Entscheidungsdatum
15.04.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W276 2215770-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Gert WALLISCH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.02.2019 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe, dass der Spruchpunktes VII. zu lauten hat:
"Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer ("BF") reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 04.06.2016 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Bei seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 04.06.2016 gab er zu seinen Fluchtgründen an, dass er in XXXX , Stadtteil XXXX in einer Militärschule der afghanischen Nationalarmee als Koch tätig gewesen und von den Taliban aufgefordert worden sei, in das Essen der Soldaten Gift zu mischen, damit viele Soldaten sterben. Ansonsten würden die Taliban ihn und seine Familie töten. Da der BF das nicht verantworten und niemanden töten wollte, habe er Afghanistan verlassen.
I.3. Mit Beschluss des BG XXXX zu XXXX vom 24.02.2017 sei die Unterbringung des BF für vier Wochen in der Abteilung Psychiatrie 1 des Landeskrankenhauses XXXX wegen erheblicher Selbst- und Fremdgefährdung angeordnet worden. Diesem Beschluss liege eine gutachterliche Einschätzung von Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie vom 24.02.2017 zugrunde.
I.4. Gemäß Abschlussbericht der LPD XXXX habe der BF am 27.04.2017 bei der BH XXXX bei einer Befragung im Zuge einer Unterbringung nach § 8 UBG gegenüber der anwesenden Amtsärztin Frau Dr. XXXX angedroht, seine Ehefrau "wegmachen zu wollen, nicht die Kinder, die Kinder müssen bei ihm bleiben" (Faktum 1). Ein weiterer Übergriff des BF auf seine Ehefrau hätte zu Blutergüssen am rechten Unterarm der Ehefrau des BF geführt (Faktum 2). Weiters verweist der Abschlussbericht auf einen tätlichen Angriff des BF auf seine Ehefrau, in dem er diese geschlagen und gewürgt habe (Faktum 3).
Diese Vorkommnisse hätten gemäß Amtsvermerk der LPD XXXX vom 18.04.2017 zu einem Betretungsverbot gemäß § 38a SPG für den Bereich XXXX (Wohnort der Ehefrau des BF und seiner Kinder) geführt.
I.5. Gemäß gekürzter Urteilsausfertigung des Landesgericht XXXX als Schöffengericht vom 31.10.2017 zu XXXX sei der BF wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt worden. Diese Strafe sei unter Setzung eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden. Hingegen sei der BF vom Vorwurf der mehrfachen sexuellen Nötigung seiner (damaligen) Ehefrau XXXX freigesprochen worden.
I.6. Zur Durchführung des Ehescheidungsverfahrens des BF von seiner Ehefrau sei RA Mag Martin Hochleitner als Erwachsenenvertreter bestellt worden. Die Vertretung habe sich nicht auf das Asylverfahren erstreckt und habe auch nicht eine generelle Bestellung als Sachwalter umfasst.
I.7. Gemäß der Verständigung der Rechtsvertretung des BF, dem Diakoniewerk XXXX , vom 28.09.2018 sei der BF am 27.09.2018 festgenommen und in Untersuchungshaft genommen worden. Mit Verfahrensanordnung des BFA sei dem BF am 23.10.2018 der Verlust des Aufenthaltsrechtes gem § 13 Abs. 2 AsylG mitgeteilt worden.
I.8. Mit Anklageschrift der StA XXXX vom 31.10.2018 zu XXXX sei dem BF vorgeworfen worden, die zum Tatzeitpunkt minderjährige XXXX sexuell genötigt und bedrängt und daher das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen gemäß § 207 Abs. 1 StGB und das Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung gemäß § 202 Abs 1 StGB begangen zu haben.
I.9. Bei seiner Einvernahme am 31.10.2018 gab der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz ("BFA") an, dass er der Volksgruppe der Hazara angehöre und schiitischer Moslem sei. Er sei im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX der Provinz XXXX geboren und sei nach der Wahl von Präsident Karzai nach Kabul gegangen, um eine Arbeit zu finden. Seine Wohnadresse sei weiterhin sein Geburtsort geblieben, er sei zwischen Kabul und seinem Heimatort gependelt. Vor seiner Zeit in Kabul habe der BF sechs bis sieben Jahre im Iran gelebt, ebenfalls um zu arbeiten. In Afghanistan sei er etwa 1,5 Jahre zu Unrecht eingesperrt gewesen.
In Kabul habe der BF als Koch in einer Militärschule gearbeitet. Die Taliban hätten ihn viermal bedroht, Gift in das Essen der Soldaten zu mischen, damit möglichst viele Soldaten sterben. Andernfalls hätten die Taliban ihn und seine Familie umgebracht. Deshalb habe er und seine Familie beschlossen, Afghanistan zu verlassen und nach Europa zu reisen.
I.10. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 06.02.2019 zu Zl. XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG wurde festgehalten, dass der BF das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 27.9.2018 verloren hat (Spruchpunkt VIII.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den BF für die Dauer von vier Jahren ein befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IX).
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der BF keine individuelle asylrelevante Bedrohung oder Verfolgung seiner Person vorgebracht habe. Das Ermittlungsverfahren habe auch keine Gründe ergeben, die zur Zuerkennung von subsidiärem Schutz gem. § 8 AsylG 2005 führen könnten.
I.11. Gegen den genannten Bescheid richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Beschwerde. Es wurde versucht, die Beweiswürdigung der belangten Behörde zu entkräften. Verwiesen wurde zunächst auf das der Beschwerde beigelegte, von XXXX , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie erstellte neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 12.01.2018, aus dem hervorgehe, dass beim "Betroffenen aktuell eine Intelligenzminderung von leichtgradigem Ausmaß" bestehe, die "offenbar auch mit Verhaltensstörungen einhergeht" (AS 645). Der Gutachter hält primär für den Bereich der medizinischen Heilbehandlung einen Sachwalter für erforderlich. Für den Bereich der Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten sei zwar eine Hilfe notwendig, diese Aufgabe würde aber von der Volkshilfe übernommen und organisiert (AS 645, 685).
Verwiesen wird weiters auf die Situation der Hazara in Afghanistan, auf das vom UNHCR festgehaltene fehlende Gewaltmonopol im Herkunftsstaat des BF und auf das Gutachten von Dr. Friederike Stahlmann. Eine innerstaatliche Fluchtalternative würde dem BF in Afghanistan aufgrund der anhaltenden Gewalt nicht offenstehen.
I.12. Der Beschwerde vom 06.03.2019 wurde ein von XXXX , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, erstelltes neurologisch-psychiatrisches Gutachten vom 12.01.2018 beigelegt, dessen neurologischer und psychiatrischer Befund zusammenfassend lautete:
Es soll im Auftrag des Bezirksgerichtes XXXX nach einer ambulanten Untersuchung, welche am 12.01.2018 vor Ort durchgeführt wurde, ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten zu folgenden Fragen erstellt werden:
Eintrag am 24.07.2017, XXXX Universitätklinik:
Leichtgradige Intelligenzminderung mit Verhaltensstörung. Anamnestisch Zustand nach psychotischer Störung.
Anamnestisch Zustand nach Akathisie unter 6 mg Risperdal. Sackniere.
03.11.2017
Leichtgradige Intelligenzminderung mit Verhaltensstörungen. Zustand nach psychotischer Störung. Scabies-Infektion der Haut. Ureterfissur beidsseits. Sackniere links mit multiplen Konkrementen. Zustand nach Urosepsis.
Neurologischer Befund:
Der Untersuchte ist in gutem Allgemein- und Ernährungszustand, zeigt bei der Inspektion keine Auffälligkeiten.
Kopf:
Pupillen seitengleich mittelweit, rund, reagieren auf Licht, Blickbewegungen frei, kein Nystagmus, Trigeminus, unauffällig, Zunge gerade, Velum symmetrisch.
XXXX :
Der Vorhalteversuch o, B., der Finger-Nase-Versuch ist beidseits sicher, Eudiadochokinese. Die grobe Kraft an der oberen Extremität ist seitengleich kräftig, keine Paresen. Die Muskeleigenreflexe sind ausläsbar, keine Pyramidenzeichen.
XXXX :
Die Beine werden seitengleich bewegt. Die grobe Kraft an der unteren Extremität ist seitengleich kräftig, keine Paresen. Die Muskeleigenreflexe sind auslösbar.
Gang:
Das Gangbild ist unauffällig, eine Gangstörung liegt nicht vor.
Psychiatrischer Befunds:
Der Untersuchte ist wach, ansprechbar und verbal kontaktfähig.
Die sprachliche Ausdrucksfähigkeit ist der Sprachfluss unauffällig, das Sprachverständnis ist nur in einfacher Form vorhanden, komplexere Fragestellungen werden nicht verstanden.
Er ist zur Person mäßig gut orientiert, kann sich das Alter nicht ausrechnen, die zeitliche, örtliche und auch situative Orientierung fehlt oder ist grob lückenhaft, wobei dies nicht Ausdruck einer Orientierungsstörung ist, sondern auf die fehlende Schulbildung und auch Intelligenzminderung zurückzuführen ist.
Im affektiven Bereich zeigt sich großteils eine ausgeglichene Grundstimmung, auch der Antrieb und die Affektlage sind unauffällig. Phasenweise bei der Besprechung emotional belastender Situationen zeigt sich eine motorische Unruhe, auch ein dysphorisch-gereiztes Verhalten mit einer lauten Stimme und Gestikulieren mit den Armen und des Kopfes.
Der Gedankengang erscheint grundsätzlich geordnet und nachvollziehbar. Eindeutige inhaltliche Denkstörungen sind nicht explorierbar, wobei allerdings nicht überprüfbar ist, ob die getätigten Anschuldigungen gegenüber seiner Gattin der Realität entsprechen oder einer paranoiden Verarbeitung realer Gegebenheiten bzw. paranoiden Ideen entspringen.
Im Leistungsbereich zeigen sich erhebliche Einschränkungen was schulische Fertigkeiten anlangt Lesen, Rechnen und Schreiben, auch einfachste Rechenaufgaben sind nicht möglich.
Auch das logische Denken ist eingeschränkt, die Auffassungsfähigkeit reduziert, Unterschieds- oder Gemeinsamkeitslagen bleiben unbeantwortet, diese Fragen überfordern den Betroffenen.
Eine etwa leichtgradige Intelligenzminderung scheint vorzuliegen, letztere führt auch zu Einschränkungen der Kritikfähigkeit, der Betroffene nimmt dokumentierte Krankheiten nicht zur Kenntnis, auch wenn diese ihm erklärt werden und auch die Folgen vor Augen geführt werden, da er aktuell keine Beschwerden hat und somit sind diese Krankheiten für ihn auch nicht vorhanden,
Weiters werden Auffälligkeiten die dokumentiert sind, insbesondere Tätlichkeiten gegenüber der Gattin, bagatellisiert bzw. negiert.
Im Verhalten ist er großteils angepasst und ruhig, er realisiert allerdings die derzeitige Problematik nicht ausreichend.
Zusammenfassung und Beurteilung:
Soweit aufgrund der Aktenlage und der Anamnese erhebbar, ist der Betroffene in Afghanistan aufgewachsen, hat dort keine Schule besucht und kann weder lesen, rechnen noch schreiben auch wenn er dies von sich behauptet.
Er habe in Afghanistan geheiratet und gemeinsam mit der Gattin vier Kinder großgezogen.
Vor etwa 2 Jahren sei er gemeinsam mit der Familie, schlepperunterstützt, nach Österreich gekommen und hat hier um Asyl angesucht. Das entsprechende Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
In dieser Zeit gab es psychische Auffälligkeiten, die Gattin wendete sich mehrmals an die Betreuer bzw. Polizei, weil der Gatte sie bedroht, geschlagen auch sexuell genötigt habe. Aus diesen Gründen es auch im Februar 2017 zu einer Einweisung in die psychiatrische Klinik in XXXX .
Dort wurde eine paranoide Schizophrenie als Diagnose festgestellt. Grund dafür waren Verhaltensauffälligkeiten um eines zurückgezogenen mutistischen Verhaltens mit Selbstgesprächen und Denkstörungen; auf die Gabe von einem antipsychotischen Medikament habe sich das Zustandsbild langsam gebessert.
Nach der Entlassung erfolgte eine kurze Anhaltung in der Landesnervenklinik XXXX , wo die Diagnose einer Intelligenzminderung gestellt wurde.
In der Folge kam es auch bezüglich der Scheidung zu einer Gerichtsverhandlung.
Der Betroffene wurde anschließend in einem Flüchtlingscontainer in XXXX untergebracht und wird hier betreut.
Besondere Auffälligkeiten sind nicht dokumentiert.
Bei der eigenen Untersuchung waren weder inhaltliche noch formale Denkstörungen erkennbar, allerdings erhebliche Einschränkungen schulischer Fertigkeiten und auch Probleme im logischen Denken, in der Auffassung und Kritikfähigkeit sowie im Realitätsbezug waren erkennbar.
Die dokumentierten Auffälligkeiten und Gewalttätigkeiten werden von ihm verneint.
Zusammenfassend besteht bei dem Betroffenen aktuell eine Intelligenzminderung von leichtgradigem Ausmaß, die offenbar auch mit Verhaltensstörungen einhergeht.
Inwieweit in der Vergangenheit ein psychotisches Zustandsbild vorgelegen hat, lässt sich retrospektiv nicht beantworten. Folgt man den Angaben der Psychiatrischen Klinik bestand damals eine paranoide Schizophrenie, wobei der Verlauf dieser Krankheit ungewöhnlich ist, da ohne entsprechende weitere Medikation ein Jahr später keine erkennbaren Verhaltensauffälligkeiten oder Krankheitssymptome diesbezüglich erkennbar sind.
Die Einschränkungen im Sinne der Intelligenzminderung, die durch eine fehlende Beschulung weiter verschlimmert wurde, machen sich im Alltagsleben bemerkbar, insbesondere kann dem Betroffenen die Notwendigkeit von medizinischen Heilbehandlungen, wie sie grundsätzlich notwendig wären, nicht erklärt werden. Er versteht diese Erklärungen nicht, beharrt darauf, dass er, nachdem er keine Beschwerden hat, auch keine Krankheit haben kann.
Er benötigt primär für diese Bereiche (medizinische Heilbehandlung) eine Hilfe durch einen Sachwalter.
Auch für die Bereiche Vertretung vor Ämtern, Behörden, Gerichten und privaten Vertragspartnern ist eine Hilfe notwendig, die intellektuelle Leistungsfähigkeit reicht nicht aus, um diese Angelegenheiten selbstständig auszuüben, wobei derartige Aufgaben in der Regel von der Volkshilfe übernommen oder organisiert werden.
Darüber hinaus scheint eine Hilfe durch einen Sachwalter mit heutigem Kenntnisstand nicht erforderlich zu sein.
Die betroffene Person ist bedingt in der Lage der mündlichen Verhandlung zu folgen, ihr Wohl bei der Anwesenheit in der Verhandlung wäre nicht gefährdet.
I.13 Der BF bekämpfte im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Beschwerde auch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gem. § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG und beantragte unter Verweis auf § 18 Abs. 5 BFA-VG die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Der BF begründete diesen Antrag damit, er habe das Unrecht seiner bisherigen strafrechtlich relevanten Taten eingesehen und wolle sich in Zukunft rechtstreu verhalten. Die eingeräumte Probezeit sei für den BF eine "ausreichende Lehre und Abschreckung" gewesen (AS 659).
Über diesen Antrag des BF auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entschied das erkennende Gericht mit Teilerkenntnis vom 14.3.2019 zu W276 2215770-1/5Z und führte dazu in seiner Entscheidung aus, dass der BF aufgrund seiner Intelligenzminderung und seiner paranoiden Schizophrenie ein reales Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen (Art. 2, 3 und 8 EMRK) geltend gemacht habe und angesichts des Vorbringens des BF aus der dem BVwG zum Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Aktenlage nach Durchführung einer Grobprüfung eine Verletzung der durch die EMRK garantierten Rechte bei einer Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat Afghanistan angesichts der kurzen Entscheidungsfrist nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden könne.
I.14. Das BFA teilte mit E-Mail vom 15.03.2019 mit, dass die Regionaldirektion Wien in Vertretung des BFA Oberösterreich einen informierten Vertreter zur Verhandlung am 27.02.2019 entsenden werde.
I.15. Am 27.03.2019 fand vor dem BVwG eine mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein des BF, seiner Rechtsvertreterin, einer Vertrauensperson und eines Behördenvertreters statt. Der BF legte einen Beschluss des BG XXXX betreffend der Bestellung von RA Mag Hochleitner als Sachwalter im Ehescheidungsverfahren (Beilage ./12) und Teilnahmebestätigungen für Werte- und Integrationskurse sowie eines Deutschkurses (Niveau A1; Beilage ./13) vor. Vom erkennenden Richter wurden Länderberichte und zahlreiche weitere Länderinformationen in das Verfahren eingebracht (vgl Pkt II.2 dieses Erkenntnisses). Der BF, seine Rechtsvertreterin und der Behördenvertreter verzichteten auf eine schriftliche Stellungnahme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II. 1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Der BF führt den im Spruch genannten Namen, ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari bzw. Farsi. Aufgrund der Vorlage eines afghanischen Reisepasses zu Nr XXXX , ausgestellt am XXXX (AS 83 ff) steht die Identität des BF fest.
Der BF ist im Distrikt XXXX in der Provinz XXXX , im Dorf XXXX geboren und hat bis zur 2. Klasse die Schule besucht. Eine weitere Schulausbildung genoss der BF nicht. Da es im Heimatdorf des BF keine Arbeit gab, entschied der BF nach Kabul zu gehen und dort Arbeit zu suchen. Seine Familie blieb in XXXX , zu der er auch regelmäßig zurückkehrte. Der BF hat in Kabul als Koch in einer Militärschule namens " XXXX " gearbeitet. Er war dort stets zwischen einem und zwei Monaten tätig und ist dann für einige Tage in sein Heimatdorf zu seiner Familie zurückgekehrt.
Bevor der BF nach Kabul gegangen ist, ist er wegen des Konfliktes zwischen den Shiiten und den Sunniten in den Iran gegangen und ist nach der Wahl des Präsidenten Karzai nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Iran heiratete der BF und lebte dort mit seiner Frau und seinen damals bereits geborenen Kindern. Der BF ist sowohl im Iran als auch nach seiner Rückkehr nach Afghanistan für den Lebensunterhalt seiner Familie aufgekommen.
Der BF hat einen Bruder, XXXX und zwei Schwestern, XXXX und XXXX . Die Eltern des BF sind bereits verstorben.
II.1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
II.1.2.1. Der BF hat Afghanistan gemeinsam mit seiner geschiedenen Ehefrau und seinen damals bereits geborenen Kindern aufgrund der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage verlassen. Allerdings kann nicht festgestellt werden, dass der BF einer persönlichen Bedrohung oder Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr dorthin ausgesetzt wäre. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass der BF von den Taliban bedroht und aufgefordert worden wäre, Gift in das von ihm zubereitete Essen zu mischen, um dadurch afghanische Soldaten zu töten. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat einer persönlichen Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt wäre.
II.1.2.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sowie als schiitischer Muslim vor seiner Ausreise aus Afghanistan bedroht wurde bzw. ihm bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat deswegen konkret und individuell physische oder psychische Gewalt droht.
II.1.2.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass er in Afghanistan einer drohenden Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgesetzt war oder bei Rückkehr nach Afghanistan einer solchen Bedrohung ausgesetzt wäre.
II.1.3. Zur Situation des BF in Österreich
II.1.3.1 Zu Familie, Beschäftigung und Deutschkenntnissen
Der BF befindet sich spätestens seit 04.06.2016 durchgehend im Bundesgebiet und ist illegal eingereist.
Er lebt von der Grundversorgung. Er ist in Österreich, abgesehen von einem einmaligen Einsatz als Erntehelfer von Ende Juni bis Mitte Juli 2018 nie einer Beschäftigung bzw. Erwerbstätigkeit nachgegangen und ist nicht selbsterhaltungsfähig.
In Österreich leben seine mittlerweile geschiedene Ehefrau, Frau XXXX , mit seinen vier Kindern, davon eines volljährig. Das Scheidungsverfahren wurde mit einem Scheidungsvergleich abgeschlossen. Nach Auskunft der in der Verhandlung anwesenden Rechtsvertreterin des BF wurde dem BF ein Besuchsrecht für seine Kinder eingeräumt, beide Elternteile sind zur gemeinsamen Obsorge berechtigt. Zu seiner geschiedenen Ehefrau und den Kindern steht der BF seit mehr als einem Jahr nicht in Kontakt. Aufgrund des verhängten Betretungsverbotes und seines insgesamt siebenmonatigen Aufenthaltes in Untersuchungshaft ist sein Familienleben in seiner Intensität erheblich herabgesetzt. Den drei minderjährigen Kindern des BF wurde im Familienverfahren abgeleitet von ihrer Mutter durch das BFA der Status von Asylberechtigten zuerkannt ( XXXX , XXXX ; XXXX , XXXX ; XXXX , XXXX ; XXXX , XXXX ). Seiner ältesten Tochter ( XXXX , XXXX ) wurde der Status einer Asylberechtigten originär zuerkannt. Weiters leben in Österreich seine Stiefmutter und drei, teilweise noch minderjährige Halbbrüder, zu denen er ebenfalls keinen Kontakt hat.
Der BF hat teilweise Alphabetisierungs- und Deutschkurse für das Sprachniveau A1 besucht, jedoch keinerlei Prüfung abgelegt. Zurzeit besucht er keinen Deutschkurs. Er spricht kein Deutsch und kann auch einfachste deutsche Sätze nicht verstehen bzw auf Deutsch beantworten. Der BF hat keine sozialen Kontakte zu Österreichern geknüpft. Er hat sich nicht ehrenamtlich engagiert, war in keinem Verein tätig und geht keinen kulturellen Aktivitäten nach.
II.1.3.2 Zu den strafrechtlich relevanten Vorfällen bzw Verurteilungen und offenen Verfahren
Dem BF wurde vorgeworfen, am 13.04.2017 im Rahmen einer Befragung vor der BH XXXX betreffend seine Unterbringung gemäß § 8 UBG gegenüber der anwesenden Amtsärztin Frau XXXX gedroht zu haben, seine (mittlerweile geschiedene) Ehefrau "wegmachen" zu wollen.
Weiters wurde dem BF vorgeworfen, seine geschiedene Ehegattin bei einem weiteren Übergriff verletzt zu haben, indem er ihr Blutergüsse am rechten Unterarm zufügte.
Dem BF wurde weiters vorgeworfen, seine geschiedene Ehefrau bei einem weiteren tätlichen Angriff geschlagen und gewürgt zu haben.
Die LPD XXXX verhängte über den BF mit Amtsvermerk vom 18.04.2017 ein Betretungsverbot gemäß § 38a SPG für den Bereich XXXX (damaliger Wohnort der geschiedenen Ehefrau des BF und seiner Kinder).
Der BF befand sich von 21.07.2017 bis 31.10.2017 in Untersuchungshaft. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX als Schöffengericht vom 31.10.2017 zu XXXX wurde der BF wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs 1 StGB wegen der Zufügung eines Traumas der Epiphyse eines Fingers an der linken Hand seiner zum Tatzeitpunkt minderjährigen Tochter, XXXX , zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Diese Strafe wurde unter der Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Der BF wurde am 27.09.2018 festgenommen und in Untersuchungshaft genommen. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 23.10.2018 wurde dem BF der Verlust des Aufenthaltsrechtes gem § 13 Abs. 2 AsylG mitgeteilt. Seit 18.01.2019 ist er wieder in einer Asylunterkunft untergebracht.
Die StA XXXX erhob mit Anklageschrift vom 31.10.2018 zu XXXX Anklage gegen den BF, die zum Tatzeitpunkt minderjährige XXXX sexuell genötigt und bedrängt und daher das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen gemäß § 207 Abs. 1 StGB und das Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung gemäß § 202 Abs 1 StGB begangen zu haben. Das Strafverfahren ist anhängig, ein Verhandlungstermin wurde noch nicht ausgeschrieben.
II.1.4. Zur gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers
Der BF leidet unter einer paranoiden Schizophrenie, einer Scabies Infektion der Haut und einer sog Sackniere, einer Erweiterung und Aussackung des Nierenbeckens und der Nierenkelche durch Abflussstörungen der ableitenden Harnwege.
Der BF unterliegt zwar einer Intelligenzminderung von leichtgradigem Ausmaß, es sind aber weder inhaltliche noch formale Denkstörungen erkennbar. Ein allenfalls zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegenes "psychotisches Zustandsbild" war bereits ab 12.01.2018 (Tag der Untersuchung durch XXXX , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) nicht mehr gegeben.
Der BF befindet sich nicht in medizinischer Behandlung bzw. Therapie und nimmt derzeit keine Medikamente. Der BF kann einer Einvernahme folgen, sämtliche an ihn gerichtete Fragen beantworten und sinnzusammenhängende klare Antworten geben. Wenn Fragen zu vielschichtig sind, muss er rückfragen und versteht nicht auf Anhieb deren Sinn. In diesen Fällen ist es notwendig, dem BF die Frage in kleinere Teile aufzuteilen und zu wiederholen. Unter diesen Voraussetzungen versteht der BF die an ihn gerichteten Fragen und kann diese auch zusammenhängend und logisch nachvollziehbar beantworten.
Der Gedankengang des BF ist grundsätzlich geordnet und nachvollziehbar. Eindeutige inhaltliche Denkstörungen sind nicht explorierbar und nach außen auch nicht erkennbar. Die Folgen der bestehenden Intelligenzminderung machen sich im Alltag insofern bemerkbar, als dem BF die Notwendigkeit medizinischer Heilbehandlungen, wie sie grundsätzlich notwendig wären, nicht einsichtig sind. Der Beurteilung des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens vom 12.01.2018 zu Folge benötigt der BF primär für diese Bereiche (medizinische Heilbehandlung) eine Hilfe durch einen Sachwalter. Zur Durchführung des Ehescheidungsverfahrens des BF von seiner Ehefrau wurde RA Mag Martin Hochleitner als Erwachsenenvertreter bestellt. Die Vertretung hat sich weder auf medizinische Heilbehandlungen noch auf das Asylverfahren erstreckt und hat auch nicht eine generelle Bestellung als Sachwalter umfasst.
Für die Vertretung vor Ämtern, Behörden, Gerichten und privaten Vertragspartnern ist eine Hilfe notwendig, weil die intellektuelle Leistungsfähigkeit des BF nicht ausreicht, um diese Angelegenheiten selbstständig auszuüben. Insoweit der BF durch eine Rechtsvertretung unterstützt und begleitet wird, ist es dem BF möglich, derartige Aufgaben zu bewältigen. Der BF konnte der Verhandlung vor dem BVwG, aber auch den vorangegangenen Einvernahmen vor der Sicherheitspolizeidirektion oder dem BFA, bei denen er stets von einem Rechtsvertreter begleitet war, folgen, diese inhaltlich erfassen und für sich betrachtet logisch nachvollziehbare Aussagen machen.
Der BF ist arbeitsfähig.
1.5. Zur Situation im Fall der Rückkehr nach Afghanistan:
Dem BF droht bei einer Rückkehr in seinen Heimatdistrikt in der Provinz XXXX ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.
Ihm steht jedoch eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in der Stadt Mazar-e-Sharif zur Verfügung. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e-Sharif kann der BF grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen. Es ist dem BF möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e-Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Für den Lebensunterhalt seiner geschiedenen Ehefrau und seiner Kinder muss der BF in Afghanistan nicht aufkommen, weil diese in Österreich über einen gültigen Aufenthaltstitel (jeweils Staus des Asylberechtigten) verfügen und insofern nicht vom BF erhalten und versorgt werden müssen. Der BF ist daher in Afghanistan ausschließlich für sich selbst verantwortlich.
II.1.6. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan
II.1.6.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, (zuletzt aktualisiert am 01.03.2019)
Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 01.03.2019
Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).
Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).
Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).
Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019). Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018). Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Zivile Opfer
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;
1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen).
Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).
Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber
2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte).
Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an:
Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u. a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für
1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen.
Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).
Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren.
Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).
Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).
Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).
KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban
Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).
KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere
Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.- amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).
Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).
Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).
KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl
Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul
Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).
Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl
Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).
Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach der Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).
KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).
Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018) . Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).
Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).
KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern
Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:
Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).
Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).
Anmerkung: Weiterführende Informationen über den Wahlprozess in Afghanistan können der Kl der Staatendokumentation vom 19.10.2018 entnommen werden.
Zivile Opfer
Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).
Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:
davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).
Regierungsfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).
KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018
Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale K