TE Bvwg Beschluss 2019/1/16 W128 2207971-2

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Veröffentlicht am 16.01.2019
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Entscheidungsdatum

16.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §33 Abs1

Spruch

W128 2207971-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN über den Antrag des afghanischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Julian A. MOTAMEDI, Baumannstraße 9/12A, 1030 Wien, vom 07.11.2018 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 31.08.2018, Zl. 1094910810-151783138/BMI-EAST_WEST, den Beschluss gefasst:

A)

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 07.11.2018 wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG nicht stattgegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom 31.08.2018, Zl. 1094910810-151783138/BMI-EAST_WEST, wies das BFA den Antrag des Wiedereinsetzungswerbers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG) (Spruchteil I.) als auch des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchteil II.) ab. Unter einem sprach das BFA aus, dass dem Wiedereinsetzungswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchteil III.), gegen ihn gestützt auf § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG und § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung erlassen werde (Spruchteil IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchteil V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchteil VI.).

Der Bescheid wurde dem Wiedereinsetzungswerber am 13.09.2018 durch Hinterlegung zugestellt.

2. Erst am 15.10.2018 erhob der rechtsfreundlich vertretene Wiedereinsetzungswerber Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid.

3. Mit Schreiben vom 18.10.2018 (eingelangt am 19.10.2018) legte das BFA die Beschwerde samt Bezug habendem Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

4. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.10.2018 wurde dem Wiedereinsetzungswerber vorgehalten, dass seine Beschwerde gegen den Bescheid des BFA verspätet eingebracht wurde.

5. Der rechtsfreundlich vertretene Wiedereinsetzungswerber brachte am 07.11.2018 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde ein, in welchem er zusammengefasst Folgendes ausführte:

Seine erste Kontaktaufnahme mit dem einschreitenden Rechtsanwalt habe am 03.10.2018 stattgefunden. Er habe dem Rechtsanwalt mitgeteilt, dass er nicht genau wisse, wann er den Bescheid erhalten habe und das Kuvert nicht mehr verfügbar sei. Folglich habe ein Mitarbeiter des Rechtsanwalts telefonisch Kontakt mit dem BFA aufgenommen und nachgefragt, wann der Bescheid dem Wiedereinsetzungswerber zugestellt worden sei. Dem Rechtsanwalt sei daraufhin mitgeteilt worden, dass der Bescheid am 17.09.2018 hinterlegt worden sei. Die Beschwerden vom 15.10.2018 seien sohin fristgerecht eingebracht worden. Dass sich der Mitarbeiter des Rechtsanwalts verhört habe, könne nahezu ausgeschlossen werden. Sollte es sich jedoch tatsächlich um ein Kommunikationsproblem gehandelt haben, liege jedenfalls bloß ein minderer Grad des Versehens vor. So erkläre der Rechtsanwalt an Eides Statt, dass er bislang noch kein Fehlverhalten seiner Mitarbeiter feststellen habe können und die Kommunikation mit den Mandanten und Behörden sowie Gerichten stets einwandfrei und zur vollsten Zufriedenheit erfolgt sei. Jener Mitarbeiter, welcher mit dieser Nachfrage betraut gewesen sei, sei bereits seit geraumer Zeit bei dem Rechtsanwalt tätig, weshalb dieser sich auf dessen Zuverlässigkeit verlassen habe dürfen.

Darüber hinaus sei eine kurze Notiz über das Telefonat erstellt worden. Insofern handle es sich jedenfalls bloß um einen minderen Grad des Versehens seitens der einschreitenden Kanzlei, sodass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen sei.

Dem Schriftsatz war nochmals die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid angeschlossen. Weiters wurde eine eidesstattliche Erklärung des Mitarbeiters des einschreitenden Rechtsanwalts vom 07.11.2018 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Der Bescheid des BFA vom 31.08.2018, 1094910810-151783138/BMI-EAST_WEST, wurde dem Wiedereinsetzungswerber am 13.09.2018 durch Hinterlegung ordnungsgemäß zugestellt. Die Frist für die Erhebung einer Beschwerde endete damit am 11.10.2018. Gegen den Bescheid des BFA erhob der rechtsfreundlich vertretene Wiedereinsetzungswerber am 15.10.2018 Beschwerde.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.10.2018 wurde dem Wiederreinsetzungswerber vorgehalten, dass seine Beschwerde gegen den Bescheid des BFA verspätet eingebracht worden sei.

Mit Schreiben vom 07.11.2018 stellte der Wiedereinsetzungswerber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Der rechtsfreundliche Vertreter des BFA holte keine schriftliche Bestätigung vom BFA über das telefonisch bekannt gegebene Zustelldatum des gegenständlichen Bescheides ein.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung, dass dem Wiedereinsetzungswerber der Bescheid des BFA am 13.09.2018 durch Hinterlegung ordnungsgemäß zugestellt wurde, ergibt sich aus dem im Akt befindlichen Zustellschein.

Das Datum der Einbringung der Beschwerde ist durch das Datum des eingeschriebenen Briefes, in welchem die Beschwerde übermittelt wurde, belegt.

Dass eine schriftliche Bestätigung über das vom BFA bekannt gegebene Zustelldatum des gegenständlichen Bescheides angefordert wurde bzw. eine solche existiert, wurde vom Rechtsvertreter im Zuge des gesamten Verfahrens nie behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Abweisung des Antrags (Spruchpunkt A)

3.1.1. Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 33 Abs. 3 erster Satz VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

Gemäß § 33 Abs. 4 dritter Satz VwGVG hat ab Vorlage der Beschwerde über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden.

3.1.2. Vorab ist festzuhalten, dass bei Versäumen der Beschwerdefrist § 33 VwGVG für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die maßgebliche Bestimmung ist und nicht §§ 71, 72 AVG, insbesondere nicht § 71 Abs. 4 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte² [2017] § 33 VwGVG K 19 und E 21 mit Hinweis auf VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013).

Im gegenständlichen Verfahren brachte der Wiedereinsetzungswerber den Wiedereinsetzungsantrag am 07.11.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein, die Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht erfolgte jedoch bereits am 19.10.2018. Infolgedessen hat das Bundesverwaltungsgericht (und nicht das BFA) über den gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag abzusprechen.

3.1.3. Dem gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde ist aus folgenden Gründen nicht stattzugeben:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen (VwGH vom 26.06.1985, Zl. 83/03/0134).

Ein Ereignis ist dann "unabwendbar", wenn der Eintritt dieses Ereignisses objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden konnte. Ein Ereignis ist als "unvorhergesehen" zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht mit einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwartet werden konnte. Anders als das Tatbestandsmerkmal des "unabwendbaren" erfasst jenes des "unvorhergesehenen" Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (VwGH 17.02.1994, 93/16/0020).

Das im Begriff der "Unvorhergesehenheit" gelegene Zumutbarkeitsmoment (VwGH 25.03.1976, 0265/75, VwSlg. 9024 A/1976) ist dahingehend zu verstehen, dass die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn der Partei (ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein "minderer Grad des Versehens" unterläuft (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134 sowie VfGH 27.02.1985, G 53/83-13 u.a.). Ein solcher "minderer Grad" des Versehens (im Sinne des § 1332 ABGB) liegt nur dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (VwGH 22.11.1996, 95/17/0112; 23.05.2001, 99/06/0039 und 01.06.2006, 2005/07/0044). Der Beschwerdeführer darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (VwGH 08.10.1990, 90/15/0134; 14.07.1993, 93/03/0136 sowie 24.05.2005, 2004/01/0558).

Eine Frist ist versäumt, wenn sie zu laufen begonnen hat und ungenutzt verstrichen ist, d.h. wenn die geforderte Prozesshandlung vor ihrem Ablauf nicht in der für sie (zwingend) vorgeschriebenen Form gesetzt wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht 5 [2014], Rz 602 m.w.N.).

In casu bringt der Wiedereinsetzungswerber vor, dass er die Kuverts des gegenständlichen Bescheides verloren habe und sich nicht mehr erinnern könne, wann ihm der Bescheid zugestellt worden sei. Der Mitarbeiter seines Rechtsvertreters habe sohin beim BFA telefonisch nachgefragt, wann der Bescheid dem Wiedereinsetzungswerber zugestellt worden sei. Dieser habe die Auskunft bekommen, dass der Bescheid dem Beschwerdeführer am 17.09.2018 durch Hinterlegung zu gestellt worden sei, weshalb die Beschwerde vom 15.10.2018 fristgerecht eingebracht worden sei. Selbst im Falle eines Kommunikationsproblems liege bloß ein minderer Grad des Verschuldens vor.

Im Hinblick auf die Bedeutung für die Wahrung der Rechtsmittelfrist besteht in Bezug auf das Zustelldatum eine besondere Prüfpflicht (VwGH 31.05.2017, Ra 2017/22/0064). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stellt es ein sorgfaltswidriges Verhalten dar, wenn etwa bei der telefonischen Übermittlung des Zustelldatums eines Bescheides keine Maßnahmen zur unmittelbaren Kontrolle der Richtigkeit des Zustelldatums getroffen wurden, etwa durch Einholung einer schriftlichen Bestätigung des telefonisch durchgegebenen Zustelldatums, weil bei der telefonischen Übermittlung von Daten Hörfehler oder andere Fehler und Missverständnisse nicht ausgeschlossen werden können (vgl. VwGH 23.02.2005, 2001/14/0021; VwGH 26.05.1999, 99/03/0029; VwGH 13.12.1989, 89/03/0091).

Im Sinne dieser Judikatur wäre es zwecks Kontrolle der Richtigkeit des Zustelldatums und zur Vermeidung von Missverständnissen am Vertreter gelegen, eine schriftliche Bestätigung - etwa mittels E-Mail -- des vom Mitarbeiter des BFA angegebenen Zustelldatums einzuholen. Ein bloßer Aktenvermerk bzw. eine eidesstattliche Erklärung über das telefonische Gespräch ersetzt keine schriftliche Bestätigung.

Ein Außerachtlassen der im Verkehr mit Gerichten beziehungsweise Behörden erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt in einem Maß, wie es auf Seiten des Wiedereinsetzungswerbers beziehungsweise des bevollmächtigten Vertreters erfolgte, kann nicht als minderer Grad des Verschuldens bezeichnet werden (vgl. VwGH 20.04.2001, 98/05/0083, m.w.N.). Das Verhalten des Vertreters ist dem Wiedereinsetzungswerber auch zuzurechnen (VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher nicht stattzugeben.

3.2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.

3.3. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen - unter Punkt 3.1.3. dargestellten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fristversäumung, Rechtsmittelfrist, Sorgfaltspflicht, Verschulden,
Wiedereinsetzung, Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W128.2207971.2.00

Zuletzt aktualisiert am

05.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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