Entscheidungsdatum
30.11.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L507 2169199-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.11.2018, Zl. IFA: XXXX VZ: XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 18.08.2015 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 19.08.2015 brachte der Beschwerdeführer vor, er sei Araber und Moslem. Vor ca. 20 Tagen habe er den Irak legal verlassen und sei über die Türkei und Griechenland nach Österreich gereist. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass er bei einer Bank als "Leibwächter" gearbeitet habe. Bei einem Überfall seien sie mit Waffen bedroht worden. Außerdem seien sie mit dem Tod bedroht worden, wenn sie zur Polizei gehen und aussagen würden. Die Polizei in Bagdad habe den Überfall auch aufgenommen. Er habe Angst, von den Leuten umgebracht zu werden.
Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 08.05.2017 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er schiitischer Moslem und Araber sei. Seine Eltern seien bereits verstorben. Mit diesen habe er bis zu deren Tod gemeinsam gewohnt. Danach habe er alleine in Bagdad gelebt. Er sei geschieden und habe keine Kinder. Sein Bruder und seine Schwester würden noch in Bagdad leben. Er habe Kontakt zu ihnen und es gehe ihnen gut. Der Beschwerdeführer habe sechs Jahre die Volksschule und zwei Jahre die Mittelschule besucht. 1986 sei er zur Armee gegangen und bis 1999 Soldat gewesen. Er habe im Kuwait-Krieg und im Iran-Krieg gekämpft. Danach habe er in einem Restaurant gearbeitet. Im Jahr 2014 habe er als Wachmann bei einer Bank begonnen. Er habe ca. 600 Dollar monatlich verdient und davon gut leben können. Am 03.08.2015 habe er den Irak legal verlassen.
Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass es jeden Sonntag einen Geldtransport von der Zentralbank gegeben habe. Am 23.07.2014 seien dabei der Beschwerdeführer und der Bankmanager auf dem Weg zurück zur Firma überfallen worden. Es seien 400.000 Dollar und 6 Millionen Dinar und ihre Handys gestohlen worden. Auch das Auto sei ihnen weggenommen worden. Sie hätten Anzeige bei der Polizei erstattet und etwa eine Woche später sei sein Chef angerufen und bedroht worden. Es sei nur in der Firma angerufen worden. Die Drohung habe allen Angestellten gegolten. Im Juli 2015 seien sie noch ein paar Mal bei Geldtransporten verfolgt, aber auf Grund des Verkehrs nicht erwischt worden. Die Geldtransporte seien weiterhin sonntags durchgeführt worden.
Mit Bescheid des BFA vom 10.08.2017, Zl. 15-1083235100-151120210/BMI-BFA_KNT_AST_01_TEAM_01, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß
§ 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Das BFA stellte in diesem Bescheid fest, dass der Beschwerdeführer irakischer Staatsangehöriger, Araber und schiitischer Moslem sei. Er sei geschieden und habe keine Kinder. Er sei gesund. Ein Großteil seiner Familie lebe nach wie vor im Irak. Er lebe von der Grundversorgung, habe einen Deutschkurs besucht und sei nicht Mitglied eines Vereins. Nicht festgestellt werden könne, dass er sein Heimatland aus wohlbegründeter Furcht vor einer Verfolgung habe verlassen müssen.
Beweiswürdigend wurde vom BFA ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich der behaupteten Verfolgung nicht glaubwürdig sei.
2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 16.01.2018, Zl. L524 2169199-1/5E, gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Dieses Erkenntnis wurde der Vertretung des Beschwerdeführers am 17.01.2018 zugestellt und erwuchs damit in Rechtskraft.
Das Bundesverwaltungsgericht stellte in diesem Erkenntnis fest, dass der Beschwerdeführer irakischer Staatsangehöriger sei und der Volksgruppe der Araber sowie der schiitischen Religionsgemeinschaft angehöre. Er sei illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist, wo er am 18.08.2015 einen Antrag auf internationale Schutz gestellt habe. Der Beschwerdeführer habe sechs Jahre die Volksschule und zwei Jahre die Mittelschule besucht. Von 1986-1999 sei er Soldat gewesen. Danach habe er in einem Restaurant gearbeitet. Ab dem Jahr 2014 habe er als Wachmann bei einer Bank gearbeitet. Er habe ungefähr $ 600 monatlich verdient und davon gut leben können. Der Beschwerdeführer sei in Bagdad geboren worden und habe dort bis zu seiner Ausreise aus dem Irak am 03.08.2015 gelebt. Er sei geschieden und habe keine Kinder. Seine Eltern seien bereits verstorben. Der Bruder des Beschwerdeführers und seine Schwester würden nach wie vor in Bagdad leben. Er habe Kontakt zu diesen und es gehe diesen gut.
Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag auf internationalen Schutz damit begründet, dass er im Juli 2014 bei einem Geldtransport überfallen worden sei. Daraufhin sei Anzeige bei der Polizei erstattet worden und sei es ca. eine Woche danach zu Drohungen gekommen. Dieses Vorbringen sei der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zugrunde zu legen. Darüber hinaus sei selbst unter Zugrundelegung dieses zentralen Vorbringens des Beschwerdeführers nicht von dessen Asylrelevanz auszugehen.
Ferner wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer einen Deutschkurs und einen Werte- und Orientierungskurs besucht habe. Er habe ein Begegnungscafé besucht und sei ehrenamtlicher Mitarbeiter bei " XXXX ". Der Beschwerdeführer beziehe Leistungen aus der Grundversorgung und sei strafrechtlich unbescholten.
Beweiswürdigend wurde vom Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass das BFA zu Recht davon ausgegangen sei, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, eine aktuelle individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung glaubhaft zu machen.
Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt sei vom BFA vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden, der immer noch die gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweise. Das BFA habe auch die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in der angefochtenen Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt und teile das Bundesverwaltungsgericht auch die tragenden Erwägungen im angefochtenen Bescheid. In der Beschwerde sei kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender und darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet worden. In der Beschwerde sei die Beweiswürdigung des BFA nicht bekämpft worden. Es sei lediglich das in der Einvernahme vor dem BFA erstattete Vorbringen wiederholt und vorgebracht worden, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen würden. Aus diesem Grund sei auch dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht zu folgen gewesen.
Der rechtlichen Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl nicht vorliegen würden, weil der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründen nicht habe glaubhaft machen können. Weiters wurde ausgeführt, dass es sich hinsichtlich der Gründe für die Verfolgung des Beschwerdeführers durch ihm unbekannte Personen, die ihn am 23.07.2014 bei einem Geldtransport überfallen und danach seinen Chef bedroht hätten und die Drohungen sich gegen alle Firmenangestellten richten würden, um eine befürchtete Verfolgung durch Privatpersonen aus nicht asylrelevanten Gründen handeln würde, weshalb diesem Vorbringen unter diesem Gesichtspunkt auch keine Asylrelevanz zukommen könne. Der geltend gemachten Furcht sei keine asylrelevante Verfolgungsfahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu entnehmen, weil es diesbezüglich an einem kausalen Zusammenhang zu einem Konventionsgrund (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politische Gesinnung) mangeln würde. Ein solcher Anknüpfungspunkt sei nicht ersichtlich und insbesondere auch den Ausführungen des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen. Aus dem Gesamtvorbringen des Beschwerdeführers vor dem BFA und in der Beschwerde würden sich keinerlei konkrete, stichhaltige Hinweise darauf ergeben, dass ein Konventionsgrund vorliegen würde, der einen wesentlichen Faktor für die Verfolgung des Beschwerdeführers darstellen würde.
Bei der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Verfolgung durch Kriminelle handle es sich um eine Verfolgung durch eine Privatperson ohne Anknüpfung an einen Konventionsgrund. Dass der von Privatpersonen (aus nicht GFK-relevanten Gründen) bedrohte Beschwerdeführer durch die irakischen Behörden voraussichtlich keinen Schutz erlangen könnte, sei jedenfalls nicht auf die in der Genfer Flüchtlingskonvention ausgeführten taxativ aufgezählten Gründe (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politische Gesinnung) zurückzuführen. Dass die irakischen Behörden aus asylrelevanten Gründen nicht gewillt seien, dem Beschwerdeführer Schutz zu gewähren, habe der Beschwerdeführer nicht vorgebracht und sei auch sonst nicht ersichtlich.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er am 23.07.2014 von Unbekannten bei einem Geldtransport überfallen und eine Woche nach einer Anzeigeerstattung bei der Polizei bedroht worden sei, sei überdies auch deshalb im gegenständlichen Fall nicht als asylrelevant zu werten, da es an einem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Überfall und der anschließenden Drohung und der Aussage des Beschwerdeführers mangeln würde. Den Angaben des Beschwerdeführers zufolge habe er bzw. sein Chef die Drohungen im Juli 2014 erhalten, wogegen die Ausreise des Beschwerdeführers im August 2015 stattgefunden habe. Die Voraussetzung wohlbegründeter Furcht werde in der Regel nur dann erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang bestehe. Eine asylrelevante Verfolgung sei nämlich nur dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohe, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung würde nicht genügen.
Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation könne nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als hinreichender Grund für die Asylgewährung herangezogen werden.
Bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringen des Beschwerdeführers gebe es keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein.
Betreffend die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wurde vom Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Irak Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte. Durch eine Rückführung in den Irak würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder den relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder drohen dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte.
Es könne auch nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, habe doch der Beschwerdeführer selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung in den Irak jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und er in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.
Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen arbeitsfähigen Mann, bei welchen die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Der Beschwerdeführer verfüge darüber hinaus über Schulbildung und langjährige Berufserfahrung. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat grundsätzlich in der Lage sein werde, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liege nicht vor.
Der Beschwerdeführer sei aktuell nicht lebensbedrohlich erkrankt. Vor diesem Hintergrund würde sich somit keine Hinweise auf das Vorliegenden von akut existenzbedrohenden Krankheitszuständen oder Hinweise auf eine unzumutbare Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Rückverbringung des Beschwerdeführers in den Irak ergeben.
Betreffend die Rückkehrentscheidung wurde vom Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine Familienangehörige in Österreich habe und er auch keine Lebensgemeinschaft führe. Ein schützenswertes Familienleben des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet liege daher nicht vor.
Eine besonders fortgeschrittene Integration des Beschwerdeführers während seines nur auf das Asylgesetz gestützten Aufenthaltes im Bundesgebiet könne nicht erkannt werden. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit August 2015 beruhe auf einem Antrag auf internationalen Schutz, der sich als nicht berechtigt erwiesen habe und sei auch noch zu kurz, um seinem Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet ein relevantes Gewicht zu verleihen. Es seien zudem keine besonderen zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden integrativen Schritte erkennbar. Der Beschwerdeführer habe einen Deutschkurs und einen Werte- und Orientierungskurs besucht. Er habe ein Begegnungscafé besucht und sei ehrenamtlicher Mitarbeiter bei " XXXX ". Er sei nicht erwerbstätig, lebe von der Grundversorgung und sei auch kein Mitglied in sonstigen Organisationen.
Insbesondere vor dem Hintergrund der erst relativ kurzen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet im Rahmen der vorübergehenden Grundversorgung des Bundes unterstützt wurde, könne von einer verfestigten und gelungenen Eingliederung des Beschwerdeführers in die österreichische Gesellschaft nicht ausgegangen werden. Hingegen habe der Beschwerdeführer den Großteil seines bisherigen Lebens im Irak verbracht, sei dort aufgewachsen und habe dort seine Sozialisation erfahren. Er spreche die Mehrheitssprache seiner Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau und die Geschwister des Beschwerdeführers würden sich nach wie vor im Irak aufhalten. Es sei daher nicht erkennbar, inwiefern sich der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenübersehen könnte. Daher sei im Vergleich von einer deutlich stärkeren Bindung des Beschwerdeführers zum Irak auszugehen.
Der Beschwerdeführer habe zum Entscheidungszeitpunt keine entscheidungserheblichen integrativen Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet darzutun vermocht, welche zu einem Überwiegen der privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsstaat führen könnten.
In einer Gesamtabwägung würden derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung den privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen. Insbesondere würde das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne des geordneten Fremdenwesens in diesem Fall schwerer wiegen, als die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet.
Insgesamt gesehen stelle die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß
§ 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.
3. Am 12.04.2018 stellte der Beschwerdeführer gegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12.04.2018 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er keine neuen Asylgründe habe. Seine Flucht- und Asylgründe, die er bei seinem ersten Asylantrag gemacht habe, halte er aufrecht. Diese Gründe würden immer noch bestehen. Nachdem sein Asylantrag abgelehnt worden sei, habe der Beschwerdeführer befürchtet, dass er in den Irak zurückkehren müsse. Dort würde er allerdings noch immer von den Milizen und Männern gesucht werden. Er wisse genau, wer diese Männer seien. Sie hätten Militäranzüge getragen. Er wisse von seinem Bruder und seiner Schwester, dass ihn diese Personen immer noch suchen würden. Im Falle einer Rückkehr würde er am Flughafen Bagdad sofort von diesen Personen festgenommen werden.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch ein Organ des BFA am 18.06.2018 begründete der Beschwerdeführer diesen zweiten Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen damit, dass er nach dem negativen Asylbescheid nicht in den Irak zurückkehren könne. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 1991 für drei Jahre in Haft gewesen, weil er seinen Wehrdienst nicht abgeleistet habe. Zudem sei er an Diabetes Typ II erkrankt und müsse deswegen Medikamente nehmen. Wegen der Zuckererkrankung sei er bereits im Irak medizinisch behandelt worden. Im Irak habe der Beschwerdeführer neue Probleme dazu bekommen bzw. habe seine im Irak lebende Familie mit unbekannten Milizen Probleme bekommen. Die Milizen seien sehr oft zu seiner Familie gekommen und hätten nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers gefragt. Der Beschwerdeführer werde von den Milizen bedroht, weil er schuld daran sei, dass zwei Mitglieder der Milizen in Haft sitzen würden. Der im Irak lebende Bruder des Beschwerdeführers werde mit dem Tod bedroht, er sei krank und könne das nicht aushalten.
Zum Beweis seines Vorbringens brachte der Beschwerdeführer ein Konvolut von arabischsprachigen Dokumenten und Unterlagen in Vorlage, die bereits im ersten Verfahrensgang vorgelegt wurden.
Aus der medizinisch gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren vom 04.07.2018 geht hervor, dass der Beschwerdeführer seit 2006 an Diabetes Mellitus Typ II erkrankt sei und diesbezüglich medikamentös behandelt werde. Ansonsten leide der Beschwerdeführer an keinen Erkrankungen.
Ferner führte der Beschwerdeführer bei der Befundaufnahme zur gutachterlichen Stellungnahme am 04.07.2018 auch aus, dass er aufgrund seines Aufenthaltes als Soldat im Iran-Irakkrieg "seelisch komplett auf Null" sei.
4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 03.11.2018, Zl. IFA:
1083235100
VZ: 180355156, wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich des Status des Asylberichtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Ebenso wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und wurde gemäß
§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.) und bestehe gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).
Begründend führte das BFA aus, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe. Der Beschwerdeführer sei irakischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und schiitischer Moslem. Der Beschwerdeführer verfüge über Schulbildung und habe in verschiedenen Berufen gearbeitet. Der Beschwerdeführer spreche die in den irakischen Gebieten gängige Sprache Arabisch auf Muttersprachenniveau. Er spreche laut seinen Angaben ein wenig deutsch. Der Beschwerdeführer sei politisch nicht aktiv gewesen, gehöre keiner politischen Partei bzw. politisch aktiven Gruppierung an. Er habe aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seines Religionsbekenntnisses keine Schwierigkeiten zu gehabt. Seinen Angaben nach sei der Beschwerdeführer im Irak nicht verurteilt worden, habe jedoch angegeben, dass er 1991 wegen Nichtableistung des Militärdienstes für drei Jahre in Haft gewesen sei.
Der Beschwerdeführer leide an Diabetes mellitus Typ II und werde dahingehend medikamentös behandelt. Diesbezüglich sei der Beschwerdeführer bereits im Irak behandelt worden und habe Medikamente erhalten. Nicht festgestellt werden könne, dass beim Beschwerdeführer eine schwere psychische Störung und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestehen würden, sodass eine Überstellung in den Irak für den Beschwerdeführer unzumutbar wäre. Im nunmehrigen Verfahren seien keine neuerlichen Krankheiten/Leiden festgestellt worden. Dem Beschwerdeführer sei es möglich, im Irak medizinisch behandelt zu werden.
Das erste Asylverfahren des Beschwerdeführers sei rechtskräftig negativ abgeschlossen worden. In diesem Verfahren seien alle bis zur Entscheidung dieses Asylverfahrens entstandenen Sachverhalte berücksichtigt worden.
In der Folge traf das BFA - nachfolgend auszugsweise wiedergegebene - Feststellungen zur allgemeinen Lage bzw. zu Sicherheitslage im Irak:
"[...]
1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 18.5.2018: Parlamentswahlen
Relevant für den Abschnitt Politische Lage
Am 12.5.2018 wurden im Irak Parlamentswahlen abgehalten. Die Wahlbeteilung lag bei 44,5 Prozent - die niedrigste Beteiligung seit dem Sturz Saddam Husseins 2003 (Die Presse 13.5.2018). Als Sieger geht das Wahlbündnis Sa'irun des schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadrs hervor, das nicht mehr vom ersten Platz zu verdrängen ist (Spiegel Online 17.5.2018). Auf zweitem Platz liegt, nach ersten Ergebnissen, das Fatah Bündnis des Milizenführers Hadi al-Ameri, der eng mit den iranischen Revolutionsgarden verbunden ist (Die Presse 13.5.2018). Die Nasr Allianz des amtierenden Ministerpräsidenten Haider al-Abadi kommt im Zwischenergebnis nur auf den dritten Platz (NZZ 15.5.2018).
Obwohl die Wahlkommission die Resultate der Wahl zunächst schon am 14.5.2018 veröffentlichen wollte, liegt bis dato kein offizielles Endergebnis vor (Spiegel Online 17.5.2018). Anschuldigungen von Wahlbetrug in der zwischen Kurden und irakischer Zentralregierung umstrittenen Stadt Kirkuk verzögern die Veröffentlichung der Endergebnisse (The Washington Post 17.5.2018). Laut Wahlkommission belagerten Bewaffnete am Mittwoch, den 16.5.2018, etliche Wahllokale in der Stadt und hielten Mitarbeiter der Wahlkommission in Geiselhaft (Reuters 16.5.2018). Der Gouverneur von Kirkuk sowie der Leiter der Exekutivorgane, Generalmajor Maan al-Saadi, bestritten dies und erklärten, dass die Lage stabil sei und es sich um friedliche und unbewaffnete Proteste um die Wahllokale herum handle (The Washington Post 17.5.2018; Reuters 16.5.2018).Quellen:
? Neue Züricher Zeitung (15.5.2018): Der Überraschungssieger in der Parlamentswahl öffnet neue Horizonte für den Irak, https://www.nzz.ch/international/irak-ueberraschender-wahlsieg-bei-parlamentswahl-oeffnet-horizonte-ld.1386066, Zugriff 18.5.2018
? Die Presse (13.5.2018): Irak-Wahl: Niedrigste Beteiligung seit Sturz Saddam Husseins,
https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5425941/IrakWahl_Niedrigste-Beteiligung-seit-Sturz-Saddam-Husseins, Zugriff 18.5.2018
? Reuters (16.5.2018): Iraqi election commission says Kirkuk voting stations under siege, staff inside, https://www.reuters.com/article/us-iraq-election-kirkuk/iraqi-election-commission-says-kirkuk-voting-stations-under-siege-staff-inside-idUSKCN1IH1YA, Zugriff 18.5.2018
? Der Spiegel Online (17.5.2018): Die Wandlung des "Mullah Atari", http://www.spiegel.de/politik/ausland/irak-wahl-muqtada-al-sadrs-wandlung-von-hardliner-zum-versoehner-a-1207894.html, Zugriff 18.5.2018
? The Washington Post (17.5.2018): During wait for Iraqi election results, political blocs scramble for influence, https://www.washingtonpost.com/world/during-wait-for-iraqi-election-results-foreign-states-scramble-for-influence/2018/05/17/a1d111d0-59da-11e8-9889-07bcc1327f4b_story.html?noredirect=on&utm_term=.beca16f25693, Zugriff 18.5.2018
KI vom 23.11.2017: Weitere Entwicklungen im Anschluss an das Kurdenreferendum, weitere Rückeroberungen von IS-Gebiet und Update Sicherheitslage mit Fokus auf Bagdad. Relevant für die Abschnitte Sicherheitslage, politische Lage und Menschenrechtslage
Am 29.10.2017 erklärte Mas'ud Barzani seinen Rücktritt als Präsident der kurdischen Region. Er lehnte in einem Brief an das kurdische Parlament eine Verlängerung seines Mandats über den 1.11.17 hinaus ab (IFK 6.11.2017). Barzani bleibt Vorsitzender der KDP (Kurdistan Democratic Party) und somit weiterhin ein wichtiger politischer Akteur. Die weiter andauernde Lähmung des kurdischen Regionalparlamentes versetzt die beiden Parteien KDP und PUK (Patriotische Union Kurdistans) weiterhin in die Lage, politische Entscheidungen ohne die Einbeziehung der Partei Goran oder anderer Parteien zu treffen (CR 14.11.2017).
Nach der Offensive der irakischen Armee und der PMF (Popular Mobilization Forces) in die von den Kurden kontrollierten Gebiete, besteht derzeit ein Waffenstillstand, es herrscht jedoch weiterhin Unsicherheit, nicht nur bezüglich der weiteren Vorgehensweise der irakischen Regierung, sondern auch die wirtschaftliche Situation Kurdistans betreffend. Unterdessen gibt es neue Beweise dafür, dass im Zuge der Offensive in den vorwiegend kurdischen Gebieten Plünderungen, Brandstiftungen, Häuserzerstörungen und willkürliche Angriffe offenbar insbesondere von Seiten der PMF (auch von Seiten turkmenischer PMF-Milizen) stattfanden. Tausende haben dabei ihre Häuser, ihre Geschäfte und ihre sonstigen Besitztümer verloren. (AI 24.10.2017; Bas 14.11.2017; HRW 20.10.2017).
Laut den Vereinten Nationen (VN) kam es im Zuge der Offensive der irakischen Regierung zur Vertreibung von zehntausenden Menschen aus den sogenannten "umstrittenen Gebieten". 180.000 Menschen sind (mit Stand 18.11.2017) nach wie vor vertrieben, 172.000 sind zurückgekehrt. Die meisten dieser Vertriebenen sind Kurden, aber auch Mitglieder anderer Minderheiten, einschließlich sunnitischer Araber und Turkmenen. Die meisten Vertriebenen lebten in den Städten Kirkuk, Daquq (Provinz Kirkuk), sowie Tuz Khurmatu (Rudaw 18.11.2017). Aus Furcht vor Repressalien kehren sie derzeit nicht in ihre Heimatgebiete zurück (Reuters 9.11.2017).
Am Abend des 12.11.2017 fand in der Grenzregion zwischen Iran und Irak ein Erdbeben der Stärke 7,3 statt. Im Irak war dabei die an der Grenze zum Iran befindliche Stadt Halabja (im Autonomen Kurdengebiet) am stärksten betroffen. Acht Menschen starben im Irak, mehr als 500 wurden verletzt und hunderte Familien wurden obdachlos. Zumindest drei Gesundheitszentren wurden beschädigt. Verglichen mit dem Iran war der Irak deutlich geringer von dem Erdbeben betroffen (UNFPA 19.11.2017).
Im Zuge der Rückeroberungen von IS-Gebieten (IS: sogenannter Islamischer Staat) werden weiterhin Massengräber gefunden. Zuletzt wurde in der Nähe der Militärbasis al-Bakara etwa drei Kilometer vor der Stadt Hawija ein Grab mit mindestens 400 Toten (mutmaßlichen IS-Opfern) entdeckt (MOI 3.11.2017; Standard 11.11.2017). Umgekehrt treten weitere Berichte von Racheakten von Seiten der Befreier zutage, laut Nahostexpertin Gudrun Harrer scheint der Zyklus der Gewalt mit dem Sieg über den IS nicht unterbrochen (Harrer 24.11.2017). Mehr als 3,1 Millionen Iraker (die überwältigende Mehrheit Sunniten) sind weiterhin Vertriebene. Weitere 2,3 Millionen sind in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt. Für den Wiederaufbau ihrer Städte erhielten die Sunniten nicht viel Hilfe von der Zentralregierung, die sich mehr auf die Bekämpfung/Zurückdrängung des IS und zuletzt der Kurden konzentrieren (NYTimes 26.10.2017).
Ab dem 3.11.2017 mit Stand 17.11.2017 wurden die drei letzten irakischen Städte, die sich noch unter der Kontrolle des IS befanden, Al-Qaim, Ana und Rawa (alle drei im Westen des Landes) von den irakischen Streitkräften zurückerobert. Laut der US-geführten Koalition zur Bekämpfung des IS hat dieser nun 95 Prozent jener irakischen und syrischen Territorien verloren, welches er im Jahr 2014 als Kalifat ausgerufen hatte (Telegraph 17.11.2017; IFK 6.11.2017). Das Wüstengebiet nördlich der drei Städte bleibt vorerst weiterhin IS-Terrain. Die Gebiete rund um Kirkuk und Hawija gehören zu jenen Gebieten, bei denen das Halten des Terrains eine große Herausforderung darstellt. (MEE 16.11.2017; Reuters 5.11.2017; BI 13.11.2017). Es stellt sich auch die Frage, wo sich jene IS-Kämpfer aufhalten, die, nicht getötet wurden oder die nicht in Gefängnissen sitzen (Alleine in Mossul gab es vor der Rückeroberung 40.000 IS-Kämpfer). Viele sind in die Wüste geflohen oder in der Zivilbevölkerung untergetaucht. Es gab es auch umstrittene Arrangements, die den Abzug von IS-Kämpfern und ihren Familien erlaubten. Der IS ist somit nicht verschwunden, nur sein Territorium [mit Einschränkungen s.u.] (Harrer 24.11.2017).
Die folgende Grafik zeigt die massiven Gebietsverluste des IS seit Jänner 2015 (Stand 30.10.2017). Der Wüstenbereich nördlich von Al-Qaim wird je nach Quelle als Wüstengebiet oder als IS-Gebiet eingezeichnet (s. untere Karte) eingezeichnet.
Seit der IS Offensive im Jahr 2014 ist die Zahl der Opfer im Irak nach wie vor nicht auf den Wert der Zeit zwischen 2008 - 2014 zurückgegangen, in der im Anschluss an den konfessionellen Bürgerkrieg 2006-2007 eine Phase relativer Stabilität einsetzte (MRG 10.2017; vgl. IBC 23.11.2017). Von dem Höchstwert von 4.000 zivilen Todesopfern im Juni 2014 ist die Zahl 2016 [nach den Zahlen von Iraq Body Count] auf 1.500 Opfer pro Monat gesunken; dieser sinkende Trend setzt sich im Jahr 2017 fort (MRG 10.2017). Nach den von Joel Wing dokumentierten Vorfällen, wurden in den Monaten August, September und Oktober 2017 im Irak 2.988 Zivilisten getötet (MOI 9.-11.2017). Zu diesen Zahlen gelten die im Länderinformationsblatt Irak in Abschnitt 3.1 erwähnten Einschränkungen und Anmerkungen - kriminelle Gewalt wurde in dieser Statistik nur zum Teil berücksichtigt, Stammesgewalt gar nicht .
Beispielhaft wird im Folgenden eine Grafik angeführt, in der die von einer Sicherheitsfirma dokumentierten Vorfälle, die in Kalenderwoche 45 des Jahres 2017 stattgefunden haben, eingezeichnet sind. Die Grafik stellt jedoch nach Angaben der Quelle nicht das gesamte Ausmaß der Gewalt und der Vorfälle dar. Mehrere Vorfälle, bzw. umfangreiche und länger andauernde Gefechte werden jeweils als ein Vorfall zusammengefasst dargestellt. Darüber hinaus bleiben viele Vorfälle auf Grund von Einschränkungen durch die Regierung und Einschränkungen der Kommunikation undokumentiert:
Im kürzlich veröffentlichten Global Peace Index (GPI)-Bericht wurde der Irak als das "dritt-unfriedlichste" Land der Welt eingestuft. Laut GPI-Bericht bleibt trotz der Zurückdrängung des IS die Stabilität und Sicherheit der Staaten Syrien und Irak weiterhin bedroht (K24 8.8.2017; vgl. Iraqinews 15.11.2017).
Bagdad:
Obwohl der IS Bagdad [kontrollgebietsmäßig] nie erreicht hat, verzeichnete die Hauptstadt laut Angaben der UN jeweils entweder die höchste oder die zweithöchste - nach der Provinz Ninewa - Anzahl an zivilen Todesopfern. Um ein Beispiel zu nennen: UNAMI berichtet, dass im Februar 2017 120 Zivilisten getötet und 300 verletzt wurden. In demselben Monat im Jahr 2016 war Bagdad der am stärksten betroffene Bezirk, UNAMI berichtete von 277 Todesopfern und 838 Verletzten. (Update: Für den Monat Oktober 2017 berichtet UNAMI 177 zivile Opfer (38 Tote, 139 Verletzte). Wichtig ist, anzumerken, dass diese Zahlen ausschließlich verifizierte Opfer inkludieren und als das absolute Minimum gesehen werden müssen [Anm.: Es gelten die in Abschnitt 3.1 des LIB Irak getätigten Aussagen und Anmerkungen]. Zum Beispiel beinhalten sie auch nicht jene Opfer, die in manchen Teilen der Stadt regelmäßig tot aufgefunden und geborgen werden (MRG 10.2017; UNAMI 1.11.2017). Nach wie vor kommt es in Bagdad täglich zu sicherheitsrelevanten Vorfällen mit zivilen Opfern (Wing 9.-11.2017; vgl. IBC 28.2.2017). Laut Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes ist in Bagdad weiterhin mit schweren Anschlägen insbesondere auf irakische Sicherheitsinstitutionen und deren Angehörige, auf Ministerien, Hotels, öffentliche Plätze und religiöse Einrichtungen zu rechnen (AA 23.11.2017). Für die fragile Sicherheitssituation in der Hauptstadt gibt es zahlreiche Gründe. Abgesehen davon, dass es ein attraktives Ziel für Anschläge ist, beherbergten und beherbergen die Gebiete rund um Bagdad historisch entstandene Terrorzellen, u.a. von Al-Qaeda und dem IS. Dies ist insbesondere in der Nachbarprovinz Anbar im Westen, sowie im Bezirk Jurf al-Sakhar in der Provinz Babil der Fall. Dazu kommen die äußeren Bezirke Bagdads, dem sogenannten "Bagdad-Belt", der aus spärlich besiedelten ländlichen Gegenden besteht, in denen sich bewaffnete Gruppen leicht verstecken können.
Die Acht-Millionenmetropole Bagdad hat eine höhere Kriminalitätsrate als jede andere Stadt des Landes. Hauptverantwortlich dafür ist der schwache staatliche Sicherheitsapparat sowie die schwache Exekutive. Seit dem Krieg gegen den IS verblieb in Bagdad aufgrund von Militäreinsätzen in anderen Teilen des Landes phasenweise nur eine geringe Zahl an Sicherheitspersonal. Da große Teile der Armee im Sommer 2014 abtrünnig wurden, sind zum Wiederaufbau der Armee mehrere Jahre nötig. Gleichzeitig erschienen bewaffnete Gruppen, vor allem Milizen mit Verbindungen zu den 'Popular Mobilization Forces' (PMF), auf der Bildfläche, mit divergierenden Einflüssen auf die Stabilität der Stadt. Der Zusammenbruch der Armee führte zusätzlich zu einem verstärkten Zugang und zu einer größeren Verfügbarkeit von Waffen und Munition. Dazu kommt die Korruption, die in allen Einrichtungen des Sicherheitsapparates und der Exekutive herrscht. Trotz dieser Probleme gibt es aktuell eine Verbesserung der Situation, die sich auch auf die Meinung der Bewohner über den irakischen Gesetzesvollstreckungsapparat auswirkt. Obwohl konfessionell bedingte Gewalt in Bagdad existiert, ist die Stadt nicht in gleichem Ausmaß in die Spirale der konfessionellen Gewalt des Bürgerkriegs der Jahre 2006-2007 geraten. Stattdessen kommt es zu einem Anstieg der Banden-bedingten Gewalt (Bandenkriege), die meist finanziell motiviert sind, in Kombination mit Rivalitäten zwischen Sicherheitskräften/-akteuren (MRG 10.2017).
Terrorattacken:
Terrorattacken werden meist mit verschiedenen Arten von IEDs (Improvised Explosive Devices) ausgeführt, inklusive am Körper getragene ('body-born' oder BBIEDs, in Fahrzeugen transportierte ('vehicle-borne' oder S/VBIEDs) und unter Fahrzeugen befestigte Sprengfallen ('under-vehicle-borne' oder UVBTs). Dabei handelt es sich um typische Taktiken des IS. Sie zielen dabei auf große Menschenansammlungen wie z.B. auf Märkten, in Einkaufszentren und Moscheen ab, wo der Kollateralschaden maximiert werden kann. Auch wenn diese Attacken alle Teile der Stadt treffen können, sind [ethno-religiös] gemischte Gebiete besonders gefährdet. Auch werden Kontrollpunkte regelmäßig angegriffen mit dem Ziel Sicherheitskräfte zu schwächen. Wegen des hohen Verkehrsaufkommens werden an den Kontrollpunkten selten sorgfältige Fahrzeugdurchsuchungen durchgeführt, weshalb das Problem schwer einzudämmen ist (MRG 10.2017).
Es sollte auch erwähnt werden, dass UVBTs besonders häufig verwendet werden, um Individuen zu attackieren. Diese Attentate können durch persönliche oder stammesbezogene Auseinandersetzungen motiviert sein, in spezifischen Fällen sind sie politisch motiviert.
Kidnappings und Entführungen:
Kidnappings und Entführungen kommen überall in Bagdad vor, unterscheiden sich aber in Häufigkeit und Art der Opfer. Man kann generell zwischen finanziell motivierten Entführungen und denen, die politisch oder persönlich motiviert sind, unterscheiden. Während erstere von kriminellen Gangs begangen werden, werden die politisch oder persönlich motivierten von bewaffneten Gruppen oder Individuen ausgeführt. Geschätzte 65-75 Prozent können als kriminelle Akte kategorisiert werden, während zwischen einem Viertel und einem Drittel als politisch oder als Folge von persönlichen Auseinandersetzungen gesehen werden können. Die zentralen und relativ wohlhabenden Bezirke Karkh und Rusafa zeigen die höchsten Zahlen an Kidnappings und sind für etwa die Hälfte der dokumentierten Fälle des gesamten Gouvernements verantwortlich (MRG 10.2017).
Obwohl die offiziellen Daten nicht veröffentlicht wurden zeigt eine Aufzeichnung des Innenministeriums, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 in Bagdad zumindest 700 Kidnappings stattgefunden haben (MRG 10.2017).
Allerdings können sich diese in vielen Fällen überschneiden. Es wurde zum Beispiel berichtet, dass schiitische Milizen Kidnappings und Erpressungen als einkommensgenerierende Aktivitäten einsetzen. Während es sich dabei um einen kriminellen Akt handelt, kann zusätzlich auch ein politisches oder religiöses Motiv dahinter stehen. Milizen haben z.B. Mitglieder anderer Gruppen entführt und verschleppt. Opfer der von den Gruppen durchgeführten Kidnappings sind tendentiell eher Sunniten als Schiiten. Es ist auch häufig, dass Milizen Kidnappings in Gegenden, die nicht unter ihrer eigenen Kontrolle stehen, ausführen, etwa um ihre Reputation in den von ihnen kontrollierten Gebieten nicht aufs Spiel zu setzen (MRG 10.2017).
Da es zu Protesten in der Bevölkerung kam, und zu Forderungen an den Staat, Maßnahmen zu ergreifen, wurde in den letzten zwei Jahren das Thema Kidnappings in der Öffentlichkeit diskutiert. Immer wieder kam es zu Wellen von Entführungen, die gegen bestimmte Professionen und Gruppen der Gesellschaft gerichtet waren. Anfang 2017 tauchten Berichte auf, dass Sicherheitskräfte eine kriminelle Gruppe zu identifizieren suchten, die auf die Entführung von Kindern in der Gegend um Bagdad al-Jadida spezialisiert war. Im August 2017 veröffentlichte Niqash einen Artikel über eine vor Kurzem vorgefallene Serie an Kidnappings, die gegen Ärzte und medizinisches Personal gerichtet waren. Diese wurden von kriminellen Banden durchgeführt, aber auch von Stämmen, die Wiedergutmachung für Verwandte forderten, die nicht behandelt werden konnten oder die im Spital verstorben waren. Im Mai 2017 wurde eine Gruppe von Studenten und Anti-Korruptions-Aktivisten gekidnappt, angeblich von einer Miliz. Dennoch war einer der meist diskutierten Fällen die Entführung von Afrah Shawqi, einem Journalisten, der nur wenige Tage davor einen Artikel im Al-Sharq al-Awsat über die Straffreiheit von schiitischen Milizen im Irak veröffentlicht hatte. In beiden Fällen wurden die Opfer freigelassen, nachdem großer öffentlicher Druck auf den Premierminister selbst, sowie auf das Innenministerium ausgeübt worden war. Regierungsbeamte und andere politische Führungskräfte wurden ebenso ins Visier genommen wie z.B. bei jenem Fall eines hohen Beamten des Justizministeriums, der im September 2015 gekidnappt wurde, oder jenem Fall eines sunnitischen Stammesführers, dessen Entführung und Ermordung Anlass zu einer Kampagne von Amnesty International wurde (MRG 10.2017).
All diese Fälle haben Regierung und Sicherheitsdienste gezwungen, sich aktiver diesem Problem zu widmen. In vergangenen Jahren, sowie auch in den Jahren 2006-2007, war die Exekutive beinahe gänzlich außerstande, mit dieser Art der Gewalt umzugehen. Heute spricht Premierminister Abadi, der sich manchmal persönlich in Fälle involviert, lautstark über die Bedenken der Bevölkerung, und unternimmt Schritte, um die Kapazitäten der Gesetzesvollstreckung auszuweiten. Dennoch werden Milizen in erfolgreichen Fällen - wenn es Sicherheitskräften gelingt, Banden zur Anklage bringen - selten erwähnt. Es ist praktisch unmöglich einzuschätzen, wie oft die von den Sicherheitskräften Verhaftungen Mitglieder von Milizen einschließen, da Fälle von Kidnappings mit Lösegeldforderungen einfach als kriminelle Akte kategorisiert werden. Dies kann nur durch anekdotische Hinweise und durch Zeugenaussagen belegt werden. Allerdings besteht das Problem, dass die Opfer oft selber nicht wissen woher die Bedrohung kommt oder wer der Empfänger des geforderten Lösegeldes ist (MRG 10.2017).
Schießereien mit Handfeuerwaffen:
Was die Verwendung von Handfeuerwaffen betrifft, können generelle Muster zwischen dem zentralen Gebiet und der Peripherie der Provinz Bagdad unterschieden werden. Morde und Anschläge auf Zivilisten sind innerhalb der Stadt Bagdad weiter verbreitet, die Bezirke Karkh, Rusafa und Adhamiya sind diesbezüglich überrepräsentiert. Diese Anschläge richten sich z.B. gegen Geschäftsbesitzer, Anwälte sowie Angestellte der Regierung. Schießereien kommen auch in Verbindung mit Raubüberfällen vor. Zusätzlich stehen viele Tötungen in Verbindung mit Kidnappings, bei denen das Lösegeld nicht gezahlt wurde.
Im Gegensatz dazu sind Vorfälle mit Handfeuerwaffen im 'Bagdad Belt' üblicherweise gegen Sicherheitsdienste wie die Iraqi Security Forces (ISF) und Mitglieder von sunnitischen und schiitischen Milizen gerichtet, und finden meistens bei Kontrollpunkten statt. Dies kann man in Abu Ghraib, Mahmudiya und Tarmiya beobachten. Diese Gebiete verzeichnen auch eine große Anzahl an Schießereien in Verbindung mit stammesbezogenen Auseinandersetzungen (MRG 10.2017).
Konfessionalismus und Diskriminierung:
Konfessionalismus und Diskriminierung sind weiterhin ein weit verbreitetes Phänomen in Bagdad, wenn sie auch nicht dasselbe Ausmaß an Gewalt erreicht haben, der während des konfessionellen Krieges in den Jahren 2006-2007 dokumentiert wurde. Dies anzumerken, ist von wichtig, weil von vielen angenommen wurde, dass durch das Ausbreiten des IS ab 2014 frühere Muster an Gewalt nach Bagdad zurückkehren würde. Das hat er auch, allerdings in einem geringeren Ausmaß. Wie diverse Menschenrechtsberichte gezeigt haben, fachen Terrorattacken des IS in Bagdad viele Arten an Vergeltungsmaßnahmen gegen sunnitische Zivilisten an, die vorwiegend von schiitischen Milizen begangen werden. Diese beinhalten Kidnappings, Ermordungen sowie ungesetzlichen Freiheitsentzug. Dennoch ist der offensichtlichere Konfessionalismus - bei dem sunnitische Bewohner Kontrollpunkte nicht passieren konnten ohne namentlich aufgerufen zu werden und manchmal schikaniert oder festgenommen wurden - heute relativ selten. Dies trifft allerdings nicht auf sunnitische Internvertriebene (IDPs) zu, die in der Provinz Bagdad regelmäßig diskriminiert werden. Nachdem der IS in großen Teilen von Anbar und Salah al-Din die Macht ergriffen hatte, flohen Tausende nach Bagdad. In vielen Fällen war es ihnen von vorne herein nie gestattet, in die Provinz einzureisen. Die, die es dennoch geschafft haben, berichten von extrem eingeschränkter Reisefreiheit (da Personalausweise aufzeigen in welchem Gouvernement sie ausgestellt wurden), von Schwierigkeiten, als Gebietsfremde des Gouvernements an wesentliche Dokumente zu gelangen, sowie von Schikanen aufgrund des Pauschalverdachts der IS-Zugehörigkeit. Für Internvertriebene besteht, aufgrund fehlender Netzwerke für persönliche Unterstützung, auch ein größeres Risiko, entführt zu werden.
Eine weitere Seite des Konfessionalismus sind Verhaftungen, oft willkürlich, welche meist in Verbindung mit einer Anklage wegen Terrorismus nach Artikel 4 vollzogen werden und beinahe ohne Ausnahme Sunniten betreffen. Diese Festnahmen sind nach Terroranschlägen häufig, wenn Sicherheitsdienste Durchsuchungsaktionen durchführen, um Mitglieder oder Unterstützer des IS ausfindig zu machen (MRG 10.2017).
Kleinere Gemeinschaften, inklusive Minderheiten und solche, die sich ineiner Minderheitssituation wiederfinden, stehen unter signifikantem Risiko. Die Anzahl an Christen in Bagdad nimmt unter dieser Bedrohungssituation weiterhin ab, wenn auch kleine christliche Gemeinden in gemischten Bezirken bestehen bleiben; so auch in Karkh und in Karrada und Palästina. Faili-Kurden (schiitische Kurden), einschließlich jener, die in Sadirya und im südlichen Teil Bagdads leben, haben unter Bombenangriffen gelitten und berichten von erhöhten Spannungen, die in Zusammenhang mit dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum stehen. Palästinenser, die vorwiegend in al-Baladiyat leben, sind diesen gezielten Attacken ebenso ausgesetzt und bleiben weiterhin besonders gefährdet (MRG 10.2017).
Sicherheitskräfte in der Provinz Bagdad:
Irakische Sicherheitskräfte (ISF):
Die ISF werden in Bagdad vom 'Baghdad Operations Command' (BOC) repräsentiert, Geheimdienste und irakische Polizeieinheiten, die im Bagdad Gouvernement agieren, sind dem Verteidigungsministerium unterstellt. Der BOC besteht aus mehreren Brigaden, die der 6., 11. und 17. Abteilung der irakischen Armee angehören, sowie aus spezialisierten Militär- und Polizei-Einheiten, inklusive Bereitschaftspolizei und Schutzeinheiten für Diplomaten. Die irakische Armee ist gemeinsam mit staatlichen und lokalen Polizeieinheiten für die Sicherheit verantwortlich. Zusätzlich zu regulären Sicherheitsfunktionen, sind die ISF gemeinsam mit Einheiten, die in Verbindung zum Innenministerium stehen, für die Überprüfung von Internvertriebenen und Rückkehrern und damit in Zusammenhang stehende Regulierungen zuständig (MRG 10.2017).
Polizeikräfte werden oft als Erweiterung der Badr-Partei gesehen. Darüber hinaus wird das Polizeikorps, abgesehen von Teilen der Staatspolizei, als schwer korrupt erachtet. In wenigen Ausnahmen sind Offiziere der Staatspolizei ehemalige Offiziere der Armee und werden als weniger korrupt und konfessionalistisch gesehen. Die meisten sind allerdings durch politische Einflussnahme und Vereinbarungen verschiedener Parteien an ihre Position gelangt (MRG 10.2017).
Im Allgemeinen vertraut die Bevölkerung eher der Armee als der Polizei. Die Mehrheit der Bewohner Bagdads, die in einer Umfrage einer NGO befragt wurden, ob sie in einer Notsituation die Polizei kontaktieren würden, sagten sie würden erst versuchen, das Problem selbst zu beheben. Knapp unter 50 Prozent meinten, sie würden der Polizei unter keinen Umständen Bericht erstatten. Im Vergleich dazu:
über 70 Prozent derer, die in Gebieten leben, in denen die Armee für die Sicherheit verantwortlich ist, gaben an, sie würden, wenn nötig, ihre lokalen Sicherheitskräfte kontaktieren. In derselben Umfrage wurden Bewohner gefragt, ob sie jemals Bestechungsgeld gezahlt hätten, um Unterstützung von offiziellen Sicherheitskräften zu erhalten, was 30 Prozent der Befragten bejahten. Zuletzt wurden Bewohner gefragt ob sich die Sicherheits-Situation in Bagdad verbessern oder verschlechtern würde, worauf beinahe 70 Prozent antworteten, das sie sich verbessere (MRG 10.2017).
Islamischer Staat (IS):
Der IS konnte Mitte 2014 Gebiete im Provinz Bagdad nicht unter seine Kontrolle bringen. Allerdings hat sich IS-Aktivität mehrmals vom angrenzenden Provinz Anbar in den westlichen Bezirk Abu Ghraib ausgeweitet. Teile des 'Bagdad-Belt' sind historisch gesehen Unterstützungsgebiete des IS, welche IS-Attacken in zentraler gelegenen Gebieten Bagdads ermöglichen (MRG 10.2017).
In der Provinz Bagdad beschränken sich die Aktivitäten des IS vor allem auf "unkonventionelle Attacken" gegen Zivilisten und hochrangige Opfer - in erster Linie durch die Verwendung von IEDs (MRG 10.2017).
Popular Mobilization Forces (PMF):
[Erläuterungen zu den PMF siehe auch Länderinformationsblatt Irak Abschnitt 3.2.2]
Während die PMF generell auf Schlachtfeldern quer durch das Land eingesetzt wurden, bewahren einige eine signifikante Präsenz in Bagdad. Die älteren und größeren [überwiegend schiitischen] Milizen sind jene, die vorwiegend als aktive Gruppen einen Teil der Sicherheitskräfte der Stadt repräsentieren. [...] Sunnitische Milizen kommen in der Stadt Bagdad nicht vor, aber sehr wohl in manchen Teilen des 'Bagdad-Belt', besonders in den Bezirken, die an Anbar und das Gouvernement Salah al-Din grenzen, inklusive Taji, Tarmiya und Abu Ghraib. Auf lokaler Ebene agieren PMF-Einheiten parallel und oft im Konflikt mit den ISF. Bewaffnete Konflikte zwischen ISF und PMUs, wenn auch selten, wurden im Gouvernement Bagdad beobachtet. Während die PMF weitläufig von der schiitischen Bevölkerung unterstützt werden, wurden sie beschuldigt, Menschenrechtsverletzungen gegen sunnitische Zivilisten in Gebieten begangen zu haben, die vom IS zurückerobert wurden, - wie von diversen Organisationen wie z.B. Human Rights Watch, Amnesty International und Minority Rights Group dokumentiert wurde. Berichterstattung dieser Art tendiert dazu, sich auf die Gouvernements zu konzentrieren, in denen in den letzten zwei Jahren Militäreinsätze stattgefunden haben - wie in etwa in Anbar, Ninewa und Salah al-Din - sowie auf Gebiete, in denen außer Frage steht, dass Milizen ungestraft agierten. Aufgrund dessen werden Menschenrechtsverletzungen innerhalb des Gouvernements Bagdad nicht so eingehend verfolgt (MRG 10.2017).
Im Folgenden werden einige Beispiele der wichtigsten PMF-Milizen aufgezählt, die in Bagdad operieren: Badr-Organisation, Asaib Ahl al-Haq, Saraya al-Salam, Saraya al-Khorasani, Kataib Hizbullah (MRG 10.2017). Anm.: Die Milizen sind in Abschnitt 3.2.2 des LIB näher beschrieben. Quellen:
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AA-Auswärtiges Amt (23.11.2017): Irak: Reisewarnungen, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/irak-node/iraksicherheit/202738#content_1, Zugriff 23.11.2017
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AI- Amnesty International (24.10.2017): Titel?
https://www.amnesty.org/en/latest/news/2017/10/iraq-fresh-evidence-that-tens-of-thousands-forced-to-flee-tuz-khurmatu-amid-indiscriminate-attacks-lootings-and-arson/, Zugriff 22.11.2017
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Bas - Basnews (14.11.2017): Over 1,500 Civilian Properties Damaged by Hashd al-Shaabi in Tuz KhurmatuFeatured, http://www.basnews.com/index.php/en/news/kurdistan/392677, Zugriff 22.11.2017
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BBC (3.11.2017): Islamic State and the crisis in Iraq and Syria in maps, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-27838034, Zugriff 22.11.2017
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BI - Business Insider (13.11.2017): Two suicide attacks in Iraq's Kirkuk kill at least five,
http://www.businessinsider.de/us-marines-isis-iraq-2017-11?r=US&IR=T, Zugriff 22.11.2017
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CR - Control Risks (14.11.2017): Iraq Weekly, per Email am 16.11.2017
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Der Standard (11.11.2017): Massengräber mit mindestens 400 Opfern des IS im Irak entdeckt
http://derstandard.at/2000067646336/Massengraeber-mit-mindestens-400-Opfern-des-IS-im-Irak-entdeckt, Zugriff 22.11.2017
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Harrer, Gudrun in der Standard (24.11.2017): "Islamischer Staat":
Der Zyklus der Gewalt ist nicht gebrochen - derstandard.at/2000068367290/Islamischer-Staat-Der-Zyklus-der-Gewalt-ist-nicht-gebrochen
,
http://derstandard.at/2000068367290/Islamischer-Staat-Der-Zyklus-der-Gewalt-ist-nicht-gebrochen, Zugriff 24.11.2017