Entscheidungsdatum
23.01.2019Norm
ASVG §67 Abs10Spruch
L501 2119257-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von Herrn XXXX, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph ROGLER, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 08.09.2015 zu Beitragskontonummer XXXX, Zl. 14-2014-BE-VER10-0000K, betreffend Haftung gemäß § 67 Abs. 10 und 83 ASVG zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) iVm §§ 67 Abs. 10 und 83 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit Schreiben vom 30.01.2014, Zl. 14-2014-BE-VER10-0000K, zu Beitragskontonummer XXXX, teilte die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse (im Folgenden belangte Behörde) der beschwerdeführenden Partei (im Folgenden bP) mit, dass auf dem Beitragskonto der Firma XXXX (im Folgenden GmbH) aus den Beiträgen Juni 2011, August 2011, September 2011, November 2011, Dezember 2011, Jänner 2012 und Februar 2012 ein Rückstand in der Höhe von EUR 21.745,26 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen bestehe. Dem Schreiben war ein Rückstandsausweis gemäß § 64 ASVG vom selben Tag beigelegt. Die bP wurde aufgrund ihrer ehemaligen Geschäftsführertätigkeit als Vertreterin der Gesellschaft zur Bezahlung der Beiträge ersucht bzw. wurde ihr unter Einräumung einer Frist die Möglichkeit eröffnet, alle Tatsachen vorzubringen, die ihrer Ansicht nach gegen ihre Haftung gemäß § 67 Abs. 10 sprechen.
Nach Fristerstreckung teilte die nunmehr rechtsfreundlich - durch den ehemaligen Masseverwalter - vertretene bP mit Schreiben vom 21.03.2014 mit, dass hinsichtlich der aushaftenden Beiträge eine schuldhafte Pflichtverletzung der bP nicht vorliege. Die Fälligkeit der rückständigen Beiträge sei teilweise erst nach bzw. kurz vor Konkurseröffnung eingetreten oder zu einem späteren Zeitpunkt nachverrechnet worden. Es handle sich um offene Restverbindlichkeiten, für die vom Steuerberater zum Großteil Ratenzahlungsvereinbarungen abgeschlossen worden seien. Erst durch Nichtbewilligung der ursprünglich in Aussicht gestellten Erhöhung des Betriebsmittelkreditrahmens durch die Hausbank sei Anfang 2012 der status cridae eingetreten und habe die Ratenzahlung nicht mehr geleistet werden können. Eine konkrete inhaltliche Stellungnahme sei derzeit nicht möglich, da eine detaillierte und genaue Aufschlüsselung der aushaftenden Beiträge nicht vorliege und zudem die entsprechenden Unterlagen der bP nicht zur Verfügung stünden; der für diese Belange zuständige Steuerberater der GmbH sei nämlich zwischenzeitlich verstorben.
Laut Aktenvermerk vom 16.09.2014 wurde der bP zwecks Vorlage von Unterlagen fernmündlich eine Frist bis zur KW 43 gewährt. Mit E-Mail vom 31.10.2014 urgierte die belangte Behörde die von der bP avisierten Unterlagen und führte aus, dass zur Beurteilung der Haftungsfrage noch folgende Unterlagen nötig seien: "Aufstellung über Zahlungseingänge im Haftungszeitraum 06/2011 - 02/2012, offene fällige Verbindlichkeiten im Haftungszeitraum 06/2011 - 02/2012, darauf geleistete Zahlungen." In einem am 25.02.2015 geführten Telefonat zwischen einem Sachbearbeiter der Beitragseinbringung der belangten Behörde und der bP wurden die Unterlagen nochmals urgiert. Daraufhin wurde das E-Mail vom 31.10.2014 am 25.02.2015 gefaxt. Unterlagen sind bei der belangten Behörde dennoch nicht eingelangt.
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass die bP als Geschäftsführerin der GmbH gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge
s. Nbg. aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Juni 2011, August 2011, September 2011, November 2011, Dezember 2011 und Jänner 2012 in Höhe von EUR 10.899,52 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe schulde. Dem Bescheid war ein Rückstandsausweis vom selben Tag in Höhe von EUR 10.899,52 zzgl ges. Verzugszinsen angeschlossen.
Begründend wurde ausgeführt, dass die bP laut Firmenbuch im Zeitraum von 16.10.2003 bis 20.11.2013 Geschäftsführerin der GmbH gewesen sei. Mit Schreiben vom 30.01.2014 sei die bP aufgefordert worden, Gründe darzulegen, welche gegen ihre Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG sprechen würden. Aufgrund der Einwendungen der bP, dass die Beiträge aus der Nachverrechnung nicht zu einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers geführt haben könnten und die Fälligkeit der Beiträge laut Rückstandsausweis teilweise erst nach Konkurseröffnung eingetreten sei, sei der geltend gemachte Haftungsbetrag um die Beiträge 06/2011 NV Beitrag GPLA-Rest und 02/2012 eingeschränkt worden. Das Vorbringen, einige Beiträge seien erst wenige Wochen vor Konkurseröffnung fällig geworden, verfange nicht, zumal auf die gegebene Liquiditätslage ab dem Zeitpunkt der ältesten offenen Forderung bis zum Ende der Vertretungsbefugnis (i.d.R. Insolvenzeröffnung) und die vom Vertreter daraus gezogenen Konsequenzen abzustellen sei. Die Behauptung, Anfang 2012 sei der Kreditrahmen der Hausbank nicht mehr erweitert worden und hätten Ratenzahlungen deshalb nicht mehr eingehalten werden können, stelle kein substantiiertes Vorbringen betreffend Gläubigergleichbehandlung im haftungsrelevanten Zeitraum dar. Eine Zahlungsvereinbarung mit der belangten Behörde habe es zudem nicht gegeben. Die im Rückstandsausweis angeführten Haftungsbeträge seien um die vom Insolvenzentgeltfonds überwiesenen Dienstnehmeranteile verringert worden. Ihrer Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen zur Beurteilung der Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit anderen Verbindlichkeiten sei die bP trotz wiederholter Aufklärung und Aufforderung nicht nachgekommen. Dass der beauftragte Steuerberater zwischenzeitlich verstorben sei, schließe ein Verschulden der bP nicht aus.
Mit Schreiben vom 07.10.2015 wurde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben. Die bP führte im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass es der bP durch das Ableben des damaligen Steuerberaters nicht möglich gewesen sei, urkundliche Nachweise hinsichtlich der Gläubigergleichbehandlung vorzulegen. Ferner habe es mit der belangten Behörde im Herbst 2011 eine Ratenzahlungsvereinbarung betreffend die bis zum damaligen Zeitpunkt angefallenen Rückstände gegeben und sei die erste Rate auch fristgerecht bezahlt worden. Weitere Überweisungen seien nicht möglich gewesen, da die Hausbank alle Überweisungsaufträge gestoppt habe; daraus sei auch ersichtlich, dass keine wie immer gearteten weiteren Zahlungen veranlasst haben werden können und sohin eine Gleichbehandlung aller Gläubiger stattgefunden habe. Ein rechtlich relevantes Verschulden der bP liege somit nicht vor. Als Beweis wird der Akt XXXX sowie die Einvernahme einer Mitarbeiterin des verstorbenen Steuerberaters angegeben.
Mit Vorlagebericht vom 05.01.2016 übermittelte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt samt Beschwerde. Zusammengefasst wurde nach Darlegung des bisherigen Verfahrensganges ausgeführt, dass bei der belangten Behörde kein Vorgang über eine Ratenvereinbarung aktenkundig sei. Es sei lediglich im Zusammenhang mit einer Fahrnisexekution eine Teilzahlung im laufenden Insolvenzverfahren geleistet worden, die bei der geltend gemachten Haftungssumme bereits berücksichtigt worden sei. Hinsichtlich der Gläubigergleichbehandlung im haftungsrelevanten Zeitraum sei die bP ihrer Darlegungsverpflichtung trotz mehrfacher Aufforderung nicht nachgekommen. Mit E-Mail vom 06.11.2015 sei die bP nochmals zur Stellungnahme und Übermittlung der aus ihrer Sicht relevanten Teile des Insolvenzaktes aufgefordert worden. Bis dato seien keine Unterlagen eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
Die bP vertrat ab 16.10.2003 als alleinige Geschäftsführerin die im Firmenbuch des Landesgerichts Steyr unter der FN XXXX eingetragene GmbH selbständig.
Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg 06.03.2012, XXXX, wurde der Konkurs über die GmbH eröffnet und die Gesellschaft infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst. Mit Beschluss vom 09.09.2013, XXXX, wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben und die Firma am 20.11.2013 amtswegig gelöscht.
Laut Rückstandsausweis vom 08.09.2015 scheinen auf dem Beitragskonto der GmbH - nach Abzug der Quote aus dem Insolvenzverfahren und der vom Insolvenzentgeltfonds überwiesenen Dienstnehmeranteile - Forderungen in Höhe von EUR 10.899,52 zzgl gesetzlicher Verzugszinsen offen auf.
Die bP wurde durch die belangte Behörde mehrmals aufgeklärt, welche Unterlagen zur Beurteilung der Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit anderen Verbindlichkeiten im haftungsrelevanten Zeitraum erforderlich sind. Trotz mehrmaliger Aufforderung durch die belangte Behörde legte die bP keine Unterlagen für eine Prüfung der Gläubigergleichbehandlung vor.
II.2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie den Gerichtsakt. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Stellung der bP als handelsrechtliche Geschäftsführerin sowie zum Insolvenzverfahren und zur Löschung der GmbH ergeben sich aus dem Firmenbuch und sind unbestritten.
Die Höhe des Haftungsbetrages ergibt sich aus dem Rückstandsausweis und wurde im Beschwerdeverfahren seitens der bP der Höhe nach auch nicht bestritten.
Die Nichtvorlage von Unterlagen, die eine Prüfung der Gläubigergleichbehandlung ermöglichen würden, ist einerseits aus dem Akteninhalt zu entnehmen und wird andererseits in der Beschwerde eingestanden.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich entscheidet das Bundesverwaltungsgericht mangels anderer Regelung somit durch Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
II.3.1. Auszug aus den fallbezogen anzuwendenden Rechtsvorschriften
Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG haben die VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen (§ 80 BAO) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.
Gemäß § 83 ASVG gelten die Bestimmungen über Eintreibung und Sicherung, Haftung, Verjährung und Rückforderung von Beiträgen entsprechend für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze bei zwangsweiser Eintreibung.
II.3.2. zum gegenständlichen Verfahren
II.3.2.1. Heranziehung zur Haftung
Mit § 58 Abs. 5 ASVG wurde dem dort angeführten Personenkreis ("die VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen") die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen der von ihnen Vertretenen übertragen. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen ist daher nunmehr Anknüpfungspunkt der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG (vgl. VwGH 15.11.2017, Ro 2017/08/0001).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 21. Mai 1996, 93/08/0221, vom 29. Juni 1999, 99/08/0075, uva.) ist die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehende gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genügt) verletzt hat (VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0070).
Im konkreten Fall vertrat die bP seit 16.10.2003 selbständig die GmbH, war daher im gegenständlich betroffenen Zeitraum Geschäftsführerin der GmbH und somit die zur Vertretung berufene Person der Primärschuldnerin iSd § 67 Abs. 10 ASVG.
Wesentliche (und primäre) sachliche Voraussetzung der subsidiären Haftung eines Vertreters nach § 67 Abs. 10 ASVG ist die objektive (gänzliche oder zumindest teilweise) Uneinbringlichkeit der betreffenden Sozialversicherungsbeiträge beim Primärschuldner. Erst wenn sie feststeht, ist auf die Prüfung der für eine Haftung nach dieser Bestimmung maßgebenden weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen (VwGH 29.03.2000, 95/08/0140 mit Hinweis auf E 9.2.1982, 81/14/0072, 0074-0077, VwSlg 5652 F/1982, E 16.9.1991, 91/15/0028).
Im konkreten Fall steht fest, dass der Konkurs über die GmbH nach Schlussverteilung aufgehoben und die Firma amtswegig gelöscht wurde. Die objektive Uneinbringlichkeit der aushaftenden Beträge bei der Primärschuldnerin liegt daher vor. Die Heranziehung der bP als Vertreterin der GmbH zur Haftung für deren Beitragsschulden erfolgte daher dem Grunde nach zu Recht.
II.3.2.2. Ausmaß der Haftung
§ 67 Abs. 10 ASVG sieht den Eintritt einer Haftung vor, sofern die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Seit der Novellierung des § 58 Abs. 5 ASVG (SRÄG 2010, in Kraft getreten am 01.08.2010) kommt als haftungsbegründend die Verletzung all jener Pflichten in Betracht, deren Verletzung dafür kausal sein kann, dass Beiträge nicht entrichtet und später uneinbringlich werden.
Eine solche Pflichtverletzung kann darin liegen, dass der Geschäftsführer die fälligen Beiträge (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt, bzw. - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen der Gebietskrankenkasse Sorge trägt (VwGH 07.10.2015, Ra 2015/08/0040). Der Geschäftsführer wäre nur dann exkulpiert, wenn er entweder nachweist, im fraglichen Zeitraum, in dem die Beiträge fällig geworden sind, insgesamt über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern die Beitragsschuldigkeiten - ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger - nicht oder nur zum Teil beglichen zu haben, die Beitragsschuldigkeiten also nicht in Benachteiligung der Gebietskrankenkasse in einem geringeren Ausmaß beglichen zu haben als die Forderungen anderer Gläubiger (vgl. das zu § 25a BUAG ergangene Erkenntnis vom 29. Jänner 2014, 2012/08/0227, mwN; VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0070).
Eine kausale schuldhafte Pflichtverletzung ist schon dann anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe anzugeben vermag, dass ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war. Es ist also seine Sache, die Gründe darzulegen und entsprechende Beweisanbote zu erstatten, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls seine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Juni 1999, 99/08/0075). Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast auch nicht überspannt oder so aufgefasst werden, dass die Behörde - bzw. hier das Verwaltungsgericht - von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. April 1994, 93/08/0232; uva.; VwGH 12.01.2016, Ra 2014/08/0028).
Wie ein Vertreter, dem gemessen an der Gesamtsumme aller Forderungen nur unzureichende Mittel zur Verfügung stehen, seiner Gleichbehandlungspflicht gegenüber dem Sozialversicherungsträger konkret nachzukommen hat, ist nach der Zahlungstheorie zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2005, 2002/08/0213 (zur Parallelbestimmung des § 25a Abs. 7 BUAG)). Demnach ist der Vertreter nur dann exkulpiert, wenn er nachweist, im Beurteilungszeitraum entweder über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung die Versicherungsbeiträge ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger nicht oder nur zum Teil entrichtet zu haben, die Beiträge also nicht in Benachteiligung der Sozialversicherung in einem geringeren Ausmaß entrichtet zu haben als die Forderungen der anderen Gläubiger (vgl. auch Erkenntnisse vom 26. Mai 2004, 2001/08/0043, und vom 25. Mai 2011, 2008/08/0169).
Bei entsprechendem Nachweis haftet ein Vertreter (bei Nichtentrichtung von Beitragsschulden) nur für die Differenz zwischen jenem Betrag, der bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger zu entrichten gewesen wäre und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Tritt ein haftungspflichtiger Vertreter diesen Nachweis nicht an und erbringt kein entsprechendes Beweisanbot, so erstreckt sich die Haftung auf die gesamten uneinbringlichen Beitragsverbindlichkeiten der Primärschuldnerin im Haftungszeitraum (vgl. VwGH 07.10.2015, Ra 2015/08/0040 mwN; 30.09.1997, 95/08/0152; sowie zu § 80 BAO VwGH 16.12.2009, 2009/15/0127). Für nicht abgeführte, aber einbehaltene Dienstnehmeranteile bzw. für Beitragsausfälle, die auf schuldhafte Meldepflichtverletzungen zurückzuführen sind, haften Vertreter jedoch ohne Bedachtnahme auf die Frage der Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern und ohne Bedachtnahme auf die bei Fälligkeit oder bei tatsächlich erfolgter Lohnzahlung noch vorhandenen Mittel im Ausmaß der Uneinbringlichkeit dieser Beiträge grundsätzlich zur Gänze (VwGH 27.11.2014, 2012/08/0216 mwN).
Im konkreten Fall hat die bP - trotz entsprechender Aufklärung, Aufforderung und mehrmaliger Fristerstreckung durch die belangte Behörde - im gesamten Verfahren keine Nachweise zur Gläubigergleichbehandlung erbracht. Die bloße - durch keinerlei Dokumente belegte - Behauptung, die Hausbank habe sämtliche Überweisungsaufträge gestoppt, sodass auch andere Gläubiger nicht mehr, auch nicht teilweise befriedigt haben werden können, reicht nicht aus. Die Nichterbringung von Zahlungen an Gläubiger aufgrund dem gänzlichen Fehlen von Mitteln im Beurteilungszeitraum wird dadurch nicht nachgewiesen, zumal auch an Überweisungen über Fremdinstitute, Bargeldzahlungen oder auch an Annahmen an Zahlungs statt zu denken ist. Davon abgesehen, erklärte die bP in ihrem Schreiben vom 21.03.2014, dass ihr "Ratenzahlungen" an die belangte Behörde nicht mehr möglich gewesen seien, da die Hausbank Anfang 2012 den Kreditrahmen nicht mehr erhöht habe. Angesichts des gegenständlichen haftungsrelevanten Zeitraums erschließt es sich daher nicht, inwiefern mit dem Vorbringen ein Nachweis für Gläubigergleichbehandlung erbracht werden könnte.
Zur behaupteten Ratenvereinbarung ist auszuführen, dass auch diesbezüglich kein Nachweis erbracht wurde und selbst eine abgeschlossene Ratenvereinbarung - welche von der belangten Behörde zudem in Abrede gestellt wurde - keinen stillschweigenden Verzicht des Versicherungsträgers auf die Inanspruchnahme einer Haftung nach § 67 darstellt (vgl. Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Kommentar, RZ 120 zu § 67 Abs. 10).
Wenn die bP mangelndes Verschulden ins Treffen führt und darauf verweist, dass die Agenden im Zusammenhang mit der Abrechnung und Beitragsvorschreibung an einen Steuerberater und damit an eine fachkundige Person übertragen worden seien, dieser aber zwischenzeitig verstorben sei, weshalb es ihr nicht möglich gewesen sei, urkundliche Nachweise vorzulegen, so ist sie auf die dahingehende einheitliche Rechtsprechung zu verweisen, wonach von einer kausalen, schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters auszugehen ist, wenn dieser Nachweis - aus welchen Gründen auch immer - nicht gelingt (vgl. Molser/Müller/Pfeil, Der SV-Kommentar, RZ 142 zu § 67 Abs. 10). Überdies ist der belangten Behörde beizupflichten, wenn sie auf die Verpflichtung des Geschäftsführers verweist, jene Informationen zu sichern, die im Falle seiner Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger für die Erfüllung seiner Nachweispflicht notwendig sind.
Zur beantragten Einholung des Aktes XXXX: Bei der Beantwortung der Frage, ob ein GF seine Pflicht zur Beitragsentrichtung verletzt hat, ist das Verhalten des GF im Zeitpunkt der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge zu prüfen (§ 58 ASVG). Weder aus dem Anmeldungsverzeichnis noch aus den Forderungsanmeldungen ergibt sich eine solche Prüfungsmöglichkeit. Die Forderungsanmeldungen zeigen nicht, wie hoch die Verbindlichkeit beim Gläubiger war und in welchem Ausmaß diese aus den vorhandenen Mittel bedient wurden. Denkbar ist auch, dass ein Gläubiger im Konkursverfahren gar nicht aufscheint, weil er zur Gänze bedient wurde und es besteht auch keine Verpflichtung, die Forderung im Insolvenzerfahren anzumelden. Von der Einholung kann daher abgesehen werden und wäre es zudem an der bP gelegen, Akteneinsicht zu begehren und die ihrer Ansicht nach relevanten Teile vorzulegen. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen im Zusammenhang mit der Ratenvereinbarung und der Darlegungsverpflichtung erübrigt sich zudem die beantragte Einvernahme der Mitarbeiterin des verstorbenen Steuerberaters.
Die bP ist es sohin nicht gelungen, eine Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit den anderen Verbindlichkeiten nachweisen. Folglich ist von einer schuldhaften Pflichtverletzung mit der Konsequenz einer Haftung für die gesamten offenen Beitragsverbindlichkeiten auszugehen (VwGH 21.05.1996, 93/08/0221) und die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil zu den gegenständlich anzuwendenden Bestimmungen - wie im Erkenntnis angeführt - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die Rechtsfragen in der bisherigen Rechtsprechung einheitlich beantwortet wurden und die Entscheidung auf eine klare Rechtslage gestützt werden konnte.
Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. VwGH 03.11.2015, 2013/08/0153).
Das trifft für das gegenständliche Verfahren zu. Der maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage geklärt erachtet werden und ist nicht ergänzungsbedürftig. Es wurden für die gegenständliche Entscheidung weder noch zu klärende Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen, noch Rechtsfragen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätten. Dies lässt die Einschätzung zu, dass von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten ist. Da dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen, wurde von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen.
Schlagworte
Beitragsrückstand, Geschäftsführer, Gleichbehandlung, Haftung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L501.2119257.1.00Zuletzt aktualisiert am
06.06.2019