Index
82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des ApothekenG betreffend die Abgabe von Arzneimitteln durch Anstaltsapotheken infolge Zumutbarkeit des ZivilrechtswegesSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Der vorliegende, auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützte Individualantrag wurde vom Land Oberösterreich (Erstantragsteller) sowie vom Leiter der Anstaltsapotheke am Landeskrankenhaus Bad Ischl (Zweitantragsteller) eingebracht. Begehrt wird (mit näherer Begründung) die Aufhebung des (gesamten) §36 des Apothekengesetzes "in der geltenden Fassung".
2. §36 ApothekenG - ApG, RGBl. 5/1907, gilt in der Fassung BGBl. 502/1984 und hat folgenden Wortlaut:
"§36. (1) In Anstaltsapotheken dürfen Arzneimittel nur an die in Pflege der Anstalt befindlichen oder in der Anstalt wohnhaften Personen abgegeben werden.
(2) An andere Personen dürfen Arzneimittel nur dann abgegeben werden, wenn die Beschaffung des Arzneimittels dringend geboten ist und aus einer öffentlichen Apotheke nicht rechtzeitig erfolgen kann, worüber die Bestätigung eines Arztes beizubringen ist. In einem solchen Falle darf die Abgabe des Arzneimittels nicht verweigert werden.
(3) Anstaltsapotheken dürfen Arzneimittel an andere Krankenanstalten, deren Betrieb nicht die Erzielung eines Gewinnes bezweckt, für deren Arzneimittelvorrat (§20 des Krankenanstaltengesetzes) abgeben."
3. Das Land Oberösterreich ist Rechtsträger des Landeskrankenhauses Bad Ischl. In diesem wird eine Anstaltsapotheke betrieben (welche vom Zweitantragsteller geleitet wird).
Dem Antragsvorbringen zufolge werden in der Anstaltsapotheke (mit bescheidmäßiger Bewilligung der Bundesministerin für Gesundheit) Infusionsflaschen mit Infusionslösung hergestellt (abgefüllt). Dies erfolgt nicht nur für den Bedarf im Landeskrankenhaus Bad Ischl; vielmehr werden die Infusionsflaschen in größeren Mengen und auf Vorrat erzeugt, um auch andere Landeskrankenanstalten, die zum Teil ebenfalls über eine eigene Anstaltsapotheke verfügen, beliefern zu können.
4. Mit (über einen Revisionsrekurs ergangenen) Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 26. März 1996, 4 Ob 2008/96i (veröffentlicht in: Österr. Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht 1996, S 237 ff.), wurde dem Land Oberösterreich (zur Sicherung des Unterlassungsanspruches der klagenden Parteien) verboten, durch Anstaltsapotheken Arzneispezialitäten (insbesondere eine bestimmte Infusionslösung) an Anstaltsapotheken anderer öffentlicher Krankenanstalten auszuliefern; dem Leiter der Anstaltsapotheke des Landeskrankenhauses Bad Ischl wurde verboten, an der Auslieferung der Arzneispezialitäten mitzuwirken. In Hinblick auf §36 Abs3 ApG seien einschlägige Lieferungen gesetzwidrig;
Anstaltsapotheken dürften nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und auch nach der aus der Entstehungsgeschichte zu erschließenden Absicht des Gesetzgebers Arzneimittel an andere Krankenanstalten nur liefern, wenn diese über keine Anstaltsapotheke verfügen. Der Gesetzesverstoß der Beklagten sei sittenwidrig im Sinne des §1 UWG, wenn er subjektiv vorwerfbar und geeignet ist, dem gesetzwidrig Handelnden einen Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen; diese Merkmale sah der OGH als erfüllt an.
In seinem Beschluß legt der OGH mit näherer Begründung auch dar, daß er gegen die Verfassungsmäßigkeit des §36 Abs3 ApG keine Bedenken hegt.
5. Hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit ihres Individualantrages führen die Einschreiter aus:
"...
Die gegenständliche Beschwerde (gemeint: der gegenständliche Individualantrag) an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG ist zulässig, weil uns ein zumutbarer Umweg zur Bekämpfung der Verfassungskonformität (gemeint wohl: der (behaupteten) Verfassungswidrigkeit) des §36 ApG nicht zur Verfügung steht. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, daß es einem Normunterworfenen nicht zumutbar ist, eine verbotene Handlung zu setzen, um sich in einem gegen ihn eingeleiteten Verfahren mit der Behauptung zur Wehr zu setzen, die Verbotsnorm sei verfassungswidrig. Es ist uns daher nicht zumutbar, §36 ApG vorsätzlich zu übertreten oder gegen die einstweilige Verfügung des Landesgerichtes Wels (Anm.: diese wurde durch Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz und schließlich durch den oben zitierten Beschluß des OGH bestätigt) bewußt und geplant zu verstoßen, da dies einerseits ein Verwaltungsstrafverfahren, andererseits aber exekutive Geldstrafen gemäß §355 EO oder ... weitere Wettbewerbsprozesse gegen uns auslösen könnte (...).
Auch der Umstand, daß zu 2 Cg 256/95i des Landesgerichtes Wels ohnedies bereits ein Verfahren anhängig ist, ändert an der Zulässigkeit der Beschwerde (richtig: des Individualantrages) nichts. Wir haben bereits dargelegt, daß der Oberste Gerichtshof unsere verfassungsrechtlichen Bedenken nicht geteilt und eine Anfechtung des §36 Abs3 ApG beim Verfassungsgerichtshof abgelehnt hat. ...
Es wäre zudem eine unsachliche Benachteiligung einer von einem Wettbewerbsprozeß bereits betroffenen Partei, ihr die Anfechtung nach Art140 Abs1 B-VG zu verwehren, während jeder andere, von der Bestimmung des §36 ApG Betroffene die direkte Anfechtungsmöglichkeit an den Verfassungsgerichtshof hat. Im Abrigen hat der Verfassungsgerichtshof selbst in seinem Erkenntnis vom 17.12.1993, G48/93, V13/93,
(= VfSlg. 13659/1993), eine Individualanfechtung durch eine Person, die Beklagter in einem Zivilprozeß war, ausdrücklich zugelassen ..."
II. Der Individualantrag ist nicht zulässig:
1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11684/1988, 13871/1994).
2. Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes u.a. dann gegeben, wenn bereits ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren anhängig ist, das dem Betroffenen Gelegenheit gibt, die Stellung eines Antrages auf Gesetzesprüfung nach Art140 B-VG anzuregen (s. z.B. VfSlg. 13871/1994 und die dort zitierte Vorjudikatur). Gemäß Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG wären die betreffenden Gerichte (nämlich der Oberste Gerichtshof oder ein zur Entscheidung in zweiter Instanz zuständiges Gericht) zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet, sofern sie - gleich dem Antragsteller - gegen die Anwendung des Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken haben sollten (s. z.B. VfSlg. 11480/1987). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren anhängig w a r , in dem der Antragsteller die Möglichkeit hatte, eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (s. VfSlg. 8890/1980, 12810/1991).
3. Ein Individualantrag wäre in solchen Fällen nur bei Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände zulässig (s. z. B. VfSlg. 13871/1994 und die dort zitierte Vorjudikatur). Man gelangte andernfalls zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (vgl. z.B. VfSlg. 8890/1980, 11823/1988, 13659/1993). Die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgesetzgebers, die Initiative zur Prüfung genereller Normen (vom Standpunkt des Betroffenen aus gesehen) zu mediatisieren, wenn die Rechtsverfolgung vor Gerichten stattfindet, gefährdet auch nicht den Grundrechtsschutz (vgl. VfSlg. 11889/1988).
Besondere, außergewöhnliche Umstände liegen im konkreten Fall nicht vor:
a) Daß das gem. Art89 Abs2 B-VG zu einer etwaigen Anrufung des Verfassungsgerichtshofes berufene Gericht - hier: der Oberste Gerichtshof - die Bedenken der Verfahrenspartei hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes nicht teilt, begründet nicht die Zulässigkeit eines Individualantrages (s. z.B. VfSlg. 8552/1979, 9394/1982, 9926/1984, 11889/1988, 13659/1993).
b) Die vorliegende Sache unterscheidet sich auch von dem von den Antragstellern ins Treffen geführten Fall VfSlg. 13659/1993:
Die Zulässigkeit des damaligen Individualantrages wurde vom Verfassungsgerichtshof damit begründet, daß ein einschlägiges zivilgerichtliches Verfahren nur durch ein rechtswidriges Verhalten der Antragstellerin provoziert werden könnte und ihr eine solche Vorgangsweise nicht zumutbar sei. Der Verfassungsgerichtshof kam zum Ergebnis, daß daran auch der Umstand nichts zu ändern vermochte, daß gegen die Antragstellerin bereits eine (mit der verfahrensgegenständlichen Frage in Zusammenhang stehende) Klage beim Handelsgericht Wien anhängig gemacht worden war; es habe nämlich "die Antragstellerin als Beklagte im Zivilprozeß ... den Fortgang desselben nicht bis zum entscheidenden Stadium in der Hand" (s. VfSlg. 13659/1993, S 803 f.).
Insofern ist der nunmehr zur Entscheidung stehende Fall anders gelagert: Die Antragsteller weisen selbst darauf hin, daß sie im Revisionsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof die Frage der Auslegung und der Verfassungsmäßigkeit des §36 (Abs3) ApG releviert haben. Die Möglichkeit, bei diesem Gericht (bzw. allenfalls auch schon bei dem zur Entscheidung in zweiter Instanz zuständigen Oberlandesgericht Linz (vgl. Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG)) die Stellung eines Gesetzeprüfungsantrages anzuregen (s.o. Pkt. 2), stand den nunmehrigen Antragstellern also offen und wurde von ihnen (zumindest implizit) auch tatsächlich wahrgenommen. Daß der Oberste Gerichtshof keine Bedenken gegen §36 Abs3 ApG hatte (s.o. Pkt. I.4), ist nach dem zuvor (lita) Gesagten ohne Relevanz.
III. Der vorliegende
Individualantrag ist daher - schon aus den dargelegten Erwägungen - mangels Legitimation der Einschreiter zurückzuweisen.
Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, ApothekenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:G262.1996Dokumentnummer
JFT_10029775_96G00262_00