TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/4 W271 2180680-1

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Veröffentlicht am 04.04.2019
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Entscheidungsdatum

04.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W271 2180666-1/11E

W271 2180685-1/9E

W271 2180682-1/9E

W271 2180677-1/9E

W271 2180680-1/9E

W271 2180672-1/9E

W271 2192779-1/9E

Schriftliche Ausfertigung der am 08.02.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisse

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.02.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 08.02.2020 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.02.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird der Beschwerdeführerin eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 08.02.2020 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, gesetzliche Vertreterin: XXXX , geb. XXXX alias XXXX , diese durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe vertreten, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.02.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 08.02.2020 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde der minderjährigen XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX StA. Afghanistan, gesetzliche Vertreterin:

XXXX , geb. XXXX alias XXXX , diese durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe vertreten, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.02.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird der Beschwerdeführerin eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 08.02.2020 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

5.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, gesetzliche Vertreterin: XXXX , geb. XXXX alias XXXX , diese durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe vertreten, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.02.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 08.02.2020 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

6.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde der minderjährigen XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gesetzliche Vertreterin: XXXX , geb. XXXX alias XXXX , diese durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe vertreten, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.02.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird der Beschwerdeführerin eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 08.02.2020 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

7.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde der minderjährigen XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gesetzliche Vertreterin: XXXX , geb. XXXX alias XXXX , diese durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe vertreten, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 09.03.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.02.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird der Beschwerdeführerin eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 08.02.2020 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Erstbeschwerdeführer XXXX (in der Folge: "BF1") und die Zweitbeschwerdeführerin XXXX (in der Folge: "BF2") stellten am 20.10.2015 zusammen mit ihren minderjährigen Kindern (dem Drittbeschwerdeführer XXXX , in der Folge: "BF3"; der Viertbeschwerdeführerin XXXX alias XXXX , in der Folge: "BF4"; dem Fünftbeschwerdeführer XXXX , in der Folge: "BF5"), alle afghanische Staatsangehörige der Volksgruppe der Usbeken, bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Bad Deutsch Altenburg einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei der am 21.10.2015 durchgeführten Erstbefragung gab der BF1 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:

Er sei am XXXX in XXXX , XXXX , geboren worden und seine Muttersprache sei Dari. Der BF1 habe fünf Jahre lang eine Grundschule besucht und sei zuletzt als Lehrer tätig gewesen. Er gab an, über eine Familie zu verfügen: Diese bestehe aus seiner Frau und seinen drei Kindern. Seine zwei ältesten Kinder seien im Iran und sein jüngstes Kind sei in der Türkei auf die Welt gekommen.

Als Fluchtgrund führte der BF1 an, dass es der Familie in Afghanistan finanziell sehr schlecht gegangen sei. Die Situation sei nicht mehr zum Aushalten gewesen. Finanziell würde die Familie eine Rückkehr nicht überleben und außerdem herrsche überall Krieg.

Die BF2, die am selben Tag einvernommen wurde, führte im Wesentlichen Folgendes bei der Erstbefragung an:

Sie sei am XXXX in Teheran, Iran, geboren worden, spreche Dari als Muttersprache und sei im achten Monat schwanger. Als Wohnadresse führte sie XXXX , XXXX , an. Die BF2 habe sieben Jahre lang eine Schule besucht und sei Hausfrau gewesen. Ihre Kinder seien im Iran bzw. in der Türkei auf die Welt gekommen.

Als Fluchtgrund gab die BF2 zu Protokoll, dass es der Familie finanziell sehr schlecht gegangen sei. Ein Bruder ihres Mannes sei von den Taliban getötet worden und sie hätten eine bessere Zukunft für ihre Kinder gewollt. Bei einer Rückkehr fürchte die BF2 den Krieg.

3. Am 27.11.2015 wurde die Sechstbeschwerdeführerin XXXX (in der Folge: "BF6") als Tochter des BF1 und der BF2 in Österreich nachgeboren. Ihre Mutter stellte als gesetzliche Vertreterin für diese am 18.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Beigelegt wurden dem Ansuchen eine Meldebestätigung und eine Geburtsurkunde.

4. Am 16.10.2017 erfolgte die Einvernahme des BF1 und der BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: "BFA") in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi und einer Vertrauensperson der BF2.

Dabei schilderte der BF1, dass er fünf Jahre lang eine Schule besucht und als Lehrer für Erstklässler gearbeitet habe. Nachmittags sei er in der Landwirtschaft tätig gewesen.

Zu seinem Fluchtgrund befragt schilderte der BF1 zusammengefasst, dass er, als er am Nachmittag in der Stadt Lebensmittel einkaufen gewesen sei und nachhause habe gehen wollen, ihn drei bewaffnete Personen angehalten hätten. Diese hätten ihm den Lehrausweis weggenommen und behauptet, er arbeite für die Regierung. Der BF1 sei anschließend von den Männern zu einem Stützpunkt mitgenommen und dort geschlagen worden. XXXX , der Anführer der Taliban in Kunduz, habe gemeint, dass der BF1 nur am Leben bleiben könne, wenn dieser seine Tochter an seinen 33-jährigen Sohn verheirate; der BF1 habe dafür etwas unterschreiben müssen. Am nächsten Tag, um neun Uhr, sei der BF1 dann nachhause gebracht worden. Dieser habe eine 14-tägige Frist bekommen, die Verlobung zu organisieren. Der BF1 habe sohin keinen anderen Weg gesehen, als das Land zu verlassen. Seine Frau und Kinder hätten dieselben Fluchtgründe.

Die BF2 wurde ebenfalls vor dem BFA am selben Tag niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen der Befragung führte diese an, schwanger zu sein.

Zum Fluchtgrund schilderte die BF2 im Wesentlichen, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe, sondern die gleichen wie ihr Mann. Dasselbe gelte für ihre Kinder.

Ihr Mann sei Lehrer gewesen und sei von Paschtunen bedroht worden, weil er nicht das Recht gehabt habe, Mädchen zu unterrichten. Die Paschtunen hätten den BF1 eines Tages nach dem Unterricht abgefangen, ihn geschlagen und ihm den Dienstausweis weggenommen. Ein Paschtune, der gleichzeitig Taliban gewesen sei, habe ihren Mann bedroht, dass er ihm die Tochter wegnehmen werde, damit sein Sohn diese heirate. Die Familie hätte eine Frist von zwei Wochen erhalten, um eine Verlobungszeremonie vorzubereiten. Es habe keine andere Möglichkeit gegeben, als das Heimatland zu verlassen. Die Regierung gehe dieser Sache nicht nach und es hätte auch keine Verwandten gegeben, die hinter ihnen gestanden wären.

5. Mit Bescheiden vom jeweils 17.11.2017 wies das BFA die Anträge der BF1 bis BF6 auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 ab, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei.

6. Die BF1 bis BF6 erhoben jeweils am 18.12.2017 gegen sämtliche Spruchpunkte Beschwerde. Darin wurde die Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, einer mangelhaften Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung, geltend gemacht. Insbesondere wurde vorgebracht, dass die Einvernahme des BF1 und der BF2 vor dem BFA nicht geeignet gewesen sei, ihr gesamtes Fluchtvorbringen geordnet vorzubringen, weil der Einvernahmeleiter ungeduldig gewesen sei und kein Interesse an den Fluchtgründen gehabt habe. In der Erstbefragung hätten der BF1 und die BF2 wiederum nicht das nötige Vertrauen fassen können, um über ihre Verfolgung in Afghanistan zu sprechen, weil der Dolmetscher während der Einvernahme ständig telefoniert habe und diese nicht alle Fragen verstanden hätten. Das BFA habe es ferner unterlassen, die BF2 und die BF4 zu deren westlichen Gesinnung zu befragen und wäre dazu angehalten gewesen, von Amts wegen die eigenen Fluchtgründe der minderjähren Kinder zu ermitteln. In Afghanistan herrsche eine schlechte Sicherheitslage und es stehe keine innerstaatliche Fluchtalternative für die Familie zur Verfügung.

7. Die Beschwerdevorlage erfolgte mit Schreiben vom 19.12.2017. Am 22.12.2017 langten die Akten der BF1 bis BF6 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch: "BVwG") ein.

8. Mit Schreiben vom 31.08.2018 legten die BF1 bis BF6 Integrationsunterlagen vor.

9. Am 16.01.2018 stellte die BF2 als gesetzliche Vertreterin für ihr am 03.01.2018 nachgeborenes Kind (die Siebtbeschwerdeführerin XXXX , in der Folge: "BF7") einen Asylantrag in Österreich. Angeschlossen waren eine Meldebestätigung und eine Geburtsurkunde.

10. Mit Bescheid vom 09.03.2018 wies das BFA den Antrag der BF7 auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 ab, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei.

11. Die BF7 erhob gegen diesen Bescheid am 10.04.2018 Beschwerde in vollem Umfang. Vorgetragen wurde, dass von der belangten Behörde kein eigenständiges Ermittlungsverfahren durchgeführt worden sei.

12. Die Beschwerdevorlage erfolgte mit Schreiben vom 18.04.2018. Am 18.04.2018 langte der Akt der BF7 beim BVwG ein.

13. Mit Schreiben vom 22.01.2019 übermittelten die Beschwerdeführer weitere Dokumente betreffend ihre Integration.

14. Das BVwG führte am 08.02.2019 in Anwesenheit zweier Dolmetscher für die Sprachen Dari bzw. Usbekisch und im Beisein eines Rechtsvertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

15. Anschließend an die Verhandlung wurden die Entscheidungen hinsichtlich der bekämpften Bescheide mündlich verkündet: Die Beschwerden wurden jeweils hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen, jedoch wurde diesen jeweils hinsichtlich Spruchpunkt II. stattgegeben und den BF der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt sowie eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt.

16. Die BF beantragten mit Schreiben vom 20.02.2019 eine schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Entscheidungen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zu den BF

1.1.1. Der BF1 trägt den Namen XXXX und führt die Geburtsdaten XXXX alias XXXX . Die BF2 trägt den Namen XXXX und führt die Geburtsdaten XXXX alias XXXX .

Sie sind Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan, Volksgruppenangehörige der Usbeken und sunnitische Moslems. Diese wurden durch einen Mullah traditionell verheiratet und sind die Eltern des minderjährigen BF3 ( XXXX , geb. XXXX alias XXXX ), der

minderjährigen BF4 ( XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX ), des

minderjährigen BF5 ( XXXX , geb. XXXX alias XXXX ), der minderjährigen BF6 ( XXXX , geb. XXXX ) und der minderjährigen BF7 ( XXXX , geb. XXXX ). Alle sind afghanische Staatsbürger.

Die BF sprechen Usbekisch sowie Dari/Farsi. Nur die BF4 beherrscht kein Dari/Farsi, kann dafür aber etwas Türkisch.

1.1.2. Der BF1 wurde in der Provinz Kunduz, in der Gemeinde XXXX (in der Nähe der Stadt XXXX ), geboren und lebte dort mit seiner Familie. Die BF2 wurde in Teheran, Iran, geboren und kehrte vor 18 oder 19 Jahren nach Afghanistan zurück, heiratete ihren Mann und lebte mit ihm in XXXX . Die zwei jüngsten Kinder wurden in Österreich geboren. Die Geburtsorte der anderen drei Kinder konnten nicht festgestellt werden.

1.1.3. Der BF1 hat im Herkunftsstaat eine fünfjährige Grundschule absolviert und war zuletzt als Lehrer für Erstklässler tätig. An dieser Schule wurden Knaben und Mädchen unterrichtet. Nachmittags arbeitete der BF1 als Taglöhner, überwiegend in der Landwirtschaft. Die BF2 besuchte sieben Jahre lang eine Schule im Iran und war danach Hausfrau.

1.1.4. Der BF1 hat bis auf seine Angehörigen in Österreich keine Verwandtschaft mehr. Die Familie der BF2 hielt sich, als die BF2 ein junges Mädchen war und nach ihrer Ausreise im Iran auf; der Großteil ihrer Familie lebt aktuell in der der Türkei.

1.1.5. Die BF1 bis BF5 haben Afghanistan spätestens im September 2015 verlassen und stellten am 20.10.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Für die Schleppung, die vom BF1 organisiert und finanziert wurde, wurden zumindest USD/EUR 12.000,-

gezahlt. BF1 muss nichts zurückzahlen, BF2 hat noch Schulden bei ihrer Familie.

Für die in Österreich nachgeborenen Kinder wurden am 18.01.2016 (BF6) bzw. 16.01.2018 (BF7) Anträge auf internationalen Schutz gestellt.

1.1.6. In ihrem Herkunftsstaat sind die BF ist nicht vorbestraft, sie waren politisch nicht tätig und hatten keine Probleme mit den Behörden im Herkunftsstaat.

1.1.7. Die BF sind gesund.

1.1.8. Im Bundesgebiet verfügen die BF über keine weiteren Angehörigen.

1.1.9. Die BF wohnen derzeit in einer Flüchtlingsunterkunft in XXXX und leben von der Grundversorgung. Der BF1 arbeitet ehrenamtlich und erhält dadurch Dienstleistungsschecks.

Der BF1 hat an mehreren Deutschkursen (Niveau A1) teilgenommen und im Dezember 2017 eine A1-Sprachprüfung abgelegt. Dieser konnte die in der Verhandlung gestellten Fragen auf Deutsch teilweise verstehen und in einzelnen Wörtern oder sehr einfachen Sätzen darauf auf antworten.

Seit August 2017 hilft der BF1 einmal wöchentlich auf ehrenamtlicher Basis in einer Behinderten-Werkstätte aus und engagiert sich regelmäßig bei Kirchenfesten der Evangelischen Pfarrgemeinde XXXX . Zudem unterstützt er eine alte Dame aus seiner Ortschaft im Haushalt und im Garten. Der BF1 hat darüber hinaus von Dezember 2018 bis Jänner 2019 im Bereich Küche und Hauswirtschaft im Freizeitzentrum XXXX und einmal bei einer Promotion des XXXX ausgeholfen.

Die BF2 hat ebenfalls mehrere Deutschkurse absolviert (Niveau A1) und die diesbezügliche Prüfung bestanden. Die in der Verhandlung gestellten Fragen auf Deutsch konnte diese teilweise verstehen und in einzelnen Worten oder sehr einfachen Sätzen darauf antworten.

Im Bundesgebiet haben die BF österreichische Freunde, mit denen sie in ihrer Freizeit Dinge unternehmen und sich treffen. Diese Freunde haben auch Empfehlungsschreiben über die positive Integration der Familie, insbesondere zu jener des BF1, verfasst.

Der BF3 und die BF4 besuchen aktuell die Schule. In ihrer Freizeit machen sie Sport und treffen (gemischtgeschlechtliche) Freunde. Die BF4 spielt auch mit Burschen Fußball.

Der BF5 geht ab April 2019 in einen Kindergarten.

Die BF6 und die BF7 sind Kleinkinder.

1.1.10. Der BF1 hat 2017 an einem Glaubenskurs der evangelischen Pfarrgemeinde XXXX teilgenommen. Die BF2 nimmt an Treffen einer Bibelgruppe von Frauen teil. Eine Konversion der BF ist nicht beabsichtigt.

1.1.11. Die BF sind in Österreich nicht vorbestraft, sie waren nicht von einer gerichtlichen Untersuchung in Österreich betroffen und haben keine Verwaltungsstrafe begangen.

1.1.12. In Österreich hat ein in der Nachbarschaft der BF wohnender junger Mann dem BF3 Nacktfilme gezeigt. Der BF2 fiel beim Zusammensein dieses jungen Mannes und dem BF3 "etwas Komisches" auf und sie war streng dahinter. Aus Sorge vor einem möglichen sexuellen Missbrauch bzw. Übergriff ließen der BF1 und die BF2 ihren Sohn im Krankenhaus untersuchen. Es ist nicht zu tatsächlichen (sexuellen) Übergriffen gekommen. Im Anschluss daran gab es eine Gerichtsverhandlung, im Zuge derer der junge Mann zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde.

1.2. Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates/Nachfluchtgründe

1.2.1. Die BF haben - betreffend die Fluchtgründe, aber auch zahlreiche biographische Angaben - im Laufe des Verfahrens stark divergierende Angaben gemacht. Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF generell glaubwürdig sind; vielmehr waren weite Teile ihres primären Fluchtvorbringens unglaubwürdig.

Die Familie reiste in der Hoffnung auf eine - insbesondere finanziell - bessere Zukunft, vor allem auch für die Kinder, nach Europa.

Zum weiteren Fluchtvorbringen konnten keine positiven Feststellungen getroffen werden: Der BF1 wurde nicht durch bewaffnete Personen angehalten. Der Lehrerausweis wurde ihm nicht abgenommen. Er wurde nicht mit dem Vorwurf konfrontiert, für die Regierung zu arbeiten. Er wurde nicht zu einem Stützpunkt mitgenommen und dort misshandelt bzw. geschlagen. Er wurde nicht vom Talibanleiter der Region namens " XXXX " unter Druck gesetzt, seine damals neunjährige Tochter möge den erwachsenen Sohn von XXXX heiraten, weil der BF1 bzw. seine Familie ansonsten getötet wird. In diesem Zusammenhang wurde und wird den BF keine Ehrverletzung unterstellt. Dem BF1 wurde keine 14-tägige Frist zum Organisieren einer Verlobungsfeier eingeräumt. Ihm wurde nicht vorgeworfen, den Sohn von XXXX ermordet zu haben. Ihm wurde nicht unterstellt, gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung durch regierungsfeindliche Kräfte verstoßen zu haben oder eine feindliche Gesinnung gegenüber den Taliban zu haben. Die BF hatten keine Probleme wegen ihrer Volkszugehörigkeit, Religion, politischen oder weltanschaulichen Einstellung oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe.

1.2.2. Es konnte darüber hinaus nicht festgestellt werden, dass die minderjährigen BF aufgrund persönlicher Eigenschaften, insbesondere ihrer Eigenschaft als Kinder und ihrer Eigenschaft als Rückkehrer aus Europa, in Afghanistan eine speziell gegen sie gerichtete Bedrohung im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätten.

Im Herkunftsland besteht Schulpflicht und es ist auch ein Schulangebot vorhanden. Die beiden älteren Kinder - auch die älteste Tochter - haben in der Herkunftsprovinz, drei bzw. zwei Jahre lang, die Schule besucht. Die Schule befand sich fünf bis zehn Gehminuten vom Wohnhaus der BF entfernt.

Der BF1 und die BF2 haben nicht vor, ihre Kinder durch Zwang zu verheiraten und lassen diesen die Entscheidungsfreiheit über ihr Leben - jedenfalls ab Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze.

1.2.3. In Afghanistan war die BF2 Hausfrau. Sie konnte für kleinere Erledigungen das Haus verlassen, um etwa für die Kinder Schokolade zu kaufen, und konnte bei Bedarf alleine Besorgungen machen und Geld ausgeben sowie vonseiten des BF1 frei mit Geld umgehen. Die meisten Einkäufe erledigte der BF1.

Frauen im Wohnumfeld der BF durften arbeiten. Je nach den vorhandenen Möglichkeiten arbeiteten die Frauen auf den Feldern oder für den Staat, was vom "Familienprinzip" und den verfügbaren Arbeitsmöglichkeiten abhing. Der BF1 war nicht dagegen, dass die BF2 eine berufliche Tätigkeit ausübt, jedoch gab es für sie keine Arbeit. Die BF2 sah sich auch durch ihr kleines Kind am Arbeiten in Afghanistan gehindert. Die Lebensweise der BF2 war damit bereits in der Provinz Kunduz, die an sich zu den unruhigeren Gebieten Afghanistans gehört, dergestalt selbstbestimmt, dass sie innerhalb ihres Dorfes die genannten Freiheiten genießen konnte, ohne damit Verfolgung, Gefahr oder Bedrohung auf sich zu ziehen, auch wenn von Seiten der Gesellschaft zum Teil schlechtes Gerede und Beschimpfungen drohten.

In Österreich hat die BF2 etwas mehr Selbstständigkeit erlangt. Sie erledigt tägliche Wege (Einkaufen, Deutschkurs) auch alleine und hat soziale Kontakte geschlossen. Die BF2 möchte später als Verkäuferin arbeiten, hat sich mit dem geäußerten Berufswunsch aber noch nicht näher auseinandergesetzt. Mit der Aufnahme einer Arbeit will sie solange zuwarten, bis sie die deutsche Sprache auf B1-Niveau beherrscht und ihre kleinsten Kinder einen Kindergarten besuchen. Der BF1 würde seine Frau nach Möglichkeit bei Bestrebungen, einen Beruf zu ergreifen und eine Ausbildung zu machen, unterstützen. Der BF1 und die BF2 teilen die Ansicht, dass die BF2 vor weiteren beruflichen Schritten zuwarten soll, bis die kleinen Kinder in den Kindergarten gehen.

Die BF2 spricht nur rudimentär Deutsch und geht keiner ehrenamtlichen Tätigkeit, kulturellen Veranstaltungen, einer Vereinstätigkeit oder einem Sport nach. Sie kümmert sich in Österreich hauptsächlich um ihre minderjährigen Kinder, den Haushalt und das Kochen. Behördenwege werden vorrangig von ihrem Mann getätigt, außer dieser ist verhindert oder es handelt sich um leichtere Angelegenheiten, die die BF2 selbst bewältigen kann.

Im Herkunftsstaat hat die BF2 einen Kleidungsstil in Richtung Hijab getragen, in Österreich trägt sie ein Kopftuch, das den Haaransatz erblicken lässt, und langärmelige Kleidung. Die BF2 schätzt in Österreich vor allem die Sicherheit und die Bewegungsfreiheit.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass BF2 sich mit den "westlichen" Werten und einer "westlichen" Lebensweise eindringlich auseinandergesetzt hat. Sie hat auch keine Lebensweise angenommen oder verinnerlicht, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung von Grundrechten zum Ausdruck kommt, wie sie in der Herkunftsregion der BF2 nicht möglich wäre. Die - für später aufgehobenen - Berufswünsche der BF2 sind kein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität (geworden).

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF2 während ihres Aufenthalts in Österreich eine Lebensweise oder Werthaltung verinnerlicht hat, die ein Leben im Herkunftsstaat im Sinne einer Verfolgung, Gefahr oder Bedrohung, unmöglich machen würde (etwa wegen gesellschaftlicher, kultureller Einschränkungen oder wegen der Auslegung staatsfeindlicher Elemente).

1.2.4. In Österreich besucht die BF4 eine Schule und geht in ihrer Freizeit mit Freunden (Buben wie Mädchen) schwimmen und Fußball spielen oder lernt mit diesen. Ihre beste Freundin ist ein Mädchen namens XXXX . Sie hat die deutsche Sprache bisher gut erlernt und möchte Ärztin werden, wobei sie sich noch nicht genau informiert hat, welche konkreten Ausbildungsschritte sie dafür setzen muss.

Ihre Kleidung wählt sich die BF4 selbst aus; diese trägt keine Kopfbedeckung. Sie ist noch so jung, dass sie nicht weiß, ob sie einmal heiraten will; sie will sich ihren Partner aber selbst aussuchen. Dies unterstützen auch ihre Eltern.

Bei der nach eigenen Angaben zwölfjährigen, laut bisherigem Aktenstand aktuell vierzehnjährigen, BF4 konnte wegen ihres jungen Alters und ihrem kindlichen Auftreten keine derart fortgeschrittene Persönlichkeitsentwicklung erkannt werden, dass die Verinnerlichung einer westlichen Lebensführung als wesentlicher Bestandteil ihrer Identität hätte angenommen werden können.

1.3. Situation im Herkunftsstaat

1.3.1. Integrierte Kurzinformationen

KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.01.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.- amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Qatar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach den Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.08.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban, noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018). Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilsten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

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(UNAMA 10.10.2018)

Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:

davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018). Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018). Regierungsfreundliche Gruppierungen waren für

1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).

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(UNAMA 10.10.2018)

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptstädte von den Taliban angegriffen: Farah-Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

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(BFA Staatendokumentation 15.10.2018a)

Im Folgenden wird das Verhältnis zwischen den diversen sicherheitsrelevanten Vorfällen für den Zeitraum 1.4.2018 - 30.9.2018 durch eine Grafik der Staatendokumentation veranschaulicht.

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(BFA Staatendokumentation 15.10.2018b)

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018). (UNAMA 15.7.2018)

Bild kann nicht dargestellt werden

(UNAMA 15.7.2018)

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und -prävention" und das Protokoll V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Wahlen

Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distriktenwurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Millionen (AAN 9.10.2018; vgl. IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).

Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 1.1.2018 und 30.6.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichnet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.7.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 9.10.2018).

Von den insgesamt 7.366 Wahllokalen werden aus Sicherheitsgründen letztendlich am Tag der Wahl 5.100 geöffnet sein (AAN 9.10.2018; vgl. UNAMA 17.9.2018, Tolonews 29.9.2018). Diese sollen während der fünf Tage vor der Wahl von 54.776 Mitgliedern der Afghan National Security Forces (ANSF) bewacht werden; 9.540 weitere stehen als Reserven zur Verfügung (Tolonews 29.9.2018; vgl. AAN 9.10.2018).

(Auszug aus folgender

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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