TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/11 W154 2127122-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.04.2019
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Entscheidungsdatum

11.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W154 2127122-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.04.2016, Zahl: 1068094706/150494035/BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung mündlicher Verhandlungen zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10, 55 und 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG sowie §§ 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 12.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Er wurde am selben Tag niederschriftlich im Rahmen einer Erstbefragung einvernommen. Dabei führte er aus, aus Samangan zu stammen, der Volksgruppe der Paschtunen anzugehören, sunnitischen Glaubens sowie Analphabet und traditionell verheiratet zu sein.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, sein Onkel väterlicherseits habe ihn großgezogen, schlecht behandelt und geschlagen. Der Beschwerdeführer hätte für ihn sowohl in dessen Geschäft arbeiten, als auch in seinem Haushalt helfen und auf seine Tiere aufpassen müssen. Der Onkel habe mit den Taliban zusammengearbeitet und immer wieder Taschen und Stoffsackerl in seinem Geschäft aufbewahrt. Als der Beschwerdeführer einen anderen Geschäftsnachbarn darauf aufmerksam gemacht hätte, habe dieser, nachdem er in eine der Taschen Nachschau gehalten habe, angekündigt, dass er die Polizei verständigen werde und dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass es sich bei dem Inhalt um illegale Sachen handle. Der Cousin des Beschwerdeführers hätte sie dabei gesehen und dem Onkel davon berichtet. Daraufhin habe letzterer den Beschwerdeführer mit dem Tod bedroht, weshalb sein Schwiegervater die Ausreise organisiert habe. Bei einer Rückkehr habe der Beschwerdeführer Angst vor seinem Onkel väterlicherseits.

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 31.3.2016 erklärte der Beschwerdeführer zunächst, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen. Vor seiner Flucht habe er bei seinem Onkel in Samangan gelebt, die letzten zwei Tage vor seiner Ausreise hätte er bei dem Schwiegervater in Baghlan verbracht. In Afghanistan würden noch seine Mutter und seine Ehefrau wohnen. Ungefähr einmal im Monat habe er Kontakt zu ihnen, wenn ihn z.B. sein Schwiegervater anrufe. Der Mutter gehe es sehr schlecht, seitdem sein Vater vor 22 Jahren getötet worden sei. Sie sei psychisch krank. Die Ehegattin lebe bei ihrem Vater, von dem sie auch versorgt werde, die Mutter wohne teilweise bei ihrer Schwester oder bei dem Schwiegervater des Beschwerdeführers.

Er selbst sei in der Heimat nicht berufstätig gewesen, sondern sei unmittelbar von seinem Onkel mit diversen Tätigkeiten beauftragt worden. Berufliche Ausbildungen habe er nicht absolviert. Sein Vater habe ihnen eigentlich sehr viel vererbt, aber der Onkel habe alles an sich gerissen. Seitdem sei auch der Beschwerdeführer sein ganzes Leben lang von dem Onkel verprügelt und schlecht behandelt worden.

Der Beschwerdeführer gab an, er könne sich an den Tod seines Vaters selbst nicht erinnern, seine Mutter habe ihm dies erzählt. Als er ca. zehn Jahre alt gewesen sei, wäre sein Vater getötet worden. Der Beschwerdeführer habe drei Brüder und sie hätten danach nur mehr ihren Onkel gehabt, der sie aufgenommen, sie alle jedoch nie gut behandelt und auch geschlagen hätte. Ungefähr fünf Jahre nach dem Tod des Vaters habe er den Beschwerdeführer sogar so stark getreten, dass er daraufhin in ein offenes Feuer gestürzt sei und sich am Oberschenkel verbrannt habe. Dies damals nur aus dem Grund, weil er erwähnt habe, gerne zur Schule gehen zu wollen. Nachdem der Beschwerdeführer aus dem Krankenhaus zurückgekehrt sei, wären seine Brüder verschwunden gewesen und er hätte sie seitdem nicht mehr gesehen. Er wisse nicht, ob sie getötet worden oder von selbst weggegangen seien. Seit jenem Tag habe seine Mutter große psychische Probleme. Die darauffolgendenen Jahre sei der Beschwerdeführer geschlagen und diskriminiert worden und hätte auch viel mit den Taliban zu tun gehabt. Auch die anderen Dorfbewohner hätten den Onkel gefürchtet. Dieser habe den Beschwerdeführer vielleicht alle zwei Monate einmal rausgelassen und da habe der Beschwerdeführer in dessen Geschäft arbeiten müssen. Er habe weder die Schule noch die Moschee besuchen dürfen, das einzige, was der Onkel gewollt habe, wäre gewesen, ihn zu den Taliban zu schicken. Weil er dies abgelehnt habe, sei er sehr oft geschlagen worden.

Seine Heirat sei von dem Schwiegervater ausgemacht worden. Der Beschwerdeführer sei jetzt sechs Jahre verheiratet, jedoch habe das an seiner Situation nichts geändert. Der Onkel habe auch seine Frau schlecht behandelt und dem Beschwerdeführer verboten, Kinder zu haben. Der Schwiegervater habe sehr bereut, seine Tochter in diese Familie gegeben zu haben, aber er hätte auch Angst vor dem Onkel des Beschwerdeführers und eine Scheidung komme bei ihnen nicht infrage.

Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass er eines Tages mit seinem Cousin im Geschäft des Onkels gesessen sei, als zwei Männer gekommen wären, die einen Sack und eine Tasche bei sich gehabt hätten. Sie hätten nach dem Onkel gefragt, der jedoch in Kunduz gewesen sei, den Sack und die Tasche dortgelassen und erklärt, dass sie später wiederkommen würden. Der Verkäufer habe den Beschwerdeführer gefragt, wer das gewesen sei und was diese Leute gewollt hätten. Der Beschwerdeführer habe es selbst nicht genau gewusst und dann gemeinsam mit dem Verkäufer, weil es so gestunken habe, in den Sack und in die Tasche geschaut und darin Sprengstoff entdeckt. In diesem Moment sei der Cousin bei der Tür hereingekommen, habe dem Beschwerdeführer eine Ohrfeige gegeben, gefragt, warum er nachgesehen und es auch noch fremden Leuten gezeigt hätte, direkt den Onkel angerufen und ihm mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer viel verraten hätte. Nachdem der Cousin dem Beschwerdeführer das Handy weitergereicht habe, habe ihm der Onkel gedroht, er würde ihn für das, was er getan hätte, nicht am Leben lassen. Der Cousin habe den Beschwerdeführer dann noch mehr geschlagen und ihn zum Haus zurückgeschickt. Von dort sei der Beschwerdeführer sofort mit seiner Frau nach Baghlan zum Schwiegervater gefahren, der daraufhin mit einem Schlepper Kontakt aufgenommen habe.

Nachgefragt, welche Farbe die Substanz in dem Sack bzw. in der Tasche gehabt habe, erklärte der Beschwerdeführer, es seien kleinen Kartons in verschiedenen Größen gewesen und hätte nach Silvesterknallern gerochen.

Zu den Beziehungen seines Onkels mit den Taliban gab der Beschwerdeführer an, dass dieser nachts oft Gäste dagehabt hätte, die sehr verdächtig gewesen seien. Eines Tages habe er seinen Cousin gefragt, ob es sich um Taliban handle, woraufhin er von seinem Onkel so stark geschlagen worden sei, dass er eine Platzwunde am Kopf gehabt hätte. Wegen seiner Art und seiner Lebensweise vermute der Beschwerdeführer, dass der Onkel ein Talib sei.

Vermutlich sei der Grund, warum es der Onkel sosehr auf den Beschwerdeführer abgesehen habe, dass es ihm darum gehe, sich speziell an dem Beschwerdeführer zu rächen, weil der Onkel selbst von dessen Vater schlecht behandelt worden sei.

Mit dem gegenständlichen, im Spruch angeführten Bescheid, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberichtigten gemäß § 3 Abs. 1 i. V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz i. V.m. § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 6.6.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall Suchtmittelgesetz und des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 zweiter Fall Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

Am 21.4.2017 hielt das Bundesverwaltungsgericht im Beisein eines Dolmetschers sowie eines länderkundigen Sachverständigen für Afghanistan eine öffentliche mündliche Verhandlung ab, an der das Bundesamt als Verfahrenspartei entschuldigt nicht teilnahm.

Dabei erklärte der Beschwerdeführer zunächst, Beruhigungstabletten und Tabletten für den Magen zu nehmen, jedoch in der Lage zu sein, der Verhandlung zu folgen und Aussagen zu tätigen.

Geboren sei er in der Stadt Aybak in der Provinz Samangan. Seine Familie bestehe momentan aus seiner Mutter und seiner Ehefrau. Beide hätte er in Baghlan verlassen und sei seit längerer Zeit nicht um Kontakt mit ihnen. In Österreich habe er einen Cousin väterlicherseits (den Sohn seiner Tante väterlicherseits) in Wien, der, wie er glaube, subsidiären Schutz habe.

Sein Vater sei getötet worden, als der Beschwerdeführer noch klein gewesen sei, der Beschwerdeführer habe die Geschichte nur gehört. Seine Mutter hätte ihm erzählt, dass der Vater zur Zeit der Russen in Afghanistan ein Mujahed gewesen wäre. Spezielles habe er über seinen Vater nicht gehört, er wäre bei seinem Onkel väterlicherseits aufgewachsen.

Dieser habe ihm immer den schlechten Weg gezeigt und über den Dschihad schön gesprochen. Er hätte dem Beschwerdeführer motivieren wollen, am heiligen Krieg teilzunehmen, ihn das ganze Leben schlecht behandelt und geschlagen. Der Beschwerdeführer habe ein schwieriges Leben hinter sich. Als er den Onkel gebeten habe, ihn in die Schule zu schicken, sei er immer wieder geprügelt worden. Für den Onkel hätte er kochen müssen. Bevor er das Land verlassen habe, habe ihn der Onkel in sein Geschäft im Basar mitgenommen, um dort zu putzen. Als der Beschwerdeführer dort gewesen sei, hätten zwei Männer das Geschäft aufgesucht. Sein Cousin sei gerade nicht anwesend gewesen, die Männer hätten einen Sack und eine Tasche dort gelassen und seien wieder weggegangen. Wann genau dies gewesen sei, könne der Beschwerdeführer nicht angeben, es sei zu der Zeit gewesen, als er das Land verlassen habe. Seit zwei Jahren sei er in Österreich und zwei Monate unterwegs gewesen. Bezüglich der Jahreszeit erklärte er, es sei damals nicht zu kalt und nicht zu warm gewesen.

Nachdem die Männer weggegangen wären, sei ein Verkäufer vom Nachbargeschäft gekommen und habe gefragt, was das für ein Geruch sei und wer diesen Sack gebracht hätte. Der Beschwerdeführer habe den Sack geöffnet, woraufhin der Mann gemeint hätte, dass der Inhalt wie Sprengstoff aussehe und sehr gefährlich sei. In jenem Moment sei der Cousin väterlicherseits in das Geschäft gekommen, laut geworden und hätte gefragt, was los sei. Der Beschwerdeführer habe ihm von den beiden Männern berichtet, die den Sack gebracht hätten und der Verkäufer des Nachbargeschäftes habe den Cousin gefragt, was hier vorgehen würde und mit was sie handelten.

Der Onkel wäre ein Talib gewesen, was der Cousin auch gewusst hätte. Der Cousin sei deswegen wütend geworden, weil er gedacht habe, dass der Beschwerdeführer dem Nachbarn absichtlich den Inhalt des Sacks verraten hätte. Er hätte danach den Onkel angerufen, ihm davon berichtet und anschließend das Handy dem Beschwerdeführer weitergegeben. Der Onkel habe daraufhin dem Beschwerdeführer gedroht, dass er sie alle, seine Mutter, seine Frau und den Beschwerdeführer selbst umbringen würde. Daraufhin hätte ihn der Cousin noch einmal geschlagen, ihm das Handy weggenommen und ihn nach Hause geschickt. Am selben Tag habe der Beschwerdeführer Samangan verlassen.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt würden sich der Onkel und der Cousin Samangan befinden, bei einer Rückkehr würde der Onkel den Beschwerdeführer umbringen. Er habe ihn das ganze Leben dazu bringen wollen, am Dschihad teilzunehmen und vom Beschwerdeführer verlangt, nach Kunduz zu gehen und sich den Taliban anzuschließen. Der Beschwerdeführer habe das abgelehnt, weil er eine Mutter und eine Frau habe. Zudem sei er beschuldigt worden, den Inhalt des Sackes verraten zu haben.

Wo sich seine Brüder befänden, wisse der Beschwerdeführer nicht, er wisse auch nicht, ob sie überhaupt noch am Leben seien. Der Onkel habe ihn oft brutal geschlagen, einmal habe er ihn so schwer verletzt, dass er ins Krankenhaus gemusst hätte. Bei der Rückkehr von dort seien seine Brüder nicht mehr Zuhause gewesen. Dieser Vorfall sei ca. fünf Jahre nach dem Tod seines Vaters gewesen. Letzterer sei vor 23, 24 oder 25 Jahren ums Leben gekommen. Der Beschwerdeführer habe immer mit seiner Mutter beim Onkel gewohnt und sowohl den Onkel als auch seine Mutter nach den Brüdern gefragt. Die Mutter habe psychische Probleme. Über das Verschwinden der Brüder habe sie ihm aus diesem Grund keine Antwort geben können. Es gehe ihr nicht gut. Der Onkel habe lediglich geantwortet, dass sie verschwunden seien.

Am 4.3.2019 wurde die öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht fortgesetzt. Dabei erklärte der Beschwerdeführer zunächst, dass sich seine Frau und seine Mutter in der Provinz Baghlan befinden würden. Als der Beschwerdeführer das Land verlassen habe, sei der Onkel in Samangan gewesen, seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort kenne er nicht. Auch wisse er nicht, ob der Onkel noch sein Geschäft betreibe oder was dessen Sohn zum gegenwärtigen Zeitpunkt tue. Die Mutter des Beschwerdeführers habe psychische Probleme, ca. alle sechs Monate spreche er mit seiner Frau. Diese befinde sich jetzt bei ihrem Vater, sie sei zweimal vom Onkel des Beschwerdeführers geschlagen worden, nachdem der Beschwerdeführer das Land verlassen habe. Er habe sie im Kopfbereich verletzt, ihre Hand gebrochen und von ihr wissen wollen, wo sich der Beschwerdeführer befinde. Der Beschwerdeführer habe seine Frau zuerst zum Schwiegervater gebracht, wo sie der Onkel aufgesucht und zweimal geschlagen hätte. Außer seiner Frau und seiner Mutter gebe es noch drei Brüder, von denen er aber keine Ahnung hätte, wo sie sich befänden, oder ob sie überhaupt noch am Leben wären.

Bei einer Rückkehr würde ihn sein Onkel umbringen. Dies aus zwei Gründen: Erstens habe er versucht, den Beschwerdeführer zu motivieren, am Dschihad teilzunehmen und zweitens seien in seinem Geschäft irgendwelche Bomben und Explosionsmaterial gewesen und der Onkel habe den Beschwerdeführer beschuldigt, das verraten zu haben. Der Cousin habe den Onkel informiert und der Onkel dem Beschwerdeführer daraufhin telefonisch gedroht, dass er ihn deswegen umbringen würde.

Der Beschwerdeführer wisse nicht, ob der Onkel oder der Cousin erwischt worden seien. Letzterer habe behauptet, dass er dadurch Probleme bekommen habe, aber das Hauptproblem sei, dass er den Beschwerdeführer motiviert hätte, am Dschihad teilzunehmen.

In Österreich sei der Beschwerdeführer zehn Monate in Haft gesessen, das Ganze sei ihm sehr peinlich.

Im Rahmen der Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer das Gutachten des länderkundigen Sachverständigen übersetzt. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Sachverständige zu den Angaben des Beschwerdeführers bezüglich seines Fluchtgrundes telefonische Beratungen in Samangan und Baghlan durchgeführt habe. Wenn demnach ein Talib in Samangan, in Baghlan oder in Kunduz ein Geschäft betreibe, sei er auch ein mächtiger Verbindungsmann der Taliban-Gruppe und die Nachbarn würden nicht in seinem Geschäft herumschnüffeln, weil sie sonst damit rechnen müssten, von den Taliban in ihrem Hause aufgesucht zu werden. Zudem würde, wie ein Mitarbeiter dem Sachverständigen mitgeteilt habe, für die Taliban kein explosives Material in einem Geschäft hinterlegt, wenn dieser selber nicht anwesend sei, weil es passieren könne, dass die Antiterroreinheit das Material entdecke, die Gegend weit abriegle und dort eine große Aktion der Behörde beginne. Offensichtlich sei es in diesem Fall nicht so gewesen, denn man könne den Angaben des Beschwerdeführers entnehmen, dass der Onkel bzw. dessen Sohn das Geschäft offengelassen und weiterbetrieben hätten. Andererseits komme es vor, dass ein mächtiger Taliban-Verbindungsmann Explosionsmaterial empfange und kein Geschäftsnachbar sich damit beschäftige, weil sie Angst vor ihm hätten.

Wie der Beschwerdeführer angegeben habe, habe sein Onkel das Geschäft weiterbetrieben, obwohl dort explosives Material gesehen worden sei. Die Angaben des Beschwerdeführers, dass ihn der Onkel deshalb umbringen würde, würden nicht der Realität in Afghanistan entsprechen, weil der Onkel dadurch, dass der Beschwerdeführer im Geschäft gewesen sei, als die Leute dort Sprengmaterial deponiert hätten, keinen Schaden davongetragen habe.

Außerdem könne der erwachsene Beschwerdeführer sich dem Zugriff des Onkels entziehen, indem er nach Kabul oder Herat gehe. Dies wäre nur dann nicht möglich, wenn er minderjährig wäre, beim Onkel wohnen würde und von ihm finanziell abhängig wäre. Die Angaben des Beschwerdeführers, dass ihn sein Onkel unterdrückt und ihm nicht erlaubt habe, die Schule zu besuchen, würden zum Teil der afghanischen Realität entsprechen. Die Kinder der verstorbenen Brüder würden als Diener verwendet, wenn sie bei den Onkeln wohnen müssten. Aber als erwachsener Mann könne der Beschwerdeführer seinem Onkel Widerstand leisten und ihn meiden.

Die Taliban würden in den paschtunischen Gesellschaften mit Einverständnis der Bevölkerung rekrutieren. Aber sobald ein Jugendlicher sich vor den Taliban aus dem Dorf entferne, werde er von diesen nicht gesucht, es sei denn, er ließe sich wieder in seiner Heimatregion blicken und die Taliban würden dort herrschen und der Onkel auf ihrer Seite stehen.

Zur Sicherheitslage in Samangan und Baghlan führte der Sachverständige aus, dass er selbst im Oktober 2018 in Samangan und im Zentrum der Provinz Baghlan gewesen sei und beobachtet habe, dass die Lage in Baghlan und Teilen von Samangan sehr explosiv wäre und die Taliban überall präsent seien. In vielen Distrikten der Provinz Baghlan würden die Taliban herrschen. In Samangan, wo mehrheitlich keine Paschtunen leben würden, würden die Taliban die Distrikte nicht beherrschen, aber immer wieder Angriffe starten und Leute töten. Während der Anwesenheit des Sachverständigen im Oktober 2018 hätten sie dort in einem Wohngebiet der Hazara fast 50 Soldaten umgebracht, wobei auch Dutzende Zivilisten in Mitleidenschaft gezogen worden wären.

Der Beschwerdeführer erklärte, mit dem Gutachten nicht einverstanden zu sein.

Der Sachverständige erläuterte dazu, dass die Angaben des Beschwerdeführers, ausgehend von seinen Sachkenntnissen betreffend das Geschehen in dessen Heimatstadt und die Verfolgung durch seinen Onkel aufgrund seiner Weigerung, am Dschihad teilzunehmen, nicht authentisch seien. Der Beschwerdeführer sei in einem Alter, in dem er sich der Unterdrückung durch seinen Onkel entziehen könne. Die Taliban würden versuchen, in ihren Herrschaftsgebieten junge Leute, die auch ihre eigenen Verwandten sein können, für den Dschihad zu gewinnen oder sie auch dazu zwingen. In diesem Falle würden viele junge Menschen aus den Herrschaftsgebieten der Taliban in Großstädte oder ins Ausland flüchten. Jedoch sei die Verfolgung einer Person, die sich weigere, am Dschihad teilzunehmen, für die Taliban kostspielig und zudem gefährlich. Die Aktivität, eine solche Person zu verfolgen, würde große Mühe und auch Konfrontation mit den Sicherheitsorganen bedeuten. Eine solche Aktion für die Suche eines Jungen, der sich dem Dschihad entzogen habe, würde nicht in Relation mit der Gefahr für die Taliban stehen. Vielmehr würden dann für die Taliban andere junge Menschen in Frage gekommen, die sich in der Gegend befinden würden. Es gebe Fälle, in denen sie durchaus interessiert an einem jungen Menschen sind, nämlich dann, wenn sich dieser tatsächlich bei ihnen in Ausbildung befunden habe und mit den Geheimnissen und Ausrüstungen geflüchtet wäre. Junge Menschen, die sich den Aufforderungen der Taliban entzogen hätten, am Dschihad teilzunehmen, würden - wie im Gutachten erwähnt - von den Taliban dann verfolgt und sogar umgebracht, wenn sie wieder in ihre Region, wo die Taliban herrschen würden, zurückkehrten.

Nachgefragt, ob der Beschwerdeführer an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leide, erklärte er, er hätte psychische Probleme und Angst vor seinem Onkel. Alle im Dorf würden ihn fürchten, nicht nur der Beschwerdeführer. Seine Frau befinde sich bei ihrem Vater in Baghlan, der für ihren Unterhalt sorge. Über seine Mutter habe er keine Informationen, sie sei psychisch krank geworden und befinde sich irgendwo in Baghlan.

In Österreich sei der Beschwerdeführer mehrmals bei der Caritas gewesen, da er eine weiße Karte habe, habe er keinen Deutschkurs bekommen. Er habe sich um eine Arbeitsstelle bemüht, es sei eine Arbeitserlaubnis verlangt worden. Die Deutschkurse, die er gemacht habe, habe er selbst finanziert. Dazu legte der Beschwerdeführer drei verschiedene Kursbestätigungen vor. Seit einem Jahr lebe der Beschwerdeführerin in einer privaten Unterkunft, seine Mitbewohner seien zwei Pakistani. Er habe in einem Spital ehrenamtlich gearbeitet und diesbezüglich eine Bestätigung vom 19.4.2017 vorgelegt. Danach wäre er ein paarmal bei der Caritas gewesen und habe ehrenamtlich tätig werden wollen, sei aber nicht angerufen worden. Mitglied in einem Verein sei er nicht, aber er spiele Fußball mit Österreichern und Afghanen. Er habe ein paar österreichische Freunde, die etwas älter seien und mit denen er auch etwas Deutsch gelernt habe.

Im Rahmen der Verhandlung wurden die aktuellen Länderfeststellungen betreffend Afghanistan, Stand 22. Jänner 2019, vorgelegt und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, sich innerhalb einer Frist von zwei Wochen dazu zu äußern.

Am 19.3.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den aktuellen Länderfeststellungen ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört zur Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zum sunnitischen Glauben.

Er stammt aus der Stadt Aybak in der Provinz Samangan.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr von Verfolgung durch die Taliban bzw. seinen Onkel bedroht ist.

Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig und leidet an keiner schweren Erkrankung. Er wuchs in Afghanistan auf, wurde dort sozialisiert und beherrscht eine Landessprache (Paschtu) auf muttersprachlichem Niveau. Seine Frau wird von dem in Baghlan befindlichen Schwiegervater versorgt, zu seiner Mutter steht der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben nicht in Kontakt.

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Samangan in Afghanistan aufgrund der zurzeit schlechteren Sicherheitslage und der unsicheren Anreise eine Gefahr in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Dem Beschwerdeführer ist es jedoch möglich und zumutbar, sich in der Stadt Mazar-e Sharif anzusiedeln. Die Wohnraum- und Versorgungslage in Mazar-e Sharif ist zwar sehr angespannt, der Beschwerdeführer kann jedoch bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Der Beschwerdeführer ist jung, arbeitsfähig, mit den Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut und zudem anpassungsfähig.

Er hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Zudem kann er selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und zumindest vorrübergehend verschiedene Hilfsprogramme in Anspruch nehmen, die ihn bei der Ansiedlung in Mazar- e Sharif unterstützen.

Die Stadt Mazar-e-Sharif ist von Österreich aus sicher über Kabul mit dem Flugzeug zu erreichen.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Mai 2015 im Bundesgebiet.

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 6.6.2016 (rechtskräftig am 10.6.2016) wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall Suchtmittelgesetz und des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 zweiter Fall Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer war in Österreich nie berufstätig und erwirtschaftete nie ein eigenes legales Einkommen. Er half im Jahr 2017 gemeinnützig in einem Sozialzentrum und konnte drei Deutschkursbesuchsbestätigungen (bis zum Niveau A1), jedoch kein Zertifikat vorlegen. Der Beschwerdeführer hat einen Cousin im Bundesgebiet, zu dem jedoch kein Abhängigkeitsverhältnis besteht, sowie österreichische Freunde, die ihm beim Erlernen der deutschen Sprache helfen und mit denen er Fussball spielt. Mitglied in einem Verein war er nicht.

Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu

Afghanistan vom 29.6.2018, Stand 23.11.2018:

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

Quellen:

1TV (31.10.2018): Suicide attack kills seven outside Kabul prison, http://www.1tvnews.af/en/news/

afghanistan/36271-suicide-attack-kills-seven-outside-kabul-prison? fbclid=IwAR2WADPVHTuF8LZMwm0-LYci05vz1p06BygjhELlFr-wLKNDNo8XQRLXnuQ, Zugriff 22.11.2018

AJ - Al Jazeera (21.11.2018): 'Brutal and barbaric': Victims recount horror of Kabul attack, https:// www.aljazeera.com/news/2018/11/barbaric-victims-recount-horror-kabul-attack- 181121162807917.html, Zugriff 22.11.2018

AJ - Al Jazeera (12.11.2018): Kabul: Suicide bomber targets protesters demanding security,

https://www.aljazeera.com/news/2018/11/afghanistan-suicide-bomber-targets-protesters-kabul- 181112094659291.html, Zugriff 22.11.2018

ANSA - Agenzia Nazionale Stampa Associata (12.11.2018): Afghanistan:

67 morti in 24 ore, http://

www.ansa.it/sito/notizie/topnews/2018/11/12/afghanistan-67-morti-in-24-ore_71bfd73c-c68f-4182- a798-34b9ace3ae65.html, Zugriff 22.11.2018

Dawn (1.11.2018): Seven killed in suicide attack near Kabul prison, https://www.dawn.com/news/1442782/seven-killed-in-suicide-attack-near-kabul-prison, Zugriff 22.11.2018

DZ - Die Zeit (20.11.2018): Mehr als 50 Tote bei Anschlag in Kabul, https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-11/afghanistan-kabul-explosion-anschlagattentat-ulema-rat-versammlung-tote, Zugriff 22.11.2018

DZ - Die Zeit (12.11.2018): Mehrere Tote bei Anschlag nahe Anti-Taliban-Demo,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-11/kabul-anschlag-explosion-demonstration-talibanregierungstruppen-ghasni, Zugriff 12.11.2018

IFQ - Il Fatto Quotidiano (20.11.2018): Afghanistan, attacco kamikaze a Kabul durante incontro religioso: almeno 50 morti e 80 feriti gravi,

https://www.ilfattoquotidiano.it/2018/11/20/afghanistanattacco-kamikaze-a-kabul-durante-incontro-religioso-almeno-40-morti-e-80-feriti/4779194/, Zugriff 22.11.2018

KP - Khaama Press (12.11.2018): Protesters gather near Presidential Palace in Kabul over recent wave of violence, https://www.khaama.com/protesters-gather-near-presidential-palace-in-kabulover-recent-wave-of-violence-02722/?

fbclid=IwAR2cNyRcLjWNmzaEoWNieBq37J1eVAKL2aT_4yCqbU9HdYKpr30O1NoXe-g, Zugriff 22.11.2018

LE - L'Express (21.11.2018): Attentat à Kaboul : la lecture de verset du Coran soudain interrompue, raconte un blessé, https://www.lexpress.fr/actualites/1/monde/attentat-a-kaboul-lalecture-de-versets-du-coran-soudain-interrompue-raconte-un-blesse_2049660.html, Zugriff 22.11.2018

NYT - New York Times (20.11.2018): At Leas 55 Killed in Bombing of Afghan Religious Gathering,

https://www.nytimes.com/2018/11/20/world/asia/afghanistan-wedding-hall-bombing.html, Zugriff 22.11.2018

Pajhwok Afghan News (31.10.2018): Suicide blast in front of Pul-i-Charhi prison leave 6 people dead, https://www.pajhwok.com/en/2018/10/31/suicide-blast-front-pul-i-charkhi-prison-leave-6- people-dead, Zugriff 22.11.2018

SS - Stars and Stripes (20.11.2018): Suicide bomb attack in Kabul kills at least 43, wounds 83,

https://www.stripes.com/news/suicide-bomb-attack-in-kabul-kills-at-least-43-wounds-83-1.557397, Zugriff 22.11.2018

TNAE - The National (21.11.2018): Kabul reels in grief after wedding hall attack,

https://www.thenational.ae/world/asia/kabul-reels-in-grief-after-wedding-hall-attack-1.794365, Zugriff 22.11.2018

Tolonews (20.11.2018): Death Toll Rises To 50 In Kabul Wedding Hall Explosion,

https://www.tolonews.com/afghanistan/40-killed-80-wounded-kabul-wedding-hall-blast, Zugriff 22.11.2018

Tolonews (12.11.2018): MoI Confirms 6 Death In Kabul Explosion, https://www.tolonews.com/afghanistan/casualties-feared-explosion-rocks-kabul, Zugriff 22.11.2018

TS - Tagesschau (21.11.2018): Deutschland verurteilt Anschlag in Kabul, https://www.tagesschau.de/ausland/anschlag-kabul-135.html, Zugriff 22.11.2018

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokol V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Quellen:

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AAN - Afghanistan Analysts Network (9.10.2018): Afghanistan Election Conundrum (16): Basic facts about the parliamentary elections,

https://www.afghanistan-analysts.org/afghanistan-election-conundrum-16-basic-factsabout-the-parliamentary-elections/, Zugriff 19.10.2018

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AAN - Afghanistan Analysts Network (26.9.2018): Afghanistan Election Conundrum (14): District council and Ghazni parliamentary elections quietly dropped,

https://www.afghanistan-analysts.org/afghanistan-election-conundrum-14district-counciland-ghazni-parliamentary-elections-quietly-dropped/, Zugriff 2.10.2018

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AAN - Afghanistan Analysts Network (4.8.2018): Qari Hekmat's Islan Overrun: Taleban defeat 'ISKP' in Jawzjan, https://www.afghanistan-analysts.org/qari-hekmats-islandoverrun-taleban-defeat-iskp-in-jawzjan/, Zugriff 31.8.2018

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AJ - Al Jazeera (19.8.2018): Afghanistan's Ghani declares Eid ceasefire with Taliban,

https://www.aljazeera.com/news/2018/08/afghanistan-ghani-declares-eid-ceasefire-taliban- 180819143135061.html, Zugriff 31.8.2018

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ANSA - Agenzia Nationale Stampa Associata (13.8.2018):

Afghanistan: a Ghazni 120 morti, http://www.ansa.it/sito/notizie/mondo/asia/2018/08/13/afghanistan-a-ghazni-120- morti_695579f5-407b-4e4f-8814-afcd60397435.html, Zugriff 31.8.2018

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BFA Staatendokumentation (15.10.2018a): kartografische Darstellung der

sicherheitsrelevanten Vorfälle Mai-September 2018, liegt im Archiv der

Staatendokumentation vor

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BFA Staatendokumentation (15.10.2018b): grafische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Q2 und Q3, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

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CBS News (14.8.2018): Taliban overruns Afghan base, killing 17 soldiers,

https://www.cbsnews.com/news/afghanistan-base-overrun-taliban-faryab-afghan-troopskilled-ghazni-fight/, Zugriff 31.8.2018

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GT - Gulf Today (12.9.2018): Scores killed in Afghan suicide attack,

http://gulftoday.ae/portal/efd26c1a-5e54-42e8-a810-7e18341d14e4.aspx, Zugriff 2.10.2018

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IEC - Independent Election Commission of Afghanistan (o.D.), http://www.iec.org.af/pdf/vr- 2018/vr-statistics.pdf, Zugriff 19.10.2018

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SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.7.2018): Quarterly Report to the United States Congress, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2018-07- 30qr.pdf, Zugriff 31.8.2018

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Tolonews (19.8.2018): Ghani Announces Conditional Ceasefire, https://www.tolonews.com/

afghanistan/ghani-announces-conditional-ceasefire, Zugriff 31.8.2018

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UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan (17.9.2018): Briefing to the United Nations Security Council by the Secretary-General's Special Representative for Afghanistan, Mr. Tadamichi Yamamoto,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/17_september_2018_srsg_briefing_security

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UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan (15.7.2018): Midyear Update on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 30 June 2018,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_poc_midyear_update_2018_15_july

_english.pdf, Zugriff 31.8.2018

-

UNGASC - General Assembly Security Council (10.9.2018): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, Report of the Secretary General https://unama.unmissions.org/sites/default/files/sg_report_on_afghanistan_12_sept.pdf

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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