Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin MMag. C*****, vertreten durch Mag. Ferdinand Kalchschmid, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Antragsgegner 1. A*****, vertreten durch Dr. Stefan Geiler, Mag. Priska Seeber ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, 2. C*****, 3. G*****, 4. R*****, 5. M*****, und 6. T*****, wegen § 9 Abs 3 iVm §§ 52 Abs 1 Z 1 WEG, über den Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 19. Oktober 2018, GZ 3 R 155/18t-20, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1 Die Nutzwert-(neu-)festsetzung hat zwingenden Grundsätzen der Nutzwertberechnung zu entsprechen (§ 9 Abs 2 Z 1 WEG). Ausgangspunkt der Nutzwertberechnung müssen also die zwingenden einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und die – der Rechtslage entsprechende – Widmung sein (RIS-Justiz RS0083252). Die Verletzung zwingender Grundsätze begründet mangels Erwähnung in § 10 Abs 2 WEG einen nicht an eine Frist gebundenen Grund (dazu T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4, § 9 WEG Rz 31) zur gerichtlichen Neufestsetzung der Nutzwerte, und zwar auch dann, wenn das Abweichen von diesen Grundsätzen durch eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse herbeigeführt wurde oder die der Nutzwertfestsetzung widersprechende Rechtslage erst nachträglich hervorgekommen ist (RS0117709, RS0083169). Die falsche Einordnung in eine der wohnungseigentumsrechtlichen Kategorien (dazu § 2 Abs 2 bis Abs 4 WEG) ist ein solcher Verstoß (
RS0117710 [T3]; vgl auch Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 9 WEG Rz 10 und T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4, § 9 WEG Rz 32 je mwN).
1.2 Die Revisionsrekurswerberin erkennt selbst, dass es für die Nutzwertfestsetzung nicht nur auf die abstrakte Tauglichkeit von Objekten ankommt, sondern auf die konkrete (rechtskonforme) Widmung als Wohnungseigentumsobjekt, Zubehör-Wohnungseigentum oder allgemeinen Teil (dazu RS0114928 [T9]). Daher kann in einem Verfahren nach § 9 Abs 2 bzw Abs 3 WEG von der konkreten Widmung nicht abgegangen werden. Die Nutzwertfestsetzung hat die diesbezügliche vertragliche Einigung (den Widmungsakt) nachzuvollziehen (RS0083252; vgl auch 5 Ob 29/08p).
1.3 Fest steht, dass das dem Wohnungseigentumsobjekt W 9 der Antragstellerin zugeordnete Mansardenzimmer im Dachgeschoß in der Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 17. 3. 2016 entgegen der ursprünglichen Nutzwertentscheidung vom 16. 1. 1996 „aus dem Wohnungsverband der top 9 zur Gänze ausgeschieden wurde“, also bei der Neufestsetzung der Nutzwerte nicht als Zubehör-Wohnungseigentum gemäß § 2 Abs 3 WEG 2002 qualifiziert und entsprechend berücksichtigt wurde. Die Erstantragsgegnerin behauptet auch gar nicht, dass mit dem baulich von der Wohnung der Antragstellerin getrennten Zimmer keine ausschließlichen Nutzungsrechte verbunden sind, sondern beruft sich lediglich auf die (ursprünglich) fehlende, im Jahr 2015 erteilte Baubewilligung. Ob bei Errichtung des Zimmers eine baubehördliche Genehmigung vorlag, ist hier aber nicht von Relevanz (vgl RS0108548 [T1]), so dass sie auch keine Fehlbeurteilung des Rekursgerichts aufzeigen kann, das von einem Verstoß gegen zwingende Grundsätze bei der (Neu-)Festsetzung ausging, der ungeachtet der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 17. 3. 2016 eine neuerliche Festsetzung der Nutzwerte gemäß § 9 Abs 3 WEG erlaubt. Dass dabei auf die Rechtslage nach dem WEG 2002 abzustellen ist und die im Dachgeschoss gelegenen Zimmer wegen der räumlichen Trennung als Zubehör-Wohnungseigentum in die Nutzwertfestsetzung aufzunehmen sind, haben bereits die Vorinstanzen zutreffend dargelegt.
2.1 Wieso es eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 15 AußStrG) begründen soll, weil die Aussage der Erstantragsgegnerin weder der Entscheidung des Erstgerichts, noch jener der zweiten Instanz zugrunde gelegt wurde, ist nicht nachvollziehbar. In Wahrheit greift die Revisionswerberin damit ebenso in unzulässiger Weise die Feststellungen der Vorinstanzen an, wie mit ihrem Vorwurf, sie hätte zu den Vorbehalten eines anderen Mit- und Wohnungseigentümers zu der von ihr vorgenommenen Zusammenlegung von zwei Mansardenzimmern im Dachboden zu einer Kleinwohnung (nochmals) befragt werden müssen. Der Oberste Gerichtshof entscheidet auch im Verfahren außer Streitsachen nur als Rechts- und nicht als Tatsacheninstanz (RS0007236 [T3]; RS0108449 [T2]). Den Revisionsrekursgrund des § 66 Abs 1 Z 2 AußStrG spricht die Erstantragsgegnerin mit diesen Ausführungen nicht an.
2.2
Nach der Rechtsprechung besteht nur bei bloß bagatellhaften Umgestaltungen keine Genehmigungspflicht (RS0109247). Von einer solchen kann bei der von der Erstantragsgegnerin im Jahr 2004 vorgenommenen Zusammenlegung der ihren Wohnungen W 6 und W 8 zugeordneten zwei Zimmer im Dachgeschoß zu einer Kleinwohnung, wobei eine Trennwand abgebrochen, ein WC, ein Bad und drei Dachfenster eingebaut wurden, keinesfalls gesprochen werden. Soweit sie in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel ohne nähere Begründung geltend macht, dass die Voraussetzungen des § 16 Abs 2 WEG vorgelegen hätten, genügt es daher darauf zu verweisen, dass nach der Rechtsprechung bereits jede Änderung, die die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer mit sich bringen könnte, der Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer oder der Genehmigung durch den Außerstreitrichter in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG bedarf (RS0083132 [T7; T10]). Da gerade nicht feststeht, dass die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer diesen Baumaßnahmen zugestimmt haben, und sich die Erstantragsgegnerin auch auf keine gerichtliche Genehmigung berufen kann, begründet es auch keine Fehlbeurteilung des Rekursgerichts, wenn es die Ansicht des Erstgerichts bestätigte, diese Mansardenräume seien als Zubehör-Wohnungseigentum und nicht – wie von der Revisionswerberin angestrebt – als eigenständiges Wohnungseigentumsobjekt in die Neufestsetzung der Nutzwerte einzubeziehen.
3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 52 Abs 2 WEG).
Textnummer
E125194European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00248.18H.0425.000Im RIS seit
09.06.2019Zuletzt aktualisiert am
18.02.2020