Entscheidungsdatum
19.02.2019Norm
BBG §40Spruch
L517 2198158-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Dr. STEININGER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom 15.01.2018, OB:
XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 1 Abs. 2, § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 42 Abs 1 und 2, § 43 Abs 1, § 45 Abs. 1 bis 3, § 54 Abs 12, § 55 Abs 4, § 55 Abs. 5 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF stattgegeben und festgestellt, dass der Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H. beträgt. Der Behindertenpass ist bis 11.02.2020 befristet.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
06.10.2017 - Antrag der beschwerdeführenden Partei (bP) beim Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX (belangte Behörde bzw. bB) auf Ausstellung eines Behindertenpasses
03.01.2018 - Erstellung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens, Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.
15.01.2018 - Bescheid der bB, Abweisung des Antrages der bP, GdB 40 v. H.
19.02.2018 - Beschwerde der bP
21.05.2018 - Erstellung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens, GdB 50 v.H.
13.06.2018 - Beschwerdevorlage am Bundesverwaltungsgericht
23.08.2018 - Verständigung der bP vom Ergebnis der Beweisaufnahme / keine Stellungnahme
11.01.2019 - Ersuchen an die Allgemeinmedizinerin um Gutachtensergänzung
18.01.2019 - Gutachtensergänzung
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.0. Feststellungen (Sachverhalt):
Die bP ist Staatsangehörige Kroatiens und an der im Akt ersichtlichen XXXX Adresse wohnhaft.
Am 06.10.2017 stellte die bP einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.
Das daraufhin im Auftrag der bB am 03.01.2018 nach der Einschätzungsverordnung erstellte Gutachten einer Allgemeinmedizinerin weist nachfolgenden Inhalt auf:
"Anamnese:
• NSTEMI am 20.6.2017 bei koronarer Eingefäßerkrankung der RCA 121.9
• PCI und Stentimplantaton (drug eluting Stent) in der mittleren RCA am 20.6.2017 KH XXXX
• Hyperlipidämie
• Nikotinabusus
degenerative LWS-Veränderungen mit Bandscheibenprotrusionen L4/5 und L5/S1 anamnestisch Z.n. Knie-OP li wegen Kreuzband und Meniscus vor 18 Jahren
Derzeitige Beschwerden:
Bezüglich Herz bei schnellem Gehen leichte Brustschmerzen, kein Nitrospray. Beinschmerzen bds und Kreuzschmerzen bei schnellerem Gehen. Z.n. Knie-OP li wegen Kreuzband und Meniscus vor 18 Jahren, nach wie vor Schmerzen.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Brilique, Atozet, Thrombostad, Pantoloc, Seractil.
Sozialanamnese:
Arbeiter (Gipser).
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
mitgebracht:
7.11.17 KH XXXX Radiol. CT LWS: kombiniert bedingte NF-Stenose L5/S1 bds; beginnende NF-Stenose L4/5 re, Discopathie lumbal mit Bandscheibenprotrusionen L4/5 breitbasig, L5/S1 geringgradig
Alle elektron. vorliegenden Befunde inkl. allfällig vorhandener Vorgutachten wurden eingesehen und berücksichtigt - maßgebliche Auszüge daraus werden nachstehend aufgelistet:
07/1999 Auva Minderung der Erwerbsfähigkeit 20% mit Auszahlung einer vorläufigen Rente.
02.10.2017 Dr. XXXX Radiol. LWS-Rö.: 1. Spondylose der LWS, Facettenarthrose der kaudalen LWS, verschmälerter Bandscheibenraum L5/S1 (DD: Diskopathie). 2. Geringgradige Arteriosklerose, kein Gefäßverschluss, keine höhergradige Stenose.
22.08.2017 - 19.09.2017 XXXX Entlassungsbericht: Echocardiographie:
Normale Größenverhältnisse aller Herzhöhlen, gute globale Pumpfunktion, keine regionalen Wandbewegungsstörungen. Geringe Aortenklappensklerose, im Doppler geringe Mitralinsuffizienz.
NSTEMI am 20.6.2017 bei koronarer Eingefäßerkrankung der RCA
• PCI und Stentimplantaton (drug eluting Stent) in der mittleren
RCA.
• Hyperlipidämie
• Nikotinabusus
20.06.2017 bis 21.06.2017 Ordensklinikum XXXX Int. II
21.06.2017 XXXX Int.: Rückübernahme nach CAG
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut.
Ernährungszustand:
gut.
Größe: 180,00 cm Gewicht: 84,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status - Fachstatus:
Sensorium: unauffällig.
Haut: intakt, gut durchblutet
Kopf: Pupillen rund, isocor, reagieren prompt u. stgl. auf L/C, SH gut durchblutet, Gebiss saniert
Hals: SD palp. unauff., Lnn. nicht palpabel
Herz: HT rein, rhy, nf
Lunge: VA bds, keine RGs, keine Dyspnoe
Abdomen: BD weich, im Th-niveau, kein Druckschmerz, keine pathol. Resist., NL bds. frei
WS: aufrechte Haltung, leichte Skoliose, DS in LWS, HWS frei beweglich, LWS endlagig eingeschränkt, KJA 0cm, FBA 10-15cm, Aufrichten zügig mit steifer LWS.
OE: die Gelenke frei beweglich, Nacken-/Kreuzgriff vollständig, Faustschluss bds. vollständig, grobe Kraft ausreichend , grobneur. unauff.
UE: große Gelenke insgesamt frei beweglich, bei Hüftflexion bds werden endlagig Schmerzen in den dorsalen OS und den Knien angegeben, Knie wohlgeformt und umfassend beweglich, grobe Kraft ausreichend, grobneurol. unauff., keine Ödeme, keine Varizen.
Gesamtmobilität - Gangbild:
frei, etwas verlangsamt, symm., Zehen-/Fersengang bds durchführbar, Einbeinstand bds durchführbar.
Status Psychicus:
freundlich, Aggravierungstendenz.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs
Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes: 1 Wirbelsäule, Degen. WS-Veränderungen, insbes. LWS, Bandscheibenschaden L5/S1 und lumbale Neuroforamenstenose L5/S1, beginnend L4/5.
Radiolog. nachweisbare Veränderungen. Keine neurolog. Defizite, leichte Bewegungseinschränkung. Regelmäßig Schmerzmittel.
Pos. Nr. 02.01.02 GdB 30%
2 Koronare Herzkrankheit, NSTEMI (Herzinfarkt) am 20.6.2017 bei koronarer Eingefäßerkrankung der RCA - PCI und Stentimplantaton (drug eluting Stent) in der mittleren RCA
Herzecho auf Reha unauffällig. Kein Nitrospray. Anamnestisch belastungsabhängig leichte Brustschmerzen.
Pos. Nr. 05.05.02 GdB 30%
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Hauptleiden ist Pos. 1.
Pos. 2 wirkt verstärkend auf das Grundleiden, daher Erhöhung um eine Stufe.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Ein weiterhin ausgeübter Nikotinmissbrauch wirkt sich verschlechternd auf die genannten Leiden aus. Eine anamnestisch erwähnte Knie-OP vor Jahren wird durch fehlende Befunde nicht bestätigt, keine Bewegungseinschränkung, keine klinisch erfassbare Symptomatik. Ein in den Diagnosen erwähnter Bluthochdruck bedarf offenbar derzeit keiner medikamentösen Behandlung. Eine Blutfetterhöhung wird medikamentös behandelt.
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Gehstrecken von 300-400m können aus eigener Kraft und ohne Hilfsmittel ohne Unterbrechung zurückgelegt werden, auch öffentliche Verkehrsmittel können ohne fremde Hilfe benutzt werden. Übliche Niveau-Unterschiede von 20-30cm können ohne Einschränkung überwunden werden."
Mit Bescheid der bB vom 15.01.2018 wurde der Antrag der bP unter Zugrundelegung des eingeholten Sachverständigenbeweises abgewiesen.
Aufgrund der dagegen am 19.02.2018 erhobenen Beschwerde sowie der erfolgten Vorlage von Befunden durch die bP wurde am 21.05.2018 im Auftrag der bB ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten erstellt. Dieses weist im Wesentlichen nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
"Anamnese:
Vorgutachten 14.11.2017 (40%).
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen.
Koronare Herzkrankheit - Z.n. NSTEMI 20.6.2017.
Beschwerde, da Beschwerden im linken Kniegelenk nicht eingeschätzt wurden.
Neu: Z.n. Arthroskopie mit vorderer Kreuzbandplastik linkes Kniegelenk am 2.9.1998.
Derzeitige Beschwerden:
Das Untersuchungsgespräch wird in Anwesenheit einer Dolmetscherin geführt. Beschrieben werden unveränderte Beschwerden seit dem Letztgutachten mit Schmerzen in beiden Beinen, links>rechts nach einer Wegstrecke von 1km.
Es habe sich nichts geändert, aber "ich habe immer gesagt, dass ich so Probleme mit dem Kreuz habe".
Die LWS Schmerzen strahlen in beide Beine aus, das linke Kniegelenk schmerzt v.a. bei Wetterumschwung, unter Belastung wird eine Bandage getragen.
Seit der Kreuzbandoperation 1998 sei keine bildgebende Diagnostik des Kniegelenkes mehr gemacht worden, seit 10 Jahren keine orthopädische Untersuchung, alle Ärzte sagen, "ich soll halt Schmerzmittel nehmen".
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Atorvastatin, Atazet, Brilique, Pantoloc, Seractil, Sirdalud, Thrombostad.
Sozialanamnese:
Arbeistlos, im Krankenstand, Innenputz, seit 1991 in Österreich lebend, verheiratet, 4 Kinder (3 erwachsen, ein 12 jähriges).
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Mitgebrachter Befund LKh XXXX 23.2.2008:
ASK, Ersatz des vorderen Kruezbandes mittels 3facher Semitendinosussehne, Endbutton, Spongiosaschraube am 2.9.1998.
Keine weiteren neuen Befunde seit Letztgutachten.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
gut
Größe: 185,00 cm Gewicht: 98,00 kg Blutdruck: RR: 120/80
Klinischer Status - Fachstatus:
Nikotin: 5 Zigaretten/Tag, Alkohol: negiert.
Caput/Collum: Lesebrille wird verwendet; Hörvermögen altersentsprechend unauffällig; Gebiß: OK+UK Prothese.
Thorax: symmetrisch, unauffällige Atemexkursionen,
Pulmo: SKS, VA, exspiratorisches Giemen bds.
Cor: HA rhythmisch, HT rein, normofrequent, keine pathologischen Geräusche.
Abdomen: BD weich, kein DS im Epigastrium, keine pathologischen Resistenzen palpabel, Hepar und Lien nicht palpiert; Nierenlager bds. frei,
Miktion und Defäkation: unauffällig
WS-HWS: gerade, kein Nackenhartspann, Kinn-Sternumabstand: 3 cm, kein KS über gesamter HWS; Rotation: 50-0-50°,
WS-BWS: erhaltene physiologische Kyphose, paravertebrale Muskulatur mäßig verspannt, kein Klopfschmerz thorakolumbaler Übergang
WS-LWS: Klopfschmerz über unterer LWS, ISG rechts druckschmerzhaft; Lasegue bds. bei 30° positiv, Lendenlordose, Beckengeradstand; FBA:
40cm.
Obere Extremität: KG 5 bds.; Sensibilität stgl. und unauffällig.
Aktive Abduktion beide Schultergelenke 160°, Schürzen- und Nackengriff beidseits durchführbar.
Ellbogen-, Hand und Fingergelenke zeigen sich weitgehend unauffällig, frei von äußeren Entzündungszeichen und in ihren jeweiligen Richtungen uneingeschränkt beweglich.
Untere Extremität: KG 5 beidseits, Hypästhesie linke UE.
Hüften bds.: kein Leistendruck- oder Trochanterklopfschmerz; kein Stauchungs- oder Rüttelschmerz,
Extension / Flexion S: 0-90° limitiert durch WS Schmerzen; Ab/Adduktion: 30-0-20°; Außen/Innenrotation: 45-0-40°
Knie rechts: Extension / Flexion S: 0-120°, kein Druckschmerz medialer Gelenksspalt, bandstabil, keine Entzündungszeichen; Valgus/Varusstress: negativ; Zohlenzeichen: negativ, minimale Krepitationen hör- und spürbar.
Knie links: blande ASK Narben und Narbe nach VKB Plastik; S: 10-90°, DS Medialer GS; Valgus/Varusstress positiv; keine Entzündungszeichen; bandstabil.
Pulse allseits palpabel, keine Varizen, keine Ödeme;
Sprunggelenk bds. unauffällig.
Gesamtmobilität - Gangbild:
frei gehend ohne hinken und raumgreifend
Status Psychicus:
Der Patient von klarer Bewusstseinslage, er ist räumlich, örtlich, zeitlich, zur Person und situativ orientiert.
Aufmerksamkeit, Konzentration und formales Denken sind unauffällig. Es besteht keine Angstsymptomatik, keine Halluzinationen vorhanden.
Affektivität und Antrieb ebenfalls unauffällig.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs
Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes: 1 Funktionseinschränkung Wirbelsäule bei radiologisch nachweisbaren degenerativen Veränderungen, insbes. LWS, Bandscheibenschaden L5/S1 und lumbaler Neuroforamenstenose L5/S1, beginnend L4/5. Schmerzen mit Ausstrahlung und Sensibilitätsstörungen, regelmäßige einfache Schmerztherapie Pos.Nr. 02.01.02 GdB 30%
2 Koronare Herzkrankheit, NSTEMI (Herzinfarkt) am 20.6.2017 bei koronarer Eingefäßerkrankung der RCA - PCI und Stentimplantaton (drug eluting Stent) in der mittleren RCA Herzecho auf Reha unauffällig.
Kein Nitrospray. Anamnestisch belastungsabhängig leichte Brustschmerzen. Pos.Nr. 05.05.02 GdB 30%
3 Funktionseinschränkung linkes Kniegelenk mit V.a. posttraumatische Abnützungserscheinungen nach vorderer Kreuzbandplastik, seit vielen Jahren kein Röntgen durchgeführt, klinisch eingeschätzt Bewegungseinschränkung und belastungsabhängige Schmerzen unter regelmäßiger Schmerzmitteleinnahme Pos.Nr. 02.05.20 GdB 30%
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Hauptleiden ist das Leiden in Position 1, durch gegenseitig negative Beeinflussung und zusätzliche erhebliche Belastung erhöht das Leiden in Position 3 um 1 Stufe, um eine weitere Stufe bei eingeschränkter körperlicher Leistungsfähigkeit erhöht das Leiden in Position 2 auf insgesamt 50%.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Hyperlipidämie - kein Krankheitswert
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Vorbekannte Leiden unverändert zu Vorgutachten, bisher nicht eingeschätztes Knieleiden nach Kriterien der EVO ergänzt
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Durch neu hinzugekommenes Leiden insgesamt 1 Stufe höher als Vorgutachten
[X] Nachuntersuchung 05/2021 - Besserungsmöglichkeit Bewegungsapparat durch regelmäßige adäquate Therapiemaßnahmen, insbesondere nach aktueller bildgebender Abklärung des linken Kniegelenkes.
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Der Antragsteller in seiner Gehleistung nicht höhergradig eingeschränkt. Er kann eine Wegstrecke über 400m aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurückzulegen, lt. eigenen Angaben ist eine Strecke von 1km zurücklegbar. Er benötigt keinen Gehbehelf und ist auch nicht sturzgefährdet. Es kann auch höhere Niveauunterschiede (bis 30 cm) zum Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel überwinden. Es konnte auch keine Einschränkung der Standhaftigkeit erhoben werden. Diese insbesondere in Bezug auf das sichere Stehen, die Sitzplatzsuche oder bei einer notwendig werdenden Fortbewegung im öffentlichen Verkehrsmittel während der Fahrt. Weiters ist die Benützung von Haltegriffen und -stangen möglich. Es konnte überdies keine weiteren erheblichen Einschränkungen festgestellt werden, die die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel rechtfertigen würden."
Nach Beschwerdevorlage am BVwG wurde der bP das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht, eine Stellungnahme ist nicht erfolgt.
Im Auftrag des BVwG erging am 11.01.2019 das Ersuchen an die Allgemeinmedizinerin um Gutachtensergänzung und Stellungnahme zur Nachvollziehbarkeit ihrer Beurteilung - mangels vorgelegter Befunde, sowie in Zusammenschau mit dem Vorgutachten - dahingehend, die erhebliche Belastung des Knieleidens detailliert darzulegen, um verifizieren zu können, warum das genannte Leiden mit 30% eingeschätzt wurde und zu einer Steigerung des Gesamtgrades der Behinderung auf 50% führte, sowie zu erläutern, worauf die getätigte Einschätzung und Steigerung, mangels Befunden, zurückzuführen sei.
In ihrer Gutachtensergänzung vom 18.01.2019 führte die allgemeinmedizinische Sachverständige wie folgt aus: "Knieleiden links bei Z.n. operativer Sanierung einer Kreuzbandruptur am 2.9.1998 mittels 3facher Semitendinosussehne, Endbutton und Spondiosaschraube. Bei der Untersuchung zeigt sich eine Beuge,-und Streckeinschränkung des linken Kniegelenkes mit einer Beugung von 90° und Streckhemmung von 10°, sowie klinische Zeichen einer Knorpelabnützung, die zu belastungsabhängigen Schmerzen führen, die getätigte Einschätzung beruht auf der klinischen Untersuchung bei bislang fehlender aktueller bildgebender Diagnostik. Auf der kurzen Strecke der klinischen Untersuchung zeigt sich das Gangbild frei und ohne hinken, die Überprüfung einer längeren Wegstrecke ist im Rahmen der Untersuchung nicht möglich, weshalb keine Aussage über das Gangbild bei weiteren Strecken getroffen werden kann Bezüglich der Fragestellung einer ärztlichen Konsultation aufgrund der Beschwerden, gibt der Antragsteller an, dass eine bildgebende Diagnostik von den behandelnden Ärzten nicht durchgeführt worden sei und er ‚Schmerzmittel einnehmen solle'. Bei zusätzlich bestehenden Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich bei degenerativen Veränderungen mit Bandscheibenschaden auf Höhe L5/S1 und zusätzlicher Nervenkanalverengung auf selber Höhe mit Schmerzausstrahlung in beide Beine beeinflussen sich diese beiden Leiden gegenseitig negativ und es kommt zu einer erheblichen Einschränkung im Alltag und Erhöhung des Grades der Behinderung. Im Gutachten wurde eine Nachuntersuchung im Mai 2021, dann mit vorgelegter aktueller bildgebender Diagnostik des linken Kniegelenkes empfohlen."
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister bzw. den im Akt befindlichen sonstigen relevanten Unterlagen.
2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)". Vergleiche dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Das im Verfahren vor der bB eingeholte medizinische Sachverständigengutachten zum Grad der Behinderung bedarf nach der Rsp des VwGH (vom 21.06.2017, Ra 2017/11/0040) einer ausreichenden, auf die vorgelegten Befunde eingehenden und die Rahmensätze der Einschätzungsverordnung vergleichenden Begründung (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen das hg. Erkenntnis vom 08.07.2015, Ra 2015/11/0036).
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, sind die Sachverständigengutachten, sowohl das psychiatrische als auch allgemeinmedizinische, welche aufgrund der Beschwerde der bP eingeholt wurden, sowie die daraus resultierende Gesamtbeurteilung, schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllen sie die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.
Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen eingehend erhobenen klinischen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.
In den Gutachten wurden alle relevanten von der bP beigebrachten Unterlagen bzw. Befunde berücksichtigt. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises.
In den angeführten Gutachten wurde von den Sachverständigen auf die Art der Leiden und deren Ausmaß, sowie die vorgelegten Befunde der bP ausführlich eingegangen.
Die eingeholten Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.
In den angeführten Gutachten - in Zusammenschau mit der Gutachtensergänzung - wurde von der Sachverständigen auf die Art der Leiden und deren Ausmaß, sowie die vorgelegten Befunde der bP ausführlich eingegangen, schlüssig und nachvollziehbar das Ergebnis der durchgeführten Begutachtung dargelegt und begründet, worin die gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten und damit einhergehend die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung bestehen. Im Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wurden im Zweitgutachten vom 21.05.2018 die Lfd.Nr. 1 und 2 in Übereinstimmung mit dem Erstgutachten mit der identen Pos.Nr. und GdB gewählt, neu hinzugekommen ist im Zweitgutachten die Funktionseinschränkung des linken Knies, eingeschätzt mit einem GdB von 30 v.H. Die Allgemeinmedizinerin stellte einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 v. H. fest und führte begründend aus, dass das Hauptleiden das Leiden in Position 1 ist, durch gegenseitig negative Beeinflussung und zusätzliche erhebliche Belastung erhöht das Leiden in Position 3 um 1 Stufe, um eine weitere Stufe bei eingeschränkter körperlicher Leistungsfähigkeit erhöht das Leiden in Position 2 auf insgesamt 50%. Durch das neu hinzugekommene Leiden wird der Gesamtgrad der Behinderung insgesamt um eine Stufe höher eingeschätzt als im Vorgutachten. Eine Nachuntersuchung wurde für Mai 2021 angeordnet aufgrund der Besserungsmöglichkeit des Bewegungsapparates durch regelmäßige adäquate Therapiemaßnahmen, insbesondere nach aktueller bildgebender Abklärung des linken Kniegelenks.
In ihrer Gutachtensergänzung, welche aufgrund der Fragestellungen seitens des BVwG ergangen ist, führte die Allgemeinmedizinerin aus, dass es sich um ein Knieleiden links bei Z.n. operativer Sanierung einer Kreuzbandruptur am 2.9.1998 mittels 3facher Semitendinosussehne, Endbutton und Spondiosaschraube handle, sich bei der Untersuchung eine Beuge,-und Streckeinschränkung des linken Kniegelenkes mit einer Beugung von 90° und Streckhemmung von 10°, sowie klinische Zeichen einer Knorpelabnützung, die zu belastungsabhängigen Schmerzen führen, zeigten. Wie die Sachverständige weiter ausführt, beruht die getätigte Einschätzung auf der klinischen Untersuchung bei bislang fehlender aktueller bildgebender Diagnostik, weshalb eine Nachuntersuchung im Mai 2021 empfohlen wird. Auf der kurzen Strecke der klinischen Untersuchung zeigt sich das Gangbild frei und ohne hinken, die Überprüfung einer längeren Wegstrecke ist im Rahmen der Untersuchung nicht möglich, weshalb keine Aussage über das Gangbild bei weiteren Strecken getroffen werden kann. Bezüglich der Fragestellung einer ärztlichen Konsultation aufgrund der Beschwerden, habe der Antragsteller angegeben, dass eine bildgebende Diagnostik von den behandelnden Ärzten nicht durchgeführt worden sei und er Schmerzmittel einnehmen solle. Weiters führte die Sachverständige an, dass bei zusätzlich bestehenden Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich bei degenerativen Veränderungen mit Bandscheibenschaden auf Höhe L5/S1 und zusätzlicher Nervenkanalverengung auf selber Höhe mit Schmerzausstrahlung in beide Beine sich diese beiden Leiden gegenseitig negativ beeinflussen und es zu einer erheblichen Einschränkung im Alltag und Erhöhung des Grades der Behinderung kommt.
Aufgrund der Beschwerde und der dabei vorgelegten Unterlagen wurde das Ermittlungsverfahren erneut eröffnet und führte dieses dazu, dass eine geänderte Einschätzung vorgenommen sowie ein geänderter, nämlich höherer, Gesamtgrad der Behinderung festgestellt wurde.
Die Sachverständigengutachten und die Gutachtensergänzung wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt. Laut dem allgemeinmedizinische Gutachten besteht somit ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. Die Befristung bis 11.02.2020 ergibt sich daraus, um eine frühe bildgebende Abklärung des linken Kniegelenks zu ermöglichen.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
-
Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
-
Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
-
Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
-
Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
-
Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
-
Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; ...
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
In Anwendung des Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.
Gemäß § 9 Abs 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:
1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,
2. die Bezeichnung der belangten Behörde,
3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
4. das Begehren und
5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.
Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 41 Abs 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs 2 vorliegt.
Gemäß § 41 Abs 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Gemäß § 43 Abs 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, sofern Änderungen eintreten, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.
Gemäß § 43 Abs 2 BBG ist der Besitzer des Behindertenpasses verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.
Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§41 Abs 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung ist unter Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 2 Abs 1 leg cit sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage der Einschätzungsverordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
Gemäß § 2 Abs 2 leg cit ist bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
Gemäß § 2 Abs 3 leg cit ist der Grad der Behinderung nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gemäß § 3 Abs 1 leg cit ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Gemäß § 3 Abs 2 leg cit ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
Gemäß § 3 Abs 3 leg cit liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn
-
sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
-
zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
Gemäß § 3 Abs 4 leg cit ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Gemäß § 4 Abs 1 leg cit bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
Gemäß § 4 Abs 2 leg cit hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach den Grundsätzen des § 3 der genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Leidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt, wobei im Falle der Beurteilung nach dem BEinstG gemäß § 27 Abs 1 dieses Gesetzes Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine