Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber und ADir. Gabriele Svirak in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** S*****, vertreten durch Sailer & Schön Rechtsanwälte in Bruck an der Leitha, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, *****, wegen 8.847,19 EUR brutto sA (Revisionsinteresse: 5.898 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. November 2018, GZ 8 Ra 99/18i-29, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 17. April 2018, GZ 28 Cga 82/17h-24, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 626,10 EUR (darin 104 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war seit 2. 3. 1998 als Vertragsbedienstete der Beklagten bei Gericht beschäftigt. Nach der Geburt ihres Sohnes am 14. 7. 2011 befand sie sich vom 6. 12. 2011 bis 13. 7. 2013 in Karenz nach dem Mutterschutzgesetz (MSchG). Mit Schreiben vom 18. 3. 2013 beantragte sie eine Herabsetzung der Wochenstundenanzahl auf 20 Wochenstunden. Da gewisse formelle Kriterien in diesem Antrag nicht beinhaltet waren, übermittelte ihr der Geschäftsstellenleiter ein seit vielen Jahren verwendetes Muster, anhand dessen die Klägerin mit Schreiben vom 29. 3. 2013 erneut einen Antrag stellte. Dieser enthielt nun auch Angaben zum Zweck der Herabsetzung der Wochenarbeitszeit (Betreuung des Sohnes) sowie zur Dauer der beantragten Herabsetzung der Arbeitszeit (14. 7. 2013 bis zum Schuleintritt des Sohnes). Weiter war darin eine Gesetzesstelle als Grundlage für die Herabsetzung der Arbeitszeit zitiert („§ 20b VBG iVm § 50b BDG 1979“). Dem Antrag der Klägerin wurde mit von beiden Parteien unterzeichneter Nachtragsvereinbarung vom 5. 6. 2013 entsprochen. In der Vereinbarung ist ausgeführt, dass diese „unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 20 VBG iVm § 50b BDG 1979“ abgeschlossen wird.
Mit Schreiben vom 8. 11. 2016 kündigte die Klägerin schließlich ihr Dienstverhältnis zum 30. 4. 2017 unter Hinweis auf die Bestimmung des § 84 Abs 3 Z 4 VBG (gesetzliche Abfertigung) auf. Mit Schreiben vom 6. 12. 2016 wies die Beklagte darauf hin, dass dem Ansuchen auf Abfertigung nicht entsprochen werden könne, weil die Herabsetzung der Wochendienstzeit auf Basis des § 20 VBG iVm § 50b BDG 1979 erfolgt sei, der nicht zu den in § 84 Abs 3 Z 1–4 VBG angeführten „abfertigungswahrenden“ Gründen zähle.
Die Klägerin begehrt den Zuspruch von 8.847,19 EUR brutto und brachte vor, der Betrag stehe als Abfertigung in der Höhe von sechs Monatsgehältern gemäß § 84 Abs 3 Z 4 VBG zu. Mit der Nachtragsvereinbarung vom 5. 6. 2013 sei die Herabsetzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit im Sinne des § 15h MSchG vereinbart worden. Dem Dienstgeber sei klar gewesen, dass sie nur zum Zweck der Betreuung ihres Sohnes die Arbeitszeit reduzieren habe wollen. Die Vereinbarung sei daher – dem Vertragszweck und Parteiwillen entsprechend – so zu verstehen, dass sie dem § 15h MSchG unterliege. Eine andere Auslegung sei nicht zulässig. Schon nach der gebotenen objektiven Betrachtung sei eine Vereinbarung über „Elternteilzeit“ im Sinne des MSchG zustande gekommen. Ihr als juristischem Laien seien die zitierten Bestimmungen (§ 20 VBG und § 50b BDG 1979) ebenso wie die daraus folgenden Konsequenzen nicht bekannt gewesen. Ihr seien auch keine „Informationen über andere (besoldungsrechtliche) Ansprüche“ seitens der Beklagten erteilt worden.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, es habe keine umfassende Beratung der Klägerin zum Thema Teilzeitbeschäftigung stattgefunden, da es keinen Hinweis darauf gegeben habe, dass sie eine Auflösung des Dienstverhältnisses beabsichtige. Es sei daher von der für die Klägerin günstigeren Variante der Herabsetzung der Wochendienstzeit nach § 50b BDG 1979 iVm § 20 VBG ausgegangen worden. Nach dem Inhalt der Nachtragsvereinbarung sei eindeutig eine Herabsetzung der Wochendienstzeit aufgrund dieser Bestimmungen vereinbart worden. Da keine Teilzeitbeschäftigung nach § 15h MSchG bestanden habe, sei der Ausnahmetatbestand im Sinne des § 84 Abs 3 Z 4 VBG nicht verwirklicht. Die behaupteten Aufklärungs- und Informationsrechte bestünden nicht.
Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 5.898 EUR brutto sA und wies das Mehrbegehren von 2.949,19 EUR brutto sA infolge einer Neuberechnung des Anspruchs ab. Die Regelungen des § 15h MSchG und des § 20 VBG 1948 iVm § 50b BDG würden sich kaum unterscheiden. Zur Vermeidung eines gleichheitswidrigen Ergebnisses sei § 84 Abs 3 Z 4 VBG 1948 in verfassungskonformer Interpretation oder jedenfalls per Analogie immer dann anzuwenden, wenn eine Teilzeitbeschäftigung vereinbart worden sei, die inhaltlich den Bestimmungen des MSchG bzw VKG im Großen und Ganzen entspreche.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Es sei von einer gültigen Vereinbarung der Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit auf Basis der Bestimmung des § 20 VBG iVm § 50b BDG 1979 auszugehen. Ein übereinstimmender gegenteiliger Parteiwille bei Unterfertigung sei weder behauptet noch bewiesen. § 84 Abs 3 Z 4 VBG gewähre eindeutig einen Abfertigungsanspruch nur bei Teilzeitbeschäftigung „nach dem MSchG oder nach dem VKG“. Es sei aber zu prüfen, ob allenfalls eine Rechtslücke vorliege, die durch Analogie geschlossen werden könne. Nachdem sich die Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit im Sinne des § 20 VBG iVm § 50b BDG und eine Teilzeitbeschäftigung nach § 15h MSchG kaum relevant unterschieden, auch wenn die Teilzeitbeschäftigung nach dem MSchG nur einmal geändert werden könne und jene nach § 20 VBG iVm § 50b BDG 1979 die unbeschränkte Ausdehnung bzw Einschränkung der Wochendienstzeit ermögliche, sei nicht ersichtlich, warum die entsprechenden Regelungen abfertigungsrechtlich unterschiedlich behandelt werden sollten. Es würde dadurch eine nicht auf sachlichen Kriterien beruhende Ungleichbehandlung der Klägerin als Vertragsbedienstete gegenüber einer Vertragsbediensteten, die nach § 15h MSchG Teilzeitbeschäftigung in Anspruch nehme und selbst kündige, entstehen. Das Gesetz erscheine daher, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, im Sinn einer analogen Anwendung der Rechtsfolge des § 84 Abs 3 Z 4 VBG 1948 ergänzungsbedürftig. Dass auch § 23a AngG einen Abfertigungsanspruch nach Kündigung nur vorsehe, wenn während einer Teilzeitbeschäftigung gemäß MSchG oder VKG gekündigt werde, widerspreche dem nicht, weil für Angestellte nach dem AngG gar nicht die Möglichkeit bestehe, nach dem VBG eine Teilzeitbeschäftigung im Hinblick auf die Kinderbetreuung in Anspruch zu nehmen.
Die Revision wurde mangels Rechtsprechung zur Frage, ob auch bei Selbstkündigung einer Vertragsbediensteten während einer Teilzeitbeschäftigung nach § 20 VBG iVm § 50b BDG 1979 ein Abfertigungsanspruch besteht, zugelassen.
In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung.
Die Klägerin beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
1. Die in Rede stehenden Bestimmungen des VBG 1948 lauten:
Abfertigung
§ 84. (1) – (1a) …
(2) Der Anspruch auf Abfertigung besteht nicht,
1.–2. …
3. wenn das Dienstverhältnis vom Dienstnehmer gekündigt wurde;
4.–8. ...
(3) Abweichend vom Abs. 2 gebührt dem Vertragsbediensteten eine Abfertigung, wenn er
1.–3. …
4. während einer Teilzeitbeschäftigung nach dem MSchG oder nach dem VKG
das Dienstverhältnis kündigt.
Dienstzeit
§ 20. (1) Auf die Dienstzeit des Vertragsbediensteten sind die §§ 47a bis 50e BDG 1979 mit der Maßgabe anzuwenden, dass …
§ 50b BDG 1979 lautet:
Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit zur Betreuung eines Kindes
§ 50b. (1) Die regelmäßige Wochendienstzeit des Beamten ist auf seinen Antrag zur Betreuung
1. eines eigenen Kindes,
2.–3. …
bis auf die Hälfte des für eine Vollbeschäftigung vorgesehenen Ausmaßes herabzusetzen. § 50a Abs. 2 und 4 ist anzuwenden.
2. Die Beklagte richtet sich gegen den von den Vorinstanzen gezogenen Analogieschluss, weil er sich nicht im Rahmen der engen Ratio der Ausnahmeregel des § 84 Abs 3 Z 4 VBG halte. Durch die Möglichkeit der flexiblen Gestaltung der regelmäßigen Herabsetzung der Wochendienstzeit nach § 20 VBG iVm § 50b BDG 1979 solle kein Abfertigungsanspruch zustehen, weil die Arbeitnehmerin unbeschränkte Möglichkeiten der Ausdehnung bzw der Einschränkung der Wochenarbeitszeit gehabt habe und dafür nicht noch zusätzlich einen „Benefit“ bekomme solle. Eine Teilzeitbeschäftigung nach dem MSchG könne dagegen nur einmal geändert werden. Sei keine Änderung mehr möglich, müsse der Dienstnehmerin mangels Alternative für die Kinderbetreuung eine Überbrückung in Form der Abfertigung zukommen. Die Nichtnormierung der Ausnahmen sei gewollt gewesen und gerechtfertigt.
3. Der erkennende Senat teilt die rechtliche Beurteilung sowohl der Vorinstanzen in ihrer methodischen Ableitung wie auch im Ergebnis, sodass zunächst darauf verwiesen werden kann (§ 500a Abs 3 ZPO).
Richtig ist, dass § 84 Abs 3 Z 4 VBG 1948 eine abfertigungswahrende Selbstkündigung nur für den Fall einer Teilzeitbeschäftigung nach dem MSchG oder VKG normiert. Liegt darin aber eine planwidrige Lücke, ist sie mit Hilfe einer Gesetzesanalogie zu schließen. Bei der Gesetzesanalogie wird die für einen bestimmten Einzeltatbestand angeordnete Rechtsfolge auf einen dem Wortlaut nach nicht geregelten Sachverhalt erstreckt, weil nach der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertung anzunehmen ist, dass der geregelte und der ungeregelte Fall in den maßgeblichen Voraussetzungen (in den den Tatbestand motivierenden Merkmalen) übereinstimmen. Die Abweichungen werden als unerheblich gewertet (RS0008845). Dabei sind auch Ausnahmeregeln im Rahmen ihrer engen ratio legis der ausdehnenden Auslegung sowie auch der Analogie fähig (RS0008903 [insb T2]).
4. Die Entstehungsgeschichte der hier einschlägigen Bestimmungen stützt die Annahme der Beklagten, dass keine planwidrige Lücke vorliege, nicht:
Die abfertigungswahrende Selbstkündigung bei Teilzeitbeschäftigung nach dem MSchG wurde durch das KarenzurlaubserweiterungsG, BGBl 1990/408, geschaffen und bezog sich auch auf Vertragsbedienstete (Novellierung des § 35 Abs 3 Z 4 VBG 1948 [Vorläuferbestimmung des § 84 Abs 3 Z 4 VBG 1948], s Art 18 Z 5 BGBl 1990/408). Damit sollte der Abfertigungsanspruch auch dann gewahrt bleiben, wenn der/die Arbeitnehmer/in während einer Teilzeitbeschäftigung im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes das Arbeitsverhältnis aufkündigt (IA 428 BlgNR 17. GP 72 f; AB 1410 BlgNR 17. GP 2; vgl auch RS0095188 = 9 ObA 197/95). Im Jahr 1990 konnten Vertragsbedienstete eine Teilzeitbeschäftigung nur auf das MSchG (VKG) stützen. Die weitere Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung nach dem VBG iVm § 50b BDG 1979 wurde erst später durch das Vertragsbedienstetenreformgesetz – VBRG, BGBl I 1999/10, geschaffen (Art I Z 18 VBRG). Durch diese Erweiterung sollte „nun auch Vertragsbediensteten ein Rechtsanspruch auf Herabsetzung ihrer regelmäßigen Wochendienstzeit unter den für Beamte geltenden Bedingungen eingeräumt werden“ (1561 BlgNR 20. GP 14). Die abfertigungswahrende Möglichkeit der Selbstkündigung für Vertragsbedienstete ist seit der Novelle BGBl I 2002/100 anstelle von § 35 Abs 3 Z 4 in § 84 Abs 3 Z 4 VBG 1948 normiert (Art 23 Z 9 BGBl I 2002/100).
Im Beamtendienstrecht bestand die Möglichkeit der Herabsetzung der Wochendienstzeit zur Betreuung eines Kindes bereits vor 1990 (§ 50b Abs 1 Z 1 BDG aF: „Pflege“). Die Möglichkeit der abfertigungswahrenden Selbstbeendigung (Austritt) wurde allerdings erst mit der 2. Dienstrechts-Novelle 2001, BGBl I 2001/155, aus dem Vertragsbedienstetenrecht übernommen (Art 3 Z 2 BGBl I 2001/155). Damit sollten im Zusammenhang mit der Abfertigung „auch die weiteren Anspruchsregelungen des VBG 1948 (Austritt während eines Eltern-Karenzurlaubes oder einer Teilzeitbeschäftigung nach MSchG/EKUG) in das GG 1956 übernommen“ werden (842 BlgNR 21. GP 14).
Weder aus dieser gesetzlichen Entwicklung als solcher noch aus den jeweiligen Gesetzesmaterialien geht hervor, dass die abfertigungswahrende Selbstkündigung in § 84 Abs 3 Z 4 VBG 1948 auf Fälle einer Teilzeitbeschäftigung nach dem MSchG oder VKG beschränkt sein sollte wohingegen eine Teilzeitbeschäftigung nach § 20 VBG 1948 iVm § 50b BDG bewusst und geplant keinen Abfertigungsanspruch bei Selbstkündigung begründen soll. Die Entstehungsgeschichte spricht vielmehr dafür, dass die Regelung der abfertigungswahrenden Selbstkündigung in § 84 Abs 3 Z 4 VBG 1948 nur deshalb auf das MSchG (VKG) abstellt, weil eine andere Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung nach dem VBG zunächst nicht vorgesehen war und im Zuge der Novellierungen nicht darauf Bedacht genommen wurde, dass auch § 50b Abs 1 Z 1 BDG die Möglichkeit der Herabsetzung der Wochenarbeitszeit zur Betreuung (Pflege) eines eigenen Kindes vorsieht und insofern ein Harmonisierungsbedarf besteht. Das spricht für das Vorliegen einer planwidrigen Lücke.
5. Objektiv-teleologisch liegt der Zweck der abfertigungswahrenden Selbstkündigung während einer Teilzeitbeschäftigung nach dem MSchG darin, dem Dienstnehmer die Möglichkeit zu eröffnen, das Dienstverhältnis zugunsten der Kinderbetreuung auflösen zu können, ohne auf die Abfertigung verzichten zu müssen (vgl RS0095188 zum Mutter- bzw Vaterschaftsaustritt des § 23a Abs 4 AngG). Der Abfertigungsanspruch soll danach auch dann gewahrt sein, wenn ein/e Dienstnehmer/in das Dienstverhältnis nicht bereits aus Anlass der Geburt oder der Beendigung der Karenz – abfertigungswahrend (§ 23a Abs 3 und 4 AngG bzw § 84 Abs 3 Z 2 oder 3 VBG) – aufgelöst hat, sondern daran mit vermindertem Beschäftigungsausmaß festhalten will, die Betreuung in der Folge aber doch nicht als mit dem Dienstverhältnis vereinbar ansieht. Diese Erwägungen gelten aber für beide Möglichkeiten der Inanspruchnahme einer solchen Teilzeit.
6. Das Argument der Beklagten, dass die unbeschränkten Möglichkeiten der Ausdehnung bzw der Einschränkung der Wochendienstzeit nach § 20 VBG iVm § 50b BDG im Vergleich zum MSchG (VKG) eine höhere Flexibilität im Ausmaß der Herabsetzung schaffen, steht dem nicht entgegen, weil auch dann die Notwendigkeit, das Dienstverhältnis zugunsten einer umfassenderen Kinderbetreuung zu beenden, bestehen kann. Es liegen auch keine Anhaltspunkte für einen Willen des Gesetzgebers dahin vor, dass der Abfertigungsanspruch bei Kündigung während einer kinderbetreuungsbedingten Teilzeitbeschäftigung alleine wegen der Möglichkeit, das Ausmaß der Teilzeitbeschäftigung nicht nur einmal (§ 15j Abs 5 MSchG), sondern mehrmals zu ändern, entfallen sollte. Da die Möglichkeiten der Inanspruchnahme einer Teilzeitbeschäftigung zur Kinderbetreuung nach dem MSchG (VKG) und § 20 VBG 1948 iVm § 50b BDG in ihrem Kernbereich vielmehr deckungsgleich sind, haben schon die Vorinstanzen zu Recht eine sachliche Rechtfertigung dafür vermisst, warum in einem Fall eine abfertigungswahrende Selbstkündigung möglich sein sollte, im anderen aber nicht.
7. Schließlich geht der Hinweis der Beklagten auf § 23a AngG (dort: Abs 4a) ins Leere, weil Angestellten keine Möglichkeit einer alternativen Teilzeitbeschäftigung zu jener nach dem MSchG oder VKG offensteht.
8. Zusammenfassend sind Selbstkündigungen von Vertragsbediensteten im Sinne des § 84 Abs 3 Z 4 VBG 1948 nicht nur dann abfertigungswahrend, wenn sie während einer Teilzeitbeschäftigung nach dem MSchG oder VKG erfolgen, sondern im Wege der Analogie auch dann, wenn sie während einer Teilzeitbeschäftigung nach § 20 VBG 1948 iVm § 50b Abs 1 Z 1 BDG vorgenommen werden. Im vorliegenden Fall besteht daher kein Grund dafür, der Klägerin die abfertigungswahrende Wirkung ihrer Selbstkündigung zu versagen. Auf die Frage, ob die Beklagte die Klägerin auf allfällige nachteilige Folgen ihrer Erklärung aufmerksam zu machen gehabt hätte, kommt es nicht mehr an.
9. Der Revision der Beklagten ist danach keine Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E125284European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00007.19Y.0515.000Im RIS seit
18.06.2019Zuletzt aktualisiert am
10.02.2020