TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/7 G313 2151761-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.02.2019
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Entscheidungsdatum

07.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9

Spruch

G313 2151761-2/3E

G313 2151764-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS über die Beschwerden der 1. XXXX, geboren am XXXX, und des 2. XXXX, geboren am XXXX, StA. Albanien, vertreten durch den Sachwalter RA Mag. Alexander ORTNER, gegen Spruchpunkte II. - IV. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2017, Zlen. XXXX, XXXX, zu Recht:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (BF 1) und die Zweitbeschwerdeführerin (BF 2) gelangten am 03.12.2016 zusammen mit ihrer Mutter und zwei Geschwistern nach Österreich und stellten am 05.12.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit den im Spruch angeführten Bescheiden wurden ihre Anträge auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 AsylG (Spruchpunkt I.) als auch des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Albanien abgewiesen (Spruchpunkt II.), den BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt, gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG nach Albanien festgestellt (Spruchpunkt III.) Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

Diese Bescheide wurden den BF jeweils am 29.11.2017 zugestellt.

2. Gegen die Spruchpunkte II. - IV. dieser beiden Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, wobei die Zuerkennung der aberkannten aufschiebenden Wirkung beantragt wurde.

3. Am 18.01.2018 wurden die gegenständlichen Beschwerden samt dazugehörigen Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) vorgelegt.

4. Mit Beschluss des BVwG vom 24.01.2018 wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

5. Mit einer ACCORD-Anfrage des BVwG vom 17.10.2018 wurde um Bekanntgabe ersucht, ob, und wenn ja, wo, die über 25 Jahre alte BF 1 in Albanien zur geeigneten Behandlung in einer Anstalt für Behinderte untergebracht werden kann, und ob behinderte Personen im Alter von über 25 Jahren in Albanien kostenlos Medikamente und Pflegebedarf wie Windeln und Rollstuhl erhalten können.

6. Am 13.11.2018 langte die ACCORD - Anfragebeantwortung dazu ein.

7. Die im Bundesgebiet geführten Asylverfahren der Mutter und der beiden Geschwister der BF wurden bereits rechtskräftig negativ beendet (Zl. G314 2151758-1/8E, 2151759-1/6E, 2151767-1/7E).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF sind Staatsangehörige von Albanien. Ihre Muttersprache ist Albanisch. Die BF 1 ist die Schwester des BF 2. Beide sind ledig und kinderlos.

1.2. Nach gemeinsamer Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 03.12.2016 stellten die BF am 05.12.2016 zusammen mit ihrer Mutter und ihren beiden Geschwistern einen Antrag auf internationalen Schutz.

Nach rechtskräftiger negativer Beendigung der Asylverfahren der Mutter und der beiden Geschwister der BF ist ihr Bruder am 09.04.2018 nach Mazedonien zurückgekehrt. Ihre Mutter und Schwester sind im Bundesgebiet geblieben, wie die BF in der Grundversorgung untergebracht und wohnen mit den BF zusammen. In Österreich haben die BF eine Tante in Wien als familiären Anknüpfungspunkt.

1.3. In ihrem Herkunftsstaat lebten sie mit ihrer Mutter und Geschwister zuletzt in einem Haus mit einem Garten und einer kleinen Landwirtschaft zusammen. Sie bauten Obst und Gemüse für den Eigenbedarf und für den Verkauf am Markt an, und lebten auch von Sozialhilfe und staatlicher Unterstützung, die die BF 1 aufgrund ihrer Behinderung erhielt. Die BF 1 wurde von ihrer Mutter auch in ihrem Herkunftsstaat gepflegt und erhielt vom Staat die von ihr benötigten Medikamente und Inkontinenzversorgung sowie einen Rollstuhl kostenlos vom albanischen Staat. Der Vater der BF ist bereits verstorben. In ihrem Herkunftsstaat haben sie noch weitere Verwandte, etwa der Bruder und die Schwester seines Vaters samt Familie, die beide in Albanien eine Landwirtschaft betreiben.

1.4. Zur BF 1

1.4.1. Die BF 1 ist 26 Jahre alt, geistig und körperlich behindert und leidet an Epilepsie. Sie musste bereits oftmals wegen epileptischen Krampfanfällen im Krankenhaus stationär versorgt werden. Sie benötigt regelmäßig Medikamente gegen Epilepsie. Die Medikamente, die sie in Österreich erhält, enthalten dieselben Wirkstoffe wie die Medikamente, die sie bereits in ihrem Herkunftsstaat erhalten hat. Sie wird von ihrer Mutter gepflegt und muss auch gefüttert werden. In ihrem Herkunftsstaat hat die BF 1 vom Staat Unterstützung und kostenlos einen Rollstuhl und Windeln erhalten. Im Zuge ihrer Asylantragstellung wurde auf die schwere Behinderung der BF 1 verwiesen und angegeben, dass ihre Mutter mit der Pflege der BF 1 überfordert sei.

1.4.2. In einer "Medizinischen Befundinterpretation" eines Arztes für Allgemeinmedizin von November 2017 wurde angegeben, dass die BF 1 an einer frühkindlichen Entwicklungsverzögerung und einer cerebralen Anfallserkrankung leidet, vor diesem Hintergrund die BF 1 künftig die entsprechende medikamentöse Versorgung sowie gegebenenfalls fachärztlich-neurologische Kontrollen benötigt und deswegen dauerhaft bzw. lebenslang behandlungsbedürftig und ein Abbruch der medikamentösen Behandlung der BF 1 nicht möglich ist.

1.4.3. Im Auftrag eines Bezirksgerichts sollte nach einer am 20.10.2017 durchgeführten ambulanten Untersuchung der BF 1 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten zur Frage erstellt werden, ob bei der BF 1 eine psychische Erkrankung oder geistige Behinderung vorliegt, welche es ihr unmöglich macht, alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. In einem dem Bezirksgericht übermittelten neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 23.10.2017 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt:

"Die Untersuchung erfolgt im Flüchtlingsheim (...). Eine Gesprächsführung ist mit der Betroffenen nicht möglich.

Außenanamnestisch ist zu erheben, dass die Betroffene bereits im Alter von einem Jahr an einer schweren Erkrankung litt und in weiterer Folge nicht in der Lage war, die Schule zu besuchen, sie zeigte Einschränkungen im kognitiven Bereich. Sie konnte zum damaligen Zeitpunkt aber noch gehen und sprechen. Im Alter von 14 Jahren dürfte die Betroffene an einer neuerlichen Erkrankung gelitten haben, vermutlich an einer Gehirnhautentzündung. Seither besteht eine ausgeprägte mentale Retardierung, die Betroffene ist nicht in der Lage zu sprechen, die sprachliche Ausdrucksfähigkeit ist nicht erhalten, ebenso wenig das Sprachverständnis. Während er Untersuchung zeigt die Betroffene eine spastische Tetraspastik mit gesteigerten Muskeleigenreflexen und positiven Pyramidenbahnen, die Betroffene ist nicht in der Lage zu gehen. Sie benötigt Hilfe und Unterstützung bei sämtlichen pflegerischen Maßnahmen. Weiters ist die Untersuchte allseits desorientiert, sie kann die gestellten Fragen nicht beantworten. Wahrnehmung, Auffassung, Realitätsbezug und Kritikfähigkeit sind ebenso aufgehoben. (...)

Aufgrund der psychopathologischen Auffälligkeiten im Rahmen der schweren Intelligenzminderung, welche erworben wurde aufgrund von Infektionserkrankungen in der Kindheit, ist die Betroffene nicht in der Lage, sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern.

Dies betrifft beispielsweise die finanziellen Angelegenheiten, sie ist auch nicht in der Lage, mit Ämtern und Behörden in Kontakt zu treten.

Sie könnte auch Vertragsinhalte nicht erfassen und ist nicht in der Lage Entscheidungen bezüglich des Wohnsitzes oder notwendiger medizinischer Maßnahmen zu treffen, sodass aus medizinischer Sicht die Bestellung eines Sachwalters für alle Angelegenheiten indiziert ist.

Die Betroffene ist aufgrund der Schwere der Erkrankungen nicht in der Lage bei Gericht zu erscheinen, das Wohl wäre bei Anwesenheit in der Verhandlung gefährdet.

Die Betroffene ist auch nicht in der Lage dem Inhalt einer mündlichen Verhandlung zu folgen."

1.5. Zum BF 2

1.5.1. Der BF 2 ist 29 Jahre alt und leidet seit einer Gehirnhautentzündung in der Kindheit an einem hirnorganischen Psychosyndrom und einer organischen Persönlichkeitsstörung. Er hat nach einem kurzen Schulbesuch in der Landwirtschaft seiner Eltern mitgearbeitet.

Zum Zeitpunkt seiner niederschriftlichen Einvernahme am 10.03.2017 befand er sich nicht in ärztlicher Behandlung oder sonstiger Therapie und nahm auch keine Medikamente.

1.5.2. In einem psychiatrischen Gutachten vom 17.08.2017 wurde Folgendes festgehalten:

"Mit hoher Wahrscheinlichkeit leidet (der BF 2) an einem organischen Psychosyndrom bzw. an einer organischen Persönlichkeitsveränderung. Als Ursache kann eine von der Tante des Probanden berichtete Gehirnhautentzündung in Frage kommen. Grundsätzlich scheint (der BF 2) in der Lage zu sein, die Bedeutung und vor allem die Tragweite des laufenden Verfahrens zu erkennen. Er ist aber nicht in der Lage, den prozessualen Vorgängen adäquat zu folgen und sich den Anforderungen des Verfahrens entsprechend zu verhalten. Vor allem erscheint er aufgrund seiner Grundfähigkeiten und seines psychischen Status nicht ausreichende Fähigkeiten zu besitzen, zu abstrahieren, nachzufragen und Dimensionen einzuschätzen."

1.5.3. Im Auftrag eines Bezirksgerichts sollte nach einer am 07.11.2017 durchgeführten ambulanten Untersuchung des BF 2 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten zur Frage erstellt werden, ob beim BF 2 eine psychische Erkrankung oder geistige Behinderung vorliegt, welche es ihr unmöglich macht, alle oder einzelne seiner Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. In einem dem Bezirksgericht übermittelten neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 09.11.2017 wurde Folgendes ausgeführt:

"Aufgrund der vorliegenden Defizite ist beim Betroffenen auch die Alltagskompetenz nicht erhalten. Er ist nicht in der Lage, sich um seine finanziellen Angelegenheiten zu kümmern oder sein Einkommen zu sichern und könnte auch sein Vermögen nicht verwalten. Er ist auch nicht in der Lage, mit Ämtern und Behörden in Kontakt zu treten und kann auch Vertragsinhalte nicht erfassen. Bezüglich medizinischer Heilbehandlungen kann der Betroffene keine Entscheidungen treffen. Er ist nicht in der Lage, einem Aufklärungsgespräch zu folgen und in diesem Zusammenhang die notwendigen Fragen zu stellen.

Aus medizinischer Sicht besteht die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für die finanziellen Angelegenheiten und für die Vertretungsangelegenheiten gegenüber Ämtern, Behörden, Gerichten, privaten Vertragspartnern und Sozialversicherungsträgern. Die Sachwalterschaft sollte auch die medizinischen Angelegenheiten inkludieren. Der Betroffene ist nur eingeschränkt in der Lage dem Inhalt einer mündlichen Verhandlung zu folgen, das Wohl wäre bei Anwesenheit in der Verhandlung aber nicht gefährdet."

1.6. Nach Bestellung eines Sachwalters für die BF wurde am 22.11.2017 in dessen Beisein vor dem BFA eine Einvernahme des BF 2 im Asylverfahren durchgeführt.

1.7. Die BF sind strafrechtlich unbescholten. Das wegen Körperverletzung eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren des BF 2 wurde mittlerweile wiedereingestellt. Probleme mit Behörden in ihrem Herkunftsstaat hatten die BF keine.

2. Zur Lage in Albanien

2.1. Grundversorgung

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Der albanische Staat gewährt Bedürftigen Sozialhilfe und Invalidengeld durch Geldbeträge. Grundnahrungsmittel, in erster Linie Brot, werden subventioniert. Insbesondere im ländlichen Bereich kommt der Großfamilie nach wie vor die Rolle zu, Familienmitglieder in Notlagen aufzufangen. Albanien gehört zu den ärmsten Ländern Europas. Rückgrat der Ökonomie bleibt die Landwirtschaft, die zumeist in Subsistenz betrieben wird. (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10.06.2015 und aktuell vom 10.08.2018; AA Oktober 2015).

2.2. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken ist grundsätzlich kostenlos. In der Praxis kommt es jedoch auch zu Zuzahlungen von Patienten.

Die Versorgung mit Medikamenten stellt kein Problem dar. Die örtlichen Apotheken bieten ein relativ großes Sortiment von gängigen Medikamenten an, die zum großen Teil aus der EU importiert werden. Es besteht die Möglichkeit, weitere Medikamente aus dem Ausland zu beschaffen. (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien vom 10.06.2015 und aktuell vom 10.08.2018).

Die meisten der für die Behandlung von psychischen Erkrankungen notwendigen Medikamente sind auf dem Markt erhältlich und in den Privatapotheken zu finden. (MedCOI II - Belgian Desk on Accessibility, last update 27.6.2014: Country Fact Sheet Albania).

Gleicher Zugang zu Gesundheitsleistungen für alle Staatsbürger ist in Albanien gesetzlich vorgeschrieben und das staatliche Gesundheitssystem ist zuständig für Gesundheitsförderung, Prävention, Diagnose und Behandlungen aller Art. Die albanische Regierung finanziert etwa "Leistungen von Allgemeinmedizinern und Familienärzten"; "Leistungen von Spezialisten", "Versorgung zu Hause, in Polikliniken sowie Krankenhäusern", "teilweise Erstattung der Kosten von Medikamenten", wobei die genauen Prozentsätze nicht unter 50% liegen und ausgestellte Rezepte nicht mit den Medikamentenleistungen abgeglichen werden, welche in allen Apotheken mit Entlassung Vertragsanbindung an den Gesundheitsfonds vorliegen. (aus ACCORD-Anfragebeantwortung a-10769 vom 13.11.2018; IOM-Länderinformationsblatt Albanien 2018 für BAMF).

2.3. betreffend Behandlungsmöglichkeiten für die BF 1

2.3.1 Der BF benötigt zur Behandlung ihrer Epilepsieerkrankung die Medikamente "Levetiracetam" und "Rivotril". Das Medikament "Levetiracetam" ist in Albanien ebenso erhältlich wie der Wirkstoff ""Clonazepam" des Medikamnets "Rivotril".

2.3.2. Im albanischen Krankensystem wird normalerweise zunächst ein Hausarzt aufgesucht, welcher eine Überweisung zum Spezialisten in die Klinik ausstellt. Dort wird dann über den Schweregrad der Krankheit entschieden, welche dem Patienten bei einer Höchsteinstufung einen Invaliden-Status zuspricht, durch den ein Anteil von Behandlungs- sowie Medikamentenkosten übernommen wird. Die Aufnahme im Klinikum ist kostenfrei, jedoch müssen ohne diesen Status alle Behandlungen sowie Medikamente selbst bezahlt werden.

2.3.3. In einem Bericht der Menschenrechtskommissarin des Europarates vom Mai 2018 wird angeführt, dass es in Albanien derzeit 28 soziale Einrichtungen für Personen mit Behinderungen gebe, darunter zwölf Betreuungseinrichtungen, 14 Tageszentren und zwei nicht von öffentlicher Hand betriebene Gemeindezentren. Laut Angaben der Behörden würden derzeit 182 Personen mit Behinderungen in den Betreuungseinrichtungen leben, davon 38 Kinder. Was die Zulassung zu den Einrichtungen anbelangt, hat die Menschenrechtskommissarin festgestellt, dass Personen mit Behinderungen in Einrichtungen untergebracht würden, wenn eine unabhängige Lebensführung nicht möglich sei, wenn Familienmitglieder sich um die Personen nicht kümmern könnten oder wollten oder wenn Personen verlassen oder in nicht angemessenen Umständen leben würden. Ein Antrag auf Unterbringung einer behinderten Person in einer Betreuungseinrichtung könne von einem Elternteil, einem gerichtlich bestellten Betreuer, der medizinischen Kommission zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit, der Polizei sowie von Sozialfürsorgeverwaltern auf lokaler Ebene gestellt werden. Die Entscheidung über die Zulassung werde vom Management des staatlichen Sozialdienstes gefällt.

In einem im Oktober 2017 veröffentlichten Staatenbericht über die Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen wird ausgeführt, dass es in Tirana, Durres, Shkodar, Berat, Vlora und Korca Betreuungseinrichtungen (die auch als Entwicklungszentren bezeichnet werden) für Personen mit Behinderungen gebe. Ein Antrag auf Zulassung zu einer Betreuungseinrichtung könne nicht von der behinderten Person selbst gestellt werden, sondern müsse von einem Elternteil, einem gerichtlich bestellten Betreuer, der medizinischen Kommission zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit, der Polizei, den Sozialfürsorgeverwaltern auf lokaler Ebene sowie der Abteilung für Sozialhilfe und soziale Betreuung auf lokaler Ebene gestellt werden. Der Bericht führt weiters aus, dass es zwölf Betreuungseinrichtungen (sechs öffentliche und sechs nicht öffentliche), 14 Tageszentren und zwei Zentren, die nicht von der öffentlichen Hand betrieben werden, gebe. Leistungen in Betreuungseinrichtungen und Tageszentren seien

1.437 Personen zur Verfügung gestellt worden. Von diesen hätten 461 Personen öffentliche Leistungen in Anspruch nehmen können, 976 hätten nicht öffentliche Leistungen in Anspruch genommen. 387 Personen hätten in Betreuungseinrichtungen untergebracht werden können.

Das US-Außenministerium (USDOS) schreibt in seinem im April veröffentlichten Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2017, dass die Regierung zwei neue Entwicklungszentren in Pogradec und Bulqiza eröffnet habe. Der Ombudsmann habe regelmäßig Einrichtungen für psychisch kranke Personen besucht. Die Einweisung und von PatientInnen in diese Einrichtungen und deren Entlassung daraus sei wegen nicht angemessener psychiatrischer Einschätzungen problematisch gewesen. Personen mit psychischen Behinderungen und anderen Formen von Behinderungen seien in der Gesellschaft stigmatisiert worden.

2.3.4 Kostenlose Medikamente, Pflegebedarf und Hilfsmittel wie Windeln und Rollstuhl für Behinderte

2.3.4.1. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) schreibt in dem im September 2018 veröffentlichten Focus Albanien auszugsweise Folgendes allgemein zur Krankenversicherungskarte und zu Kosten sowie zu kostenbefreiten Gruppen:

Grundsätzlich haben alle Personen mit Wohnsitz in Albanien ein Anrecht auf medizinische (Gratis-) Dienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen und werden die gesamten Gesundheitskosten für Patienten mit Krankenversicherungskarte und einer Verschreibung durch den Arzt eines Gesundheitszentrums vollständig vom staatlichen Gesundheitssystem übernommen. In ländlichen Gebieten etwa wird die Karte auch für Personen ausgestellt, die die Grundsteuer (Steuer für Liegenschaften) bezahlt haben. Praktisch erfolgt die Ausgabe der Versicherungskarte, wenn eine Person in einer ambulanten medizinischen Einrichtung der jeweiligen Wohngemeinde registriert worden ist. Sowohl bei medizinischen Behandlungen als auch bei Medikamenten können Patientenbeteiligungen anfallen, auch für Personen, die krankenversichert sind.

Aber selbst die Nutzungskosten für nichtversicherte Patienten sind gemäß eienr Quelle vergleichsweise gering. So müssen in Gesundheitszentren ca. EUR 1,2, in Polikliniken ca. EUR 2,5 und für stationäre Aufnahmen in Distrikt- oder Regionalspitälern ca. EUR 3,3 bezahlt werden. Die Preise können gewissen Veränderungen unterliegen und scheinen auch nicht überall einheitlich zu sein.

Eine Nachfrage im Regionalspital in Elbasan ergab beispielsweise, dass drei Kategorien bestehen: Versicherte Personen werden gratis behandelt. Nicht versicherte Personen, die sich jedoch an das Referenzsystem gehalten haben, bezahlen mehrheitlich relativ geringe Beträge zwischen ALL 100-500 (umgerechnet ca. EUR 0,8-EUR 4) und für die aufwändigeren Laboruntersuchungen ALL 1000 (umgerechnet ca. EUR 8). Höhere Preise, mehrheitlich zwischen ca. EUR 5-15, werden Patienten verrechnet, die sich unter Umgehung des gesetzlich vorgesehenen Referenzsystems direkt im Spital einfinden.

Personen ohne Krankenversicherung bezahlen die vollen Preise für Behandlung und Medikamente. Die Angaben zur tatsächlichen Zahl krankenversicherter Personen in Albanien weichen voneinander ab. Eine Quelle führt für das Jahr 2015 an, dass 61 Prozent der Bevölkerung gesetzlich krankenversichert ist. Gemäß anderen Angaben sind bis heute schätzungswiese 70 Prozent krankenversichert und die restlichen 30 Prozent der Patienten weiterhin aus verschiedenen Gründen nicht krankenversichert. Notfälle werden unabhängig von der Versicherungssituation behandelt.

Die Gruppe der nicht erwerbstätigen Personen (wozu unter anderem "Arbeitslose/arbeitssuchende Personen", "Sozialhilfeempfänger", "Menschen mit Behinderungen" und "Personen mit psychischen Erkrankungen" gehören) können aufgrund einer Bestätigung ihres Status durch das örtliche Arbeitsamt, das Amt für soziale Wohlfahrt, einer medizinischen Kommission etc. ebenfalls in das staatliche Krankenversicherungssystem integriert werden und die medizinischen Behandlungen kostenlos erhalten.

Die Kostenübernahme für Medikamente ist vom Prinzip her gestaffelt und richtet sich sowohl nach der Versichertengruppe als auch nach der Medikamentenklasse. Die Rückerstattung regelt das "Law on Compulsory Helath Care Insurance". Die oben angeführten Patienten-Gruppen kommen in den Genuss einer vollständigen Kostenübernahme, unabhängig von der Medikamentenklasse. Dieser Personenkreis ist vergleichsweise groß und fällt als Zahler an das öffentliche Gesundheitssystem weg, respektive erfordert weiterhin eine Subventionierung der staatlichen Krankenversicherung in relevantem Umfang zu Lasten des Staatsbudgets.

2.3.4.2. Eine Anfragebeantwortung von IOM vom Mai 2018 zur Behandlung mehrerer Krankheiten in Albanien an die Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung (ZIRF) enthält folgende Informationen:

"Der Rat Suchende leidet unter schwerer Hämophilie A, Intracerebraler Blutung, Epilepsie mit komplex-fokalen Anfällen und sekundärer generalisierten tonisch klonischen Anfällen, posthämorragischem Hydrocephalus. Er ist körperlich und geistig behindert; er sitzti m Rollstuhl. Aufgrund seiner Behinderung wurde eine gesetzliche Betreuung eingerichtet. Er wird von seinen Eltern rund um die Uhr betreut. Er ist nicht in der Lage, seinen Alltag selbstständig zu bewältigen und benötigt Hilfe bei allen Tätigkeiten des Alltags: Körperhygiene, An- und Auskleiden, Nahrungsaufnahme; Sport etc...Aufgrund seiner geistigen Behinderung ist auch nicht in er Lage zu kommunizieren. Er ist auf Medikamente und regelmäßiger Anfallskontrolle angewiesen (...)

5. Sind die Behandlung und die Medikamente von einem staatlichen Krankenversicherungssystem abgedeckt? Wie viel muss der Patient zahlen, welche Leistungen sind kostenlos? Wie sind der Zugang, die kosten, Leistungen etc? (...)

5. Versicherung: Als erstes sollte die Person einen Hausarzt aufsuchen. Dieser wird die Person an einen Spezialisten verweisen. Je nach Einschätzung wird sie dann an ein ärztliches Panel verwiesen werden. Dieses bestimmt, ob sie einen "Status der Invalidität" zugesprochen bekommt. In diesem Falle, würde ein hoher Prozentsatz der Kosten der Medikamente übernommen werden. Fällt si ein eine andere Kategorie, werden nicht mehr als 50% der Kosten der Medikamente (diese müssen auf einer staatlichen Medikamentenliste erscheinen) gezahlt werden. Um eine Krankenversicherungskarte zu erhalten, muss sich die Person in einer ambulanten medizinischen Einrichtung in der jeweiligen Gemeinde registrieren lassen. Ansonsten müsste sie für jeden ärztlichen Besuch an staatlichen Einrichtungen selbst die Kosten übernehmen. Generell ist der Zugang zu staatlichen Krankenhäusern kostenfrei. Sollte jedoch der genannte Status nicht erteilt werden, sind die Kosten selbst zu bezahlen."

(IOM, 4. Mai 2018, S-1-2).

2.3.4.3. Eine Anfragebeantwortung von IOM von August 2016 zur medizinischen Versorgung in Shkoder an ZIRF enthält folgende Informationen:

"Hintergrundinformation: Die Patientin ist aufgrund eines frühkindlichen Hirnschadens, spastischer Tetraparese sowie Gelenks- und Wirbelsäulendeformationen schwerstbehindert. Di e Ernährung muss künstlich über eine PEG-Sonde erfolgen. Intensive Pflege und Überwachung sind rund um die Uhr notwendig.

Anfrage: (...)

2. Ist die benötigte Sondernahrung (...) sowie Pflegeartikel (Windeln, Kompresse, usw.) auch in Albanien ausreichend erhältlich? Wo (...) sind diese erhältlich? Wie hoch sind die Kosten? (...)

4. Gibt es für die Familie finanzielle Unterstützung aufgrund der Pflegebedürftigkeit der Tochter? Sind vor Ort Organisationen tätig, die der Familie bei der Beantragung dieser Hilfen beratend zur Seite stehen kann? Bitte geben Sie wenn möglich Kontaktdaten (...) an

(...)

2. (...) Windeln und Kompressen sind für EUR 4 in einer 25-er Packung erhältlich (...9

Es gibt Organisationen, die in ähnlichen Fällen finanzielle Unterstützung bereitstellen können. Um diese finanzielle Unterstützung zu bekommen, muss die Familie zur lokalen Gesundheitsbehörde gehen, die den Fall an eine Expertengruppe weiterleiten wird. Diese bestimmt dann den Grad er Invalidität, der maßgeblich für die Höhe der monatlichen Unterstützung für die Familie ist." (IOM, 8. August 2016, S-1-2).

Im bereits erwähnten im Oktober 2017 veröffentlichten Staatenbericht über die Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen wird erwähnt, dass Para- und Tetraplegiker (querschnittsgelähmte Personen) kostenlose Rollstühle erhalten würden (Inter-ministerial Working Group of Albania, 3. Oktober 2017, S. 16-17).

(Quelle - Punkt 2.3.: ACCORD-Anfragebeantwortung vom 13.11.2018, a-10769)"

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und der vorliegenden Gerichtsakten des BVwG.

2.2. Bei der gegenständlichen Entscheidung wurde auch die rechtskräftige negative Asylentscheidung des BVwG vom 02.10.2017 betreffend die Mutter und beiden Geschwister der BF berücksichtigt, Zl. G314 2151758-1/8E, 2151759-1/6E, 2151767-1/7E).

2.3. Zu den persönlichen Verhältnissen der BF

2.3.1. Die Identität der BF ergab sich aus vorgelegten Identitätsdokumenten.

2.3.2. Die Feststellungen zu den Familienangehörigen der BF beruht auf dem diesbezüglichen Akteninhalt.

Die Feststellungen zu ihren familiären und privaten Verhältnissen in ihrem Herkunftsstaat wurden aufgrund der diesbezüglichen Angaben vor der belangten Behörde am 10.03.2017 getroffen, ebenso, wie die Feststellung, dass die BF in ihrem Herkunftsstaat ihren Lebensunterhalt aus landwirtschaftlichem Erwerb und mithilfe von Sozialhilfe und staatlicher Unterstützung für die BF 1 bestreiten konnten.

2.3.3. Dass sich die BF zusammen mit ihren im Bundesgebiet verbliebenen Familienangehörigen - Mutter und Schwester - in Grundversorgung befinden, ergibt sich aus diesbezüglichen GVS-Auszügen.

2.3.4. Dass der Bruder der BF nach rechtskräftiger negativer Asylentscheidung am 09.04.2018 nach Albanien zurückgekehrt ist, ergibt sich aus einem seine Person betreffenden Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister.

2.3.5. Die Feststellungen zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen der BF beruhen auf dem Akteninhalt.

Die festgestellte körperliche und geistige Behinderung der BF 1 und ihre aufgrund epileptischer Anfälle notwendige medikamentöse Behandlung geht unter anderem aus dem ihrer Beschwerde beigelegten neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Oktober 2017 und einer medizinischen Befundinterpretation von November 2017 (AS 79) hervor, die festgestellte psychische Beeinträchtigung ihres Bruders - des BF

2 - aus dem seiner Beschwerde beigelegten

neurologisch-psychiatrischen Gutachten von November 2017. Dass die von der BF 1 in Österreich verwendeten Medikamente gegen Epilepsie dieselben Wirkstoffe wie die bereits in ihrem Herkunftsstaat eingenommenen Medikamente besitzen, wurde von der Mutter der BF 1 in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 10.03.2017 angegeben. Aus einem Arztbrief vom 02.11.2017 geht eine ärztlich "empfohlene Medikation" mit "Levetiracetam" hervor (AS 467), ebenso aus einem Arztbrief vom 13.12.2017, in welchem auch das Medikament "Rivotril" mit dem Wirkstoff ""Clonazepam" angeführt ist (AS 475).

Dass bei einer Rückkehr der BF in ihrem Herkunftsstaat sowohl das Medikament "Levetiracetam" als auch der dem Medikament "Rivotril" zugrundeliegende Wirkstoff "Clonazepam" verfügbar ist, wurde in einer ACCORD-Anfragebeantwortung vom 13.11.2018 zugesichert, ebenso wie vom Staat übernommene Medikamentenkosten und medizinische Behandlungen, gehört die BF 1 doch zur "kostenbefreiten Gruppe" der "Menschen mit Behinderungen", ebenso wie ihr Bruder - der BF 2, der wegen Zugehörigkeit zur kostenbefreiten Gruppe der "Personen mit psychischen Erkrankungen" Anspruch auf Kostenübernahme für Medikamente und kostenfreien medizinischen Behandlungen hat.

In der ACCORD-Anfragebeantwortung vom 13.11.2018, a-10769, wird unter Wiedergabe einer Anfragebeantwortung von IOM von August 2017 angeführt, dass "Windeln und Kompressen" in Albanien für EUR 4 in einer 25-er Packung erhältlich sind, und darauf verwiesen, dass es Organisationen gebe, die finanzielle Unterstützung je nach Grad der Invalidität gewähren können. Des Weiteren wird auf einen Bericht von International-ministerial Working Group of Albania über die Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 03.10.2017 hingewiesen, wonach querschnittsgelähmte Personen kostenlose Rollstühle erhalten können. Laut Menschenrechtskommissarin des Europarats von Mai 2018 können Personen mit Behinderungen in Einrichtungen untergebracht werden, wenn eine unabhängige Lebensführung nicht möglich sei, wenn Familienmitglieder sich um die Personen nicht kümmern können oder wollen oder wenn Personen verlassen oder in nicht angemessenen Umständen leben würden. Auch die Betreuung der BF 1 in einer Betreuungseinrichtung (sog. Entwicklungszentrum) in Albanien ist laut Länderfeststellungen möglich. Vor dem Hintergrund, dass im Zuge der Asylantragstellung am 05.12.2016 angegeben wurde, dass die Mutter der BF 1 mit ihrer Pflege überfordert sei, gibt es nach Rückkehr für die BF 1 jedenfalls die Möglichkeit, in einer Anstalt für Behinderte untergerbacht zu werden. Die Menschenrechtskommissarin des Europarates hielt in einem Bericht von Mai 2018 fest, dass Personen mit Behinderungen in Einrichtungen untergebracht werden können, wenn eine unabhängige Lebensführung nicht möglich sei, Familienmitglieder sich um die Personen nicht kümmern können oder wollen oder wenn Personen verlassen oder in nicht angemessenen Umständen leben. Dass die Mutter der BF 1 ihre behinderte stark pflegebedürftige Tochter nicht pflegen will, kann aufgrund der aus der Aktenlage ersichtlichen Pflegebereitschaft ihrer Mutter ausgeschlossen werden, ebenso, dass sie in ihrem Herkunftsstaat in nicht angemessenen Umständen leben würde, wurde doch im bereits rechtskräftig negativ abgeschlossenen Asylverfahren ihre Mutter und beiden Geschwister betreffend bekannt gegeben, dass sie vor ihrer Ausreise mit den BF gemeinsam in einem Haus leben konnten. Da vor ihrer Ausreise in ihrem Dorf noch Verwandte der Mutter der BF lebten, kann bei einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat auch mit Unterstützung durch diese gerechnet werden. Abgesehen davon steht fest, dass die BF vor ihrer Ausreise mit ihrer Mutter und ihren beiden Geschwistern, von denen nach negativer Beendigung ihres Asylverfahrens ihr Bruder am 09.04.2018 wieder nach Albanien zurückgekehrt ist und ihre Schwester zusammen mit ihrer Mutter bei den BF in Österreich geblieben ist, zusammen in einem Haus leben und ihren Lebensunterhalt mithilfe von Erträgen aus der familieneigenen kleinen Landwirtschaft und von Sozialhilfe und staatlicher Unterstützung, die die BF 1 aufgrund ihrer Behinderung erhielt, bestreiten konnten. Die BF 1 wurde, wie aus den negativ beendeten Asylverfahren ihrer Familienangehörigen ersichtlich, auch in ihrem Herkunftsstaat von ihrer Mutter gepflegt und hat die von ihr benötigten Medikamente, Inkontinenzversorgung sowie einen Rollstuhl kostenlos vom Staat erhalten.

Auch für den Fall, dass die Mutter der BF 1 tatsächlich - aus gesundheitlichen Gründen - nicht weiterhin pflegefähig sein sollte und der persönliche Pflegebedarf der BF 1 auch mithilfe ihrer weiteren Verwandten nicht abgedeckt werden könnte, besteht, wie erwähnt, bei einer Rückkehr für die BF 1 eine Unterbringungsmöglichkeit in einer Anstalt für Behinderte. Kostenübernahme für Medikamente und kostenlose medizinische Behandlungen bestehen bereits aufgrund der Zugehörigkeit der BF 1 zur "kostenbefreiten Gruppe" der "Menschen mit Behinderung".

Unter die Befreiung von Kosten für Medikamente und medizinische Behandlungen fällt auch ihr Bruder - der BF 2, der an einem hirnorganischen Psychosyndrom und einer organisch bedingten Persönlichkeitsstörung leidet.

Es gibt in Albanien grundsätzlich auch die Möglichkeit der Behandlung von psychischen Erkrankungen. Der BF 2, der an einer aus einer Gehirnhautentzündung in der Kindheit resultierten psychischen Erkrankung und Persönlichkeitsstörung leidet,

2.3.6. Die strafrechtliche Unbescholtenheit der BF ergab sich aus einem eingeholten Strafregisterauszug. Am 13.09.2018 langte beim BVwG die Mitteilung der zuständigen Staatsanwaltschaft vom 11.09.2018 ein, dass das gegen den BF 2 wegen Körperverletzung eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wiedereingestellt worden sei.

3. Zur Lage in Albanien

Die Länderfeststellungen beruhen auf den angeführten Länderberichten staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen aus dem angefochtenen Bescheid, die aktuelle Gültigkeit haben und denen - auch denjenigen über die Sicherheits- und Menschenrechtslage dort - in den Beschwerden nicht substantiiert entgegengetreten wurde, und der eingeholten ACCORD-Anfragebeantwortung vom 13.11.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 in der geltenden Fassung, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn sein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Subsidiären Schutz würden die BF demnach dann erhalten, wenn bei der Rückführung in ihren Herkunftsstaat Art 2 EMRK (Recht auf Leben), Art 3 EMRK (Verbot der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung) oder die Protokolle

Nr 6 und Nr 13 zur EMRK (Abschaffung der Todesstrafe) verletzt würden. Bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz ist eine Prognose anzustellen, die eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren erfordert und sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0133). Es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die BF in ihrem Herkunftsstaat solchen Gefahren ausgesetzt sein würden; die bloße Möglichkeit genügt nicht. Außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Umstände im Herkunftsstaat führen nur bei außergewöhnlichen Umständen dazu, dass die Außerlandesschaffung eines Fremden Art 3 EMRK verletzt (EGMR 02.05.1997, D. gg Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid gg Vereinigtes Königreich, Zl. 44599/98).

3.2.2. Die BF konnten bereits vor ihrer Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat im Dezember 2015 mit ihrer Mutter und ihren beiden Geschwistern zusammen in einem Haus leben und mithilfe des Erwerbs aus ihrer familieneigenen kleinen Landwirtschaft und mithilfe von Sozialhilfe einer der BF 1 aufgrund ihrer Behinderung vom Staat gewährten staatlichen Unterstützung ihren Lebensunterhalt bestreiten. Dies wird ihnen auch bei einer Rückkehr möglich sein, steht doch laut aktuell gültigen Länderfeststellungen fest, dass die Grundversorgung der Bevölkerung in Albanien grundsätzlich gewährleistet ist und die Bestreitung des Lebensunterhalts mithilfe eines landwirtschaftlichen Erwerbs, mithilfe von Sozialhilfe und vor allem im ländlichen Bereich mithilfe familiärer Unterstützung möglich ist.

Die BF 1 ist körperlich und geistig behindert und leidet an Epilepsie und wird regelmäßig medikamentös behandelt. Bereits in ihrem Herkunftsstaat wurde die BF 1 mit denselben Wirkstoffen der in Österreich eingenommenen Medikamente behandelt. Die von der BF 1 benötigte - lebenslange - medikamentöse Behandlung ist auch bei einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat weiterhin möglich, wurde doch in der ACCORD-Anfragebeantwortung von 13.11.2018 eine Behandlung der an Epilepsie erkrankten BF 1 mit dem Medikament "Levetiracetam" und dem im Medikament "Rivotril" enthaltenen Wirkstoff "Clonazepam" zugesichert.

Die körperlich und geistig behinderte BF 1 kann aufgrund der Tatsache, dass sie in die "kostenbefreite Gruppe" der "Menschen mit Behinderung" fällt, bei einer Rückkehr jedenfalls kostenlos Medikamente und medizinische Behandlungen, und, wie bereits vor ihrer Ausreise, auch einen Rollstuhl und Windeln kostenlos erhalten. Sollte die Mutter der BF, die vor ihrer gemeinsamen Ausreise im Dezember 2015 mit den BF und weiteren zwei Kindern in einem Haus zusammen gelebt hat, wie sie im Zuge der Asylantragstellung der BF 1 vorbringt, gesundheitlich- und altersbedingt tatsächlich nicht mehr zu häuslicher Pflege ihrer Tochter fähig sein, gibt es laut ACCORD-Anfragebeantwortung vom 13.11.2018 für die BF 1 auch die Möglichkeit, in einer der zwölf in Albanien existierenden Anstalten für Behinderte untergebracht und in der Betreuungseinrichtung betreut zu werden.

Der Bruder der BF 1 - der BF 2 - leidet an einem hirnorganischen Psychosyndrom und einer organischen Persönlichkeitsveränderung nach einer Gehirnhautentzündung in der Kindheit. Wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung benötigt der BF 2 Hilfe und Unterstützung im Alltag.

Diese wurde ihm bereits vor seiner Ausreise von seinen Familienangehörigen in seinem Herkunftsstaat zuteil.

Da laut Länderfeststellungen in Albanien die medizinische Versorgung und sowohl die grundsätzliche Verfügbarkeit von Medikamenten bzw. deren Beschaffbarkeit aus dem Ausland als auch die Behandelbarkeit grundsätzlich aller - auch psychischer Erkrankungen -möglich ist, und der behinderten BF 1 und dem psychisch erkrankten BF 2 neben kostenloser medizinischer Versorgung - unter familiärer Unterstützung - auch ihre Grundversorgung gesichert ist, kann bei einer Rückkehr der BF in ihren Herkunftsstaat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer existenz- bzw. lebensbedrohlichen Lage iSv Art. 3 EMRK ausgegangen werden.

Auch aus den zur Menschenrechts- und Sicherheitslage in Albanien getroffenen Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid und der Tatsache, dass es sich bei Albanien um einen sicheren Herkunftsstaat iSv § 19 Abs 5 Z 2 BFA-VG iVm § 1 Z 7 HStV handelt, ist keine Gefahr iSv Art. 3 EMRK zu erkennen.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist daher als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt III.) des angefochtenen Bescheides:

3.3.1. Der mit "Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme" betitelte § 10 AsylG 2005 lautet:

"§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm. 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm. 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

Gemäß § 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln, wird wie folgt normiert:

"§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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