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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §198;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des Dr. P in P, vertreten durch Dr. Gerhard Schilcher, Rechtsanwalt in Wien I, Bäckerstraße 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 3. Juni 1998, Zl RV/124-07/03/98, betreffend Haftung gemäß § 9 Abs 1 BAO in Verbindung mit § 80 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg Erkenntnis vom 31. März 1998, 97/13/0227, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der damals angefochtene Bescheid betreffend die Heranziehung des Beschwerdeführers, eines ehemaligen Geschäftsführers einer GmbH, zur Haftung gemäß § 9 Abs 1 BAO in Verbindung mit § 80 BAO wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Dies im wesentlichen mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren ein dahin zu verstehendes Vorbringen erstattet, daß ihn an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten kein Verschulden treffe. Dieses Vorbringen sei nicht in der Weise aussichtslos gewesen, daß die belangte Behörde nicht gehalten gewesen wäre, sich damit in einer Weise auseinanderzusetzen, die erkennen lasse, worin entgegen seinem Vorbringen die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Verpflichtungen des Beschwerdeführers zu sehen sei. Die Aussage im angefochtenen Bescheid, daß der Irrtum des Beschwerdeführers über eine bestehende Umsatzsteuergutschrift nicht haftungsbefreiend wirke, trage in dieser allgemeinen Form den angefochtenen Bescheid nicht.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers - abgesehen von einer Reduzierung des Haftungsbetrages infolge zwischenzeitig erfolgter Entrichtung - abermals ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verschulden stütze sich nicht auf die Nichtabgabe der Steuererklärung für 1990, da der Abgabetermin hier ohne Belang sei, sondern auf die unrichtige Erklärung der Umsatzsteuer 1990 mittels Umsatzsteuervoranmeldung, die in weiterer Folge zur Nichtentrichtung des Nachforderungsbetrages geführt habe. Der Einwand des Beschwerdeführers, daß ihn kein Verschulden getroffen habe, da er im Zeitpunkt seines Ausscheidens von einer Umsatzsteuergutschrift ausgegangen sei, sei nicht zielführend, weil die Schätzung der Umsatzsteuer 1990 gemäß § 184 BAO unbestrittenermaßen zu einer Nachforderung geführt habe und daher von diesem rechtskräftigen Abgabenanspruch ausgegangen werden müsse. Die Behauptung, daß der bereits im Oktober 1991 fertig gestellte Jahresabschluß negativ gewesen sei und die Umsatzsteuerjahreserklärung ein zu erwartendes Guthaben in der Höhe von rd S 430.000,-- ergeben habe, werde durch die mit Bescheid festgesetzte Umsatzsteuernachforderung widerlegt. Wenngleich es sich bei diesem Abgabenbescheid um das Ergebnis einer Schätzung gemäß § 184 BAO infolge Nichtabgabe der Steuererklärungen 1990 gehandelt habe, könne die Richtigkeit dieser Abgabenfestsetzung nicht im gegenständlichen Verfahren in Zweifel gezogen werden, da Einreden gegen die Abgabenfestsetzung nicht im Haftungsverfahren, sondern in dem die Abgabenfestsetzung selbst betreffenden Verfahren vorzutragen seien, wie § 248 BAO besonders deutlich zeige. Die belangte Behörde verwies diesbezüglich auch auf das hg Erkenntnis vom 23. Mai 1990, 89/13/0250. Wenn der Beschwerdeführer daher die Ansicht vertrete, daß die Abgabennachforderung bei rechtzeitiger Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung 1990 nicht entstanden wäre, wäre es an ihm gelegen gewesen, die Schätzung des Finanzamtes durch Vorlage entsprechender Unterlagen in einem Verfahren gemäß § 248 BAO zu widerlegen. Dies sei jedoch seitens des Beschwerdeführers unterlassen worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Ansicht der belangten Behörde, daß diese im Berufungsverfahren hinsichtlich der Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung von dem - wenngleich gemäß § 184 BAO geschätzten - Abgabenanspruch ausgehen mußte. Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde nach dem hg Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, 94/14/0148, daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt. Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid voran, so gibt es eine solche Bindung nicht. Ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist in diesem Fall als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ zu entscheiden. Diese Beurteilung kann mit Berufung und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden, womit dem zur Haftung Herangezogenen der Rechtsschutz gewahrt bleibt.
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß dem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid vorangegangen ist, mit welchem eine dem Haftungsbescheid zugrunde liegende Umsatzsteuerzahllast festgesetzt worden war. Der belangten Behörde war es daher verwehrt, im Verfahren über die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung die Richtigkeit dieser Abgabenfestsetzung als Vorfrage zu beurteilen. Sie hatte vielmehr von der Richtigkeit dieser Abgabenfestsetzung auszugehen, wobei die Folgerung nicht als unschlüssig zu erkennen ist, daß die (unbestritten im Zeitraum der Geschäftsführung durch den Beschwerdeführer) abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen, gemessen am Inhalt des Abgabenbescheides, unrichtig gewesen sein mußten.
Unter Berücksichtigung des Umstandes aber, daß eine Haftung im Sinn des § 9 BAO ua nur bei schuldhafter Verletzung der dem Vertreter auferlegten Pflichten besteht, war zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer die objektive Rechtswidrigkeit seines Verhaltens (nämlich unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben zu haben) subjektiv vorwerfbar ist. Eine solche Vorwerfbarkeit wäre nur dann gegeben, wenn der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Abgabe dieser Voranmeldungen bei Aufwendung der zu fordernden Sorgfalt die Unrichtigkeit der Umsatzsteuervoranmeldungen hätte erkennen können.
Nach der ständigen Rechtsprechung desVerwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Vertreters, die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich war, widrigenfalls die Behörde zu der Annahme berechtigt ist, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 29. Jänner 1998, 96/15/0196).
Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers geht nun zwar - nach dem Vorgesagten unrichtigerweise - von der Richtigkeit der abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen und der Unrichtigkeit der Abgabenfestsetzung im Umsatzsteuerbescheid für 1990 aus, läßt sich aber dennoch auch dahin verstehen, daß und aus welchen Gründen dem Beschwerdeführer nach dem ihm bei aller Sorgfalt zugänglichen Wissensstand eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten nicht zugerechnet werden kann.
Bereits im Vorerkenntnis vom 31. März 1998 hat der Gerichtshof zum Ausdruck gebracht, daß das insbesondere in der Eingabe vom 24. Juli 1996 erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers nicht in der Weise aussichtslos war, daß die belangte Behörde nicht gehalten gewesen wäre, sich damit in einer Weise auseinanderzusetzen, die erkennen läßt, worin entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Beschwerdeführers zu sehen ist.
Eine Auseinandersetzung mit der Frage, inwiefern die Unrichtigkeit der abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen bei gebotener Sorgfalt hätte erkannt werden können, läßt der angefochtene Bescheid jedoch abermals vermissen. Die belangte Behörde führt darin nur aus, daß sich das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verschulden auf die Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen stütze, ohne aber darzutun, daß und aus welchen Gründen die Unrichtigkeit dieser Voranmeldungen dem Beschwerdeführer - entgegen seinem Vorbringen - hätte bekannt sein müssen und insofern im Sinne eines Verschuldens vorwerfbar war. Der Umstand, daß die Umsatzsteuer für 1990 in anderer als in den Voranmeldungen erklärter Höhe gemäß § 184 BAO festgesetzt worden war, läßt aus den oben angeführten Gründen nur den Schluß zu, daß die für diesen Zeitraum eingereichten Voranmeldungen unrichtig gewesen sein müssen, trägt aber zur Beantwortung der Frage, ob diese Unrichtigkeit dem Beschwerdeführer vorzuwerfen ist, nichts bei.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher abermals als mit einer Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am 24. Februar 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998130144.X00Im RIS seit
11.07.2001