Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.
Veith als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Musger und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Ordinationssache der klagenden Partei M***** V*****, vertreten durch Dr. Michael Wukoschitz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Air C*****, Ägypten, wegen 400 EUR sA, über den Antrag auf Ordination gemäß § 28 JN den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Bezirksgericht Schwechat bestimmt.
Text
Begründung:
Der Kläger strebt die Verpflichtung des beklagten Flugunternehmens mit Sitz in ***** zur Zahlung von 400 EUR aufgrund der Verordnung (EG) Nr 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 2. 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen an. Ihr bei der beklagten Partei gebuchter Flug von Wien-Schwechat nach Marsa Alam am 25. 1. 2018 habe mehr als drei Stunden Ankunftsverspätung gehabt.
Mit Beschluss vom 18. 12. 2018, GZ 21 C 968/18p-2, wies das Bezirksgericht Schwechat die Klage mangels internationaler Zuständigkeit zurück. Der Kläger könne sich aufgrund des Sitzes der beklagten Partei in einem Drittstaat nicht auf Art 7 EuGVVO berufen. Ausreichendes Vermögen der beklagten Partei im Inland iSd § 99 JN sei weder in Form von beweglichen Sachen noch in Form von Forderungen gegen Drittschuldner bescheinigt und Vorbringen in Richtung des § 88 JN nicht erstattet worden.
Das vom Kläger als Rekursgericht angerufene Landesgericht Korneuburg teilte diese Rechtsansicht und bestätigte die Entscheidung. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei.
Nunmehr beantragt der Kläger beim Obersten Gerichtshof gemäß § 28 JN unter Anschluss der (neuerlich) einzubringenden Klage die Ordination eines für seine Klage örtlich zuständigen Gerichts in Österreich. Eine Rechtsverfolgung in Ägypten sei für den Kläger als Verbraucher angesichts der unverhältnismäßig hohen Prozesskosten unzumutbar. Eine Entscheidung eines ägyptischen Gerichts würde in Österreich überdies nicht anerkannt und vollstreckt werden. Ungeachtet des Zurückweisungsbeschlusses des Bezirksgerichts Schwechat gehe der Kläger davon aus, dass die beklagte Partei über Betriebsmittel und Forderungen im Inland verfüge und daher Exekution geführt werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Die Voraussetzungen für eine Ordination durch den Obersten Gerichtshof sind gegeben.
1. Die bereits erfolgte Zurückweisung der Klage wegen internationaler und örtlicher Unzuständigkeit (§ 27a JN) steht dem Ordinationsantrag nicht grundsätzlich entgegen, weil im Fall seiner Stattgebung die Klage neu beim ordinierten Gericht einzubringen wäre (5 Nc 25/16w; 2 Ob 32/08g).
2. Für den Fall, dass für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind, bestimmt § 28 Abs 1 Z 2 JN, dass der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen hat, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre.
Das Bezirksgericht Schwechat und das Landesgericht Korneuburg haben die internationale und örtliche Zuständigkeit (§ 27a JN) rechtskräftig verneint. An eine solche Entscheidung ist der Oberste Gerichtshof gebunden (6 Nc 1/19b; 3 Nc 3/18y; vgl RS0046568), was im Ordinierungsverfahren zu beachten ist.
3. Das Naheverhältnis des Klägers zum Inland folgt aus seinem inländischen Wohnsitz. Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland wird in Lehre und Rechtsprechung insbesondere dann bejaht, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt wird, eine dringende Entscheidung im Ausland nicht rechtzeitig erreicht werden kann, eine Prozessführung im Ausland eine der Parteien politischer Verfolgung aussetzen würde oder äußerst kostspielig wäre (RS0046148).
4. Es entspricht zwar der ständigen Rechtsprechung, dass das – auch vom Kläger gebrauchte – Prozesskostenargument bei Distanzprozessen für beide Parteien jeweils mit umgekehrten Vorzeichen besteht und daher grundsätzlich zu Lasten des Klägers geht (RS0046420). Wie der Kläger zutreffend anführt, hat der Oberste Gerichtshof aber jüngst in seiner Entscheidung 6 Nc 1/19b in einem vergleichbaren Fall ausgesprochen, dass in Fällen, in denen der Kläger offensichtlich als Verbraucher aufgetreten war, die Frage der Kostspieligkeit der Führung eines Rechtsstreits im Ausland stärker berücksichtigt werden könne, weil § 28 Abs 1 Z 2 JN mit der erweiterten Wertgrenzennovelle 1997, BGBl I 140/1997, leicht verändert wurde. Gerade auf diesen Umstand (Übersetzungskosten) hat sich der Kläger im vorliegenden Ordinationsantrag berufen.
5. Vor allem aber ist zu berücksichtigen, dass Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland vorliegt, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt würde und eine Exekutionsführung im Inland geplant ist (6 Nc 1/19b; RS0046148 [T10, T16]).
5.1 Nach § 79 Abs 2 EO sind (nur) Akte und Urkunden [...] für vollstreckbar zu erklären, wenn sie nach den Bestimmungen des Staats, in dem sie errichtet wurden, vollstreckbar sind und die Gegenseitigkeit durch Staatsverträge oder durch Verordnungen verbürgt ist. In diesem Zusammenhang macht der Kläger zutreffend geltend, dass zwischen Österreich und Ägypten kein Abkommen über die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen nach der Fluggastrechteverordnung besteht (vgl die Übersichtstabelle anwendbarer Vollstreckungsverträge nach Ländern in alphabetischer Reihenfolge, herausgegeben vom Bundesministerium für Justiz, „Gelbes Buch online“, abrufbar im Justiz-Intranet; zu dessen Verwendbarkeit im Ordinierungsverfahren: 6 Nc 1/19b; 5 Nc 14/11w; vgl 2 Ob 274/08w).
5.2 Der Kläger hat im Ordinierungsverfahren auch vorgebracht, dass gegen die beklagte Partei in Österreich Exekution geführt werden solle, weil sie über Betriebsmittel und Forderungen im Inland verfüge. Dass das Bezirksgericht Schwechat und das Landesgericht Korneuburg in diesem Zusammenhang das Vorliegen des Vermögensgerichtsstands nach § 99 JN verneinten, schließt eine Ordination nicht aus (6 Nc 1/19b).
6. Für die Auswahl des zu ordinierenden Gerichts (in örtlicher Hinsicht) enthält § 28 JN zwar keine ausdrücklichen Vorgaben; es ist dabei jedoch auf die Kriterien der Sach- und Parteinähe sowie der Zweckmäßigkeit Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat eine Zuweisung der Sache an das Bezirksgericht Schwechat zu erfolgen, lag doch zum einen der Abflugort im vorliegenden Fall in dessen Sprengel und wurde zum anderen die Klage bereits bei diesem Gericht behandelt (vgl 6 Nc 1/1
9
b).
Textnummer
E125203European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0020NC00012.19S.0506.000Im RIS seit
07.06.2019Zuletzt aktualisiert am
25.10.2019