Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen I. der klagenden Partei Ing. W*****, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. A***** GesmbH, *****, 2. R*****, ebenda, 3. Ing. T*****, alle vertreten durch Partnerschaft Schuppich Sporn & Winischhofer Rechtsanwälte in Wien, wegen 146.209,48 EUR sA, und II. der klagenden Partei A***** GesmbH, *****, vertreten durch Partnerschaft Schuppich Sporn & Winischhofer Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. W*****, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 130.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der A***** GesmbH, des R***** und des Ing. T***** gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. März 2019, GZ 5 R 31/18z-80, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 24. August 2018, GZ 12 Cg 27/14x-64, hinsichtlich der Abweisung des Klagebegehrens der A***** GesmbH über 128.000 EUR sA bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Gegenstände der verbundenen Verfahren sind zu I. die restliche Kaufpreisforderung für die Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen an die Erstbeklagte und zu II. der Anspruch letzterer auf Rückzahlung des für diese Abtretung geleisteten Kaufpreisteils von 120.000 EUR sowie der Ersatz behaupteter Schäden. Die Vorinstanzen verneinten die Verbrauchereigenschaft der Beklagten und gelangten davon ausgehend zu der Auffassung, die im Vertrag vereinbarten Einschränkungen der Gewährleistung und des Schadenersatzes sowie der Ausschluss der laesio enormis seien wirksam.
Mit dem angefochtenen Teilurteil verneinte das Berufungsgericht die Berechtigung der Rückforderung des Kaufpreisteilbetrags. Im Übrigen hob es das Endurteil des Erstgerichts in den verbundenen Verfahren mit Beschluss auf und verwies es die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurück. Vom restlichen Klagebegehren der Erwerberin der Geschäftsanteile könnte nach deren Vorbringen nur ein Teilbetrag von 2.000 EUR berechtigt sein.
Rechtliche Beurteilung
I. Die von den zweit- und drittbeklagten Parteien des führenden Verfahrens erhobene Revision gegen das Teilurteil ist jedenfalls unzulässig und deshalb zurückzuweisen, weil diese Revisionswerber nicht Parteien des verbundenen Verfahrens sind und mit rechtskräftigem Beschluss des Erstgerichts vom 20. 12. 2018 als Nebenintervenienten der klagenden Partei des verbundenen Verfahrens nicht zugelassen wurden (§ 513 iVm § 472 Abs 1 ZPO; § 507 Abs 1 ZPO). Nach ständiger Rechtsprechung verbindet ein Vorgehen nach § 187 ZPO nur die Verhandlungen, nicht aber die Rechtssachen zu einer Einheit. Eine solche Verbindung ist daher für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ohne Bedeutung (RS0036717).
II. Die außerordentliche Revision der durch das Teilurteil beschwerten klagenden Partei des verbundenen Verfahrens (= Erstbeklagte des führenden Verfahrens) ist gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
1.1. Die Revisionswerberin steht im Wesentlichen auf dem Standpunkt, den Beklagten komme der Schutz des § 1 Abs 3 KSchG zugute. Damit wirft die Revision aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.
1.2. Die Erstbeklagte ist als Gesellschaft mit beschränkter Haftung Unternehmerin kraft Rechtsform (§ 2 UGB). Das in § 1 Abs 3 KSchG normierte „Gründungsprivileg“ steht aber nur natürlichen Personen zu (RS0065176 [T2]; 6 Ob 314/02y). In diesem Sinne wurde zur Rügeobliegenheit des Geschäftsraummieters nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG ausgesprochen, dass eine juristische Person sich nicht auf das Gründungsprivileg des § 1 Abs 3 KSchG berufen kann und sie daher eine Rügeobliegenheit trifft (5 Ob 223/04m; 5 Ob 228/06z). Diese Einschränkung auf natürliche Personen wird von Krejci (in Rummel, ABGB3 § 1 KSchG Rz 49) als sachlich gerechtfertigt angesehen. Der Gesetzgeber gehe offenbar davon aus, dass die für die juristische Person handelnden Organwalter angesichts ihrer Pflichten gegenüber der juristischen Person zum Abschluss von Gründungsgeschäften hinreichend ausgebildet und erfahren sein müssten.
2.1. Eine abweichende Auffassung wird von mehreren Autoren für den Fall vertreten, dass natürliche Personen im Gründungs- oder Vorgründungsstadium einer Gesellschaft für die errichtete GmbH Geschäfte abschließen. Diesfalls könne § 1 Abs 3 KSchG angewendet werden (Krejci aaO § 1 KSchG Rz 51; Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht2 Rz 2/288; Apathy in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1 KSchG Rz 16; vgl auch 6 Ob 219/17t; ausführlich Rauch, Das Vorbereitungsgeschäft, wbl 2015, 485; Mayrhofer/Nemeth in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1 KSchG Rz 70).
2.2. Hier geht es aber nicht um die Handelndenhaftung des Zweit- und des Drittbeklagten im Gründungsstadium einer juristischen Person oder die unbeschränkte persönliche Haftung eines OG- oder KG-Gesellschafters, sondern um eine rechtsgeschäftliche Haftungserklärung des Zweit- und des Drittbeklagten für die Verbindlichkeiten der erstbeklagten GmbH.
2.3. Die Verbrauchereigenschaft von Gesellschaftern einer GmbH ist durch die Judikatur aber bereits hinreichend geklärt (vgl RS0065238; 6 Ob 14/18d; Mann-Kommenda, Neues zur Verbrauchereigenschaft von GmbH-Gesellschaftern, Zak 2016/613). Jedenfalls könnte auch eine gegenteilige Auffassung zur Verbrauchereigenschaft des Zweit- und des Drittbeklagten nicht dazu führen, dass auch die erstbeklagte GmbH als Verbraucherin zu behandeln wäre.
2.4. Von dieser Rechtsprechung abzugehen bietet der vorliegende Fall keinen Anlass. Juristische Person und Gesellschafter sind verschiedene Rechtssubjekte und sind daher auseinanderzuhalten (vgl 6 Ob 210/15y). Bei der GmbH besteht ohnehin eine gesetzliche Haftungsbeschränkung des Gesellschafters.
2.5. Zudem ist darauf zu verweisen, dass der Zweit- und der Drittbeklagte selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer sind und bereits seit dem Jahr 2012 planten, sich selbständig zu machen, eine „Firma“ zu gründen und mit dieser die Zielgesellschaft zu übernehmen. In der Folge verhandelten die über mehrjährige Berufserfahrung im Bereich Finanzwesen und Controlling bzw Management verfügenden Zweit- und Drittbeklagten mit dem Kläger längere Zeit im Detail über den Kaufpreis, unterzeichneten Absichtserklärungen und gingen mit dem Kläger eine 120 Punkte umfassende Due-Diligence-Liste durch. Die Gründung der Erstbeklagten erfolgte aufgrund einer Entscheidung des Zweit- und des Drittbeklagten.
3. Soweit die Revision behauptet, die Rückstellungen seien zu gering ausgewiesen gewesen, setzt sie sich nicht mit der Argumentation des Erstgerichts auseinander, wonach die Erwerber alle Verträge und Vereinbarungen mit den Dienstnehmern vorliegen hatten, der Steuerberater die Erwerber auf die Anwendung der unrichtigen Bilanzierungsmethode hingewiesen hat und der Zweitbeklagte darüber hinaus selbst von einer Unterdeckung für Abfertigungen und Urlaubsrückstellungen ausgegangen ist. Über weite Strecken enthält die Revision zudem eine in dritter Instanz unzulässige Beweisrüge.
4. Zusammenfassend bringt die Revision daher keine Rechtsfragen der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.
Textnummer
E125185European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00082.19F.0523.000Im RIS seit
07.06.2019Zuletzt aktualisiert am
20.02.2020