TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/17 W192 2197181-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.04.2019
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Entscheidungsdatum

17.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55 Abs1a

Spruch

W192 2197181-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.05.2018, Zahl: 1186281409/180317998, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 i. d. g. F., § 9 BFA VG i. d. g. F., §§ 52, 55 Abs. 1a FPG i.d.g.F. und § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG i.d.g.F. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Georgiens, stellte am 03.04.2018 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich seiner am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes abgehaltenen niederschriftlichen Erstbefragung führte er im Wesentlichen aus, er sei Angehöriger der georgischen Volksgruppe, orthodoxen Glaubens und ledig. Er sei legal mit seinem Reisepass eingereist. Zum Grund seiner Antragstellung gab der Beschwerdeführer an, es sei vor acht Jahren im Winter bei der Waldarbeit die Zehe des linken Fußes abgefroren. Er sei vor einem Monat ohne Erfolg operiert worden. Die Wunde sei nicht verheilt. Die Ärzte hätten ihm geraten, nach Österreich zu reisen. Er habe keine anderen Gründe für die Stellung eines Asylantrages.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 17.04.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er am 03.04.2018 aus Georgien auf dem Luftweg nach Deutschland und von dort auf dem Landweg nach Österreich eingereist sei. In seinem Herkunftsort würden seine Eltern und seine Schwester leben. Der Beschwerdeführer habe einen Führerschein und ein eigenes Auto und er habe im Herkunftsstaat als Kraftfahrer gearbeitet.

Laut dem vorgelegten Arztschreiben eines Landesklinikums vom 05.04.2018 liege beim Beschwerdeführer eine trockene Gangrän der Großzehe links vor. Im weiteren Verlauf brachte der Beschwerdeführer vor, dass er sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die Einvernahme durchzuführen er habe nur ein wenig Schmerzen am Fuß, aber das sei leicht auszuhalten. Der Beschwerdeführer leide seit Februar 2018 an der Gangrän am linken Fuß und sei im März 2018 operiert worden. In Österreich sei ihm mitgeteilt worden, dass die Zehe zu amputieren wäre. Der Beschwerdeführer nehme Schmerzmittel. Im Herkunftsstaat sei er Anfang März 2018 eine Woche lang in einem Krankenhaus in Tiflis gewesen. Er habe auch schon einmal ein Gangrän am rechten Fuß gehabt und sei damals - 2011 oder 2012 - aber erfolgreich in Georgien operiert worden.

Der Beschwerdeführer habe sich im März 2018 den Reisepass für die Ausreise nach Europa ausstellen lassen. Er sei mit finanzieller Unterstützung durch einen Freund auf dem Luftweg nach Deutschland gereist. Von dort habe ihn dieser Freund, der mit ihm nach Deutschland geflogen sei, mit einem in Deutschland gekauften Auto nach Österreich gebracht.

Für Beschwerdeführer habe im Herkunftsstaat unter schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen bei seinen Eltern im eigenen Haus der Familie gewohnt und von 2010 bis Dezember 2017 als Kraftfahrer gearbeitet. Er habe in Österreich keine familiären oder sonstigen Bindungen, besuche keinen Deutschkurs und sei nicht Mitglied bei einer Organisation. Der Beschwerdeführer wolle in Österreich operiert und gesund werden und würde dann nach Georgien reisen. Der Beschwerdeführer habe die benötigte Operation nicht in Georgien vornehmen lassen können, da ein zur Vorbereitung der Operation benötigtes Medikament nicht verfügbar gewesen sei. Der Arzt habe dem Beschwerdeführer geraten, die Operation im Ausland machen zu lassen und habe ihm auch Österreich empfohlen. Der Beschwerdeführer verneinte konkrete Fragen nach sonstigen Verfolgungsgründe.

Im Herkunftsstaat habe sein Einkommen zum Leben ausgereicht. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, nicht operiert zu werden und eine Ausbreitung der Gangrän erleiden zu müssen.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt(Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass dessen Abschiebung gem. § 46 FPG nach Georgien zulässig ist (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, beim Beschwerdeführer, dessen Identität feststehe, handle es sich um einen der Mehrheits- und Titularethnie angehörigen Georgier orthodoxen Glaubens. Dieser habe keine Anknüpfungspunkte in Österreich und halte sich erst seit April 2018 hier auf. Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat behauptet. Er habe den Herkunftsstaat aufgrund seines Wunsches verlassen, in Österreich eine kostenlose bessere medizinische Betreuung zu erhalten. Ihm stehe bei einer Rückkehr nach Georgien die Möglichkeit offen, sich wie vor der Ausreise im georgischen Gesundheitssystem behandeln zu lassen.

Die Behörde traf Feststellungen über die Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, darunter auch insbesondere zum Bestehen einer staatlich finanzierten medizinischen Grundversorgung.

Eine gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohung liege im Herkunftsstaat nicht vor. Es könne nicht festgestellt werden, dass ihm in Georgien die Existenzgrundlage vollkommen entzogen sein würde.

Der Beschwerdeführer habe keine familiären oder sonstigen intensiven Bindungen im Inland und es lägen keine Umstände vor, die einer Rückkehr aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien entgegenstünden. Da es sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat handle, sei einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen und keine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren gewesen.

3. Gegen den dargestellten Bescheid richtet sich die durch den nunmehrigen gewillkürten Vertreter mit Schreiben vom 30.05.2018 fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde, in welcher zusammengefasst ausgeführt wurde, dass das vom Beschwerdeführer benötigte Medikament zur Venenerweiterungen für eine Vorbereitung der Operation in Georgien nicht verfügbar gewesen sei und er deshalb nach Österreich gereist sei. Hier sei ihm mitgeteilt worden, dass sein linker Zeh amputiert werden müsse und dies sei am 03.05.2018 letztlich geschehen. Dazu wurde auf den Entlassungsbrief eines Landesklinikums vom 15.05.2018 verwiesen, wonach am 03.05.2008 beim Beschwerdeführer eine Großzehenamputation vorgenommen worden sei und der Beschwerdeführer nach weiterem komplikationslosen Verlauf am 15.05.2018 aus der stationären Behandlung unter Erteilung von medikamentösen Therapieempfehlungen entlassen wurde.

In der Beschwerde wurde weiters vorgebracht, dass die Behörde nicht ausreichend aktuelle Länderfeststellungen zugrunde gelegt habe. Durch die Gangrän-Erkrankung könne es zu Entzündungen und zu einer Blutvergiftung kommen und es sei eine Behandlung im schlimmsten Fall durch die Amputation von Extremitäten erforderlich. Im Falle einer Rückkehr hätte der Beschwerdeführer keinen Zugang zu benötigter medizinische Behandlung, da er nun nicht mehr arbeitsfähig sei. Die Beschwerde enthält weiters umfängliche nicht fallbezogen rechtliche Ausführungen und wendet sich ihrem Inhalt nach auch gegen ein mit dem angefochtenen Bescheid gar nicht erlassenes Einreiseverbot. Es wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

4. Mit Aktenvermerk vom 06.06.2018 hielt die damals zuständige Gerichtsabteilung fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht vorlägen.

5. Am 25.07.2018 wurde der Beschwerdeführer auf dem Luftweg nach Georgien abgeschoben. Seit dem 25.07.2018 liegt keine behördliche Wohnsitzmeldung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet vor.

6. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.09.2018 wurde das gegenständliche Verfahren der bis dahin zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und dem vorgebrachten Fluchtgrund:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Georgien, Angehöriger der georgischen Volksgruppe sowie der christlich-orthodoxen Religionsgemeinschaft. Der Beschwerdeführer ist im April 2018 aus Deutschland auf dem Landweg in das Bundesgebiet eingereist und hat am 03.04.2018 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der Beschwerdeführer stammt aus einem Ort in Zentralgeorgien, wo er zuletzt gemeinsam mit seinen Eltern ein Einfamilienhaus bewohnt hat. Er hat seinen Lebensunterhalt in Georgien durch Arbeit als Kraftfahrer bestritten. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos verfügt in Georgien über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte.

1.1.2. Beim Beschwerdeführer lag eine Gangrän an der linken Großzehe vor; diese wurde in einer österreichischen Krankenanstalt am 03.05.2018 amputiert und der Beschwerdeführer nach komplikationslosem Verlauf am 15.05.2018 unter Erteilung weiterer medikamentöser Therapieempfehlungen - welche das vom Beschwerdeführer als für die Vorbereitung der Operation erforderlich aber in Georgien nicht erhältliche Medikament nicht beinhalten - aus der stationären Behandlung entlassen. Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, dass ihm eine benötigte Behandlung im Herkunftsstaat in der Vergangenheit verweigert worden oder individuell nicht zugänglich gewesen ist. Der Beschwerdeführer war in Österreich nach dem 15.05.2018 nicht in stationärer Krankenbehandlung.

1.1.3. Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, seinen Herkunftsstaat ausschließlich aufgrund des Wunsches nach einer qualitativ hochwertigen und kostenfreien medizinischen Behandlung verlassen zu haben und keine darüberhinausgehenden Rückkehrbefürchtungen aufzuweisen. Der Beschwerdeführer hat keine Furcht vor individueller Verfolgung behauptet.

Es kann auch von Amts wegen nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Georgien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

1.1.4. Es besteht für den Beschwerdeführer in Georgien keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit. Der Beschwerdeführer liefe nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich die wirtschaftliche Situation des Genannten - auch unter Berücksichtigung künftig notwendig werdender Behandlungs- und Medikamentenkosten - als derart desolat erwiesen hätte, als dass der Beschwerdeführer, welcher im Herkunftsstaat enge familiäre Anknüpfungspunkte hat, Gefahr liefe, in Georgien in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten.

1.1.5. Der unbescholtene Beschwerdeführer bestritt seinen Lebensunterhalt während seines Aufenthalts in Österreich aus Mitteln der Grundversorgung und verfügte über keine aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen oder sonstige enge soziale Bezugspersonen im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer hat sich keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse angeeignet, ist keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen und war in keinem Verein Mitglied. Er hat keine Aspekte einer Integration in das österreichische Bundesgebiet dargetan.

1.1.6. Der Beschwerdeführer wurde am 25.07.2018 auf dem Luftweg in den Herkunftsstaat abgeschoben, seit diesem Tag liegt keine aufrechte behördliche Wohnsitzmeldung seiner Person im Bundesgebiet vor.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

KI vom 15.11.2017, Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen (relevant für Abschnitt 2/ Politische Lage)

Am 21.10. und 12.11.2017 fanden Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen statt. In der ersten Runde am 21.10.2017 gewann die Regierungspartei, Georgischer Traum, in allen Wahlkreisen und sicherte sich 63 von 64 Bürgermeisterämter, darunter in der Hauptstadt Tiflis (RFE/RL 12.11.2017). Das Parteienbündnis des Georgischen Traums erhielt landesweit im Durchschnitt 55,7% der Wählerstimmen. Die führende Oppositionspartei, die Vereinte Nationale Bewegung, erhielt als zweitstärkste Kraft 17,1%. Die Wahlbeteiligung fiel mit 45,6% verhältnismäßig schwach aus (GA 23.10.2017). Bei der Bügermeisterstichwahl am 12.11.2017 gewannen in fünf der sechs ausstehenden Städte ebenfalls die Kandidaten des Georgischen Traums. Nur in Ozurgeti siegte ein unabhängiger Kandidat (Civil.ge 13.11.2017). Laut der OSCE-Wahlbeobachtungsmission untergrub zwischen den beiden Wahlrunden die hohe Zahl von Beschwerden, die aus verfahrensrechtlichen oder formalistischen Gründen abgewiesen wurden, das Recht der Kandidaten und Wähler auf wirksame Rechtsmittel und somit das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Streitbeilegung. Der Wahltag verlief reibungslos und professionell, wobei die Stimmabgabe, die Auszählung und das Wahlermittlungsverfahren von Beobachtern positiv beurteilt wurden, obwohl Hinweise auf mögliche Einschüchterungen und Druck auf die Wähler Anlass zur Besorgnis gaben (OSCE 13.11.2017).

Quellen:

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Civil.ge (13.11.2017): GDDG Wins Most Mayoral Runoff Races, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30622, Zugriff 15.11.2017

-

Georgien Aktuelle (23.10.2017): Regierungsbündnis "Georgischer Traum" setzt sich bei Regionalwahlen durch, http://georgien-aktuell.info/de/politik/innenpolitik/article/13321-regionalwahlen, Zugriff 15.11.2017

-

OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-Operation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights (13.11.2017):

Election Observation Mission Georgia, Local Elections, Second Round, 12 November 2017,

http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/356146?download=true, Zugriff 15.11.2017

-

Radio Free Europe/Radio Liberty (12.11.2017): Georgians In Six Municipalities Vote In Local Election Runoffs, https://www.rferl.org/a/georgia-local-elections-second-round/28849358.html, Zugriff 15.11.2017

KI vom 30.3.2017, Visafreiheit (relevant für Abschnitt 19/ Bewegungsfreiheit)

Für Georgien ist am 28.3.2017 der visumfreie Reiseverkehr mit der Europäischen Union in Kraft getreten. Nach den neuen Regeln dürfen georgische Bürger die Länder des Schengen-Abkommens bis zu 90 Tage ohne ein Visum besuchen. Vorangegangen waren mehrjährige Verhandlungen (DW 28.3.2017). Die Einreise georgischer Staatsbürger in die Europäische Union ist auch nach der neuen Regelung an bestimmte Auflagen gebunden, wie an das Vorhandensein eines biometrischen Passes und den Nachweis ausreichender finanzieller Mittel für den Aufenthalt im Mitgliedstaat der EU, nachgewiesen etwa durch Kreditkarten oder Bargeld (GS o.D.).

Der georgische Innenminister, Giorgi Mghebrishvili, kündigte am 27.3.2017 an, dass die georgischen Grenzbeamten georgische Reisende in den Schengenraum detailliert befragen werden, um einen Missbrauch des Visaregimes und folglich dessen mögliche Suspendierung durch die EU zu verhindern. Bei Überschreitung des Aufenthaltes, der auf 90 Tage innerhalb von 180 Tagen beschränkt ist, würden laut Innenminister die EU-Mitgliedsstaaten proaktiv informiert werden. Überdies gab Mghebrishvili bekannt, dass Georgien am 4.4.2017 ein Partnerschaftsabkommen mit EUROPOL unterzeichnen werde (Civil.ge 28.3.2017).

Quellen:

* Civil.ge (28.3.2017): Government Speaks on Safeguards against Visa-Waiver Abuse, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=29970, Zugriff 30.3.2017

* DW - Deutsche Welle (28.3.2017): Georgier dürfen ohne Visum in die EU reisen,

http://www.dw.com/de/georgier-d%C3%BCrfen-ohne-visum-in-die-eu-reisen/a-38164800, Zugriff 30.3.2017

* GS - Georgienseite (o.D.): Visafreiheit für georgische Staatsangehörige,

http://www.georgienseite.de/startseite/magazin-georgien-nachrichten-bilder-galerien/georgien-nachrichten-news-tbilissi-magazin/informationen-der-deutschen-botschaft/, Zugriff 30.3.2017

Politische Lage

In Georgien leben mit Stand 1.1.2016 laut georgischem Statistikamt 3,72 Mio. Menschen. 2014 waren es noch rund 4,49 Mio. Menschen auf

69.700 km² (GeoStat 2017).

Georgien ist eine demokratische Republik. Das politische System hat sich durch die Verfassungsreform 2013 von einer semi-präsidentiellen zu einer parlamentarischen Demokratie gewandelt, (AA 11.2016a). Staatspräsident ist seit 17.11.2013 Giorgi Margvelashvili (RFE/RL 17.11.2013). Regierungschef ist seit dem überraschenden Rücktritt von Irakli Garibaschwili Giorgi Kvirikashvili (seit 29.12.2015) (RFE/RL 29.12.2015). Beide gehören der Partei bzw. dem Parteienbündnis "Georgischer Traum" an.

Georgien besitzt ein Einkammerparlament mit 150 Sitzen, das durch eine Kombination aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht für vier Jahre gewählt wird. Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei, "Georgischer Traum", sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze im Parlament gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016). Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR u.a. 30.10.2016). Transparency International - Georgia beurteilte den Wahlgang als ruhig. Obgleich 70 relativ ernsthafte prozedurale Verstöße festgestellt wurden, hatten diese keinen entscheidenden Einfluss auf den Wahlausgang (TI-G 31.10.2016). Die Opposition warf dem Regierungslager Wahlmanipulationen vor. Unter anderem sollen Wähler unter Druck gesetzt und Stimmen gekauft worden (Standard 31.10.2016, vgl. CK 31.10.2016). Bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2013 konnte sich der Kandidat von "Georgischer Traum", Georgi Margwelaschwili, mit klarer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang gegen den Wunschkandidaten des amtierenden Präsidenten Michail Saakaschwili (Vereinte Nationale Bewegung), durchsetzen. Saakaschwili, zuletzt umstritten, durfte nach zwei Amtszeiten laut Verfassung nicht mehr zur Wahl antreten. Diese Wahl brachte den ersten demokratischen Machtwechsel an der georgischen Staatsspitze seit dem Zerfall der Sowjetunion (FAZ 27.10.2013). Die Regierungspartei "Georgischer Traum" sicherte sich infolge eines überwältigenden Sieges bei den Gemeinderatswahlen im Sommer 2014 die Kontrolle über die lokalen Selbstverwaltungskörperschaften. Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) berichteten, dass es im Vorwahlkampf angeblich Druck auf oppositionelle Kandidaten gab, ihre Kandidatur zurückzuziehen. Überdies sei es zu Störungen von Versammlungen der Opposition und zu etlichen Vorfällen von Gewalt gegen Wahlaktivisten gekommen. Obschon diese den Behörden bekannt waren, blieb eine amtliche Verfolgung aus (HRW 29.1.2015). Am 27.6.2014 unterzeichneten die EU und Georgien ein Assoziierungsabkommen. Das Abkommen soll Georgien in den Binnenmarkt integrieren, wobei die Prioritäten in der Zusammenarbeit in Bereichen wie Außen- und Sicherheitspolitik sowie Justiz und Sicherheit liegen. Russland sah sich hierdurch veranlasst, seinen Druck auf die Regierung in Tiflis zu erhöhen. Am 24. November 2014 unterzeichneten Russland und das abtrünnige georgische Gebiet Abchasien eine Vereinbarung über eine "strategische Partnerschaft", mit der Moskau seine militärische und wirtschaftliche Kontrolle in Abchasien erheblich ausweitete (EP 5.12.2014). Die EU würdigte im Juni 2016 im Rahmen ihrer Globalen Strategie zur Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik die Rolle Georgiens als friedliche und stabile Demokratie in der Region. Am 1.7.2016 trat das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Georgien in Kraft, wodurch laut der EU die politische Assoziierung und wirtschaftliche Integration zwischen Georgien und der Union merkbar gestärkt werden. Georgien hat seine Demokratie und Rechtsstaatlichkeit konsolidiert und die Respektierung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten sowie der Anti-Diskriminierung gestärkt (EC 25.11.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (11.2016a): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

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CK - Caucasian Knot (31.10.2016): In Georgia, "UNM" Party claims mass violations at elections,

http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/37376/, Zugriff 21.2.2017

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Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,

http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 21.2.2017

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EC - European Commission (25.11.2016): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2016) 423 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/1_en_jswd_georgia.pdf, Zugriff 21.2.2017

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EP - Europäisches Parlament (5.12.2014): Assoziierungsabkommen EU-Georgien,

http://www.europarl.europa.eu/EPRS/EPRS-AaG-542175-EU-Georgia-Association-Agreement-DE.pdf, Zugriff 21.2.2017

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (27.10.2013): Georgi Margwelaschwili gewinnt mit klarer Mehrheit, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/praesidentschaftswahl-in-georgien-georgi-margwelaschwili-gewinnt-mit-klarer-mehrheit-12636443.html, Zugriff 21.2.2017

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GeoStat - National Statistics Office of Georgia (2017):

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http://www.geostat.ge/index.php?action=page&p_id=473&lang=eng, Zugriff 21.2.2017

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HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/295489/430521_de.html, Zugriff 21.2.2017

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IFES - International Foundation for Electoral Systems (9.3.2015a):

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OSCE/ODIHR u.a. - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Parliamentary Elections, Second Round

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http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/278146?download=true, Zugriff 21.2.2017

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Margvelashvili Sworn In As Georgia's New President, http://www.rferl.org/content/georgia-president-inauguration/25170650.html, Zugriff 21.2.2017

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RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (29.12.2015): Giorgi Kvirikashvili Confirmed As Georgia's New Premier, http://www.rferl.org/content/georgian-parliament-vote-kvirikashvili-government-december-29/27454801.html, Zugriff 21.2.2017

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 21.2.2017

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TI-G - Transparency International - Georgia (31.10.2016):

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Vestnik Kavkaza (31.10.2016): Georgian Dream wins 48 districts out of 50,

http://vestnikkavkaza.net/news/Georgian-Dream-wins-48-districts-out-of-50.html, Zugriff 21.2.2017

Sicherheitslage

Die Lage in Georgien ist - mit Ausnahme der Konfliktgebiete Abchasien und Südossetien - insgesamt ruhig. Beide genannte Gebiete befinden sich nicht unter der Kontrolle der Regierung in Tiflis. In den Gebieten und an ihren Verwaltungsgrenzen sind russische Truppen stationiert (AA 20.3.2017a).

Im Zuge der Auflösung der UdSSR erhöhten sich die Spannungen innerhalb Georgiens in den Gebieten Abchasien und Südossetien, als der autonome Status der Provinzen von georgischen Nationalisten in Frage gestellt wurde. Nach der georgischen Unabhängigkeit führten heftige Auseinandersetzungen mit der Zentralregierung 1992 zu Unabhängigkeitserklärungen Südossetiens und Abchasiens, die aber von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wurden. Der Einfluss des nördlichen Nachbarlandes wuchs kontinuierlich, unter anderem durch Ausgabe russischer Pässe an die abchasische und südossetische Bevölkerung. Nach zahlreichen blutigen Zwischenfällen und Provokationen aller Seiten eskalierte der Konflikt um Südossetien am 7. August 2008 nach einem Vorstoß georgischer Truppen in die südossetische Hauptstadt Tskhinvali zu einem georgisch-russischen Krieg, der nach fünf Tagen durch einen von der EU vermittelten Waffenstillstand beendet wurde. Am 26. August 2008 erkannte Russland Abchasien und Südossetien, einseitig und unter Verletzung des völkerrechtlichen Prinzips der territorialen Integrität Georgiens, als unabhängige Staaten an und schloss wenig später mit diesen Freundschaftsverträge ab, die auch die Stationierung russischer Truppen in den Gebieten vorsehen. Infolge des Krieges wurden nach Schätzungen internationaler Hilfsorganisationen bis zu 138.000 Personen vorübergehend zu Vertriebenen und Flüchtlingen. Ein wichtiges diplomatisches Instrument zur Deeskalation des Konflikts sind die sogenannten "Geneva International Discussions - GID" (Genfer Internationale Gespräche). Diese finden seit 2008 unter Beteiligung der involvierten Konfliktparteien unter dem gemeinsamen Vorsitz von Vertretern der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der OSZE statt. Aus den Genfer Gesprächen resultierte der "Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM)" sowie die Involvierung der EUMM, sodass die lokalen Sicherheitsbehörden der Konfliktparteien vor Ort in Kontakt treten können bzw. ihnen die Möglichkeit zum Dialog eröffnet wird (OSCE 6.11.2014).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017a): Georgien, Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8108DEE44ECFAF67827A2F89BA2ACDB3/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GeorgienSicherheit_node.html, Zugriff 20.3.2017

* AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Staatsaufbau/Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

* OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (6.11.2014): Geneva International Discussions remain unique and indispensable forum, Co-chairs tell OSCE Permanent Council, http://www.osce.org/cio/126442, Zugriff 21.2.2017

* UN - United Nations in Georgia (27.1.2017): Statement of Niels Scott, Resident Coordinator, on behalf of the United Nations Country Team regarding announced closure of crossing points along the Inguri River,

http://www.ungeorgia.ge/eng/news_center/media_releases?info_id=507, Zugriff 22.2.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016,

http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017

Sicherheitsbehörden

Umfangreicher Personalaustausch insbesondere in den Behördenleitungen, die begonnene juristische Aufarbeitung sowie Reformen in Polizei und erkennbare Verbesserungen im Strafvollzug, inklusive radikaler Veränderungen im Gefängnismanagement, haben Vorfälle von Gewaltanwendung überaus deutlich reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar. Ombudsmann und zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen bekannt werdende Vorfälle von Gewaltanwendung und ggf. unzureichend betriebene Ermittlungen öffentlich an (AA 10.11.2016). Im Verlaufe des Jahres 2016 gab es keine Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte unter Straflosigkeit Missbrauch begangen haben. Der Ombudsmann dokumentierte Fälle von übermäßigem Einsatz von Gewalt durch die Polizei. Laut Innenministerium wurden zwischen Jänner und Juli 2016 rund 1.300 Disziplinarverfahren eingeleitet. 23 Fälle sind dem Generalstaatsanwalt zu Ermittlungen überreicht worden, wobei zehn Fälle mit einer Verurteilung endeten (USDOS 3.3.2017). Angesichts der Sorge in Bezug auf Folter, Misshandlungen und andere Missbräuche durch die Strafverfolgungsbeamten hat die Regierung keine Gesetzgebung geschaffen, die einen unabhängigen Untersuchungsmechanismus für Menschenrechtsverletzungen vorsieht, die von Strafverfolgungsbehörden begangen wurden (AI 22.2.2017). Dem Menschenrechtskommissar des Europarates wurden alarmierende Fälle von Polizeigewalt im Speziellen auf Polizeiposten berichtet. Der Menschenrechtskommissar forderte die Behörden dazu auf, allen Anschuldigungen, besonders auf Grundlage der Informationen des Ombudsmannes, nachzugehen. Überdies sollte ein Untersuchungsmechanismus etabliert werden, der auf der Basis der Vorschläge des georgischen Ombudsmannes und des Europarats angebliche Rechtsverletzungen der Exekutive untersucht (CoE-CommHR 12.1.2016).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (10.11.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/336488/466107_en.html, Zugriff 27.2.2017

* CoE-CommHR - Commissioner for Human Rights of the Council of Europe (12.1.2016): Observations on the human rights situation in Georgia: An update on justice reforms, tolerance and non-discrimination [CommDH(2016)2], https://rm.coe.int/CoERMPublicCommonSearchServices/DisplayDCTMContent?coeReference=CommDH(2016)2, Zugirff 27.2.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016,

http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017

Allgemeine Menschenrechtslage

Artikel 7 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat zu Anerkennung und Schutz der universellen Menschenrechte; sie sind direkt anwendbares Recht für Staat und Bürger. Einzelne Menschenrechte werden explizit in eigenen Verfassungsartikeln (Artikel 14 ff.) postuliert. Mit dem Ombudsmann für Menschenrechte (vom Parlament ernannt), aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Sie verfügen zwar nicht über Sanktionsmittel, nutzen aber sehr aktiv ihre Möglichkeiten zur Untersuchung von Vorgängen, greifen viele Themen auf und sind öffentlich sehr präsent. Mit Reformen haben in den letzten Jahren auch Staatsanwaltschaft und Gerichte in Georgien an Unabhängigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen und werden zunehmend zur Wahrung bzw. Einklage individueller Rechte in Anspruch genommen. Darüber hinaus können lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen ohne jede staatliche Behinderung ermitteln und öffentlichkeitswirksam Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern (AA 10.11.2016). Georgien hat einen umfassenden rechtlichen Rahmen für die Menschenrechte und die Anti-Diskriminierung verabschiedet. Ein neuer, umfangreicher Aktionsplan zu den Menschenrechten für die Periode 2016-2017 wurde beschlossen. Die Umsetzung des rechtlichen Rahmenwerkes wird laut Europäischer Kommission insbesondere für Minderheiten und vulnerable Gruppen wichtig werden, damit sie ihre Rechte in Anspruch nehmen können (EC 25.11.2016). Die im April 2014 beschlossene "nationale Strategie zum Schutz der Menschenrechte" stellt einen Meilenstein dar, da sie den höchsten internationalen Standards entspricht. Die Strategie bietet Beteiligungsmöglichkeiten für die Zivilgesellschaft, um die Einhaltung der Menschenrechte in Georgien zu stärken. Allerdings sind die Mechanismen für die Umsetzung der Strategie noch nicht vollständig vorhanden. Es gibt immer noch ernsthafte Probleme bei der Umsetzung der grundlegenden Menschen- und Bürgerrechte, insbesondere im Zusammenhang mit der selektiven Rechtsprechung, der häufigen Straflosigkeit der Gesetzesvollzugsorgane und der ungerechtfertigten oder übermäßigen Gewaltanwendung, wenn auch nicht in einem massiven Ausmaß (BTI 1.2016).

Menschenrechtsorganisationen kritisierten beständig die Staatsanwaltschaft, wonach diese die Untersuchungshaft durch neue Anklagepunkte zu verlängern trachtet, namentlich wenn es um Funktionäre der ehemaligen Regierungspartei UNM geht. Sowohl Menschenrechtsorganisationen als auch die Ombudsmannstelle drängten die Regierung weiterhin zu angemessenen Ermittlungen bei Anschuldigungen von Polizeigewalt (FH 27.1.2016). Die georgische Menschenrechtsorganisationen "Human Rights Center" kritisierte in ihrem Jahresbericht 2016, dass die Rechtsvollzugsorgane weiterhin Menschenrechtsverletzungen gegen vulnerable Gruppen ungenügend nachgehen und bestrafen. Dazu gehören auch religiöse Minderheiten, LGBT-Individuen, sowie Frauen. Die Sicherung der Rechte von Menschen mit Behinderung stellt nach wie vor eine der größten Herausforderungen für die Regierung dar. Das gilt sowohl für das diesbezügliche Gesetzeswerk als auch für die soziale Integration. Zahlreiche Beispiele, wie seitens Regierungsvertretern Druck auf die Medien ausgeübt wurde, gab es auch 2016. Die Schaffung eines effektiven unabhängigen Untersuchungsmechanismus für Fälle, bei denen die Gesetzesorgane strafbare Handlungen verübten, stellt ebenso eine Herausforderung dar, wie die Rehabilitation und Resozialisierung von Häftlingen, die Opfer von Folter wurden (HRC 2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (10.11.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2016), BTI 2016 - Georgia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Georgia.pdf, Zugriff 1.3.2017

* EC - European Commission (25.11.2016): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2016) 423 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/1_en_jswd_georgia.pdf, Zugriff 1.3.2017

* FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/327696/454796_en.html, Zugriff 1.3.2017

* HRC - Human Rights Center (2017): Annual Reprot, State of Human Rights in Georgia 2016,

http://www.humanrights.ge/admin/editor/uploads/pdf/angarishebi/hridc/ANNNUAL2017-ENG.pdf, Zugriff 1.3.2017

Religionsfreiheit

Die georgische Verfassung, ein 2011 verabschiedetes Gesetz über die Zulassung religiöser Minderheiten und das Anti-Diskriminierungsgesetz von 2014 gewährleisten Religionsfreiheit. Diskriminierung aufgrund des religiösen Bekenntnisses oder die Behinderung der Religionsausübung sind unter Strafe gestellt. Ein Religionsrat beim Ombudsmann mit Vertretern von 23 religiösen Organisationen fördert Austausch, Aktivitäten und Integration der verschiedenen Glaubensgemeinschaften. Auch andere religiöse Organisationen als die georgisch-orthodoxe Kirche erhalten staatliche Förderungen, auch wenn sie hier nicht gleichgestellt sind (AA 10.11.2016). Die Verfassung gewährt die "völlige Religionsfreiheit", die Trennung von Kirche und Staat und die Gleichheit aller ungeachtet der Religionszugehörigkeit. Sie verbietet auch die Verfolgung auf Basis der Religion. Die georgisch-orthodoxe Kirche wird von der Politik und vom Gesetz bevorzugt, indem ihr Privilegien zukommen, die ansonsten keiner anderen Religionsgemeinschaft zugestanden werden. Religiöse Organisationen und NGOs kritisierten die Staatlichen Behörde für Religionsfragen (SARI), welche die Religionspolitik der Regierung umsetzt und als Konsultativgremium in religiösen Fragen agiert. So wurde das unklare Mandat und der Mangel an Transparenz der Behörde kritisiert, nämlich in Bezug auf die Eigentumsübertragung und die finanziellen Kompensationen an Religionsgemeinschaften für den Schaden, der während der Sowjetzeit entstanden war. Hier wären die finanziellen und materiellen Interessen der Georgisch Orthodoxen Kirche begünstigt worden. Religionsgemeinschaften können sich bei der nationalen Registrierungsbehörde als Körperschaft des Öffentlichen Rechts oder als nicht-gewinnorientierte Organisation eintragen lassen. Beide Formen bieten im Wesentlichen dieselben Vorteile, wie den teilweise Steuernachlass und das Recht auf Eigentum. Um sich als Körperschaft des Öffentlichen Rechts registrieren lassen zu können, muss die Organisation historische Verbindungen zu Georgien haben oder von anderen Europaratsmitgliedsländern als religiöse Organisation anerkannt sein. Obwohl die staatlichen Schulen nicht zur religiösen Indoktrination, Bekehrung oder Zwangsassimilierung genützt werden können, gewährt das Konkordat mit der Georgisch Orthodoxen Kirche letzterer die Verbreitung ihrer Religion in Bildungseinrichtungen sowie die staatliche Finanzierung ihrer Religionsschulen (USDOS 10.8.2016). Zu den Privilegien der Georgisch Orthodoxen Kirche gehört auch die Immunität ihres Patriarchen. Die religiösen Minderheiten, wie Muslime, Zeugen Jehovas oder Baptisten, berichteten über Diskriminierungen und Feindseligkeiten, auch von georgisch-orthodoxen Priestern und Gläubigen, wobei der Staat unzureichend Schutz gewähre (FH 21.1.2016; vgl. HRC 2017). Religiös begründete Übergriffe oder Zusammenstöße sind in den Landesteilen mit ethnisch oder religiös stark gemischter Bevölkerung anzutreffen, also vor allem in den Grenzgebieten zur Türkei, Armenien und Aserbaidschan (AA 10.11.2016) Nils Muižnieks, der Menschenrechtskommissar des Europarats, berichtete mit Sorge, dass es seit seinem letzten Bericht aus dem Jahr 2014 weitere Streitfälle zwischen der religiösen Mehrheitsgruppe und den Minderheitsgruppen gab, vorwiegend hinsichtlich Eigentumsangelegenheiten und den Örtlichkeiten der Religionsausübung. Es kam hierbei zu Fällen von Intoleranz und Diskriminierung von religiösen Minderheiten. Gesprächspartner des Menschenrechtskommissars erwähnten auch Fälle von Druckausübung auf Schüler, die religiösen Minderheiten angehören. Manche Behördenvertreter und Lehrer an öffentlichen Schulen würden demnach nicht das Prinzip der religiösen Neutralität achten. Die 2014 gegründete staatliche Behörde für Religionsangelegenheiten scheint von den betroffenen Minderheiten nicht als geeignetes Mittel zur Bewältigung der Probleme und zur Entwicklung der Religionsfreiheit angesehen zu werden (CoE-CommHR1 2.1.2016).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (10.11.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* CoE-CommHR - Commissioner for Human Rights of the Council of Europe (12.1.2016): Observations on the human rights situation in Georgia: An update on justice reforms, tolerance and non-discrimination [CommDH(2016)2], https://rm.coe.int/CoERMPublicCommonSearchServices/DisplayDCTMContent?coeReference=CommDH(2016)2, Zugirff 27.2.2017

* FH - Freedom House (21.1.2016): Freedom in the World 2016 - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/327696/454796_en.html, 3.3.2017

* HRC - Human Rights Center (2017): Annual Reprot, State of Human Rights in Georgia 2016,

http://www.humanrights.ge/admin/editor/uploads/pdf/angarishebi/hridc/ANNNUAL2017-ENG.pdf, Zugriff 3.3.2017

* USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/328374/455650_en.html, 3.3.2017

Religiöse Gruppen

84% der Bevölkerung sind orthodox, 10% Moslems und 4% Anhänger der Armenisch- Apostolischen Kirche. Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen Ethnie, Religion und Heimatregion. Die meisten Georgier gehören der georgisch-orthodoxen Kirche an, einige - hauptsächlich ethnische Russen - gehören zu anderen orthodoxen Gruppen. Ethnische Aseris - meist Moslems - bilden eine Bevölkerungsmehrheit in der südöstlichen Region Kvemo-Kartli. Weitere Moslems sind die ethnisch georgischen Moslems in Adscharien und im Nordosten. Ethnische Armenier gehören meist zur armenisch-apostolischen Kirche und bilden eine Mehrheit in der südlichen Region Samtskhe-Javakheti. Katholiken, kurdische Yesiden, Griechisch-Orthodoxe und Juden machen weniger als 5% der Bevölkerung aus. Nicht-traditionelle religiöse Gruppen wie Baptisten, Zeugen Jehovahs, Pfingstbewegung und Hare Krishnas nehmen in der Zahl zu, machen aber weniger als 1% der Bevölkerung aus (USDOS 10.8.2016, vgl. auch CIA 12.1.2017).

Quellen:

* CIA - Central Intelligence Agency (12.1.2017): The World Fact Book - Georgia,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gg.html, Zugriff 3.3.2017

* USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/328374/455650_en.html, 3.3.2017

Bewegungsfreiheit

Es ist nach dem georgischen Recht illegal, Georgien von Russland über Südossetien oder Abchasien zu betreten, da es keine offizielle Grenzkontrolle gibt. Wer auf diese Weise einreist, kann zu einer Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren bestraft werden. Wenn der Reisepass Ein- und Ausstiegsstempel von den separatistischen Behörden hat, können die georgischen Behörden dies als illegale Einreise über einen nicht anerkannten Grenzübertritt betrachten (Gov.UK 8.3.2017).

Bei der Ausreise aus Georgien erfolgt dem Anschein nach eine strenge Pass- und Identitätskontrolle. Ziel ist es, aufenthaltsrechtliche Verstöße, insbesondere aber mit Haftbefehl gesuchte Straftäter zu identifizieren. Die wiederholten Festnahmen von Personen, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden, lassen eine gründliche Durchführung von Kontrollen erkennen (AA 10.11.2016).

Das Gesetz sieht Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Auswanderung und Rückkehr von Bürgern vor, aber die de facto-Behörden in Abchasien und Südossetien beschränken diese Freiheit. Die südossetischen Behörden führten im Dezember 2016 einen neuen ab 1.1.2017 gültigen Grenzübertrittausweis ein, der drei Jahre gültig sein soll. Die abchasischen Behörden erlauben folgenden Personengruppen das passieren der georgisch-abchasischen Grenze:

Inhaber abchasischer und sowjetischer Reisepässe, Form-Nr. 9-Passierscheine, Angestellte mit georgischen oder internationalen Pässen des grenznahen Wasserkraftwerkes Enguri, Kinder unter 14 Jahren, zumeist ethnischen GeorgierInnen aus dem Bezirk Gali sowie georgische StaatsbürgerInnen, die eine offiziell bestätigte Einladung aus Abchasien besitzen. Während es seitens der georgischen Behörden keine Einschränkungen für internationale humanitäre Organisationen hinsichtlich des Zutritts nach Abchasien und Südossetien gibt, schränken russische, südossetische und abchasische Behörden internationale Organisationen in Bezug auf ihre Bewegungsfreiheit ein. Beschränkungen betreffen vor allem die lokale Bevölkerung hinsichtlich der medizinischen Versorgung, der Bildung, des Pensionswesens und der Gottesdienste (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (10.11.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* Gov.UK (20.3.2017): Foreign travel advice - Georgia, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/georgia/safety-and-security, Zugriff 20.3.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016,

http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 10.3.2017

Grundversorgung und Wirtschaft

Bedingt durch den Aufschwung im Finanz-, Immobilien-, Transport- und Bausektor verzeichnete Georgien Wachstumsraten in zum Teil zweistelliger Höhe. Der Krieg zwischen Georgien und Russland 2008 sowie die globale Wirtschafts- und Finanzkrise führten allerdings zu einem neuerlichen Einbruch. Daraufhin sagte die internationale Gebergemeinschaft Hilfszahlungen in der Höhe von insgesamt 4,5 Milliarden US-Dollar zu. Die georgische Währung hat seit November 2014 gegenüber dem US-Dollar stark an Wert verloren (über 30 Prozent). Ursachen dafür sind der aktuell sehr starke Dollar, der Rückgang von Devisenzuflüssen aufgrund geringerer Exporte und steigender Importe sowie geringeren Direktinvestitionen aus dem Ausland. Auch die Rücküberweisungen der georgischen Diaspora vor allem aus Russland gingen deutlich zurück (ca. um 30 Prozent). Die Nationalbank Georgiens versuchte, die Sicherung der Preisstabilität mit einer strafferen Geldpolitik zu gewährleisten. Die Abwertung der Georgischen Währung gegenüber dem US-Dollar ging weiter und hatte Ende November 2016 den historischen Tiefpunkt erreicht. Trotz der beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung seit 2003 sind große Teile der georgischen Bevölkerung unterbeschäftigt oder arbeitslos und verarmt. Die offizielle Arbeitslosenquote lag 2014 bei 12,4 % und 2015 bei 12%. 10,1% der GeorgierInnen leben in Armut. Vor allem die BewohnerInnen der ländlichen Gebiete in de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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