Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner, Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei R***** & Co AG, *****, vertreten durch Mag. Petra Cernochova, Rechtsanwältin in Wien, wegen 46.000 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. September 2018, GZ 13 R 77/18s-29, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Eine Klage wegen titelloser Benützung von Räumlichkeiten setzt voraus, dass das Recht des Hauseigentümers, jeden Dritten von einer Benutzung auszuschließen, weder durch einen Mietvertrag noch durch eine andere obligatorische Vereinbarung, aus der der Beklagte seine Rechte mittelbar ableitet, beschränkt ist. Solange ein das freie Eigentumsrecht beschränkendes Rechtsverhältnis aufrecht ist, kann der Vermieter nicht unmittelbar gegen Personen mit Räumungsklage vorgehen, die ihr Benützungsrecht aus dem Recht seines Vertragspartners abzuleiten in der Lage sind und mit dessen Zustimmung das Objekt benützen. Er muss sich vielmehr vor Beendigung dieses Vertragsverhältnisses an seinen Vertragspartner halten (vgl RIS-Justiz RS0010416).
Aufgrund der Vereinbarung zwischen der (früheren) Mieterin der Klägerin und der Beklagten über eine Veräußerung des im Bestandobjekt betriebenen Unternehmens, nutzt die Beklagte das Objekt unabhängig davon, ob es zu dem von den Vertragsparteien beabsichtigten Übergang der Hauptmietrechte gekommen ist, im Innenverhältnis zur (früheren) Mieterin jedenfalls mit deren Zustimmung. Eine titellose Benutzung liegt damit nicht vor. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mietrechte (ohne Einbindung der Klägerin) von der (früheren) Mieterin ersatzlos aufgegeben wurden und diese auf die Mietrechte selbst für den Fall, dass eine wirksame Weitergabe nicht zustande gekommen sein sollte, verzichtet hat (vgl RS0010351).
Das Räumungsbegehren wurde daher ebenso wie das Begehren auf Zahlung von Benutzungsentgelt von den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen.
2. Voraussetzung für den Mietrechtsübergang nach § 12a MRG ist die Veräußerung eines dem Mieter gehörigen lebenden Unternehmens als eine organisierte Erwerbsgelegenheit. Auch im Wesentlichen vollständige Teile eines Unternehmens (Filialbetrieb) können veräußert werden (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I23 [2015] § 12a Rz 10).
Der Schutzgedanke des Gesetzes ist es, lebende Unternehmen zu erhalten und dem Unternehmensinhaber auch die Mietrechte zu verschaffen. Voraussetzung des Mietrechtsübergangs ist, dass ein lebendes Unternehmen unter Wahrung der Unternehmensidentität veräußert wird und der Erwerber dieses zur Weiterführung übernimmt (MietSlg 52.290). An dieses Erfordernis sind keine strengen Anforderungen zu stellen (9 Ob 270/00x; 9 Ob 4/05m), sodass auch die Verlagerung des Schwerpunkts von einer Warengattung auf die andere (RS0070043 [T1]), der Vertrieb von Waren anderer Herkunft (4 Ob 131/97m mwN) oder die Änderung der Ausgestaltung des Geschäftslokals (7 Ob 549/88; 5 Ob 94/02p) nichts am Vorliegen einer Unternehmensveräußerung iSd § 12a Abs 1 MRG ändert, wenn nach wie vor die Identität des Unternehmens gewahrt bleibt. Dies ist dann der Fall, wenn der Erwerber den Standort beibehält, den Kundenstock übernimmt und den Betrieb mit Waren (im Wesentlichen) gleicher Art fortführt (9 Ob 4/05m). Die Erhaltung der Unternehmensidentität wurde auch bejaht, wenn der Verkauf schon vorher vertriebener Artikel wegen des geänderten Publikumsinteresses ausgeweitet (7 Ob 549/88) oder wenn im Rahmen des beibehaltenen Vertriebs von Damenoberbekleidung der Handel mit Wollprodukten aufgegeben wird (4 Ob 618/88). Bei einer Änderung des Warenangebots wurde darauf abgestellt, dass das Sortiment noch innerhalb der Branche blieb (6 Ob 578/93).
Ob das Unternehmen erhalten bleibt, hängt letztlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, deren Beurteilung in der Regel keine darüber hinausgehende erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO begründet, es sei denn, es läge eine unvertretbare Beurteilung des Berufungsgerichts vor (RS0114646 [T1]).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätzen hält sich die Entscheidung des Berufungsgerichts, das davon ausging, dass der Kaufvertrag nicht ein bloßes Verkaufslokal umfasste, sondern den im Rahmen der Insolvenz verbliebenen Rest des Unternehmens, die Käuferin das Unternehmen länger fortgeführt habe, die Unternehmensidentität durch den Betrieb mit Ware im Wesentlichen gleicher Art aufrechterhalten worden sei, der Standort beibehalten und der Kundenstock aller Voraussicht nach auch ausgenutzt worden sei, weshalb es einen Mietrechtsübergang nach § 12a MRG bejahte, im Rahmen des Ermessensspielraums.
3. Die außerordentliche Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht.
Textnummer
E125235European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00153.18K.0524.000Im RIS seit
13.06.2019Zuletzt aktualisiert am
07.10.2019