TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/17 L503 2189914-1

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Veröffentlicht am 17.12.2018
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Entscheidungsdatum

17.12.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L503 2189914-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und den Richter Mag. LEITNER und den fachkundigen Laienrichter Ing. WEISS über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 20.12.2017, XXXX , zu Recht erkannt:

A.) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Am 29.9.2017 beantragte die nunmehrige Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz: "BF") beim Sozialministeriumservice (im Folgenden kurz: "SMS") die Ausstellung eines Behindertenpasses. Zudem beantragte die BF am selben Tag die Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten. Beigelegt wurden von der BF diverse ärztliche Unterlagen aus den Jahren 1999 bis 2017.

2. Daraufhin holte das SMS ein Sachverständigengutachten ein und wurde die BF am 27.11.2017 von Dr. C. D., einer Ärztin für Allgemeinmedizin, untersucht.

Im Sachverständigengutachten vom 28.11.2017 von Dr. C. D. wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF, wie folgt ausgeführt:

"Anamnese:

Zustand nach Cholezystektomie 1999.

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, chronisches Cervicalsyndrom bei Stenose C6/7.

Lumboischialgie rechts bei Discusprolaps L4-S1.

Tinnitus beidseits.

Uterus myomatosus.

Astigmatismus, Hyperopie, Presbyopie.

Zustand nach Fract. claviculae dext. 2004.

Zustand nach Fraktur OSG rechts 2009 operat.

Zustand nach dreimaliger Beinvenenthrombose postoperativ rechts, zuletzt 2009.

Derzeitige Beschwerden:

Die Patientin klagt über Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule, vor allem bei längerer statischer Belastung und Hebebelastungen, insbesondere im Rahmen der beruflichen Tätigkeit. Die Schmerzen auf lokale Infiltration und Behandlung im Rahmen des Kuraufenthalts deutlich gebessert. Derzeit Einnahme von Diclofenac 75 mg bei Bedarf.

Schmerzen auch lumbal bei längerer statischer Belastung, fallweise Schmerzen auch in Ruhe lumbal.

Die Gehstrecke beträgt durchschnittlich fünf Kilometer. Stiegensteigen ein bis zwei Stockwerke gut möglich.

Seit einem Jahr Hochtontinnitus beidseits, die Nachtruhe ist nicht gestört, durch Behandlung mit Cerebokan geringe Besserung der Beschwerden.

Uterus myomatosus, Hormonbehandlung seit drei Monaten, Verlaufskontrolle geplant. Vorbestehende starke Blutungen sind auf Medikation sistiert.

Zustand nach Sprunggelenksfraktur rechts, operat, fallweise Wetterfühligkeit, weitgehend uneingeschränkte Belastbarkeit.

Zustand nach Gallenblasenoperation, diätetische Maßnahmen. Postoperativ bei Zustand nach Schlüsselbeinbruch rechts keine wesentliche Bewegungseinschränkung, rezidivierende endlagige Schmerzen bei Überkopfbewegungen.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Behandlungen:

Regelmäßige Physiotherapie und Massage.

Medikamente:

Esmya 5 mg, Cerebokan 80 mg, Diclofenac 75 mg bei Bedarf.

Hilfsmittel: Brille.

Sozialanamnese:

Die Patientin arbeitet in einem Produktionsbetrieb (Akkordarbeit), ist ledig, hat keine Kinder und wohnt in einer Wohnung im ersten Stock, Lift vorhanden."

[...]

Zusammengefasst wurde als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wie folgt festgehalten:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen. Spinalkanalstenosierend und beginnende Myelonpelottierung C6-7, chronisches Cervicalsyndrom, mittelgradige Bewegungseinschränkung, kein motorisches Defizit, keine regelmäßige Schmerzmedikation, Belastungsschmerzen, Lumboischialgie rechts bei Discusprolaps L4-S1, fallweise Ruheschmerzen, endgradige Bewegungseinschränkung lumbal, negativer Lasegue.

02.01.02

40 vH

02

Sehstörung. Visus RA 0,2, LA 0,9, GdB laut Tabelle 20 %.

11.02.01

20 vH

03

Tinnitus beidseits. Kompensiert ohne nennenswerte psychische oder vegetative Begleiterscheinungen.

12.02.02

10 vH

04

Zustand nach Sprunggelenksfraktur operat. Wetterfühligkeit, ausreichende Belastbarkeit, postoperativ.

02.05.32

10 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

40 vH

 

Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, führendes Leiden sei Position 1 und bestimme den Gesamtgrad der Behinderung.

Die Positionen 2 bis 4 seien aufgrund von Geringfügigkeit nicht stufenerhöhend.

3. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 20.12.2017 sprach das SMS aus, dass die BF mit einem Grad der Behinderung von 40 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle; ihr Antrag vom 29.9.2017 sei daher abzuweisen.

Neben der Zitierung der rechtlichen Grundlagen (§§ 40, 41 und 45 BBG) wurde nochmals betont, dass laut eingeholtem Gutachten bei der BF lediglich ein Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH vorliege. Das dem Bescheid beiliegende und einen Teil der Begründung bildende Sachverständigengutachten sei als schlüssig erkannt und der Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt worden.

4. Mit E-Mail vom 29.12.2017 erhob die BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 20.12.2017, die sie als "Beschwerde über das Sachverständigengutachten" titulierte.

Darin merkte die BF zunächst zu den einzelnen Positionen im Gutachten vom 28.11.2017 wie folgt an:

"Pos. Nr. 02.01.02

Medikamente für den Ruheschmerz am Abend, Tramadolor 50mg, Sirdalud 2mg - 4mg für HWS und LWS, LWS stechender Schmerz strahlt in beide Beine aus, HWS häufig Schwindel mit Übelkeit und Kopfschmerzen.

Pos. Nr. 11.02.01

Sehbehelfe eine FB und eine NB, rechtes Auge Amblyopie seit der Kindheit - größere Anstrengung für das linke Auge, dadurch leide ich sehr oft unter Kopfschmerzen.

Pos. Nr. 12.02.02

Tinnitus beidseitig mit vermehrter Einschlafstörung und Durchschlafstörung, morgendliche Schwindelattacken.

Pos. Nr. 02.05.32

Bei unkonzentrierten Gehen knicke ich oftmals mit dem rechten Fuß ein oder um. Die daraus entstandenen Überdehnungen mit Schwellungen sind schmerzhaft und langanhaltend. Durch die dreimalige Beinvenenthrombose rechts, zuletzt 2009 nach Sprunggelenks OP ist eine wöchentliche Lymphgefässmassage unbedingt erforderlich, um die Schwellungen und den stechenden Schmerz aufzulösen. Muss auch immer wieder die Stützstrümpfe tragen."

Im Übrigen brachte die BF vor, durch eine Hormontherapie sei zwar ihr Eisenmangel verbessert worden, allerdings sei die Größe der Myome und die dadurch verursachten Schmerzen unverändert; darüber hinaus habe sie seit einer Blinddarmentfernung und Gallenblasen-OP 1999 Nahrungsunverträglichkeiten und eine sehr sensible Fettverdauung. Wenn im Gutachten das Körpergewicht der BF mit 85 kg festgehalten werde, so sei dies falsch; ihr Körpergewicht zum Zeitpunkt der Untersuchung habe lediglich 65 kg betragen.

Abschließend ersuchte die BF um eine weitere ärztliche Begutachtung.

5. In weiterer Folge holte das SMS ein weiteres Sachverständigengutachten ein und wurde die BF am 19.2.2018 von Dr. G. P., einem Arzt für Allgemeinmedizin, untersucht.

Im Sachverständigengutachten vom 20.2.2018 von Dr. G. P. wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF, wie folgt ausgeführt:

"Anamnese:

Vorgutachten 11/2017 40%; Beschwerdevorentscheidung

DP L4/5 und L5/S1, chronisches Cervikalsyndrom bei DP C4/5 und C5/6

Tinnitus beidseits

2009 Fraktur rechtes Sprunggelenk operiert

Amblyopie rechts, Visus 0,2 , links 0,9

Uterusmyome

Z.n. dreimal Thrombose rechts, zuletzt 2009

1999 CHE

1999 und 2003 Klavikulafraktur rechts (konservative Therapie)

Derzeitige Beschwerden:

Das Metall im rechten Sprunggelenk bleibt, hier leichte Bewegungseinschränkung, fallweise leichte Beschwerden.

Seit 8/2016 wahrscheinlich im Zusammenhang mit HWS pfeifender Tinnitus beidseits, gutes Hörvermögen, sieht unverändert rechts schlecht nach Amblyopie, Visus 0,2, links 0,9 mit Brille.

Immer wieder Beschwerden bei Uterusmyomen, bei Z.n. Gallenblasenentfernung fettreduzierte Kost.

Stützstrümpfe nach Thrombose zuletzt 2009, fallweise Schwellungen Beine, auch innenliegende Varizen.

Hauptbeschwerden immer in der Halswirbelsäule mit Ausstrahlung in die Arme bis in die Hände, derzeit auch geringere Beschwerden Lendenwirbelsäule, keine Gehhilfe, fährt Auto.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Cerebokan, bei Bedarf Schmerzmittel wie Tramadol, Sirdalud, Diclofenac

Sozialanamnese:

49 Jahre, Produktionsmitarbeiterin Brillenerzeugung

[...]

Zusammengefasst wurde als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wie folgt festgehalten:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Bandscheibenschäden wie im Vorgutachten, weiterhin mehrfache Bandscheibenschäden Hals- und Lendenwirbelsäule, wiederholt Schmerzen, mäßige Bewegungseinschränkungen, keine Lähmungen

02.01.02

40 vH

02

Sehminderung wie im Vorgutachten, Visus rechts 0,2, links 0,9

11.02.01

20 vH

03

Zustand nach Gallenblasenoperation Gallenblase entfernt 1999, hält fettreduzierte Kost, trotzdem Obstipationsneigung, inkl. wiederholte Beschwerden bei Myomen Uterus

07.06.01

20 vH

04

Zustand nach Beinthrombose Zustand nach dreimal Thrombose rechtes Bein, zuletzt 2009, trägt Stützstrümpfe, fallweise Ödeme, inkl. innenliegende Varizen

05.08.01

20 vH

05

Tinnitus wie im Vorgutachten, ausreichend gutes Hörvermögen

12.02.02

10 vH

06

Einschränkung Sprunggelenk wie im Vorgutachten, geringgradig

02.05.32

10 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

40 vH

 

Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dieser ergebe sich aus dem führenden Wirbelsäulenleiden, bei Geringfügigkeit bzw. fehlendem Zusammenhang bestehe keine Steigerung durch die übrigen Leiden.

6. Mit Schreiben vom 21.2.2018 übermittelte das SMS der BF das Gutachten vom 20.2.2018 und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme binnen drei Wochen ein.

Eine Stellungnahme der BF ist nicht aktenkundig.

7. Am 21.3.2018 legte das SMS den Akt dem BVwG vor und wies darauf hin, dass die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abgelaufen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Bei der BF, einer 1968 geborenen österreichischen Staatsbürgerin, die unselbständig erwerbstätig und in Österreich wohnhaft ist, bestehen folgende Funktionseinschränkungen und daraus resultierend folgender Gesamtgrad der Behinderung:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Bandscheibenschäden wie im Vorgutachten, weiterhin mehrfache Bandscheibenschäden Hals- und Lendenwirbelsäule, wiederholt Schmerzen, mäßige Bewegungseinschränkungen, keine Lähmungen

02.01.02

40 vH

02

Sehminderung wie im Vorgutachten, Visus rechts 0,2 , links 0,9

11.02.01

20 vH

03

Zustand nach Gallenblasenoperation Gallenblase entfernt 1999, hält fettreduzierte Kost, trotzdem Obstipationsneigung, inkl. wiederholte Beschwerden bei Myomen Uterus

07.06.01

20 vH

04

Zustand nach Beinthrombose Zustand nach dreimal Thrombose rechtes Bein, zuletzt 2009, trägt Stützstrümpfe, fallweise Ödeme, inkl. innenliegende Varizen

05.08.01

20 vH

05

Tinnitus wie im Vorgutachten, ausreichend gutes Hörvermögen

12.02.02

10 vH

06

Einschränkung Sprunggelenk wie im Vorgutachten, geringgradig

02.05.32

10 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

40 vH

 

Der Gesamtgrad der Behinderung ergibt sich aus dem führenden Wirbelsäulenleiden, bei Geringfügigkeit bzw. fehlendem Zusammenhang besteht keine Steigerung durch die übrigen Leiden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des SMS.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen zu den bei der BF bestehenden Funktionseinschränkungen beruhen auf dem vom SMS im Beschwerdevorentscheidungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. G. P. vom 20.2.2018.

Dazu ist zunächst anzumerken, dass dieses Sachverständigengutachten ausführlich begründet, schlüssig und nachvollziehbar ist und keine Widersprüche aufweist. Auch die konkrete Einschätzung anhand der Einschätzungsverordnung gibt keinen Anlass zu Bedenken.

Vor allem wurde in diesem Gutachten auch auf das Beschwerdevorbringen der BF eingegangen: So monierte die BF in ihrer Beschwerde, dass bestimmte, von ihr eingenommene Medikamente im Vorgutachten nicht aufscheinen würden (Tramadol, Sirdalud), wobei diese im nunmehrigen Gutachten explizit berücksichtigt wurden. Auch mit den von der BF in ihrer Beschwerde angesprochenen Positionen 11.02.01 (Sehminderung, Visus rechts 0,2, links 0,9), Tinnitus (Position 12.02.02) und Einschränkung im Sprunggelenk (Position 02.05.32) hat sich Dr. G. P. nochmals auseinandergesetzt und kam nachvollziehbar zum Ergebnis, dass bereits im Vorgutachten eine zutreffende Einschätzung erfolgt war.

Darüber hinaus hat Dr. G. P. dem Beschwerdevorbringen der BF folgend ihren bislang nicht berücksichtigten Zustand nach Gallenblasenoperation (Gallenblase entfernt 1999, trotz fettreduzierter Kost Obstipationsneigung inkl. wiederholter Beschwerden bei Myomen Uterus) eingeschätzt (Position 07.06.01) und zutreffend mit 20 v. H. bewertet und im Anschluss auch erstmals festgehalten, dass bei der BF eine Gesundheitsschädigung im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung vorliege (Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit, GdB: 20 v. H. - Zustand nach Gallenblasenoperation mit Beschwerden). Zudem hat Dr. G. P. dem Beschwerdevorbringen der BF folgend ihren bislang nicht berücksichtigten Zustand nach Beinthrombose (Zustand nach dreimal Thrombose rechtes Bein, zuletzt 2009, trägt Stützstrümpfe, fallweise Ödeme, inkl. innenliegende Varizen) einer Einschätzung unterzogen (Position 05.08.01) und zutreffend mit 20 v. H. bewertet. Auch den - aber nicht weiter relevanten - Fehler im Vorgutachten betreffend das Körpergewicht der BF, welchen diese in ihrer Beschwerde moniert hatte, hat Dr. G. P. nunmehr korrigiert (65 kg anstatt zuvor - offensichtlich durch einen Schreibfehler bedingt - 85 kg).

Zu alldem kommt hinzu, dass der BF das Gutachten von Dr. G. P. vom 20.2.2018 seitens des SMS im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt worden war und die BF keine Stellungnahme abgab. Auch insofern ist davon auszugehen, dass die BF dem Gutachten von Dr. G. P. vom 20.2.2018 nichts entgegenzusetzen vermag.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gemäß § 45 Abs 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Gegenständlich liegt somit die Zuständigkeit eines Senats vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Die hier einschlägigen Bestimmungen des BBG (bzw. EStG) lauten:

§ 1. [...] (2) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

[...]

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen [...]

§ 35 EStG lautet auszugsweise:

§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

[...]

und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

(2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

[...]

- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

[...]

3.3. Im konkreten Fall bedeutet dies:

Das vom SMS zuletzt eingeholte Sachverständigengutachten vom 20.2.2018 ist - wie bereits im Zuge der Beweiswürdigung dargelegt - richtig, vollständig und schlüssig. Die aktuellen Funktionseinschränkungen der BF wurden gemäß der Einschätzungsverordnung eingestuft, es ist bei der BF sohin von einem Grad der Behinderung von 40 vH auszugehen. Die BF erfüllt somit nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs 1 BBG.

Folglich ist die Beschwerde spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gem. § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gem. Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des VwGH bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage betreffend Verfahren und Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses stützen.

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.

Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art 6 EMRK zu beurteilen. Dessen Garantien werden zum Teil absolut gewährleistet, zum Teil stehen sie unter einem ausdrücklichen (so etwa zur Öffentlichkeit einer Verhandlung) oder einem ungeschriebenen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen (wie etwa das Recht auf Zugang zu Gericht). Dem entspricht es, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung für gerechtfertigt ansieht, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Döry / S, RN 37). Der Verfassungsgerichtshof hat im Hinblick auf Art 6 EMRK für Art 47 GRC festgestellt, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteien im vorangegangenen Verwaltungsverfahren regelmäßig dann unterbleiben könne, wenn durch das Vorbringen vor der Gerichtsinstanz erkennbar werde, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lasse (vgl. VfGH 21.02.2014, B1446/2012; 27.06.2013, B823/2012; 14.03.2012, U466/11; VwGH 24.01.2013, 2012/21/0224; 23.01.2013, 2010/15/0196).

Im gegenständlichen Fall ergab sich aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhalts zu erwarten war. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt erweist sich aufgrund der Aktenlage als geklärt.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L503.2189914.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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