheides eine Parteistellung nicht begründet werde. Dem Beschwerdeführer sei lediglich darin beizupflichten, dass die weiteren Berufungsanträge vom 20. Dezember 1996 auf Versagung der Baubewilligung oder auf Aufhebung des Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG zurückzuweisen gewesen wären. Die nicht vorgenommene Zurückweisung stelle allerdings keinen wesentlichen Mangel dar, der den Beschwerdeführer in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzte.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Auffassung des Beschwerdeführers habe die Berufungsbehörde in dem angefochtenen Bescheid § 66 AVG verletzt, weil sie nur den Ausspruch der erstinstanzlichen Behörde betreffend die Parteistellung des Beschwerdeführers abgeändert habe, ohne die aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1980, Slg. Nr. 10.305/A, das von der belangten Behörde herangezogen werde, folgende Konsequenz zu ziehen, den angefochtenen Baubewilligungsbescheid aufzuheben und die Angelegenheit an die Behörde erster Instanz zur sachlichen Erledigung der vor ihr erhobenen Einwendungen des Beschwerdeführers gegen das Bauvorhaben zurückzuverweisen. Indem die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf die Abänderung des bekämpften Bescheides betreffend die Parteistellung beschränkt und im übrigen den das Vorhaben bewilligenden Bescheid unberührt gelassen habe, habe sie der Baubehörde erster Instanz jede Möglichkeit genommen, die von der Berufungsbehörde als zulässig erkannten Einwendungen des Beschwerdeführers sachlich zu erledigen.
Zunächst ist folgendes klarzustellen:
Die Berufung des Beschwerdeführers hat sich - wie dies auch von der belangten Behörde angenommen wurde - sowohl gegen den Spruchteil des erstinstanzlichen Bescheides betreffend die Nichtzuerkennung der Parteistellung als auch gegen die Erteilung der Baubewilligung gerichtet. Die Berufungsbehörde hat - wie sich dies aus dem eingangs wiedergegebenen Spruch ihres Bescheides ergibt - über diese Berufung zur Gänze abgesprochen und den erstinstanzlichen Bescheid nur im Hinblick auf den Abspruch über die Parteistellung abgeändert, den Abspruch über die Erteilung der Baubewilligung aber unberührt gelassen. Aus der Begründung des Berufungsbescheides ergibt sich die Auffassung, dass als "Sache" des Berufungsverfahrens im vorliegenden Fall ausschließlich die Frage der Parteistellung angesehen wurde. Es sei daher nur zu prüfen gewesen, ob die Parteistellung zu Unrecht nicht anerkannt worden sei. Es falle jedoch nicht in ihre Zuständigkeit, sich in die sachliche Erledigung der Einwendungen einzulassen. Die belangte Behörde teilte diese Auffassung zwar nicht, war aber der Ansicht, die Berufungsbehörde hätte die Berufung gegen die Erteilung der Baubewilligung, da dieser Spruchteil dem Beschwerdeführer mangels Anerkennung der Parteistellung durch die erste Instanz nicht zugestellt worden sei, zurückweisen müssen, weshalb der Beschwerdeführer durch den fehlenden Abspruch über diesen Berufungsteil nicht in Rechten verletzt sein konnte.
Weder die Auffassung der Berufungsbehörde noch die Auffassung der belangten Behörde erweisen sich als rechtmäßig. Wenn eine erstinstanzliche Behörde über in einem laufenden erstinstanzlichen Baubewilligungsverfahren erhobene Einwendungen einer Person, die sie als Nichtpartei ansieht, nicht entscheidet, jedoch im Baubewilligungsbescheid eine eigene Entscheidung über die Nichtzuerkennung der Parteistellung trifft, so ist jedenfalls dann, wenn die Berufungsbehörde der Auffassung ist, diese Frage sei von der erstinstanzlichen Behörde nicht richtig beantwortet worden, davon auszugehen, dass die Berufung betreffend die Nichtzuerkennung der Parteistellung mit der Berufung betreffend die Erteilung der Baubewilligung eine untrennbare Einheit bildet. Es stellt sich daher als inhaltliche Rechtswidrigkeit dar, die von der belangten Behörde wahrzunehmen gewesen wäre, wenn die Berufungsbehörde im vorliegenden Fall über die Berufung zur Gänze entschieden hat und dabei aber nur den Abspruch des erstinstanzlichen Bescheides betreffend die Nichtzuerkennung der Parteistellung behandelt und abgeändert und die erstinstanzliche Erteilung der Baubewilligung unberührt gelassen hat. Das hatte zur Folge, dass der erstinstanzliche Abspruch über die Erteilung der Baubewilligung rechtskräftig geworden ist, ohne dass über die vom Beschwerdeführer erhobenen Einwendungen, dem nunmehr die Parteistellung zuerkannt worden war, im Baubewilligungsverfahren noch abgesprochen werden könnte. Die Berufungsbehörde hätte vielmehr nach Bejahung der Parteistellung des Beschwerdeführers dessen Berufung gegen die Erteilung der Baubewilligung zu behandeln gehabt, indem sie entweder bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 AVG die erstinstanzlich erteilte Baubewilligung aufzuheben oder selbst inhaltlich gemäß § 66 Abs. 4 AVG über die Einwendungen zu entscheiden gehabt hätte. Entgegen dem hg. Erkenntnis vom 25. November 1980, VwSlg. 10.305/A, das ein wasserrechtliches Verfahren betroffen hat, ist die Befugnis der Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 2 und Abs. 4 AVG nicht darauf eingeschränkt, den erstinstanzlichen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen, weil "Sache" der Behörde erster Instanz, auf die sich die Berufung bezogen hat, nicht nur die Parteistellung des Beschwerdeführers, sondern auch und vor allem die meritorische Behandlung des Bauansuchens (samt der Behandlung der Einwendungen der anerkannten Parteien) war. Von einer derart eingeschränkten Sicht der "Sache" der Berufungsbehörde - wie sie der Verwaltungsgerichtshof in dem angeführten Erkenntnis im wasserrechtlichen Verfahren angenommen hat - kann in einem Baubewilligungsverfahren nicht ausgegangen werden.
Der angefochtene Bescheid war, da die belangte Behörde die aufgezeigte Rechtswidrigkeit des bekämpften Berufungsbescheides nicht aufgegriffen hat, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. Februar 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997050240.X00Im RIS seit
17.08.2001