Entscheidungsdatum
15.02.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W202 2214461-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA Nepal, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2019, Zahl 1124770110-161060915, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird hinsichtlich des Ausspruchs der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde in Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin, eine nepalesische Staatsangehörige, stellte am 31.07.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 01.08.2016 erfolgte die Erstbefragung, wobei die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen angab, dass Sie durch das Erdbeben 2015 in Nepal ihre gesamte Familie verloren habe. Sie habe dort nichts mehr, sie könne in Nepal alleine nicht überleben.
Nach Durchführung eines Verfahrens nach § 5 AsylG, das mit einer behebenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes endete, führte das BFA am 10.08.2018 die Einvernahme zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin durch. Dabei gab die Beschwerdeführerin unter anderem Folgendes zu Protokoll:
"F: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Nepal? Was würde passieren, wenn Sie morgen zurück nach Nepal geschickt werden würden?
A: Wenn ich morgen zurückkehren würde, dann würde die Familie meines Freundes das nicht akzeptieren. Wir kommen aus verschiedenen Kasten."
...
"F: Wurden Sie jemals wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt?
A: Eigentlich schon. Wir kommen aus einer niedrigen Kaste."
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nepal abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG i. V. m. § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nepal gem. § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.).
Mit Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.
Weiters stellte das BFA fest, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.
Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Bescheid des BFA fristgerecht Beschwerde erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A)
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs 5 VwGVG sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.
Gemäß § 18 Abs 1 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn 1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt; 2. sich der Asylwerber vor der Antragstellung schon mindestens drei Monate in Österreich aufgehalten hat, es sei denn, dass er den Antrag auf internationalen Schutz auf Grund besonderer, nicht von ihm zu vertretender Umstände nicht binnen drei Monaten nach der Einreise stellen konnte. Dem gleichzuhalten sind erhebliche, verfolgungsrelevante Änderungen der Umstände im Herkunftsstaat; 3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat; 4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat; 5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht, oder 6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt zu § 6 Z 1 und 2 AsylG 1997, einer mit § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG vergleichbaren Vorgängerbestimmung, dargelegt, dass bei der Prüfung, ob ein Anwendungsfall vorliegt, von den Behauptungen des Asylwerbers auszugehen ist und es in diesem Zusammenhang nicht auf die Frage der Glaubwürdigkeit der Angaben ankommt (VwGH 22.10.2003, 2002/20/0151). Bei der Prüfung, ob ein unter § 6 Z 1 AsylG 1997 zu subsumierender Fall vorliegt, ist von den Angaben des Asylwerbers auszugehen und auf deren Grundlage zu beurteilen, ob sich diesem Vorbringen mit der erforderlichen Eindeutigkeit keine Behauptungen im Sinne einer im Herkunftsstaat drohenden Verfolgung entnehmen lassen (vgl. das E vom 31. Jänner 2002, Zl. 99/20/0531). Unter "Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (VwGH 24.04.2003, 2000/20/0326).
Zum gegenständlichen Verfahren
Das BFA hat die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall auf § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG gestützt, was demnach voraussetzt, dass "der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat".
Das BFA begründete seine diesbezügliche Entscheidung nach Zitierung des § 18 Abs. 1 BFA-VG wie folgt:
"Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt das als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundener Rückkehrentscheidung.
Wie den obigen Ausführungen zu entnehmen ist, sind in Ihrem Fall die Voraussetzungen der Ziffer 4 erfüllt.
Wie bereits in der Beweiswürdigung erläutert bezogen Sie sich in Ihrem Fluchtvorbringen auf das Erdbeben in Nepal und dem damit verbundenen Verlust Ihrer Familie. Eine Verfolgung jeglicher Art brachten Sie nicht vor. Ebenso besteht laut eigener Aussage keine asylrelevante Gefahr in Ihrem Herkunftsland Nepal.
Für die Behörde steht fest, dass für Sie bei Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben ist. Sie bedürfen daher nicht des Schutzes Österreichs. Es ist in Ihrem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten ist. Da Ihrem Antrag auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden ist und Ihnen auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat droht, ist es Ihnen zumutbar, den Ausgang Ihres Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens tritt hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück."
Wie sich aus den ob zitierten Stellen der Einvernahme der Beschwerdeführerin ergibt, begründete diese ihren Antrag auf internationalen Schutz unter anderem damit, dass sie wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt worden wäre, sie kämen aus einer niedrigen Kaste, bzw. mit dem Umstand, dass die Familie ihres Freundes die Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Nepal nicht akzeptieren würde, da sie aus verschiedenen Kasten kämen.
Dass die Beschwerdeführerin aber damit keine Verfolgungsgründe im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG vorgebracht habe, kann unter Berücksichtigung der obzitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht erkannt werden, zumal es dabei nicht auf eine fehlende Glaubhaftigkeit bzw. die Eintrittsgefahr der behaupteten Verfolgung ankommt, sondern auf den Umstand, ob die Verfolgungsgründe überhaupt vorgetragen wurden.
Die im Sinne der Judikatur erforderliche Eindeutigkeit, dass keine Behauptungen im Sinne einer im Herkunftsstaat drohenden Verfolgung vorliegen, ist daher nicht gegeben, zumal die Behörde auch die zitierten Aussagen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Einvernahme in keinster Weise hinterfragte und diese Aussagen in der Begründung ihrer Entscheidung völlig ausblendete.
Anhaltspunkte, wonach ein sonstiger Tatbestand des § 18 BFA-VG im konkreten Fall vorliege, bestehen überdies nicht.
Der Ausspruch der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in Spruchpunkt VI. im angefochtenen Bescheid war daher ersatzlos zu beheben.
Der Beschwerde kommt somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG aufschiebende Wirkung zu.
Im gegenständlichen Verfahren war ein Vorgehen gemäß § 59 Abs 1 letzter Satz AVG zulässig, da die Entscheidung über den Ausspruch spruchreif war und die Trennung - auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für den Betroffenen - auch zweckmäßig erscheint.
(vgl. zu alldem BVwG 21.02.2017, L516 2147561-1/4E)
Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG sind im gegenständlichen Fall erfüllt.
Über die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides ergeht eine gesonderte Entscheidung.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den obigen Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung derEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W202.2214461.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.06.2019