TE Vfgh Beschluss 1997/2/25 B4792/96

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Veröffentlicht am 25.02.1997
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Index

L1 Gemeinderecht
L1000 Gemeindeordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Nö GdO 1973 §35 Abs2 Z10
Nö GdO 1973 §38 Abs3

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde einer Gemeinde mangels Vorliegen eines Gemeinderatsbeschlusses; keine Verhinderung der rechtzeitigen Einberufung des Gemeinderates durch besondere Umstände

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Bescheid vom 3. Juli 1996 hat die zuständige Berghauptmannschaft einem Dritten eine befristete Schurfbewilligung erteilt und ein Arbeitsprogramm zur Durchführung von Erschließungs- und Untersuchungsarbeiten genehmigt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Marktgemeinde Gerasdorf bei Wien an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten (BMwA) wurde mangels Berufungslegitimation (keine Parteistellung) zurückgewiesen.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der Marktgemeinde Gerasdorf bei Wien, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß §35 Abs1 der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-0 idgF, obliegen dem Gemeinderat alle in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallenden Angelegenheiten, soweit durch Gesetz nicht anderes bestimmt wird.

Im §35 Abs2 Z10 der NÖ Gemeindeordnung ist expressis verbis festgehalten, daß Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof dem Gemeinderat vorbehalten sind.

2. Da aus der Beschwerde nicht ersichtlich war, ob sich die Vollmacht der einschreitenden Rechtsanwälte auf einen Gemeinderatsbeschluß stützt, hat der Verfassungsgerichtshof die beschwerdeführende Gemeinde aufgefordert, innerhalb von vier Wochen einen Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Gemeinderates, in der die Einbringung der Beschwerde beschlossen wurde, vorzulegen.

3. Innerhalb dieser Frist wurde dem Verfassungsgerichtshof mitgeteilt, daß ein Gemeinderatsbeschluß nicht gefaßt werden konnte und daher der Bürgermeister in Ausübung seiner Kompetenz gemäß §38 Abs3 NÖ Gemeindeordnung ("Kann bei Gefahr im Verzuge der Beschluß des zuständigen Kollegialorganes nicht ohne Nachteil für die Sache oder ohne Gefahr eines Schadens für die Gemeinde abgewartet werden, ist der Bürgermeister berechtigt, anstelle des sonst zuständigen Organes tätig zu werden.") den einschreitenden Rechtsanwälten den Auftrag zur Einbringung der Beschwerde erteilt hat. Die Gründe, warum die Einberufung einer Gemeinderatssitzung nicht möglich war, werden wie folgt dargelegt:

"Der Bescheid, gegen den sich die gegenständliche Beschwerde richtet, wurde der Beschwerdeführerin am 16. Oktober 1996 zugestellt. Demgemäß endete die Frist zur Einbringung der Beschwerde am 27. November 1996.

Vom Bürgermeister wurde dieser Bescheid dem nunmehrigen Vertreter der Beschwerdeführerin zur Prüfung der Frage, ob eine Beschwerde an Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof erhoben werden solle, übermittelt. Diese Stellungnahme des Rechtsvertreters erfolgte am 14. November 1996.

Die einzige Sitzung des Gemeinderats während der sechswöchigen Frist für die Beschwerde war am 31. Oktober 1996. In dieser Sitzung war jedoch die Behandlung der Frage, ob eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen den nunmehr bekämpften Bescheid erhoben werden soll, noch nicht möglich, da die Stellungnahme des Rechtsvertreters noch nicht eingelangt war.

Die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung des Gemeinderates war nicht möglich. Unter anderem ist der Großteil der Gemeinderäte in der Marktgemeinde Gerasdorf bei Wien beruflich in Wien tätig und war schon deshalb die kurzfristige Anberaumung einer Gemeinderatssitzung nicht möglich.

Aus den dargelegten Gründen war es weder möglich, in der Sitzung vom 31. Oktober 1996 oder in einer einzuberufenden außerordentlichen Sitzung des Gemeinderats die Frage, ob die gegenständliche Beschwerde eingebracht werden sollte zu erörtern. Es kann somit keinesfalls von einer unberechtigten Untätigkeit des Gemeinderates gesprochen werden."

4. Diese Argumente sind nicht geeignet, die Anwendung des §38 Abs3 NÖ Gemeindeordnung zu rechtfertigen, da keine besonderen Umstände vorlagen, die eine rechtzeitige Einberufung des Gemeinderates verhindert hätten. Im Hinblick auf eine mögliche Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof hätte man durch die Festsetzung eines Termines für eine Gemeinderatssitzung vor Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist Vorsorge treffen können (vgl. auch VfSlg. 10646/1985, 13161/1992 und 13792/1994, sowie VfGH 24.9.1996 B3035/95).

5. Da somit der Beschwerde kein Beschluß des hiefür zuständigen Gemeinderates zugrundeliegt, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

6. Auf den Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war nicht einzugehen, da dieser Antrag nur für den Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder einer Ablehnung der Behandlung der Beschwerde gestellt wurde.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Gemeinderecht, Vertretung nach außen (Gemeinderecht), Gemeinderecht Organe, Gemeinderat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B4792.1996

Dokumentnummer

JFT_10029775_96B04792_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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