Entscheidungsdatum
17.12.2018Norm
BBG §42Spruch
L503 2199968-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und den Richter Mag. LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Ing WEISS über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Salzburg, vom 15.05.2018, XXXX , beschlossen:
A.) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice, Landesstelle Salzburg, zurückverwiesen.
B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz: "BF") verfügte zunächst seit 1999 über einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 vH.
2. Aufgrund eines Antrags der BF auf Neufestsetzung ihres Grades der Behinderung wurde der Grad der Behinderung der BF vom Sozialministeriumservice (im Folgenden kurz: "SMS") mit 7.11.2016 auf 70 vH erhöht und die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass vorgenommen. Ausschlaggebend dafür war ein Sachverständigengutachten von Dr. G. P., einem Arzt für Allgemeinmedizin, vom 22.10.2016. In diesem Gutachten wurde auszugsweise wie folgt ausgeführt:
"Derzeitige Beschwerden:
Frau L. berichtet sehr ausführlich über Schmerzen an Rücken, vor allem bei Belastung, am linken Bein und Fuß, in der Kniekehle, am Ellbogen. Schubweise habe sie auch Schmerzen am ganzen Körper, an vielen Knochen und Muskeln, dann teils bis zur Gehunfähigkeit. Mit der operierten linken Schulter sei sie allgemein zufrieden, habe noch etwas weniger Kraft und leicht eingeschränkte Beweglichkeit.
Psychisch gehe es ihr oft schlecht. Die körperliche Belastung sei wegen der Schmerzen reduziert, daher falle ihr eine Atemnot bei ev. stärkerer Belastung nicht auf. Im sonstigen Alltag komme sie mit der Luft zurecht. Der Einkauf sei ihr wegen der Wegstrecke schon zu viel, sie könne kaum mehr als einzelne Minuten gehen. Beim Tragen schmerzten die Hände. Im Lungau sei sie selber mit dem Auto unterwegs, längere Strecken schaffe sie wegen Panik und Ängsten nicht, vor allem nicht im Tunnel. Im Alltag sei sie selbständig.
Sie habe gehäuft Ekzeme, in Schüben an Füßen, Händen, auch Rücken und Nacken, beim Gehen Beinschwellungen."
Zusammengefasst wurde als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wie folgt festgehalten:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
Position
GdB
01
Kombinierte psychische Störung mit somatoformer Störungen, chronischer Schmerzerkrankung, kombinierte Persönlichkeitsstörung, Ängste, Panikattacken Gemeinsame Einstufung bei teils schwer trennbarer Symptomatik. Es besteht eine ernste Beeinträchtigung durch die Schmerzen und die Ängste, maßgeblicher Einfluss auf die Alltagtauglichkeit und Mobilität. Unterer Rahmensatz bei sozial geringen Defiziten, kognitiv gut, keine Wahnsymptome.
03.05.02
50 vH
02
Chronisch, schubhaft verlaufendes Hautekzem, vor allem Hände Einstufung bei teils , vor allem im Schub, schwerem Befall, maßgeblich die Beeinträchtigung im Alltag durch die Handbeteiligung, stärkere Probleme im Alltag und Beruf.
01.01.03
50 vH
03
Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates, Schmerzen an mehreren Gelenken und Körperbereichen bei Zustand nach Verletzung (Schulter), Abnützung (Rücken), Sehnenreizung (Ellbögen) oder Fehlstellung bzw. knöcherner Veränderung (Fuß) Einstufung bei mäßigen radiologischen Veränderungen, Schmerzempfinden stark durch das führende Leiden geprägt. Unterer Rahmensatz bei guten Beweglichkeiten.
02.02.02
30 vH
04
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Einstufung anhand der Klinik bei wenig Atemnot, Alltag, soweit aufgrund der anderen Leiden möglich , ohne Atemnot zu bewältigen. Oberer Rahmensatz bei früher empfohlener , aber letztendlich nicht vertragener Medikation / Lungenspray.
06.06.01
20 vH
05
Gestörte Blutgerinnung (Faktor Leiden V Mutation) Analogposition. Geringe Funktionsstörung. Keine gehäuften Blutungen mit Folgen.
10.01.01
10
Gesamtgrad der Behinderung
70 vH
Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, der GdB der führenden Position werde durch Nr. 2 und 3 wegen weiteren wesentlichen Funktionsstörungen, bzw. bei Nr. 1 und 3 auch wechselseitig negativer Leidensbeeinflussung, um je eine Stufe gesteigert. Keine weitere Erhöhung bestehe wegen Geringfügigkeit durch Nr. 4 und 5.
Zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führte der Gutachter wie folgt aus:
"Die Mobilität ist auf einzelne Minuten Gehstrecke reduziert. Unverändert zu den Vorgutachten ist auch aufgrund der Ängste und Panikattacken eine Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar. Auch unverändert zu den Vorgutachten ist die Beurteilung einer Begleitperson: es ist eine eigenständige Mobilität und geistige Selbständigkeit gegeben, nur spezielle Situationen wie Fahrten im Tunnel, längere Autobahn (auch bei fehlender Erfahrung) sind alleine nicht zu bewältigen. Es besteht keine grundsätzliche und ständige Notwendigkeit einer Begleitperson."
3. Am 5.7.2017 beantragte die BF die Vornahme einer Zusatzeintragung in den Behindertenpass, wonach sie einer Begleitperson bedürfe.
4. Daraufhin holte das SMS ein Sachverständigengutachten ein und wurde die BF am 30.1.2018 von Dr. F. F., einer Fachärztin für Psychiatrie, untersucht.
In dem in weiterer Folge von Dr. F F. am 8.2.2018 erstellten medizinischen Sachverständigengutachten ("Beweggrund zur Antragstellung: Fragestellung: Ist eine Begleitperson erforderlich?") wird eingangs zu den derzeitigen Beschwerden der BF auszugsweise wie folgt ausgeführt:
"Die Untersuchte berichtet, dass sie mit keinen öffentlichen Verkehrsmitteln fahren könne, sie bekomme dann panikartige Zustände.
Sie berichtet, dass sie auch nicht alleine einkaufen gehen könne.
Auch wenn sie als Mitfahrer in einem PKW fahre, dann bekomme sie Globusgefühl und Angstzustände.
Sie berichtet, dass sie keine Menschenmengen aushalte.
[...]
Sie berichtet über Klaustrophobie, sie könne auch nicht in einem Tunnel fahren.
Sie könne sich im öffentlichen Verkehrsmittel nicht festhalten.
Angegeben werden auch Schmerzen am ganzen Körper.
[...]
Sie berichtet, dass sie auch nicht mit dem PKW fahren könne aufgrund der Einnahme der vielen Medikation.
[...]
Unter "Zusammenfassung relevanter Befunde" wird unter anderem ausgeführt:
[...]
"4. Mag. S., Psychotherapie, Bestätigung, 29.09.2017:
Frau V. L. ist seit April 2015 bei mir in psychotherapeutischer Behandlung. Die Symptomatik, unter anderem Panik (Angststörung) besteht seit vielen Jahren. Sie war bereits von 2006 bis 2007 in psychotherapeutischer Behandlung bei Herrn K. R. in T.
Es ist für Frau L. gegenwärtig nicht möglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren beziehungsweise sich ohne Begleitperson im öffentlichen Raum zu bewegen, wenn sich dort viele Personen befinden oder das Umfeld unbekannt ist.
Sie ist auf die Unterstützung einer ihr vertrauten Person angewiesen."
Zusammengefasst wurde als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wie folgt festgehalten:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
01
Rezidivierend depressive Episoden mit berichteten Angstzustände, soziophobischen Zuständen und panikartigen Zuständen 50 Prozent Wahl des oberen Rahmensatzes bei stabilem Verlauf unter Medikamenteneinnahme und erhaltener sozialer Integration.
Unter "Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten" wurde wie folgt ausgeführt: "Im Vergleich zum Vorgutachten konnte eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes festgestellt werden, immer wieder auftretende depressive Episoden, verbunden mit Lustlosigkeitssymptomatik und soziophobischen Zuständen."
Unter "Gutachterliche Stellungnahme" wurde abschließend wortwörtlich wie folgt ausgeführt:
"Aufgrund der Anamnese und zum Untersuchungszeitpunkt festgestellten Psychopathologie beziehungsweise vorgelegter Befunde wurde eine keine Angststörung/Soziophobie/ Klaustrophobie dokumentiert von einem Facharzt für Psychiatrie. Bisher war auch kein stationärer Aufenthalt an einer psychiatrischen Abteilung erforderlich.
Derzeit wird auch keine adäquate neuropsychiatrische Behandlung beziehungsweise adäquate medikamentöse antidepressive Medikation in Anspruch genommen.
Laut Anamnese nimmt die Untersuchte seit dem Jahr 2015 regelmäßige psychotherapeutische Behandlung bei Mag. S. in Anspruch.
Beim Benützen öffentlicher Verkehrsmittel hat die Untersuchte zwar keine Kontrolle auf Bewegung, Richtung, Halten des Fahrzeuges, Freiraum, Enge des Fahrzeugraumes zu entgehen sowie der Präsenz anderer Personen ausgesetzt, jedoch aufgrund der zum Untersuchungszeitpunkt festgestellten Krankheitszustandes beziehungsweise Psychopathologie ist das Benützen eines öffentlichen Verkehrsmittels zumutbar.
Eine Begleitperson ist nicht erforderlich."
5. Mit Schreiben vom 12.2.2018 übermittelte das SMS der BF das dargestellte Gutachten und räumte ihr die Möglichkeit ein, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
6. Mit Schreiben vom 1.3.2018 gab die BF - im Wege ihrer behandelnden Ärztin, Frau Mag. R. S. -, eine Stellungnahme ab.
In der Stellungnahme wurde bemängelt, das Sachverständigengutachten attestiere das Fehlen von fachärztlichen Befunden betreffend der Angststörung - hierzu gebe es allerdings Befunde sowohl vom Klinikum S. (psychiatrische Ambulanz 10.04.2015 - Angststörung), welcher zur Wiederaufnahme der Psychotherapie geführt habe, als auch von der A. Klinik B. A. (02.02.2016 - F61.0 - Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit ängstlich, vermeidenden und selbstunsicheren Persönlichkeitszügen) und von der CDK (15.03.2017 - rezidivierende depressive Episode, Panikattacken). Weiters werde im Gutachten angeführt, dass keine entsprechende Medikation in Anspruch genommen werde. Dem sei jedoch entgegen zu halten, dass von diesen Einrichtungen (Psychiatrische Ambulanz Klinikum S. und CDK) auch entsprechende Medikamente verschrieben worden seien und von der BF auch eingenommen würden.
Zudem habe der Ehemann der BF glaubwürdig angegeben, dass Autofahrten mit der BF auch für den Fahrer eine große Herausforderung darstellen würden, weil sich die BF so sehr ängstige und panikartig reagieren würde. Er oder eine Begleitperson könnte aber auf ihre Ängste Rucksicht nehmen, während dies in öffentlichen Verkehrsmitteln unmöglich sei. Die BF habe darüber hinaus starke Orientierungsprobleme im öffentlichen Raum bzw. in institutionellen Einrichtungen und benötige jemanden, der sie zum Zielort begleitet. Eine entsprechende Einschätzung sei auch von Prof. Dr. G. (Gutachten vom 13.05.2016) getroffen worden.
Es werde um Berücksichtigung dieser Umstände und um eine entsprechende gutachterliche Stellungnahme ersucht.
7. In weiterer Folge wurde vom SMS eine "Stellungnahme" von Dr. H. R. V., einem Arzt für Allgemeinmedizin, zum Gutachten von Frau Dr. F. F. vom 8.2.2018 eingeholt, wobei das Gutachten von Dr. F. F. seinerzeit von Dr. H. R. V. "vidiert" worden war.
In seiner Stellungnahme vom 27.4.2018 führte Dr. H. R. V. ausschließlich wörtlich wie folgt aus:
"Nach erneuter Sichtung der Umstände und medizinischen Befunde sowie der gutachterlichen Einschätzung (Dr. F.) können keine objektiven bzw objektivierbaren medizinischen Gründe festgestellt werden, die eine Unzumutbarkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, bedingen noch eine dauernde Begleitperson zur Unterstützung im öffentlichen Raum erforderlich machen. Im einzelnen wird nocheinmal die ausführliche Begründung der Fachgutachterin Frau Dr. F., (Psychiatrie, Salzburg) angeführt, wonach eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel durchaus zumutbar und möglich ist und eine dauernde Begleitperson nicht unabdingbar ist, um sich sicher im außerhäuslichen Raum zu bewegen:
‚Aufgrund der Anamnese und der zum Untersuchungszeitpunkt festgestellten Psychopathologie beziehungsweise vorgelegter Befunde wurde keine Angststörung / Soziophobie / Klaustrophobie von einem Facharzt für Psychiatrie dokumentiert. Bisher war auch kein stationärer Aufenthalt an einer psychiatrischen Abteilung erforderlich. Derzeit wird auch keine adäquate neuropsychiatrische Behandlung beziehungsweise adäquate medikamentöse antidepressive Medikation in Anspruch genommen. Laut Anamnese nimmt die Untersuchte seit dem Jahr 2015 regelmäßige psychotherpeutische Behandlung in Anspruch. Beim Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel hat die Antragstellerin zwar keinen direkten Einfluß (...) darauf, der Enge des Fahrzeugraumes zu entgehen (und ist) der Präsenz anderer Personen ausgesetzt, jedoch ist aufgrund des zum Untersuchungszeitpunkt festgestellten Krankheitszustandes beziehungsweise der Psychopathologie das Benützen eines öffentlichen Verkehrsmittels zumutbar.
Eine Begleitperson ist nicht erforderlich.'
Ein sicheres Fortkommen im öffentlichen Raum ist demnach ohne dauernde Begleitperson möglich."
8. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 15.5.2018 wies das SMS den Antrag der BF auf Vornahme der Zusatzeintragung in den Behindertenpass "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson" gemäß §§ 42 und 45 BBG ab.
Begründend wurde - neben Darstellung der rechtlichen Grundlagen - ausgeführt, im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten eingeholt worden; nach diesem Gutachten würden die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung nicht vorliegen. Aufgrund der Einwendungen der BF im Rahmen des Parteiengehörs sei eine nochmalige Überprüfung durch den ärztlichen Sachverständigen durchgeführt worden. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und der Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt worden. Beigelegt wurde dem Bescheid das Sachverständigengutachten von Dr. F. F. vom 8.2.2018 sowie die "Stellungnahme" von Dr. H. R. V. vom 27.4.2018 zum Gutachten von Dr. F. F.
9. Mit Schreiben vom 28.5.2018 erhob die BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 15.5.2018. Darin führte die BF aus, das Gutachten von Frau Dr. F. F. sei fehlerhaft; es seien weder Befunde von der BF verlangt, noch solche von ihren Fachärzten angefordert worden. Zudem sei die BF von Dr. F. F. "unter Druck gesetzt" worden.
Die Gutachterin hätte ein Gutachten dahingehend erstellen müssen, ob die BF eine Begleitperson benötige, und nicht, wie tatsächlich erfolgt, ob die BF öffentliche Verkehrsmittel benützen kann; in diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass die BF über eine Eintragung, wonach ihr die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel unzumutbar sei, schon seit ca. 15 Jahren verfüge. Laut Gutachten von Frau Dr. F. F. sei ihr dies aber sehr wohl zumutbar, was im Widerspruch zum Gutachten von Dr. G. stehe.
Sie ersuche um neuerliche Begutachtung.
10. Am 4.7.2018 legte das SMS den Akt dem BVwG vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Aufgrund eines Antrags der BF auf Neufestsetzung ihres Grades der Behinderung wurde der Grad der Behinderung vom SMS mit 7.11.2016 aufgrund der psychischen Erkrankungen der BF auf 70 vH erhöht und die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass vorgenommen. Ausschlaggebend dafür war ein ausführliches Sachverständigengutachten von Dr. G. P. vom 22.10.2016.
1.2. Am 5.7.2017 beantragte die BF die Vornahme einer Zusatzeintragung in den Behindertenpass, wonach sie einer Begleitperson bedürfe.
1.3. Im daraufhin vom SMS eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. F. F. vom 8.2.2018 wird zunächst ausgeführt, der Zustand der BF habe sich seit dem Vorgutachten verschlechtert, und zwar aufgrund von immer wieder auftretenden depressiven Episoden, verbunden mit Lustlosigkeitssymptomatik und soziophobischen Zuständen.
Ungeachtet der bei der BF bereits vorliegenden Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel", ungeachtet der von Dr. F. F. eingangs selbst zitierten Bestätigung der behandelnden Ärztin der BF vom 29.9.2017, wonach es der BF nicht möglich sei, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, wenn sich dort viele Personen befinden (sowie sich ohne Begleitperson im öffentlichen Raum zu bewegen) und ungeachtet des Umstands, dass es gegenständlich gerade nicht um die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel geht (sondern um die Erforderlichkeit einer Begleitperson), führte Dr. F. F. in ihrem Gutachten sodann abschließend aus, dass der BF das Benützen eines öffentlichen Verkehrsmittels zumutbar sei.
Zur hier relevanten Frage der Erforderlichkeit einer Begleitperson führte Dr. F. F. in einem einzigen Satz aus: "Eine Begleitperson ist nicht erforderlich". Sonstige Ausführungen dazu wurden nicht getätigt.
1.4. In der vom SMS aufgrund der Stellungnahme der BF, in der sie das Gutachten von Dr. F. F. bemängelte, eingeholten "Stellungnahme" von Dr. H. R. V. zum Gutachten von Dr. F. F., verwies Dr. H. R. V. wiederum nur auf das Gutachten von Dr. F. F., in dem der BF (ungeachtet einer bereits gegenteiligen Eintragung) die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel attestiert und (mit einem Satz) festgehalten wurde, dass eine Begleitperson nicht erforderlich sei.
1.5. Ein brauchbarer Sachverhalt im Hinblick auf die Beurteilung der Frage, ob die BF einer Begleitperson bedarf, liegt dem BVwG somit nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des SMS.
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unmittelbar aus dem Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zurückverweisung
3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gemäß § 45 Abs 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gegenständlich liegt somit die Zuständigkeit eines Senats vor.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 28 VwGVG lautet auszugsweise:
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
[...]
3.2. Im konkreten Fall bedeutet dies:
Im Hinblick auf die gegenständlich zu beurteilende Frage, ob die BF Anspruch auf die Vornahme der Zusatzeintragung "Bedarf einer Begleitperson" in den Behindertenpass hat, wurde vom SMS ein Sachverständigengutachten eingeholt. Am 8.2.2018 erstattete Frau Dr. F. F. ihr Gutachten.
Dieses Gutachten vermag allerdings keine Grundlage für eine diesbezügliche Entscheidung zu bilden: Es befasst sich nämlich nur mit der Frage, ob der BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, was jedoch nicht Thema des gegenständlichen Verfahren ist, und es wird dabei gänzlich verkannt, dass der BF bereits im Vorgutachten eine derartige Unzumutbarkeit klar attestiert wurde und die BF zudem bereits über eine entsprechende Zusatzeintragung verfügt. Aber auch in anderer Hinsicht ist das Gutachten nicht schlüssig: So wird darin ausgeführt, im Vergleich zum Vorgutachten habe sich der Gesundheitszustand der BF - unter anderem aufgrund ihrer soziophobischen Zustände - verschlechtert, sodass dann noch weniger erhellt, warum die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel (um die es hier aber gar nicht geht) nunmehr im Unterschied zum Vorgutachten sehr wohl gegeben sein soll.
Im Hinblick auf die hier entscheidende Frage der Erforderlichkeit einer Begleitperson enthält das Gutachten von Frau Dr. F. F. nur einen einzigen Satz: "Eine Begleitperson ist nicht erforderlich."
Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass dem BVwG kein brauchbarer Sachverhalt vorliegt, anhand dessen nachvollziehbar die Frage entschieden werden könnte, ob die BF ständig einer Begleitperson bedarf oder nicht.
Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass das SMS als Reaktion auf die Einwände der BF gegen das Gutachten von Dr. F. F. eine "Stellungnahme" von Dr. H. R. V. zum fraglichen Gutachten von Dr. F. F. einholte: In seiner "Stellungnahme" vom 27.4.2018 verweist Dr. H. R. V. nämlich wiederum nur - unter wortwörtlicher Zitierung - auf das Gutachten von Dr. F. F., sodass der "Stellungnahme" von Dr. H. R. V. kein über das Gutachten von Dr. F. F. hinausgehender Beweiswert entnommen werden kann.
Dem BVwG liegt somit kein brauchbarer Sachverhalt im Sinne der Erkenntnisse des VwGH vom 10.09.2014, Zl. Ra 2014/08/0005 und vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063, vor. Im Übrigen steht der gegenständlichen Entscheidung auch § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG nicht entgegen, zumal das SMS die erforderlichen Ermittlungsschritte und damit die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes rascher und nicht mit höheren Kosten als das BVwG bewerkstelligen wird können. Das SMS wird im Folgeverfahren somit ein Gutachten einzuholen haben, das sich schlüssig und nachvollziehbar - auch unter Einbeziehung des Vorgutachtens (insb. bereits bestehende Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) - mit der Frage auseinandersetzt, ob die BF einer Begleitperson bedarf und darauf aufbauend eine Entscheidung über den Antrag der BF zu treffen haben.
Aus den dargestellten Gründen war spruchgemäß mit einer Behebung und Zurückverweisung vorzugehen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gem. § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gem. Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da es zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Verwaltungsgericht kassatorisch entscheiden darf, eine klare und aktuelle (siehe insbesondere die Erkenntnisse des VwGH vom 10.09.2014, Zl. Ra 2014/08/0005 und vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063) höchstgerichtliche Rechtsprechung gibt.
Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:
Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. Aufgrund der Aufhebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L503.2199968.1.00Zuletzt aktualisiert am
06.06.2019