TE Bvwg Beschluss 2019/3/11 L519 2190079-2

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Veröffentlicht am 11.03.2019
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Entscheidungsdatum

11.03.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L519 2190079-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, EAST West, vom 6.3.2019, Zl. XXXX, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, geb. XXXX, StA. Türkei, beschlossen:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm. § 22 Abs. 10 AsylG 2005 sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. 1. Der Antragsteller (in weiterer Folge kurz als "A" bezeichnet), ist ein männlicher Staatsangehöriger der Türkei. Er brachte nach illegaler Einreise beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA bezeichnet) am 9.9.2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

1.1.1.Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzw. einem Organwalter des BFA brachte der A im Wesentlichen vor, dass in seinem Heimatort der IS herrschen würde und die türkische Polizei die Kurden quäle. Auch die PKK würde dort ihr Unwesen treiben. Außerdem werde er wegen seiner Religionszugehörigkeit (Christ) rassistisch verfolgt und habe er von der Polizei Morddrohungen erhalten.

1.2. Der Antrag des A auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 12.2.2018 gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gem. § 57 AsylG wurde dem A ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen. Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des A in die Türkei gem. § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

1.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des A zu seinem Ausreisegrund als unglaubwürdig. Es würde auch kein relevantes, die öffentlichen Interessen Österreichs übersteigendes Privat- und Familienleben vorliegen.

1.3. Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 10.8.2018, L504 2190079-1, gem. §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z.3 und 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie §§ 52 Abs. 2 Z. 2 und Abs. 9, 46 und 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet ab. Dieses Erkenntnis erwuchs am 15.6.2018 in Rechtskraft.

1.4. Am 31.1.2019 wurde der A von Deutschland nach Österreich im Rahmen der Dublin III Verordnung rücküberstellt.

1.5. Am 31.1.2019 stellte der A erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.

Zusammengefasst wurde vom A bei der Erstbefragung vorgebracht, dass er zur deutschen Polizei gesagt habe, dass er freiwillig in die Türkei ausreisen wolle, aber seine Familie habe ihm davon abgeraten, da er von der Polizei gesucht werde. Im Prinzip handle es sich um dieselben Fluchtgründe wie im ersten Verfahren.

Beim BFA gab der A im Wesentlichen an, dass 3 Mal Zivilpolizisten bei ihm zu Hause gewesen wären und nach ihm gefragt hätten. In der Türkei werde seit 2013 nach ihm gefahndet. 2018 habe er erfahren, dass die Polizei nach ihm sucht, den Grund dafür kenne er nicht. Zur freiwilligen Rückkehr habe sich der A in Deutschland deshalb gemeldet, da er seit 2015 sein Leben nur im Lager verbrachte und er von seiner Familie nicht so lange getrennt leben wollte.

Bei seiner 2. Einvernahme beim BFA legte der A eine Ladung der STA Istanbul vom 19.3.2018 für den 21.3.2018 vor, von der er laut eigener Angabe bereits im Beschwerdeverfahren Kenntnis hatte. Weiter gab er an, dass er 2015 von 2 Polizisten auf der Straße angesprochen wurde, weshalb er kurdisch spreche. Insgesamt 5 oder 6 Polizisten hätten den A dann mitgenommen. Man habe ihn gefesselt und geschlagen. Dann sei der A aus dem Auto geworfen worden.

1.5.1. Aufgrund der Ermittlungsergebnisse wurde dem A mit Schreiben des BFA vom 12.2.2019 gem. § 29 Abs. 3 Z.4 und 6 AsylG die Absicht des BFA, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben, mitgeteilt.

1.6. Mit mündlich verkündetem und niederschriftlich beurkundetem Mandatsbescheid des BFA vom 6.3.2019, Zl. XXXX wurde festgestellt, dass der faktische Abschiebeschutz gem. § 12 AsylG gem. § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben wird. (Mit Mandatsbescheid vom selben Tag wurde über den A die Schubhaft verhängt.)

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus:

Der A berufe sich im ggst, Verfahren auf einen Sachverhalt, welcher bereits Gegenstand des Erstverfahrens war. Der A habe im ggst. Verfahren keinen neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt vorgebracht, welcher nach Rechtskraft des Erstverfahrens am 15.6.2018 neu entstanden wäre. Der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt sei unverändert, weshalb entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vorliege.

Der A berufe sich nunmehr darauf, dass ihm seine Mutter mitgeteilt habe, dass die Polizei in der Türkei nach ihm gefragt habe. Dies sei laut Angabe des A noch während des laufenden Erstverfahrens gewesen, weshalb es sich insofern um keinen neuen Sachverhalt handle. Letztlich brachte der A noch vor, dass er 2015 von der Polizei verschleppt und gefoltert worden sei. Weiter legte er eine Ladung der STA Istanbul vom 19.3.2018 für den 21.3.2018 vor. Diese habe er erst jetzt erhalten, da seine Mutter Analphabetin sei und nicht gewusst habe, worum es sich handelt. Interessant sei, dass die Ladung der Mutter des BF in Istanbul zugestellt wurde, obwohl der A mehrmals angab, dass es sich um ein geheimes Verfahren handle und Schriftstücke nur ihm persönlich ausgehändigt würden.

Weshalb der BF den Vorfall von 2015 erst jetzt angab, obwohl er behauptete über seine Mitwirkungspflichten im Verfahren aufgeklärt worden zu sein, sei für die Behörde nicht nachvollziehbar. Auch das Foto seines Fußes hätte der BF schon längst vorlegen können. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb der BF die fehlende Zehe durch ein Foto belegen wollte und nicht - wie eigentlich anzunehmen wäre - seinen Fuß vorzeigte.

Der A habe somit in Summe keinen neuen, nach der Rechtskraft im letzten Verfahren entstandenen Sachverhalt vorgebracht. Es sei auch nicht glaubhaft, dass der A erst jetzt, nachdem er schon mehrmals im Erstverfahren und auch in diesem Verfahren die Möglichkeit zur Darlegung seiner Fluchtgründe hatte, Ereignisse aus 2015 schilderte und behauptete, diese hätten zu seiner Ausreise geführt.

Die Lage im Herkunftsstaat sei in Hinblick auf das individuelle Vorbringen des A seit der Entscheidung über den Erstantrag unverändert. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt habe sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens am 15.6.2018 nicht geändert.

Mangels Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts werde voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrags erfolgen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der oben festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie aus den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Zu Spruchteil A)

2.2. Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a AsylG 2005 idgF lautet:

(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben..

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist (§ 58 Abs. 2 FPG) und

3. darüber hinaus

a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;

b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder

c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht."

2.2.2. Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 ergehen Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Der mit "Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes " betitelte § 22 BFA-VG lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

2.3. Zu den Voraussetzungen des § 12 a AsylG 2005, auf den gegenständlichen Fall bezogen, im Detail:

Das Vorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung oder eine Ausweisung, ist notwendiges Tatbestandselement des §12a Abs. 2 Asylgesetz 2005.

Der A brachte am 9.9.2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz ein, welcher mit Bescheid des BFA vom 12.2.2018 gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt wurde. Gem. § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen. Gem. § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen. Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des A in die Türkei gem. § 46 FPG zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 13.6.2018 in allen Punkten als unbegründet abgewiesen. Rechtskraft trat am 15.6.2018 ein.

Aus dem Vorbringen zum Folgeantrag ergibt sich - wie das BFA bereits zutreffend feststellte - kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt. Auch die Ländersituation ist im Wesentlichen, jedenfalls hinsichtlich der Herkunftsregion des A, gleichgeblieben. Es gab diesbezüglich auch kein Vorbringen des A, wonach eine Verschlechterung der Lage eingetreten wäre. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird. Der Vollständigkeit halber wird noch darauf hingewiesen, dass mangels Glaubwürdigkeit auch der erste Antrag auf internationalen Schutz rechtskräftig abgewiesen wurde.

Wenn der A nunmehr einen Vorfall mit der Polizei aus 2015 ins Treffen führt, ist dieser Umstand von der Rechtskraft des 1. Asylverfahrens erfasst. Soweit der A eine Kopie eines Fotos eines Fußes mit fehlender kleiner Zehe vorgelegt hat, kann daraus nicht entnommen werden, um wessen Fuß es sich handelt, zumal der A diesen beim BFA auch nicht vorgezeigt hat. Zudem kann aufgrund des Fotos auch nur erkannt werden, dass offensichtlich eine kleine Zehe fehlt, nicht aber weshalb es tatsächlich zu deren Amputation kam.

Wenn der A noch angab, die Polizei habe 2018 3 Mal nach ihm gefragt, ist seitens des Gerichtes dazu festzustellen, dass er diese Behauptung lediglich völlig vage und allgemein in den Raum gestellt hat, indem er zunächst lediglich das Jahr 2018 angab. Über mehrmaliges Nachfragen äußerte er dann, es sei in den Wintermonaten 2018 gewesen. Erneut nachgefragt, ob es Jänner oder Februar 2018 war, meinte der A dann ausweichend: "Ja, ich möchte aber keine falsche Angabe machen." Weiter gab er selbst an, dass er das auch im ersten Verfahren erwähnt habe.

Was die nunmehr vorgelegte Ladung der STA Istanbul betrifft, ist dazu festzustellen, dass vom A lediglich eine Kopie vorgelegt wurde, die einer Überprüfung auf Echtheit nicht zugängig ist. Außerdem ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen einer Fälschung oder Verfälschung auszugehen, zumal sich diese Ladung auf ein Vorbringen stützt, das bereits im ersten Verfahren von 2 Instanzen als unglaubwürdig festgestellt wurde. Darüber hinaus gab der A an, dass er bereits während des Beschwerdeverfahrens Kenntnis von dieser Ladung der STA hatte, sodass auch diese von der Rechtskraft des ersten Verfahrens erfasst ist.

Als Voraussetzung für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutz normiert § 12a Abs. 2 AsylG in seiner Ziffer 3, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für den Asylwerber keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen darf.

Bereits im ersten Verfahren haben BFA und BVwG ausgesprochen, dass der A bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson als ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde. Auch im aktuellen Verfahren vor dem BFA ist nichts hervorgekommen, was gegen die Abschiebung des A in seinen Heimatstaat im Sinne dieser Bestimmungen spricht. Gegenteiliges ergibt sich auch bei Berücksichtigung der ständigen Judikatur nicht.

Zudem ist grundsätzlich festzuhalten, dass (auch) im Verfahren zur allfälligen Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12 a Abs. 2 AsylG durch das BFA ein Ermittlungsverfahren durchzuführen ist (vgl. § 18 AsylG 2005), wobei auch der Grundsatz der notwendigen Einräumung von rechtlichem Gehör (§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist. Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt; dem A wurde auch das Parteiengehör eingeräumt.

Dem BFA ist beizupflichten, wenn es feststellte, dass kein schützenswertes Familien- oder Privatleben des A in Österreich feststellbar ist und auch der Gesundheitszustand der BF nicht dazu Anlass gibt, zu einem anderen Ergebnis zu kommen.

Da insgesamt die Voraussetzung des § 12 a Abs. 2 Asylgesetz 2005 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, ist der mündlich verkündete Bescheid des BFA vom 6.3.2019 rechtmäßig.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH zur Bindungswirkung bereits rechtskräftig vorliegender Entscheidungen abgeht. Ebenso löst das ho. Gericht die Frage, ob eine Verhandlung stattzufinden hatte im Lichte der höchstgerichtlichen Judikatur.

Aus dem Umstand, dass das ho. Gericht und die belangte Behörde mit 1.1.2014 ins Leben gerufen wurden, bzw. sich die asyl- und fremdenrechtliche Diktion, sowie Zuständigkeiten zum Teil änderten, und das Asyl- und Fremdenrecht eine verfahrensrechtliche Neuordnung erfuhr kann ebenfalls kein unter Art. 133 Abs. 4 zu subsumierender Sachverhalt hergeleitet werden, zumal sich am substantiellen Inhalt der anzuwendenden Normen keine relevante Änderung ergab.

Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,
faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Identität der Sache, Privat- und Familienleben, real risk, reale
Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L519.2190079.2.00

Zuletzt aktualisiert am

07.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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