TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/18 W261 2170290-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.04.2019
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Entscheidungsdatum

18.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W261 2170290-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.08.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 24.11.2015 in die Republik Österreich ein und stellte am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 25.11.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari an, dass er aus Kunar stamme. Er habe Afghanistan verlassen, weil seine zwei Brüder für eine amerikanische Firma gearbeitet hätten. Dadurch hätten die Taliban die Familie bedroht. Seine beiden Brüder seien nach Amerika gegangen, er sei nach Österreich geflohen.

Der BF teilte am 17.01.2017 mit, dass er für seine weiteren Einvernahmen einen Dolmetscher der Sprache Paschtu haben möchte. Falls dies nicht möglich sei, sei er damit einverstanden, dass seine Einvernahme am 25.01.2017 in Dari stattfinde.

Am 25.01.2017 erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge belangte Behörde) im Beisein einer Vertrauensperson sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Er gab an, er sei in der Provinz Kunar geboren, er spreche Hindu, Urdu, Englisch, Balotschi, Paschtu, Dari und etwas Deutsch. Er habe 12 Jahre lang in Kabul eine Schule besucht, die er 2012 mit Matura abgeschlossen habe. Er habe sodann bei Technologie Firmen gearbeitet. Seine Kernfamilie würde in Pakistan leben, er habe noch Verwandte in Afghanistan. Sein bester Freund lebe nach wie vor in Afghanistan. Er habe Afghanistan verlassen, weil sein Leben in Gefahr gewesen sei. Seine beiden Brüder hätten für die NATO als Dolmetscher gearbeitet, und er selbst sei für eine Technologiefirma tätig gewesen. Deshalb hätten ihn die Taliban in seinem Heimatdorf gefragt, weswegen er für Gottlose arbeite. Sie hätten seine Brüder ein paar Mal bedroht, weswegen diese Afghanistan verlassen hätten. Seine Brüder hätten den BF im Jahr 2011 nach Kabul gebracht, weil es im Heimatdorf zu gefährlich für ihn gewesen sei. Daraufhin hätten die Taliban angefangen, seinen Vater zu schlagen, weswegen er nach Pakistan gelaufen sei. Die Taliban hätten verlangt, dass die Familie Geld bezahlen solle, um Waffen zu kaufen. Dies hätte die Familie verweigert, weswegen sie zu Feinden der Taliban geworden seien. Das Haus und die Grundstücke der Familie seien jetzt in den Händen der Taliban. Er selbst sei persönlich nicht bedroht worden, jedoch hätten ein paar Unbekannte bei seiner Firma angerufen und hätten nach dem BF gefragt. Er habe extra in der Firma bekannt gegeben, dass niemand seine Adresse haben dürfe. Jedoch sei sein Vater bedroht worden, die Taliban hätten sich auch bei ihm nach dem BF erkundigt. Er sei auf Urlaub in seinem Heimatort gewesen, als die Taliban zum Haus gekommen seien und den BF gesucht hätten, woraufhin der BF sofort geflohen sei. Der BF legte eine Reihe von Integrationsunterlagen und Arbeitsbestätigungen aus Afghanistan vor.

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, der BF habe eine Furcht vor Verfolgung durch die Taliban nicht glaubhaft gemacht. Er sei in seinem Herkunftsstaat weder politisch tätig gewesen, noch vorbestraft. Er hatte keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit noch aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe. Er habe auch keine Probleme mit Privatpersonen gehabt.

Es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF einer konkreten persönlichen asylrelevanten Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt gewesen sei, bzw. eine solche zukünftig zu befürchten hätte. Zudem bestehe für den BF eine taugliche innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative. Der BF sei volljährig, gesund und arbeitsfähig und könne seinen Lebensunterhalt in Kabul bestreiten. Er liefe nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse nicht befriedigen zu können und in eine aussichtlose Lage zu geraten. Er habe Verwandte und ein soziales Netz in Afghanistan.

Der BF erhob mit Eingabe vom 28.08.2017, bevollmächtigt vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen diesen Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte begründend aus, dass die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei. Sie habe unzureichende Länderfeststellungen getroffen. Der BF verwies auf eine Reihe von zitierten Länderinformationen aus welchen hervorgehen, dass es ihm aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der schlechten Versorgungslage nicht möglich und zuzumuten sei, nach Afghanistan zurückzukehren. Die belangte Behörde habe auch eine urnichtige Beweiswürdigung und eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgenommen. Dem BF drohe aufgrund einer ihm von den Taliban unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung asylrelevante Verfolgung durch die Taliban. Es bestehe keine Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative, weswegen die belangte Behörde dem BF Asyl zu gewähren gehabt hätte. Jedenfalls wäre dem BF subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen, weil dem BF allein schon aufgrund der prekären Sicherheitslage in Afghanistan im Falle seiner Rückkehr eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten drohe. Es wäre dem BF nicht möglich, unbemerkt von den Taliban einzureisen, und er werde keine Arbeit finden und könne sich keine Existenzgrundlage aufbauen. Eine Rückkehrentscheidung würde einen unzulässigen Eingriff in das Privatleben des BF bedeuten, weswegen diese jedenfalls gegen Artikel 8 EMRK verstoßen würde und demgemäß unzulässig sei. Es werde beantragt, der Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung stattzugeben. Der BF legte die Anmerkungen der UNHCR Richtlinie zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016 ebenso vor, wie einen Artikel von Fredericke Stahlmann vom März 2017 aus dem Asylmagazin.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 11.09.2017 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.

Die belangte Behörde entschuldigte ihr Fernbleiben bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung mit Schreiben vom 22.11.2017.

Das BVwG führte am 20.02.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Der BF wurde im Beisein seines Rechtsvertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Afghanistan Stellung zu nehmen. Der BF legte eine Reihe von Integrationsunterlagen, medizinischen Befunden, Bestätigungen hinsichtlich seiner Brüder vor.

Das BVwG legte im Rahmen der Verhandlung die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan, genauer das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 30.01.2018, den EASO Bericht über afghanische Netzwerke, Stand Jänner 2018 und den Landinfo Bericht über den Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne, vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Der BF, bevollmächtigt vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, führte in seiner Stellungnahme vom 22.03.2018 im Wesentlichen unter Zitierung diverser Länderinformationsquellen aus, dass die Sicherheitslage in Afghanistan sehr kritisch sei und sich auch massiv verschlechtert habe. Die Situation der Rückkehrer sei ohne familiäre und/oder soziale Netzwerke sehr schwierig, zumal der Zugang zu Wohnraum, Arbeit und Lebensmitteln sehr beschränkt sei. Der BF habe mittlerweile lange im Ausland gelebt und habe eine westliche Lebenseinstellung angenommen. Der BF werde auch aufgrund des Umstands, dass auch seine Eltern bereits Afghanistan verlassen hätten, mit einer Situation der sozialen Exklusion konfrontiert sein. Der BF falle unter mehrere Risikoprofile der UNHCR Richtlinie, insbesondere werde er von den Taliban verfolgt, die auch in Kabul Schattengouverneure hätten. Der BF sei gesundheitlich beeinträchtigt, es werde abgeklärt, ob der BF an TBC leide. Es werde daher beantragt, ihm Asyl bzw. jedenfalls subsidiären Schutz zu gewähren. Der BF legte dem Schreiben eine Aufforderung der Stadt XXXX vor, sich einer Lungenröntgenkontrolle gemäß Tuberkolosegesetz zu unterziehen. Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

Das BVwG übermittelte den Parteien des Verfahrens mit Schreiben vom 27.02.2019 das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 31.01.2019, die aktuelle UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018 und Auszüge aus den EASO Leitlinien vom Juni 2018 und räumte die Möglichkeit ein, hierzu eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Der BF führte in seiner Stellungnahme vom 11.03.2019, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH im Wesentlichen aus, dass die gesamte Familie des BF Afghanistan aufgrund der Einstellung und der Tätigkeiten der Brüder des BF und des BF verlassen habe. Der BF lebe seit Jahren im Ausland und habe mittlerweile eine liberale Lebenseinstellung eingenommen. Daher zähle er laut UNHCR zu einem der Risikoprofile, und es drohe ihm, deswegen von regierungsfeindlichen Kräften angegriffen zu werden. Seine Kernfamilie sei in Pakistan, seine beiden Brüder würden in Amerika leben und dem Rest seiner Verwandten würde er nicht vertrauen, er befürchte sogar, dass diese ihn an die Taliban verraten würden. Eine Rückkehr in seine Herkunftsregion sei unmöglich, und eine innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative stünde dem BF, wie die zahlreichen zitierten Länderinformationen belegen würden, nicht zur Verfügung, weil neben der prekären Sicherheitslage auch keine Versorgungssicherheit gewährleistet sei. Insbesondere sei es dem BF auch nicht möglich, nach Kabul zurückzukehren. Der BF habe sich sehr gut in Österreich integriert, er habe mit Wirksamkeit ab 01.01.2019 ein Gewerbe im Botendienst angemeldet und sei für XXXX tätig und habe daraus bereits Einkommen erwirtschaftet. Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

Das BVwG führte am 17.04.2019 eine Abfrage im GVS System durch, wonach der BF seit 26.11.2015Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bezieht.

Aus dem vom BvWG am 17.04.2019 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass der BF im Strafregister der Republik Österreich für den BF keine Verurteilungen aufscheinen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Der BF führt den Namen XXXX geboren am XXXX , im Dorf XXXX im Distrikt XXXX , in der Provinz Kunar, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, ist sunnitischer Moslem, gesund und ledig. Die Muttersprache des BF ist Paschtu. Der BF spricht neben seiner Muttersprache auch Dari, Hindu, Urdu, Belutschi, Englisch und Deutsch. Der BF ist ledig und hat keine Kinder.

Der BF wuchs in seinem Heimatdorf auf und besuchte dort bis zur 11. Klasse die Schule. Danach nahmen ihn seine Brüder mit nach Kabul, wo er die 12. Klasse in der XXXX mit Matura abschloss. Er war in weiterer Folge ca. sechs Monate arbeitslos, bevor er bei der in der Zeit vom 20.06.2012 bis zum 31.08.2014 Firma XXXX in der Marketingabteilung arbeitete. Nachdem die Projekte, die der BF bei dieser Firma bearbeitete, nicht weitergeführt wurden, konnte diese ihn nicht länger beschäftigen. In der Zeit vom 09.09.2014 bis zum 09.09.2015 war er bei der Firma XXXX ebenfalls in der Marketingabteilung beschäftigt. Der BF ist Zivilist.

Der Vater des BF heißt XXXX . Seine Mutter heißt XXXX . Der BF hat Geschwister, zwei Brüder und zwei Schwestern. Die zwei Brüder des BF leben seit 2014 bzw. seit 2015 legal in Amerika, eine der Schwestern des BF ist in Afghanistan verheiratet. Die Eltern und die jüngere Schwester des BF leben in Pakistan. Der BF hat regelmäßigen Kontakt mit seiner Familie.

Die beiden Brüder des BF waren vor ihrer Ausreise nach Amerika jeweils als Dolmetscher für in Ausländer tätig.

Die Familie des BF ist Eigentümerin eines Hauses und von Grundstücken im Heimatdorf des BF. Die wirtschaftliche Lage der Familie des BF ist gut.

Der BF hat Verwandte in Afghanistan, zwei Onkel väterlicherseits, die in der Provinz Nangarhar leben, und vier Onkel mütterlicherseits, die in der Provinz Kunar leben. Seine Verwandten haben eigene Grundstücke und leben von den landwirtschaftlichen Erträgnissen dieser Grundstücke.

Der BF hat viele Freunde in Afghanistan.

Der BF reiste im September aus Afghanistan aus und gelangte über den Iran, die Türkei über Griechenland und weitere Staaten nach Österreich, wo er am 24.11.2015 illegal einreiste und am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der BF ist weitgehend gesund, er leidet phasenweise an Spannungskopfschmerzen und an Hautveränderungen an der linken Fußsohle.

1.2 Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Das vom BF dargelegte Fluchtvorbringen betreffend die ihn persönlich betreffende Gefahr, aufgrund der Tätigkeiten seiner beiden Brüder als Dolmetscher für Ausländer bzw. aufgrund seiner eigenen Tätigkeit für Technologiefirmen von den Taliban bedroht und getötet zu werden, ist nicht glaubhaft.

Der BF war in seinem Heimatland Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.

Der BF wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht oder angegriffen, es droht ihm auch künftig keine psychische und/oder physische Gewalt von staatlicher Seite, und/oder von Aufständischen, und/oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat.

Es ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass konkret der BF auf Grund der Tatsache, dass er sich seit dreieinhalb Jahren in Europa aufhält bzw. dass jeder afghanische Staatsangehörige, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre. Ebenso wenig kann mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner "westlichen Wertehaltung" psychische und/oder physische Gewalt drohen würde.

Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem BF in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.

1.3 Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im November 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezieht seit seiner Einreise bis 31.12.2018 Leistungen der vorübergehenden Grundversorgung.

Der BF besuchte Deutschkurse, zuletzt auf Niveau A2, Teil 2 und verfügt über sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Er ist Inhaber eines Freiwilligenpasses und arbeitete ehrenamtlich bei diversen Projekten mit, indem er Hilfstätigkeiten wie Sesselaufstellen, Kekse backen und Abbauarbeiten bei Konzerten ausführte. Er arbeitete freiwillig bei der Gemeinde, half in privaten Haushalten bei Gartenarbeiten und kleinen Bauarbeiten, kümmerte sich um Geflügel. Er spielt in seiner Freizeit Volleyball und Fußball. Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des BF in Österreich festgestellt werden.

Der BF wechselte Ende Dezember 2018 das Bundesland und hat seinen Hauptwohnsitz von XXXX nach XXXX verlegt, weswegen er aus der vorübergehenden Grundversorgung entlassen wurde.

Der BF meldete am 21.12.2018 in XXXX ein Gewerbe für Botendienste ab 01.01.2019 an. Er war zumindest im Monat Jänner 2019 für XXXX als Bote tätig und bezog aus dieser Tätigkeit ein Einkommen.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.4 Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Kunar aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der dort stattfinden willkürlichen Gewalt im Rahmen von internen bewaffneten Konflikten ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Dem BF steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF droht bei seiner Rückkehr in diese Stadt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Der BF ist jung, tüchtig und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, sodass er im Falle der Rückkehr - neben den eigenen Ressourcen - auf eine zusätzliche Unterstützung zur Existenzsicherung greifen kann. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Er hat eine 12-jährige Schulausbildung, weiters hat er bereits mehrjährige Berufserfahrung in Marketingabteilungen für Technologiefirmen gesammelt, die er auch in Mazar-e Sharif wird nutzen können. Er hat auch in Österreich bereits ein Gewerbe für Botendienste ab 01.01.2019 angemeldet und hat auch in diesem Bereich schon Berufserfahrungen gesammelt. Der BF spricht mehrere Sprachen, die er ebenfalls wird nutzen können.

Der BF ist weitgehend gesund. Der BF läuft im Falle der Rückkehr in eine nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

1.5 Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 30.01.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 und den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 und in der Arbeitsübersetzung Landinfo Report "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.5.1 Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

1.5.1.1 Herkunftsprovinz Kunar

Die Provinz Kunar befindet sich in Ostafghanistan. Sie grenzt im Norden an die Provinz Nuristan, im Süden an die Provinz Nangarhar, im Westen an die Provinz Laghman und im Osten an die Durandlinie.

Kunar hat folgende Distrikte: Asadabad, Khas Kunar/Khaskunar, Noorgul/Noorgul, Sawkai/Chawki, Narang, Sarkano/Sarkani, Marawar/Marawara, Shigal/Shigal Wa Sheltan, Dangal/Dangam, Asmar, Ghazi Abad/Ghaziabad, Nari, Watapur, Chapa Dara/Chapadara und Dara-e-Pech/Pech; die Provinzhauptstadt ist Asadabad. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 465.706 geschätzt. In der Provinz leben Teilstämme der Paschtunen und Nuristani.

In den ersten zwei Monaten des Jahres 2018 zählte Kunar zu den relativ volatilen Provinzen Ostafghanistans: Aufständische der Taliban und des IS waren in einigen Distrikten aktiv. Verlautbart wurde auch, dass al-Qaida-Aufständische in einigen Distrikten aktiv sind.

Kunar gehört zu den Provinzen, in denen sicherheitsrelevante Vorfälle bedeutend waren. Auch zählt Kunar zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam. Obwohl die Anzahl der Gefechte in Kunar zunahm, wurden in der Provinz weniger zivile Opfer in Folge von Bodenoffensiven registriert. Im Zeitraum 01.01.2017-30.04.2018 wurden in der Provinz 120 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Kunar 224 zivile Opfer (70 getötete Zivilisten und 154 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gezielte Tötungen und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 43% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien. Dabei werden u.a. Taliban und IS-Kämpfer getötet. Im Rahmen von Luft- bzw. Drohnenangriffen werden Aufständische getötet. Auch wurden Anführer des IS in Afghanistan getötet. Im Rahmen von Luftangriffen wurden auch Mitglieder der pakistanischen Taliban Tehreek-e-Taliban (TTP) getötet. Unter ihnen befand sich der Sohn des pakistanischen TTP-Chefs Mullah Fazlullah. In der der Provinz kam es zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen. Pakistanische Sicherheitskräfte feuern Granaten und Mörser auf die Provinz Kunar ab. Betroffen sind die Distrikte Asmar, Shigal wa Sheltan, Marwara, Sarkano, Dangam, Nari und Khaskunar. Zahlreiche Familien mussten Ende 2017 aus den betroffenen Distrikten flüchten.

Unterschiedliche terroristische Organisationen sind in der Provinz in abgelegenen Distrikten aktiv; zu diesen Gruppierungen zählen die Taliban, der IS und auch al-Qaida. Konflikte zwischen aufständischen Gruppierungen fanden statt. In der Provinz sind Taliban-Kämpfer aktiv, insbesondere Mitglieder der TTP, einer Taliban Gruppierung deren Kämpfer aufgrund von Angriffen der pakistanischen Streitkräfte aus Pakistan in die Grenzprovinzen Ostafghanistans geflüchtet sind. Die TTP hat in der Vergangenheit enge Kontakte zu al-Qaida gepflegt. Die konkrete Mitgliederanzahl der al-Qaida, unter anderem in der Provinz Kunar, ist umstritten.

Die konkrete Anzahl von IS-Kämpfern in Kunar ist nicht bekannt, Schätzungen zufolge soll es sich um einige Hunderte handeln. Die afghanische Regierung wurde bezichtigt, landesweit die Zahlen zu IS-Kämpfern aufzublähen. Die IS-Kämpfer in der Provinz Kunar sollen angeblich von Ausländern ausgebildet werden. IS-Anführer hatten im Juli 2017 in der Provinz Kunar, im Distrikt Shigal wa Sheltan, ihren Stützpunkt. Berichten zufolge sollen Sympathisanten des Islamischen Staates angefangen haben, in der Provinz Kunar Mitglieder zu rekrutieren; die Zielgruppe der Rekrutierungen sind insbesondere die zahlreichen arbeitslosen Jugendlichen. Trotzdem ist fraglich, ob der IS tatsächlich Kontrolle in der Provinz Kunar ausübt.

Die Provinz Kunar zählt laut EASO zu jenen Provinzen Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr festgestellt werden kann, dass der BF ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte - vorausgesetzt, dass er aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse von derartigen Risikofaktoren konkret betroffen ist.

1.5.1.2 Provinz Balkh

Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar-e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.04.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.

1.5.2 Sichere Einreise

Die Stadt Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar.

Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.

1.5.3 Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant.

1.5.3.1 Wirtschafts- und Versorgungslage der Provinz Kunar

In Kunar stieg die Opium-Produktion im Jahr 2017 (+358 Hektar), wenngleich nicht so stark wie in der Provinz Nangarhar. Insgesamt wurden im selben Jahr in Kunar 31 Hektar an Opiumfeldern umgewidmet.

1.5.3.2 Wirtschafts- und Versorgungslage der Stadt Mazar-e Sharif

Mazar-e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar-e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar-e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keinerlei Lebensmittelknappheit. In Mazar-e Sharif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden.

1.5.4 Medizinische Versorgung

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar-e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. In Mazar-e Sharif zählt dazu das Alemi Krankenhaus. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.

1.5.5 Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pasht. Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.

Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben.

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen.

1.5.6 Religion

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten, wie es auch der BF ist.

1.5.7 Rückkehrer

In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

1.5.8 Terroristische und aufständische Gruppierungen

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Dolmetscher, die für feindliche Länder arbeiten. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Die Chance zu bereuen, ist ein wesentlicher Aspekt der Einschüchterungstaktik der Taliban und dahinter steht hauptsächlich der folgende Gedanke: das Funktionieren der Kabuler Regierung ohne übermäßiges Blutvergießen zu unterminieren und Personen durch Kooperationen an die Taliban zu binden. Diese Personen können einer "Verurteilung" durch die Taliban entgehen, indem sie ihre vermeintlich "feindseligen" Tätigkeiten nach einer Verwarnung einstellen. Nach den Regeln der Taliban muss ein Kollaborateur gewarnt werden und die Gelegenheit erhalten, auf den richtigen Weg zurückzukehren, bevor er auf die schwarze Liste gesetzt wird.

Gelegentlich werden auch Familienangehörige zu Zielpersonen; es scheint, dass die Taliban diese Aktionen eingeschränkt haben, nachdem die Polizei und die Miliz als Vergeltungsmaßnahme die Familienangehörigen der Taliban verfolgten.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des BF beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens. Die Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Bereits die belangte Behörde wertete das Vorbringen des BF betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr als unglaubhaft. Sie ging davon aus, dass der BF seine Flucht schon lange geplant habe, wie er dies bei seiner Erstbefragung angab, und nicht, wie er bei seiner Ersteinvernahme aussagte, sich kurzfristig zur Ausreise entschlossen habe. Daher ging die belangte Behörde auch davon aus, dass der Überfall durch die Taliban nicht stattgefunden habe und der BF in seinem Herkunftsstaat keine Bedrohung zu befürchten habe.

Das BVwG schließt sich dieser Argumentation der belangten Behörde nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung und nach Einholung von weiteren Stellungnahmen des BF aus folgenden Gründen an:

Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das BVwG können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.

Es wird im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung des BF nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog, und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden. So gab der BF zu seinen Fluchtgründen befragt bei der Erstbefragung an: "Meine zwei Brüder arbeiteten in Afghanistan in einer amerikanischen Firma dadurch bedrohten uns die Taliban, weil sie ja für den Feind gearbeitet hatten. Dadurch gingen meine 2 Brüder in die USA und ich nach Österreich. Das ist alles."

(vgl. AS 9f) Der BF erwähnte den vorgeblichen Überfall durch die Taliban auf sein Elternhaus, welcher der Anlass für die Ausreise gewesen sein soll, mit keinem Wort, wiewohl - sofern dieser Vorfall stattfand - dieser als fluchtauslösendes Ereignis durchaus einschneidend gewesen sein müsste. Zudem soll sich dieser Vorfall ca. zwei Monate vor der Erstbefragung des BF zugetragen haben, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Erinnerungen daran noch frisch gewesen sein müssten. Aus diesem Grund ist es nicht nachvollziehbar, weswegen der BF den vorgeblichen Vorfall nicht erwähnte, sofern dieser tatsächlich stattgefunden hätte.

Dafür, dass der BF seine Ausreise bereits längerfristig geplant hatte, spricht auch, dass er das Geld für den Schlepper von seinen Brüdern bekommen hat (vgl. AS 59). Dies passt nicht damit zusammen, dass der BF quasi "Hals über Kopf" flüchten musste, wie er dies sowohl der belangten Behörde als auch dem BVwG schilderte.

Auch hinsichtlich der behaupteten persönlichen Bedrohung des BF durch die Taliban verstrickt sich der BF in Widersprüche. So behauptet er bei der Ersteinvernahme vor der belangten Behörde Folgendes: "Ich habe bei der Firma XXXX gearbeitet und deshalb haben die Taliban, welche in XXXX waren, mich gefragt, warum ich für Gottlose arbeite." (vgl. AS 61) Auf die Frage der belangten Behörde, ob er persönlich auch bedroht worden sei, antwortete der BF: "Ein paar Unbekannte haben bei der Firma XXXX nach mir gefragt, ob ich dort arbeite und wollten wissen, wo ich bin. Ich habe extra in der Firma gesagt, dass niemand meine Adresse haben darf" (vgl. AS 62) Nachgefragt, ob dies die einzige persönliche Bedrohung gewesen sei, gab der BF an: "Persönlich wurde ich nie bedroht, aber bei meinem Vater haben die Taliban auch öfter nach mir gefragt. Sie haben gesagt, dass mein Vater schon zwei seiner Söhne zur Flucht verholfen hat, und wo sein 3. Sohn, also ich, bin." (vgl. AS 63) Auch vor dem BVwG führte der BF bei seiner Einvernahme Folgendes aus: "Einen persönlichen, telefonischen Kontakt haben die Taliban mit mir nicht aufgenommen. Jedoch hatte ich ständig Angst, dass sie mich erwischen. Ich habe mich auch bei dem Projekt für die Aufnahme der Flüchtlinge in Amerika angemeldet. Aus diesem Grund habe ich mir Tazkira und Reisepass ausstellen lassen. Jedoch konnte ich nicht mehr auf den Abschluss des Prozesses warten. Anschläge wurden verübt. Die Angst wurde größer. Dann passierte der Vorfall, und ich musste schließlich flüchten." (vgl. S 17 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung.

Aus diesen Angaben des BF ergibt sich zweifelsfrei, dass er nie persönlich von den Taliban kontaktiert oder bedroht wurde. Zudem bestätigt die letzte zitierte Aussage des BF auch, dass er seine Ausreise schon länger plante, und es vorgezogen hätte, nach Amerika auszuwandern, wie diese seine beiden Brüder bereits gemacht hatten.

Auch der Versuch des BF, der erkennenden Richterin zu erläutern, weswegen ausgerechnet er von den Taliban gesucht werde, misslang. So gab der BF bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, dass die Taliban ihn gesucht hätten, weil er bei den beiden Unternehmen gearbeitet habe. Er sei von seinen Verwandten verraten worden. Es sei den Taliban gesagt worden, dass der BF in einem privaten Unternehmen für Ungläubige arbeite (vgl. S 16 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Über Nachfragen der erkennenden Richterin räumte der BF ein, dass beide Firmen, in welchen er arbeitete, afghanische Eigentümer haben (vgl. S 17 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Laut den dieser Entscheidung zugrundeliegenden Länderinformation sind Personen, die bei afghanischen Firmen arbeiten, nicht im Visier der Taliban. Es mag zwar sein, dass die Taliban finanzielle Unterstützung von der Familie des BF hätten haben wollen (vgl. S 17 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung), fest steht jedoch, dass der BF selbst nie Kontakt mit den Taliban hatte.

Auch den Vorfall, der der Anlass für seine Flucht gewesen sein soll, vermochte der BF nicht glaubhaft und erlebnisbasiert zu schildern. Er macht zu diesem Vorfall sowohl bei seiner Ersteinvernahme (vgl. AS 61) als auch bei seiner Einvernahme vor dem BVwG vage und unkonkrete Angaben (vgl. S 8 und S 16 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Es kann von einem gebildeten Mann, wie es der BF ist, erwartet werden, dass er ein derart einschneidendes Erlebnis, welches letztendlich zur Flucht und zum Verlassen seines Elternhaus geführt haben soll, so schildert, dass es für jeden Außenstehenden nachvollziehbar ist, sofern er dies tatsächlich erlebte. Der BF schildert keine Details zu diesem Vorfall, was auch dafür spricht, dass es sich hierbei um ein Konstrukt handelt, welches dazu dienen soll, um seine vorgebliche Furcht vor den Taliban zu untermauern.

Es ist grundsätzlich glaubhaft, dass die beiden Brüder des BF für Ausländer als Dolmetscher tätig waren, und diese aus diesem Grund die Möglichkeit hatten, in die USA auszuwandern. Dolmetscher können laut UNHCR und auch laut den zitierten Länderinformationen aus dem Landinfo Report ins Visier der Taliban geraten. Beide Brüder haben sich dem Einfluss der Taliban entzogen, sodass die Taliban deren Ziel erreicht haben, und von einer weiteren Verfolgung der Brüder absehen werden. Es ist jedoch durch die Länderinformationen nicht belegt, dass ein Mann, dessen Brüder als Dolmetscher tätig waren, aus diesem Grund ins Visier der Taliban gerät. Dies wird auch faktisch dadurch bestätigt, dass der BF ab dem Jahr 2011 bis zu seiner Ausreise im September 2015 unbehelligt in Kabul lebte und es ihm nach seinen eigenen Angaben sehr gut ging (vgl. S 11 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung).

Auffällig ist auch, dass der BF im Herbst 2015, zur Zeit der großen Flüchtlingswelle, aus Afghanistan ausreiste. Offensichtlich wollte er die Chance der offenen Grenzen dazu nutzen, um zu seinen Freunden, die es bereits geschafft hatten, nach Österreich zu kommen, zu gelangen. Dazu führte der BF bei seiner Ersteinvernahme vor der belangten Behörde Folgendes aus: "Ich wollte nach Österreich. Meine Freunde sind alle schon in Österreich." (vgl. AS 58).

Im Gesamtzusammenhang betrachtet ist daher nicht davon auszugehen, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Übergriffe durch die Taliban drohen.

Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des BF aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Asylantragstellung sowie seiner rechtswidrigen Ausreise beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten bzw. wurde vom BF auch keine über die oben dargestellten Fluchtgründe hinausgehende drohende Verfolgung substantiiert vorgebracht.

Der BF bringt in seiner Beschwerde und seinen schriftlichen Stellungnahmen unter anderem vor, dass er zu den Personen zähle, die vermeintlich Werte oder ein Erscheinungsbild angenommen hätten, die mit westlichen Ländern in Verbindung gebracht werden würden, welche nach den UNHCR-Richtlinien als "verwestlicht wahrgenommene" Personen ein sogenanntes potentielles Risikoprofil haben würden, und er deshalb von regierungsfeindlichen Kräften angegriffen werden würde. Dazu ist festzuhalten, dass sich der BF erst seit November 2015 in Österreich aufhält und aufgrund der Kürze dieses Aufenthalts in Zusammenhang mit dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nicht davon ausgegangen wird, dass der BF eine "westliche Lebenseinstellung" in einer solchen Weise übernommen hätte, dass er alleine deshalb bei einer Rückkehr einer Verfolgungsgefährdung ausgesetzt wäre. Aus den Länderberichten zu Afghanistan lässt sich nicht entnehmen, dass per se jeder Rückkehrer aus Europa, aus diesem Grund einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Der BF selbst brachte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG auch nichts Diesbezügliches vor, und ist es auch seiner Rechtsvertretung weder in der Beschwerde noch seinen Stellungnahmen gelungen, eine derartige Verfolgung im Einzelfall glaubhaft zu machen, weswegen die entsprechende Feststellung zu treffen war.

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bereits richtig anführte, gibt es beim BF abseits dieser oben genannten Fluchtgründe keine besonderen Vulnerabilitäten des BF, die eine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan wahrscheinlich erscheinen lassen. Der BF ist als Paschtune und Sunnit Teil der Mehrheitsbevölkerung Afghanistans, er war nach seinen eigenen Angaben nie politisch aktiv, er brachte auch keine konkret seine Person betreffenden geschlechtsspezifischen Verfolgungsgefahren vor.

2.3 Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Betreffend das Privatleben und insbesondere die Integration des BF in Österreich wurden dessen Angaben in der Beschwerdeverhandlung sowie die vorgelegten Unterlagen den Feststellungen zugrunde gelegt.

Die Feststellung der Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.4 Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Rückkehr des BF nach Afghanistan ergeben sich aus den o.a. Länderfeststellungen unter Berücksichtigung des vom BF in seiner Beschwerde, in seinen Stellungnahmen zur Gefährdungslage in Afghanistan diesbezüglich angeführten Länderberichtsmaterials in Zusammenschau mit den vom BF glaubhaft dargelegten persönlichen Umständen.

Im Einklang mit seinen Stellungnahmen kommt die erkennende Richterin unter Berücksichtigung der aktuellen Länderinformationen, wonach die Provinz Kunar zu den relativ instabilen Provinzen im Osten Afghanistans zählt, zum Ergebnis, dass ihm eine Rückkehr in diese Provinz allein schon aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich ist.

Entgegen den Ausführungen des BF in seinen Stellungnahmen ist es ihm hingegen möglich, in die Stadt Mazar-e Sharif als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative zurückzukehren. Mazar-e Sharif ist, wie aus den zitierten Länderfeststellungen zu entnehmen ist, für Zivilisten, wie es der BF ist, weitgehen sicher, sodass der BF bei einer Rückkehr in diese Stadt mit keinen Eingriffen in seine körperliche Unversehrtheit zu rechnen hat. Sein Fluchtvorbringen wird, wie schon oben ausgeführt, als nicht glaubhaft erachtet, woraus sich ergibt, dass der BF im Falle einer Rückkehr nicht Gefahr laufen wird, aus einer individuellen Bedrohung ernsthaft Schaden zu nehmen. Eine Reise nach Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher und legal möglich, die Kosten für die Anreise werden ihm im Rahmen der Rückkehrhilfe grundsätzlich ersetzt.

Die Feststellungen, dass der BF in der Lage sein wird, in Mazar-e Sharif für seine grundlegendsten Bedürfnisse selbst aufzukommen, obwohl er keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte in dieser Stadt hat, ergeben sich aus seinen eig

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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