TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/17 L503 2210066-1

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Veröffentlicht am 17.12.2018
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Entscheidungsdatum

17.12.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L503 2210066-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und den Richter Mag. LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Ing. WEISS über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 07.11.2018, XXXX, zu Recht erkannt:

A.) Der Beschwerde wird stattgegeben und ausgesprochen, dass beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vorliegen.

B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: "BF") beantragte am 10.3.2017 die Ausstellung eines Behindertenpasses und holte das Sozialministeriumservice (im Folgenden kurz: "SMS") daraufhin ein Sachverständigenguten ein.

In dem von Dr. S. E., Fachärztin für Innere Medizin, am 20.6.2017 erstellten medizinischen Sachverständigengutachten wurde zu den Beschwerden des BF wie folgt ausgeführt:

"Der letzte epileptische Anfall war vor ca 8-10 Jahren. Keine besondere Luftnot bei COPD und guter Einstellung bestehend. Er habe durchgehend Durchfall, im Schnitt 6-8mal pro Tag mit auch schon aufgetretener Inkontinenz bei fehlender Toilette in ausreichender Nähe. Er trägt keine Einlagen weil er seinen Tagesablauf so organisiert dass er seine Erledigungen draussen durchführt möglichst nachdem er Stuhlgang hatte bzw so dass er unterwegs raschen Zugang zu einer Toilette hat. Dann kommt es auch nicht zu unerwünschter Inkontinenz. Es ist aber schon vorgekommen, dass er nicht ausreichend aufgepaßt hat und des dann doch zu ungewünschten Stuhlabgang gekommen ist weil er nicht rasch genug auf die Toilette konnte. Er habe Bauschmerzen unterschiedlicher Intensität. Nach der Pankreatitis habe er keine Beschwerden mehr gehabt."

Als Ergebnis der durchgeführten Untersuchung wurde zusammengefasst wie folgt festgehalten:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Morbus Crohn (ED: 6/10) Enterocolisch luminal Mesalazinunverträglichkeit Thiopurinunverträglichkeit (Myelotoxizität) Es bestehen derzeit ausgeprägte Beschwerden, daher mit 50% bewertet.

07.04.06

50 vH

02

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Chronisch obstruktive Lungenerkrankung - Leichte Form - COPD I Es besteht unter Medikation ein stabiler guter Zustand ohne relevante Beschwerden.

06.06.01

20 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

50 vH

 

Zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde abschließend wie folgt ausgeführt:

"Trotz des Durchfalls mit Tendenz zu Inkontinenz bzw bereits Auftreten von Inkontinenz besteht keine Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, wenn er diese auf bestimmte Verkehrsmittel mit jeweils vorhandener Toilette beschränkt. Längere Busfahrten mit Bussen oder Straßenbahnen ohne Toilette sind nicht möglich."

Daraufhin wurde dem BF ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v. H. sowie der Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" ausgestellt.

2. Am 8.5.2018 beantragte der BF wiederum die Ausstellung eines Behindertenpasses sowie die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass.

3. Daraufhin holte das SMS ein Sachverständigengutachten ein und wurde der BF am 25.7.2018 von Dr. U. S., einer Fachärztin für Innere Medizin, untersucht.

In dem in weiterer Folge von Dr. U. S. am 13.8.2018 erstellten medizinischen Sachverständigengutachten wird zu den derzeitigen Beschwerden des BF auszugweise wie folgt ausgeführt:

"Durchgehende, flüssige Stühle, 5 bis 6 Mal tagsüber. Nachts ab und zu. Schleimige Konsistenz. [...]"

Als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wurde zusammengefasst wie folgt festgehalten:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Morbus Crohn. Guter Allgemeinzustand, mäßiggradige Durchfallneigung, keine spezifische Therapie durchgeführt, lediglich Bedarfsmedikation. Kein objektivierbarer Befund. Keine sicheren Zeichen einer Inkontinenz lediglich Bedarfsmedikation.

07.04.05

30 vH

02

COPD Normale Atemfunktion bei klinischer Untersuchung unter inhalativer Therapie kein objektivierbarer Befund, keine offensichtliche Leistungsminderung im Alltagsbereich.

06.06.01

10 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

30 vH

 

Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt:

"Bei bekanntem Mb. Crohn zwar Durchfallneigung jedoch guter Allgemeinzustand lediglich Bedarfsmedikation in geringem Ausmaß. Keine objektivierbaren Befunde. Einschätzung mit dem unteren Normsatz. [...]"

4. Mit Schreiben des SMS vom 22.8.2018 wurde dem BF das Gutachten vom 13.8.2018 im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt.

5. Mit E-Mail vom 29.8.2018 trat der BF dem Gutachten entgegen. So führte er unter anderem aus, er leide an Morbus Crohn und dabei bestehe immer noch eine hochfrequente Diarrhoe bei imperativem Stuhldrang, was ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unmöglich mache. Er müsse immer ein WC im Auge haben. Der Umstand, dass keine Befunde vorliegen würden, beruhe darauf, dass diese bei der ersten Untersuchung 2017 nicht beizubringen gewesen wären und bei der zweiten Untersuchung Frau Dr. S. die Befunde direkt von den Ärzten hätte anfordern wollen.

6. Daraufhin wurden vom SMS weitere Sachverständigengutachten eingeholt.

6.1. Am 1.10.2018 wurde der BF von Dr. A. K., einem Facharzt für Neurologie und Allgemeinmedizin, untersucht.

Als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wurde von Dr. A. K. in seinem Gutachten vom 23.10.2018 zusammengefasst wie folgt festgehalten:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Epilepsie mit komplex-fokalen Anfällen Es treten komplex-fokale Anfälle auf, welche allerdings in relativ langen Abständen aufgetreten sind. Es ist seit 2006 in Summe noch zu weiteren 3 komplex-fokalen Anfällen gekommen, zuletzt im August des Vorjahres. Seither besteht Anfallsfreiheit.

04.10.01

30 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

30 vH

 

Die Benützung öffentlicher

Verkehrsmittel sei dem BF aus Sicht von Dr. A. K. aus näher dargelegten Gründen zumutbar.

6.2. Am 8.10.2018 wurde der BF von Dr. W. K., einem Facharzt für Innere Medizin, untersucht.

In seinem Gutachten vom 23.10.2018 führte Dr. W. K. eingangs zu den derzeitigen Beschwerden des BF wie folgt aus:

"Über die Beschwerden wird berichtet: ‚Ich muss ständig aufs Klo gehen, 8 x tagsüber, 3 x alleine in der Früh nach dem Kaffee und immer wieder auch nachts.' Blutbeimengungen werden negiert, Schleimbeimengungen sind nicht sicher, weil ‚der Stuhl immer wässrig bis breiig ist'. Eine Dauermedikation wird nicht eingenommen, weil ‚es zum Aushalten ist'. Es werden 6-monatige Kontrollen im Klinikum W.-G. durchgeführt. Es werden Novalgin und Buscapina bei ‚Ziehen' (Schmerzen im Bauch) eingenommen. Die Alltagsbelastbarkeit ist unauffällig. Die Gehleistung in der Ebene nicht eingeschränkt und 2 Stockwerke sind ohne Auftreten von Kurzatmigkeit oder Brustkorbenge zu bewältigen."

Als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wurde von Dr. W. K. zusammengefasst wie folgt festgehalten:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Chron. entzündl. Darmerkrankung (Mb. Crohn). Es bestehen tägliche mehrfache Durchfälle ohne Blutauflagerungen, gelegentlich auch nachts. Es wird keine Behandlung der Grunderkrankung durchgeführt, sondern nur eine symptomatische Bedarfseinnahme (nicht täglich) von Stopfungsmedikamenten (Enterobene), die auch eine gute Wirkung zeigen. Der Allgemein- und Ernährungszustand ist gut, eine erhebliche Beeinträchtung, die eine Einschätzung mit Pos. 07.04.06 rechtfertigen würde, besteht nicht.

07.04.05

40 vH

02

COPD Es besteht lt. mündlicher Auskunft Medikation mit Pulmicort und Oxis sowie Bricanyl, tlw. mehrfach täglich. Einschätzung mit dem oberen Rahmensatz. Eine höhere Einschätzung ist aufgrund fehlender Lungenfunktionsuntersuchungsbefunde zur objektiven Einschätzung der Beeinträchtigung nicht möglich.

06.06.01

20 vH

03

Hautveränderungen bei Rosacea. Langjähriges Bestehen lt. hautärztlichem Befund.

01.01.02

20 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

40 vH

 

Unter "Stellungnahme zu

gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten" wird unter anderem ausgeführt: "Lfd. Nr. 1 wird aufgrund der glaubhaften Stuhlfrequenzen (tlw. auch nächtl. Durchfälle) um eine Stufe angehoben."

Im Hinblick auf die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde wie folgt ausgeführt: "Eine Wegstrecke von 400-500 m kann zurückgelegt werden. Das sichere Ein- und Aussteigen (mit entsprechender Überwindung der Niveauunterschiede) und der gefahrlose Transport im öffentlichen Verkehrsmittel unter Verwendung von Haltegriffen oder Haltestangen sowie die gefahrlose Fortbewegung im fahrenden öffentlichen Verkehrsmittel und die Sitzplatzsuche sind möglich."

6.3. Am 6.11.2018 erstellte Dr. G. P., Arzt für Allgemeinmedizin, eine Gesamtbeurteilung.

Als Ergebnis der durchgeführten Untersuchung wurde zusammengefasst wie folgt festgehalten:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Chron. entzündl. Darmerkrankung (Mb. Crohn). Es bestehen tägliche mehrfache Durchfälle ohne Blutauflagerungen, gelegentlich auch nachts. Es wird keine Behandlung der Grunderkrankung durchgeführt, sondern nur eine symptomatische Bedarfseinnahme (nicht täglich) von Stopfungsmedikamenten (Enterobene), die auch eine gute Wirkung zeigen. Der Allgemein- und Ernährungszustand ist gut, eine erhebliche Beeinträchtigung, die eine Einschätzung mit Pos. 07.04.06 rechtfertigen würde, besteht nicht.

07.04.05

40 vH

02

Epilepsie mit komplex-fokalen Anfällen Es treten komplex-fokale Anfälle auf, welche allerdings in relativ langen Abständen aufgetreten sind. Es ist seit 2006 in Summe noch zu weiteren 3 komplex-fokalen Anfällen gekommen, zuletzt im August des Vorjahres. Seither besteht Anfallsfreiheit.

04.10.01

30 vH

03

COPD Es besteht lt. mündlicher Auskunft Medikation mit Pulmicort und Oxis sowie Bricanyl, tlw. mehrfach täglich. Einschätzung mit dem oberen Rahmensatz. Eine höhere Einschätzung ist aufgrund fehlender Lungenfunktionsuntersuchungsbefunde zur objektiven Einschätzung der Beeinträchtigung nicht möglich.

06.06.01

20 vH

04

Hautveränderungen bei Rosacea. Langjähriges Bestehen lt. hautärztlichem Befund.

01.01.02

20 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

50 vH

 

Begründend zur Änderung des Gesamtgrades der Behinderung wurde ausgeführt, Mb. Crohn werde aufgrund der glaubhaften Stuhlfrequenzen (tlw. auch nächtl. Durchfälle) um eine Stufe angehoben, gesteigert durch Epilepsie.

Zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde abschließend wie folgt ausgeführt:

"Eine Wegstrecke von 400-500 m kann zurückgelegt werden. Das sichere Ein- und Aussteigen (mit entsprechender Überwindung der Niveauunterschiede) und der gefahrlose Transport im öffentlichen Verkehrsmittel unter Verwendung von Haltegriffen oder Haltestangen sowie die gefahrlose Fortbewegung im fahrenden öffentlichen Verkehrsmittel und die Sitzplatzsuche sind möglich. Auch laut FA Neurologie ÖVM möglich."

7. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 7.11.2018 wies das SMS den Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung in den Behindertenpass "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 BBG ab.

Begründend wurde - neben Darstellung der allgemeinen rechtlichen Grundlagen - zunächst darauf hingewiesen, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar sei, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht auseigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Transportmittels in hohem Maße erschwere. Sodann wurde ausgeführt, im Ermittlungsverfahren seien Gutachten eingeholt worden; nach diesen Gutachten würden die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse der ärztlichen Begutachtung seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Sachverständigengutachten seien als schlüssig erkannt und der Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt worden. Beigelegt wurde dem Bescheid die Gesamtbeurteilung von Dr. G. H. vom 6.11.2018.

8. Mit E-Mail vom 14.11.2018 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 7.11.2018. Darin führte der BF aus, seine Mobilitätseinschränkung habe sich im Vergleich zum Vorjahr nicht geändert, sondern sich im Gegenteil verschlechtert. Durch den imperativen Stuhldrang (8-10x täglich) und seine berufliche Tätigkeit sei es ihm nicht zumutbar, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. In den meisten öffentlichen Verkehrsmitteln würde es keine Toiletten geben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF, von Beruf Versicherungsvertreter, verfügt seit 2017 über einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v. H. Am 8.5.2018 beantragte er die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass.

1.2. Der BF leidet unter anderem an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Morbus Crohn). Es bestehen tägliche mehrfache (flüssige) Durchfälle - von der Anzahl her im Durschnitt 8 pro Tag - ohne Blutauflagerungen, gelegentlich auch nachts.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des SMS.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen zum BF, zu seinem Behindertenpass und seinem Antrag auf Vornahme einer Zusatzeintragung in den Behindertenpass ergeben sich unmittelbar aus dem Akteninhalt.

2.3. Die getroffenen Feststellungen zu der beim BF (unter anderem) bestehenden Erkrankung Morbus Crohn sowie seinen Durchfällen beruhen auf folgenden Erwägungen:

Die Erkrankung Morbus Crohn an sich geht aus sämtlichen vom SMS eingeholten Sachverständigengutachten unzweifelhaft und unstrittig hervor. Was die hier entscheidende Frage der Durchfälle des BF anbelangt, so wird zuletzt von Dr. W. K. in dem von diesem im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens am 28.10.2018 erstellten Sachverständigengutachten eingangs über die derzeitigen Beschwerden des BF ausgeführt: "Über die Beschwerden wird berichtet: "Ich muss ständig aufs Klo gehen, 8 x tagsüber, 3 x alleine in der Früh nach dem Kaffee und immer wieder auch nachts."

Als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wird sodann vom Sachverständigen Dr. W. K. unter Nr. 1 festgehalten: "Chron. entzündl. Darmerkrankung (Mb. Crohn). Es bestehen tägliche mehrfache Durchfälle ohne Blutauflagerungen, gelegentlich auch nachts. ..."

Diese Passage wurde sodann auch wortwörtlich in die Gesamtbeurteilung von Dr. G. P. vom 6.11.2018 übernommen. Zudem wird sowohl im Gutachten von Dr. W. K. vom 28.10.2018, als auch in der Gesamtbeurteilung von Dr. G. P. vom 6.11.2018 ausgeführt, Morbus Crohn werde "aufgrund der glaubhaften Stuhlfrequenzen (tlw. auch nächtl. Durchfülle)" um eine Stufe angehoben, womit zum Ausdruck gebracht wird, dass den Angaben des BF hinsichtlich seiner Stuhlfrequenz, die er bei seiner Untersuchung durch Dr. W. K. am

28.10.2018 gemacht hatte ("8x tagsüber ... Stuhl immer wässrig bis

breiig"), von Seiten der Sachverständigen Glauben geschenkt wird.

Vor diesem Hintergrund war somit zur obigen Feststellung zu gelangen, dass beim BF täglich mehrfache (flüssige) Durchfälle bestehen - von der Anzahl her im Durschnitt 8 pro Tag - ohne Blutauflagerungen, gelegentlich auch nachts.

An diesen klaren Ausführungen der Sachverständigen vermag im Übrigen auch der Umstand nichts zu ändern, dass in sämtlichen Gutachten bei Beurteilung der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel durch den BF lediglich darauf hingewiesen wird, dass eine Wegstrecke von 400 bis 500 m zurückgelegt werden könne und dass das sichere Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln gewährleistet seien. Die hier entscheidungswesentlichen Fragen wurden von den Sachverständigen nämlich an anderer Stelle - wie dargestellt - sehr wohl beantwortet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gemäß § 45 Abs 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Gegenständlich liegt somit die Zuständigkeit eines Senats vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Die hier einschlägigen Bestimmungen des BBG lauten:

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, [...]

§ 42. (1) [...] Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

[...]

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. [...]

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

3.3. § 1 Abs 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016, lautet:

[...] (4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: [...]

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

[...]

3.4. Im konkreten Fall bedeutet dies:

3.4.1. Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich bereits wiederholt mit der Frage zu beschäftigen, ob Inkontinenz zur Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führt und eine entsprechende Zusatzeintragung in den Behindertenpass rechtfertigt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 2011, Zl. 2007/11/0142, vom 17. Juni 2013, Zl. 2010/11/0021, und zuletzt vom 21. April 2016, Zl. Ra 2016/11/0018; vgl. auch aus jüngster Zeit das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. September 2016, E 439/2016). In den genannten Erkenntnissen hielt der Verwaltungsgerichtshof die Annahme der dort belangten Behörden, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel durch den Betroffenen sei zumutbar, im Hinblick auf Art und Ausmaß der Inkontinenz für nicht nachvollziehbar. Es wurde ausgeführt, dass es zur Beantwortung dieser Frage - sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt - eines ärztlichen Sachverständigengutachtens bedarf, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Im Erkenntnis Zl. Ra 2016/11/0018 wurde zudem

ausgeführt, dass dem § 1 Abs. 2 Z. 3 der ... Verordnung und die dort

- demonstrative ("insbesondere") - Aufzählung solcher Fälle, in denen die Feststellung der genannten Unzumutbarkeit gerechtfertigt erscheint, nicht entgegenstehe (vgl. vielmehr § 1 Abs. 3 leg. cit. zur gebotenen individuellen (ganzheitlichen) Beurteilung auf Basis eines ärztlichen Sachverständigengutachtens). Die (der Website des zuständigen Bundesministeriums entnommenen) Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 dieser Verordnung führen aus, dass "bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes" in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar sei. [VwGH vom 9.11.2016, Zl. Ra 2016/11/0137]

3.4.2. Den im vorliegenden Verfahren getroffenen Feststellungen zufolge liegt die Frequenz des Stuhlgangs des BF aufgrund seiner Darmerkrankung bei ca. 8-mal pro Tag, und zwar in Form von (flüssigem) Durchfall. In Anbetracht der ergangenen Rechtsprechung des VwGH (VwGH vom 9.11.2016, Zl. Ra 2016/11/0137, vom 21.4.2016, Zl. Ra 2016/11/0018 und vom 17.6.2013, Zl. 2010/11/0021) handelt es sich dabei um eine Stuhlfrequenz, die dem Grunde nach unzweifelhaft auf eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel hindeuten kann. Nicht verkannt wird, dass die Sachverständigen gegenständlich zuletzt keine expliziten Feststellungen darüber getroffen haben, inwiefern der BF den Stuhl zurückhalten könnte. Allerdings stellt sich diese Frage nach Auffassung des BVwG hier nicht, zumal dem BF in Anbetracht des Umstands, dass seine häufigen Stuhlgänge in Form von (flüssigem) Durchfall erfolgen, jedenfalls nicht zugemutet werden kann, diese länger zurückzuhalten. In diesem Zusammenhang wurde etwa auch bereits im Erstgutachten vom 20.6.2017 (welches hier mangels Aktualität nur beispielhaft erwähnt sei) ausgeführt, beim BF bestehe Durchfall mit Tendenz zu Inkontinenz bzw. sei Inkontinenz bereits aufgetreten, sodass von ihm lediglich öffentliche Verkehrsmittel mit vorhandener Toilette benützt werden könnten.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Erwägungen ist aufgrund der Darmerkrankung des BF von einer Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auszugehen.

Folglich ist der Beschwerde spruchgemäß stattzugeben und auszusprechen, dass beim BF die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vorliegen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gem. § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gem. Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind nicht hervorgekommen. Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des VwGH bzw. klare Rechtslage betreffend Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" stützen.

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.

Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art 6 EMRK zu beurteilen. Dessen Garantien werden zum Teil absolut gewährleistet, zum Teil stehen sie unter einem ausdrücklichen (so etwa zur Öffentlichkeit einer Verhandlung) oder einem ungeschriebenen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen (wie etwa das Recht auf Zugang zu Gericht). Dem entspricht es, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung für gerechtfertigt ansieht, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Döry / S, RN 37). Der Verfassungsgerichtshof hat im Hinblick auf Art 6 EMRK für Art 47 GRC festgestellt, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteien im vorangegangenen Verwaltungsverfahren regelmäßig dann unterbleiben könne, wenn durch das Vorbringen vor der Gerichtsinstanz erkennbar werde, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lasse (vgl. VfGH 21.02.2014, B1446/2012; 27.06.2013, B823/2012; 14.03.2012, U466/11; VwGH 24.01.2013, 2012/21/0224; 23.01.2013, 2010/15/0196).

Im gegenständlichen Fall ergab sich aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhalts zu erwarten war. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt erweist sich aufgrund der Aktenlage als geklärt.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L503.2210066.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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