TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/25 G314 2195485-1

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Veröffentlicht am 25.02.2019
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Entscheidungsdatum

25.02.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch

G314 2195485-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA.: Serbien, vertreten durch XXXX, gegen die Spruchpunkte III. und IV. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 17.04.2019, Zl. XXXX, beschlossen und zu Recht erkannt:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids

wird als unzulässig zurückgewiesen.

C) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids

wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass es in Spruchpunkt IV. zu lauten hat:

"Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."

D) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX2018 im Bundesgebiet festgenommen. Am XXXX2018 wurde über ihn die Untersuchungshaft verhängt. Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX2018, XXXX, wurde er wegen Suchtgifthandels zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

Am XXXX2018 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aufgefordert, zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots Stellung zu nehmen. Er erstattete keine Stellungnahme.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Serbien festgestellt (Spruchpunkt II.), gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.) sowie gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG gegen den BF ein fünfjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Dies wurde im Wesentlichen mit seinem nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet, mit der strafgerichtlichen Verurteilung und mit dem Fehlen familiärer und beruflicher Anknüpfungspunkte begründet.

Gegen die Spruchpunkte III. (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) und IV. (Einreiseverbot) dieses Bescheids richtet sich die wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde mit den Anträgen, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen und das Einreiseverbot aufzuheben, in eventu, es zu verkürzen, sowie eine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden sei, weil der Bescheid ohne seine Einvernahme vor dem BFA erlassen worden sei. Die Feststellungen seien mangelhaft, weil die Behörde einerseits davon ausgehe, dass er durch sein Verhalten gezeigt habe, dass er kein Interesse daran habe, die Gesetze Österreichs zu respektieren, andererseits aber festgestellt habe, dass es bei den Straftaten teilweise beim Versuch geblieben sei, der BF bisher einen ordentlichen Lebenswandel vorweisen könne und ein reumütiges Geständnis abgelegt habe. Das BFA habe die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und die Dauer des Einreiseverbots nicht nachvollziehbar begründet. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, um es dem BF zu ermöglichen, sein Recht auf eine wirksame Beschwerde vor einem gesetzlichen Richter wahrzunehmen. Das BFA habe auch die Prognoseentscheidung, die zur Erlassung des Einreiseverbots geführt habe, unzureichend begründet und den maßgeblichen Sachverhalt nicht in allen Punkten geklärt. Die Erlassung eines Einreiseverbots sei nicht geboten und stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF dar; jedenfalls sei ein fünfjähriges Einreiseverbot zu lange. Das BFA habe die für die Strafzumessung maßgeblichen Milderungsgründe sowie den Umstand, dass der Strafrahmen bei weitem nicht ausgeschöpft worden sei und dem BF ein großer Teil der Strafe bedingt nachgesehen worden sei, nicht berücksichtigt und keine Gefährdungsprognose erstellt.

Der BF wurde am 09.05.2018 bedingt entlassen und am 10.05.2018 nach Serbien abgeschoben.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 16.05.2018 einlangten, und erstattete eine Stellungnahme zur Beschwerde.

Feststellungen:

Der BF kam am XXXX in der serbischen Stadt XXXX zur Welt. Er spricht Serbisch. Er ist ledig. Allfällige Sorgepflichten sind unbekannt. Erkrankungen oder Einschränkungen seiner Arbeitsfähigkeit können nicht festgestellt werden.

Der BF reiste mit seinem am XXXX2011 ausgestellten und bis XXXX2021 gültigen serbischen Reisepass zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein, wo er sich ohne Wohnsitzmeldung aufhielt. Ihm wurde nie ein österreichischer Aufenthaltstitel erteilt. Er ging in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.

Familiäre oder soziale Bindungen des BF in Österreich oder in anderen Staaten, für die die Rückführungsrichtlinie gilt, können nicht festgestellt werden, ebenso wenig eine sprachliche, berufliche oder gesellschaftliche Integration.

Am XXXX018 wurde der BF in XXXX beim Verkauf von Heroin betreten und verhaftet. Seiner rechtskräftigen Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen XXXX vom XXXX2018, XXXX, liegt zugrunde, dass er am XXXX und XXXX2018 in XXXX mehreren Abnehmern Suchtgift in einer die Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge durch gewinnbringenden Verkauf überließ, und zwar ca. 15,9 g brutto Heroin, und am 29.01.2018 zu überlassen versuchte, indem er 34 Säckchen mit 52,5 g Heroin (Wirkstoffgehalt 6,72 g Heroin und 0,2 g Monoacetylmorphin) zum unmittelbaren Weiterverkauf bereithielt. Er beging dadurch das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG, § 15 StGB und wurde ausgehend vom Strafrahmen des § 28a Abs 1 SMG (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren) zu einer 15-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt; davon wurden 10 Monate für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Bei der Strafzumessung wurden mehrere Verkaufshandlungen und die Faktenmehrheit als erschwerend gewertet. Mildernd wirkten sich der bisher ordentliche Lebenswandel, das reumütige Geständnis und der teilweise Versuch aus. EUR 310 an Gewinn aus dem Suchtgiftverkauf, die der BF durch die Straftaten erlangt hatte, wurden für verfallen erklärt.

Der BF verbüßte den unbedingten Teil der über ihn verhängten Freiheitsstrafe in der Justizanstalt XXXX. Am 09.05.2018 wurde er bedingt entlassen und am nächsten Tag auf dem Landweg nach Serbien abgeschoben.

Beweiswürdigung

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Feststellungen zur Identität des BF folgen dem Strafurteil und seinem (in Kopie vorliegenden) Reisepass, aus dem auch sein Geburtsort hervorgeht. Nach der Mitteilung des Bundeskriminalamts vom 27.03.2018 wurde er von Interpol XXXX unter denselben Personendaten identifiziert.

Serbischkenntnisse des BF sind aufgrund seiner Herkunft plausibel und lassen sich auch der Erkennungsdienstlichen Evidenz entnehmen. Eine Verständigung mit dem Dolmetsch im Strafverfahren war offenbar problemlos möglich.

Es gibt keine Anhaltspunkte für medizinische Probleme oder andere Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des BF, der in einem erwerbsfähigen Alter ist. Aus dem Strafurteil ergibt sich, dass er zuletzt ohne Beschäftigung war. Sein Familienstand geht aus der Vollzugsinformation hervor.

Weder der Beschwerde noch dem übrigen Akteninhalt lässt sich entnehmen, dass der BF je über eine Aufenthaltsgenehmigung in Österreich verfügte oder hier legal erwerbstätig war. Im Fremdenregister ist weder ein Aufenthaltstitel noch ein entsprechender Antrag gespeichert.

Da im Zentralen Melderegister (ZMR) nur eine Wohnsitzmeldung des BF in der Justizanstalt ersichtlich ist, ist davon auszugehen, dass er sich bis zu seiner Inhaftierung ohne Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet aufhielt.

Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für eine Integration oder Anbindung des BF in Österreich oder in anderen vom Einreiseverbot betroffenen Staaten. In der Beschwerde wird zwar allgemein gerügt, dass seine privaten und familiären Anknüpfungspunkte nicht berücksichtigt worden seien; es fehlt aber ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen dazu. Der BF gibt keine Bindungen zum österreichischen Bundesgebiet oder zu einem anderen Staat, für den die Rückführungsrichtlinie gilt, an. Da er die Aufforderung des BFA zur Stellungnahme mit konkreten Fragen (auch) zu solchen privaten und familiären Anknüpfungspunkten nicht beantwortete und in der Beschwerde kein entsprechendes Tatsachenvorbringen erstattete, muss in Ermangelung anderer Beweisergebnisse für Integrationsmomente eine Negativfeststellung dazu getroffen werden.

Die Festnahme des BF und die Verhängung der Untersuchungshaft werden anhand der Vollzugsinformation festgestellt. Die Feststellungen zu seinen Straftaten, zu seiner Verurteilung und zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren auf dem Strafurteil. Die Rechtskraft der Verurteilung wird auch durch das Strafregister belegt, in dem keine weiteren, den BF betreffenden Eintragungen aufscheinen. Es sind keine Anhaltspunkte für strafgerichtliche Verurteilungen in anderen Staaten aktenkundig.

Der Vollzug des unbedingten Strafteils und die bedingte Entlassung des BF ergeben sich aus der Vollzugsinformation, dem Strafregister und dem ZMR, laut dem er von XXXX2018 bis XXXX2018 mit Hauptwohnsitz in der Justizanstalt XXXX gemeldet war.

Die Abschiebung des BF nach Serbien ergibt sich aus dem Fremdenregister und aus der Mitteilung über die Durchführung der Außerlandesbringung.

Rechtliche Beurteilung:

Zu den Spruchteilen A) und B):

Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Gemäß § 55 Abs 4 FPG hat das BFA von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs 2 BFA-VG aberkannt wurde.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Da keine Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung iSd § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG erhoben wurde und diese somit bereits rechtskräftig ist, kommt weder die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG noch die darauf aufbauende nachträgliche Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise in Betracht. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist daher ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen.

Die beantragte Beschwerdeverhandlung entfällt insoweit gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG.

Zu Spruchteil C):

Die Behörde hat dadurch, dass sie den BF nach der Verhängung der Untersuchungshaft schriftlich über das Ergebnis der Beweisaufnahme (im Wesentlichen darüber, dass er wegen des Verdachts des Suchtgifthandels in Untersuchungshaft sei, dass bei seiner rechtskräftigen Verurteilung geplant sei, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot zu erlassen und dass vom Fehlen familiärer, sozialer und beruflicher Bindungen im Bundesgebiet ausgegangen würde) informierte, zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb von zehn Tagen aufforderte und konkrete Fragen dazu an ihn richtete, ihrer Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs entsprochen.

Eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde wurde aber jedenfalls durch die mit Beschwerde an das BVwG verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert, weil der angefochtene Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergibt (vgl VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0104).

Der in der Beschwerde behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor. Der BF hat es unterlassen, in der Beschwerde ein über das Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens hinausgehendes, konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen zu erstatten.

Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Serbien und somit Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 53 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs) sowie Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, verbunden werden, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig vom bisherigen Verhalten des Drittstaatsangehörigen. Geht von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit oder ein anderes in Art 8 Abs 2 EMRK genanntes öffentliches Interesse aus, kann gemäß § 53 Abs 3 FPG ein Einreiseverbot für bis zu zehn Jahre verhängt werden. Dies ist (soweit hier relevant) insbesondere dann der Fall, wenn der Drittstaatsangehörige von einem Gericht rechtskräftig zu einer (teil-)bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wurde (§ 53 Abs 3 Z 1 zweiter Fall FPG). Bei einer Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren kann gemäß § 53 Abs 3 Z 5 FPG sogar ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen sei eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer schwerwiegenden Gefährdung öffentlicher Interessen gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung und Bestrafung des Betroffenen abzustellen, sondern auf die Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt. Es ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen

(Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

In Anwendung dieser Grundsätze hat das BFA zu Recht die Erfüllung des Tatbestands des § 53 Abs 3 Z 1 FPG bejaht. Der BF handelte in mehreren Angriffen mit einer großen Menge Heroin und erzielte dabei innerhalb kurzer Zeit beträchtliche Einnahmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0249 mwN). Das hier vorliegende Verbrechen des Suchtgifthandels gemäß § 28a SMG stellt eine qualifizierte Form von Suchtgiftkriminalität dar (vgl VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155). Der BF wollte sich durch den Handel mit einem der gefährlichsten Suchtgifte finanziell bereichern und nahm dafür die Schädigung der Gesundheit anderer Personen in Kauf.

Dem BFA ist dahin beizupflichten, dass der Aufenthalt des BF eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, die ein Einreiseverbot erforderlich macht, obwohl er erstmals strafgerichtlich verurteilt wurde und erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßte. Aufgrund der schwerwiegenden Suchtmitteldelinquenz ist in Verbindung mit dem Fehlen eines legalen Einkommens Wiederholungsgefahr anzunehmen. Da der BF erst vor kurzem aus der Haft entlassen wurde, auch kann nicht von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit ausgegangen werden. Dazu bedarf es grundsätzlich eines längeren Zeitraums des Wohlverhaltens, wobei in erster Linie das gezeigte Wohlverhalten in Freiheit maßgeblich ist (VwGH 27.04.2017, Ra 2016/22/0094). Aus der vorzeitigen Haftentlassung lässt sich vor diesem Hintergrund noch keine maßgebliche Minderung der Gefährdung, die sich aus dem strafbaren Vorverhalten ergibt, ableiten.

Die Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere von Suchtgiftdelikten, ist vor dem Hintergrund der verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft, zu denen der Konsum von Suchtgiften führt, ein Grundinteresse der Gesellschaft.

Über den BF kann ein Einreiseverbot von bis zu zehn Jahren verhängt werden. Wenn man berücksichtigt, dass das Strafgericht den Strafrahmen bei weitem nicht ausschöpfte und erhebliche Milderungsgründe vorlagen, sodass die bedingte Nachsicht eines Teils der Freiheitsstrafe möglich war, ist die Dauer des Einreiseverbots auf vier Jahre zu reduzieren. Dies entspricht der gegen den BF ausgesprochenen Strafe, dem Unrechtsgehalt der von ihm begangenen Taten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe und auch seiner privaten und familiären Situation, die keinen relevanten Inlandsbezug aufweist. Dabei wird insbesondere berücksichtigt, dass der BF zum ersten Mal straffällig wurde, sich geständig verantwortete und sein Vollzugsverhalten eine bedingte Entlassung ermöglichte. Ein vierjähriges Einreiseverbot ist aber - auch in Anbetracht der offenen Probezeit und der besonderen Gefährlichkeit von Suchtgiftkriminalität in der vorliegenden qualifizierten Form - notwendig, um der vom BF ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen und eine nachhaltige Änderung seines Verhaltens und seiner Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten zu bewirken. Das Einreiseverbot laut Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids ist daher in teilweiser Stattgebung der Beschwerde auf vier Jahre herabzusetzen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht klärungsbedürftig ist und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder ein Entfall des Einreiseverbots möglich wäre, konnte die beantragte Beschwerdeverhandlung hier unterbleiben, zumal in der Beschwerde kein relevantes neues Tatsachenvorbringen erstattet wurde.

Spruchteil D):

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Einreiseverbot, Unrechtsgehalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2195485.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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