Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Mai 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Dominik R***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 12. Dezember 2018, GZ 15 Hv 16/18a-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dominik R***** – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1/a) schuldig erkannt.
Danach hat er von September 2016 bis Mitte April 2018 in M*****
(1) in mindestens acht Angriffen mit der zu Beginn des Tatzeitraums achtjährigen, sohin unmündigen S***** L***** dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er sie entweder nackt auszog, sie auf seinen Schoß setzte und mit den Fingern ihre Scheide rieb oder ihr beim „Fliegerspielen“ mit seinen Fingern unter der Kleidung auf ihre nackte Scheide griff und (a) dabei mehrmals, in zahlenmäßig nicht näher feststellbaren Angriffen ein Stück mit seinen Fingern in ihre Vagina eindrang.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.
Entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) entspricht die Ableitung der (für die Subsumtion nach § 206 Abs 1 StGB entscheidenden) Feststellungen zu den Tathandlungen (im Wesentlichen) aus den für glaubwürdig erachteten Angaben der Zeugin L*****, die sowohl mehrmaliges Berühren, Streicheln und „Wischen“ ihrer Scheide durch den Angeklagten als auch eine mehrfach vollzogene (teilweise) digitale Vaginalpenetration schilderte (vgl etwa ON 2 S 31 ff; ON 8 S 9 ff, 17 f, 23 f, 31 f) und die Vorgangsweise des Beschwerdeführers beim „Fliegerspielen“ anlässlich ihrer kontradiktorischen Vernehmung auch demonstrierte (ON 8 S 31), sowohl den Kriterien logischen Denkens als auch grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS-Justiz RS0099413).
Zu einer Anführung jener Details der Aussage, auf die einzelne Urteilsannahmen konkret gestützt wurden, bestand – dem Rechtsmittelstandpunkt zuwider – unter dem Aspekt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes keine Verpflichtung. Sie widerspräche vielmehr dem Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO; RIS-Justiz RS0106642).
Die genaue Position des Mädchens während des als „Fliegerspielen“ bezeichneten Tatgeschehens ist im Übrigen nicht entscheidend. Indem die Rüge urteilsfremde Überlegungen dazu anstellt und zum Schluss kommt, die Feststellungen zum „Fliegerspielen“ seien (auf Basis der Depositionen des Tatopfers) technisch nicht nachvollziehbar, bekämpft sie bloß unzulässig die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Dem weiteren Vorwurf von Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) zuwider wurde die Aussage der Zeugin L***** zur digitalen Vaginalpenetration (auf die Frage, wo der Angeklagte „da reingegriffen hätte“: „also manchmal rundherum [rundumadum] und manchmal ein bisschen hinein“, ON 8 S 11, 19; sowie: „manchmal war der Finger ein bisschen drinnen und manchmal draußen bei der Öffnung“; ON 8 S 33) durch die Passage, der Angeklagte sei nach deren Bekundungen mit seinen Fingern ein Stück in ihre Scheide eingedrungen (US 6), im Urteil (sinngemäß) korrekt wiedergegeben.
Die Subsumtionsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) strebt die rechtliche Beurteilung des vom Schuldspruch 1/a umfassten Täterverhaltens (mangels Vorliegens einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung) als Verbrechen des sexuellen Missbrauchs nach § 207 Abs 1 StGB an, argumentiert aber nicht auf Basis des gesamten Urteilssachverhalts, sondern der – nur partiell wiedergegebenen und urteilsfremd interpretierten – Angaben der Zeugin L*****, womit sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit verfehlt (RIS-Justiz RS0099810).
Inwiefern die Urteilsannahmen, nach denen der Angeklagte die Unmündige in wiederholten Angriffen jeweils mit deliktsspezifischem Vorsatz nackt auszog, sie auf seinen Schoß setzte, ihre Scheide rieb, berührte und massierte, wofür er auch teilweise ihre Beine auseinanderdrückte, oder im Zuge eines spielerischen Geschehens unter der Kleidung auf ihre nackte Scheide griff und in beiden Situationen jeweils mit seinen Fingern zumindest kurz ein Stück in die Vagina des im Tatzeitraum 8- bis 9-jährigen Mädchens eindrang (US 3 f), einzelfallbezogen nach der Summe der Auswirkungen und Begleiterscheinungen und unter Berücksichtigung des Alters des Opfers die vom Erstgericht vorgenommene Subsumtion nicht zu tragen vermögen sollten, leitet die Beschwerde mit dem bloßen Hinweis auf die – ihren Rechtsstandpunkt gerade nicht stützende – Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und der selektiven Hervorhebung einzelner (teilweise erwachsene Tatopfer betreffender) Entscheidungen (vgl etwa 15 Os 15/95; SSt 62/54) nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab. Im Übrigen erfüllt nach gefestigter jüngerer Rechtsprechung jede digitale Penetration das Tatbild (RIS-Justiz RS0095004 [va T6, T7, T9, T11]).
Ebensowenig wird erklärt, aus welchem Grund es für eine rechtliche Beurteilung des Täterverhaltens als Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB neben den eben zitierten Konstatierungen zu einem tatsächlichen Eindringen in die Scheide des Kindes (erneut US 3 f) und zur subjektiven Tatseite (US 4 f) weiterer Feststellungen zu einer „Penetrationsabsicht“ des Angeklagten bedurft hätte.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E125229European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00047.19X.0521.000Im RIS seit
12.06.2019Zuletzt aktualisiert am
05.02.2020