TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/8 W159 2156859-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.03.2019
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Entscheidungsdatum

08.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W159 2156859-1/17Z

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.04.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.01.2019 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG

idgF der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Tadischken zugehörig, ledig und sunnitscher Moslem gelangte (spätestens) am 12.06.2015 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Am nächsten Tag erfolgte die Erstbefragung durch die XXXX .

Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, dass er als Dolmetscher mit den Amerikanern zusammengearbeitet habe. Wenn man als Afghane mit Ausländern zusammenarbeite, drohe einem durch die Taliban die Gefahr getötet zu werden. Der Beschwerdeführer gab an, er habe sich ständig verstecken müssen und habe nicht in Freiheit leben können. Es würde genug Vorfälle geben, in denen Dolmetscher von den Taliban enthauptet worden seien. Er könne die Dolmetschertätigkeit mit Fotos von ID-Karten, Fotos, usw. nachweisen. Er werde diese Dokumente im weiteren Verfahren vorlegen.

Am 07.11.2016 urgierte der XXXX die Verfahrensdauer. Das Asylverfahren des Beschwerdeführers sei seit etwa einem Jahr und 5 Monaten anhängig. Der Akt sei noch keinem Referenten zugeteilt worden.

In der Niederschrift im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, am 07.03.2017, legte der Beschwerdeführer u.a. eine Tazkira (auch in engl. Sprache), einen Führerschein (auch in engl. Sprache), eine Bestätigung für die Teilnahme am Vortrag " XXXX ", Deutschkursbestätigungen, eine Arbeitsbestätigung für geleistete gemeinnützige Tätigkeit und eine Bestätigung für ehrenamtliche Tätigkeit in der Flüchtlingsarbeit vor. Der Beschwerdeführer legte auch div. Arbeitsbestätigungen, Dienstausweise, das Maturazeugnis, Empfehlungsschreiben und div. Fotographien aus Afghanistan vor.

Der Beschwerdeführer gab an, er sei in der Provinz Parwan in Afghanistan geboren worden und zusammen mit seinen Geschwistern bei den Eltern aufgewachsen. Da seine Familie sehr weltoffen sei, habe er von 1994 bis 2006 die Schule besuchen und danach zwei Jahre Mathematik studieren können. Er habe seine Heimat geliebt. Er sei als Schneider, Lehrer für Englisch, Geschichte und Mathematik, als Dolmetscher, als Teamleiter für Securitykräfte und Stoffhändler in Afghanistan tätig gewesen. Die finanzielle Lage der Familie sei sehr gut gewesen. Die Familie habe ein eigenes Haus, drei Grundstücke, eine eigene Gärtnerei und eigene PKWs besessen.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer an, er habe für die Amerikaner gearbeitet und sei deswegen bedroht worden. Der Grund, warum er Afghanistan verlassen habe, sei die Bedrohung in XXXX gewesen. Die Familie des Beschwerdeführers sei auch bedroht worden. Das Haus der Familie sei von einer zehn-köpfigen Gruppe durchsucht worden. Sie hätten die Mutter des Beschwerdeführers geschlagen und die Mobiltelefone von zuhause mitgenommen. Das Ziel der Taliban sei gewesen, den Beschwerdeführer zu erwischen. Auf den Telefonen seien Fotos vom Beschwerdeführer gewesen, die sie ausgedruckt und verteilt hätten. Sie behaupteten der Beschwerdeführer sei ein Spion und Ungläubiger. Mutter, Vater und ein Cousin des Beschwerdeführers seien nach Kabul gekommen. Die Mutter sei im Krankenhaus stationär behandelt worden. Der Beschwerdeführer habe von dem Vorfall in seinem Elternhaus erfahren, als er seine Mutter besucht hätte. Ein anders Mal habe ihm der Cousin mütterlicherseits angerufen und erzählt, dass seine Fotos im Dorf und im Distrikt aufgehängt worden seien. Daraufhin habe der Beschwerdeführer beschlossen seine Heimat zu verlassen. Der Beschwerdeführer gab an, er habe seine Heimat nie verlassen wollen.

Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an er habe von 02/2010 bis 01/2011 für die Amerikaner in Kabul gearbeitet. Die Einheit sei verantwortlich für die Sicherheit in Kabul, Laghman, Jalalabad und Nouristan gewesen.

Danach habe es eine Unterbrechung gegeben. Im 07/2012 hätte er wieder 3 Tage dort gearbeitet. Er sei nach Wardak transferiert worden. Er hätte verschiedene Aufgaben bei unterschiedlichen Checkpoints von der afghanischen nationalen Armee erledigt. Er habe nicht in Wardak stationiert sein wollen und hätte deswegen den Job wieder verlassen. Im 11/2013 habe er noch einmal zwei Monate für die Amerikaner in Helmand, in einem Ausbildungszentrum für Soldaten gearbeitet. Die Arbeitssprache sei Englisch gewesen. In Helmand habe es amerikanische Ausbildner gegeben. Den auszubildenden Soldaten sei auf Dari oder Paschtu übersetzt worden.

Die belangte Behörde ersuchte den Beschwerdeführer Fragen auf Englisch zu beantworten und notierte, dass der Beschwerdeführer Fragen auf Englisch beantworten könne.

Mit Bescheid vom 25.04.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § Abs. 8 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Zif. 3 Asyl wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die Abschiebung nach Afghanistan sei zulässig. Es bestehe eine zweiwöchige Frist für eine freiwillige Ausreise.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer geglaubt worden sei, dass er in seinem Herkunftsland weder von der Polizei noch einer Staatsanwaltschaft oder von einem Gericht gesucht werde. Es werde ihm auch geglaubt, dass er in seinem Heimatland kein Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen sei, sowie, dass er von staatlicher Seite wegen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner politischen Gesinnung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe niemals verfolgt worden sei. Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer auch geglaubt, dass er in Afghanistan als Dolmetscher für die Amerikaner tätig gewesen sei.

Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer aber nicht geglaubt, dass er aufgrund seiner Tätigkeit als Dolmetscher bedroht worden sei und daraufhin das Heimatland verlassen habe müssen. Der Beschwerdeführer habe es unterlassen, bei der Erstbefragung die Bedrohung seiner Familie zu erwähnen. Es würde nicht der Lebenserfahrung entsprechen, dass ein tatsächlicher Flüchtling, auch unter Zeitdruck, den Kern seines Fluchtgrundes nicht einmal erwähne. In Folge könne nicht davon ausgegangen werden, dass das weitere Vorbringen der Wahrheit entspräche. Schon alleine aus diesem Grund sei dem Vorbringen die Glaubwürdigkeit abzusprechen.

Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass er nach der Tätigkeit als Dolmetscher, für zwei Jahre als selbständiger Stoffhändler in Kabul gearbeitet hätte. Bei dieser Tätigkeit habe er angegeben, dass er sich nicht versteckt habe. Er hätte Angst gehabt, weil er bei den Amerikanern gearbeitet hätte. Die belangte Behörde würde daraus ableiten, dass er sich von keiner ernsthaften persönlich gegen ihn gesetzten Verfolgung fürchten würde. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer eine Tätigkeit als Händler gewählt habe, wo ständig der Kontakt zu Menschen gesucht werde.

Für die belangte Behörde sei es auch nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer erst eineinhalb Jahre nach Beendigung der Tätigkeit als Dolmetscher von den Taliban aufgespürt worden sei. Es würde für die Taliban ein Leichtes gewesen sei, den Beschwerdeführer während seiner Tätigkeit als Dolmetscher aufzuspüren. Unglaubwürdig sei auch, dass die Taliban in das Elternhaus des Beschwerdeführers eingedrungen seien, die Mobiltelefone mitgenommen hätten und die Fotos des Beschwerdeführers mit einer Botschaft versehen ausgedruckt und verteilt hätten. Der Aufforderung aus dem Konvolut an Fotos, die erwähnten Bilder herauszusuchen, habe der Beschwerdeführer nicht nachkommen können. Dies würde die belangte Behörde wiederum in der Ansicht bestärken, dass eine Bedrohung bzw. Verfolgung durch die Taliban kein Glauben geschenkt werden könne. Der Beschwerdeführer habe auch angegeben, dass es sich bei der Bedrohung laut der Angaben des Beschwerdeführers um "Hörensagen" handle. Die belangte Behörde sehe es auch als unglaubwürdig an, dass der Beschwerdeführer bei einer ev. Rückkehr von den Taliban getötet werde.

Das Bundesamt begründete zu Spruchpunkt I., dass der Antragsteller im gesamten Verlauf des Verfahrens mit seinem Vorbringen eine konkrete Verfolgung oder drohende Verfolgung aus Gründen, wie sie in der GFK taxativ ausgezählt seien, ebenso wenig glaubhaft machen können wie wohlbegründete Furcht im Sinne der Grundaussage dieser internationalen Norm. Zu Spruchpunkt II. wurde insbesondere dargelegt, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation bereits unter Spruchpunkt I. geprüft und verneint worden sei. Weder aus den Angaben zu den Asylgründen, noch den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens hätte sich ergeben, dass im vorliegenden Fall die vom EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Auseinanderschaffung einer Person im Hinblick auf außerstaatliche Verantwortlichkeit liege die Gegebenheiten im Widerspruch zu Artikel 3 EMRK erscheinen lassen würde. Zudem sei dem Beschwerdeführer eine inländische Fluchtalternative nach Kabul zumutbar. Weder aus dem Amtswissen, noch dem Vorbringen ergebe sich ein weiterer qualifizierter Sachverhalt, welcher einem Refoulment entgegenstehe. Daher war der Antrag auf internationalen Schutz auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Zu Spruchpunkt III. wurde zunächst festgehalten, dass kein Familienbezug bzw. Familienleben in Österreich vorliege. Der Antragsteller verfüge über keine nennenswerten sozialen Anknüfpungspunkte in Österreich, die von ihm verrichteten gemeinnützigen Tätigkeiten dienten in erster Linie der Alltagsbewältigung und Strukturierung, führten aber keineswegs zur Selbsterhaltungsfähigkeit. Auch die besuchten Deutschkurse seien ohne ein Hinzutreten weiterer integrationsverstärkender Dokumente nicht geeignet, ein schützenswertes Privatleben zu bilden. Andererseits kommen den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stelllenwert zu und habe der Antragsteller durch seine illegale Einreise gegen diese verstoßen. In einer Gesamtabwägung der Interessen ergebe sich daher, dass eine Rückkehrentscheidung gerechtfertigt sei, zumal auch die Erteilung des Aufenthaltstitels nicht in Betracht gekommen sei. Da sich auch keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG ergeben habe und einer Abschiebung auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, sei eine solche nach Afghanistan auszusprechen gewesen. Auch Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise wären nicht hervorgekommen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, durch seine Rechtsvertretung im vollen Umfang Beschwerde, wobei gleichzeitig die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt wurde. Es wurde angegeben, dass der Identität aufgrund der vorgelegten Dokumente und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer für die Amerikaner gearbeitet habe, Glauben geschenkt worden sei. Es sei unverständlich, dass das fluchtauslösende Ereignis, die Bedrohung seiner Familie durch die Taliban, nicht glaubhaft sei. Der Beschwerdeführer brachte zusammengefasst sein Fluchtvorbringen vor.

Es wurde auch die Accord Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lage von afghanischen DolmetscherInnen/ÜbersetzerInnen der US-Truppen bzw. der internationalen Streitkräfte seit Juli 2013, insbesondere in der Provinz Nangarhar vorgelegt.

In einer Beschwerdeergänzung vom 11.09.2017 nahm der Beschwerdeführer auf den Bericht der schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 14.11.2016 Bezug: "Afghanische Zivilpersonen, welche als Fahrer, Dolmetscher oder in anderen zivilen Funktonen für die internationalen Streitkräfte arbeiten, werden ebenfalls von regierungsfeindlichen Gruppen angegriffen. Auch ehemalige Mitarbeiter der internationalen Streitkräfte und der Regierung werden gemäß UNHCR Opfer von Angriffen."

Auf den Vorhalt der Erstbehörde, warum der Beschwerdeführer nicht zur Polizei gegangen sei, habe er angegeben, er hätte Angst vor den Taliban gehabt. Die Polizei könne eine einzelne Person nicht vor den Übergriffen durch die Taliban schützen. Dies würde auch aus dem Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe hervorgehen.

Am 30.10.2018 wurden Integrationsunterlagen übermittelt:

organisatorischer Brandschutz für die Grundversorgungseinrichtungen der XXXX , eine Arbeitsbestätigung als Hausmeister im XXXX .

Am 12.12.2018 übermittelte der XXXX , als Rechtsvertreter, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 27.08.2015 zur Gefährdung ehemaliger Dolmetscher, wonach die Gefährdung trotz beendeter Tätigkeit fortbestehe, eine Bestätigung von vom 24.10.2018 über die erfolgreiche Absolvierung eines Deutschkurses auf dem Niveau A2 und ein Empfehlungsschreiben vom 15.12.2018.

Am 14.01.2019 wurden Arbeitsbestätigungen und ein Empfehlungsschreiben vorgelegt.

Mit 18.01.2019 wurden weitere Arbeitsbestätigungen und ein weiteres Empfehlungsschreiben übermittelt.

Am 22.01.2019 fand eine mündliche Verhandlung am BVwG statt, an welcher der Beschwerdeführer, sein Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin teilnahmen. Die belangte Behörde ist entschuldigt nicht erschienen. Der Beschwerdeführer bevollmächtigte den XXXX als Rechtsvertreter am 02.05.2017.

Der Rechtsvertreter legte zwei Empfehlungsschreiben und eine Mitgliedsbestätigung des XXXX vor.

Der Beschwerdeführer hielt sein bisheriges Vorbringen aufrecht. Er gab an, es habe einige Punkte gegeben, die er bei der Befragung nicht erzählen habe können. Er sei unter Druck gestanden und habe Punkte vergessen anzugeben, die für das Verfahren wichtig gewesen seien.

Nach der Einvernahme bei der belangten Behörde, sei Anfang 2018 sein Heimatdorf von den Taliban überfallen worden. Es habe sich alles sehr rasch ereignet. Menschen und Tiere seien auf eine unmenschliche, barbarische Art und Weise geschlachtet worden. Die Angehörigen des Beschwerdeführers hätten die Flucht in Richtung Kabul und in andere Provinzen angetreten.

Er gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an, sei als Moslem geboren worden, für ihn zähle die Menschlichkeit, die Religion steht für ihn nicht an erster Stelle. Er habe sich bereits als Jugendlicher in der Schule von der Religion distanziert, es seien Kriege im Namen der Religion Islam ausgeübt worden. Als der Beschwerdeführer in der Schule unterrichtet habe, habe er versucht seine Schüler positiv zu beeinflussen. Es sei ein Kampf gegen den Radikalismus gewesen. Der Beschwerdeführer habe sehr viel Leid im Namen der Religion, die sich Islam nenne, erfahren, Elend und sinnloses Töten. Der Beschwerdeführer habe bereits in der Heimat gegen die radikale Denkweise protestiert und etwas unternommen. Auch in seiner Unterkunft in Österreich, sei er für eine freie Umgangsweise gewesen. Ein Mensch könne nur positiv denken, wenn keine Regeln - die den Rückschritt bedeuten würden - zu befolgen seien. Der Beschwerdeführer gab an, dass Menschlichkeit an erster Stelle für ihn stünde, Religion führe zur Spaltung und zu Missverständnissen.

Auf die Frage des Richters, ob der Beschwerdeführer in Afghanistan wegen Nichtausübung der islamischen Religion bzw. wegen der Ablehnung eines radikalen Islams Probleme gehabt habe, antwortete er, er habe seine Meinung nicht frei äußern können. Er würde zurzeit keine neue Religion befolgen. Er würde so leben, dass man Menschen respektiere, eben auf seine Art und Weise. Er sei darauf bedacht, niemandem Schaden zuzufügen. Er habe verschiedene religiöse Veranstaltungen, wie das Weihnachtsfest besucht und habe Menschen beim Musizieren, Gitarre spielen und was all diese Feste bedeuten, zugehört. Er habe es als interessant und nicht einengend empfunden. Seiner Meinung nach, habe sich die westliche Welt nur weiterentwickeln können, weil die Religion nicht vorrangig gewesen sei.

Der Beschwerdeführer gab nachgefragt an, aus Afghanistan zu stammen. Er habe bis zu seinem siebenten Lebensjahr in seinem Geburts- und Heimatdorf gelebt. Ab seinem siebenten Lebensjahr habe er in Kabul weitergelebt, denn er habe sein Heimatdorf alleine verlassen müssen. Der Beschwerdeführer erzählte, dass er als Kind von einigen unbekannten Personen aus dem Heimatdorf entführt worden sei. Sie hätte Lösegeld verlangt, weil der Vater des Beschwerdeführers als Elektronikingenieur für die Russen gearbeitet habe. Er sei von seinen Entführern mit Schlagstöcken und Steinen misshandelt und an seiner Hand verletzt worden. Er habe auch einen Bruch im Unterarmbereich erlitten. Er habe vor Schmerzen geschrien. Die Entführer hätten alles auf Kassette aufgenommen und diese den Eltern zukommen lassen. Ihm sei nicht genau erzählt worden, wie er freigekommen sei. Es hätten sich Menschen in der Moschee versammelt, er sei dann auch zusammengebrochen und bewusstlos gewesen. Zu dieser Zeit seien die Mujaheddin in Kabul einmarschiert. Er sei verletzt auf einen Esel alleine nach Kabul zu seiner Schwester geschickt worden und bei ihr aufgewachsen. Seine Knochen am linken Unterarm seien schief zusammengewachsen. Auf die Frage des Richters, ob die Entführer beabsichtigten einen Bacha Bazi aus dem Beschwerdeführer zu machen oder nur an dem Lösegeld des Vaters interessiert gewesen seien, antwortete der Beschwerdeführer, er hätte vieles verdrängt, aufgrund der massiven Schmerzen, welche er gehabt hätte. Er habe in Kabul gelebt. Trotz seiner Angst habe er seine Eltern ein- bis zweimal in der Woche in seinem Heimatdorf besucht.

Der Beschwerdeführer gab an, er habe zwölf Jahre die Schule besucht. In diesen zwölf Jahren habe er auch eine Lehre als Schneider gemacht. Er sei er im XXXX als Lehrer ausgebildet worden. Anschließend habe der Beschwerdeführer als Lehrer die Fächer Mathematik, Geschichte und Englisch unterrichtet. Er könne die Dokumente vorweisen.

Auf die Frage des Richters, antwortete der Beschwerdeführer, seine Eltern seien noch am Leben. Aufgrund der heftigen Gefechte im Heimatdorf seien sie nach Kabul geflüchtet. Die Lebensumstände seien sehr schwierig und man hätte ständig Angst davor getötet zu werden. Er habe vier Schwestern und drei Brüder. Jene, die sich im Heimatdorf aufgehalten hätten, seien nunmehr nach Kabul geflüchtet. Die Häuser seien geplündert und dann angezündet worden. Zurzeit würden sich alle in Kabul aufhalten.

Er sei nicht verheiratet. Er sei in Mädchen verliebt gewesen und sei auch mit ihr zusammen gewesen. Aufgrund der negativen Entscheidung hätte er sich entschieden von ihr zu trennen. Das Mädchen sei in Afghanistan aufhältig.

Der Beschwerdeführer antwortete auf die Frage, ob er in Afghanistan Probleme mit staatlichen Behördenorganen gehabt hätte, er hätte darunter gelitten, dass der Staat korrupt sei und Anzeigen nicht ordnungsgemäß nachgehen würde.

Der Beschwerdeführer gab zu seiner Berufstätigkeit an:

Ab seinem zehnten oder elften Lebensjahr für die Dauer von sechs Monaten in einer Firma gearbeitet zu haben, welche Heizgeräte repariert bzw. hergestellt habe.

Ab der achten Schulstufe sei er Schneiderlehrling gewesen und könne Damen- als auch Herrenkleidung schneidern.

Ab seinem 19. Lebensjahr hätte er als Lehrer gearbeitet und nebenbei studiert.

Nachgefragt bestätigte der Beschwerdeführer seine Angaben bei der belangten Behörde, dass er als leitender Securitybediensteter und zuletzt als selbstständiger Stoffhändler tätig gewesen sei.

Aufgrund seines großen Interesses an der englischen Sprache sei er zu seiner Tätigkeit als Dolmetscher im Umfeld der US-Armee gekommen. Es habe ein Aufnahmeprozedere erfolgreich absolviert. Er habe von Februar 2010 bis Januar 2011 diese Tätigkeit in Kabul ausgeübt. Die Aufgabe habe darin bestanden, Kontrollpunkte zu überwachen und die afghanische Nationalarmee bestmöglich auszubilden. Bei seiner Tätigkeit hätte er die Amerikaner Schulter an Schulter begleitet und den Neuankömmlingen die Anweisungen auf Pashtu und auf Dari übersetzt. Ohne Personen, wie den Beschwerdeführer, hätten die Amerikaner weder überprüfen noch Informationen weiterleiten können. Es seien sogenannte Teams gebildet und ausgesendet worden.

Der Richter hielt dem Beschwerdeführer vor, das er bei der belangten Behörde ausgesagt habe, dass er diese Tätigkeit bis Mitte 2011 ausgeübt habe, heute habe er als Ende der Dolmetschertätigkeit Jänner 2011 angegeben. Der Beschwerdeführer antwortete, dass er bereits damals angegeben habe, dass er die Monate nicht genau kennen würde, aber soweit er sich erinnern könne, hätte er gesagt, dass er im Februar angefangen und im Jänner diese Arbeit aufgegeben habe.

Er sei damals nicht persönlich bedroht worden. Seine Arbeitsgruppe sei gefährdet gewesen, denn Kollegen und Vorgesetzte seien getötet worden. In Kabul sei im Sommer 2010 eine Handgranate geworfen worden und ein Splitter habe seine Finger getroffen. Er wisse aber nicht, ob der Anschlag gezielt gegen ihn gerichtet gewesen sei. Er habe das bei seinem Fluchtvorbringen auch nicht extra erwähnt, weil er sich nicht sicher gewesen sei, ob der Anschlag tatsächlich gegen seine Person gerichtet war. Er hätte seine Tätigkeit weitergemacht, weil junge Männer und Frauen aus dem Westen, auch aus Europa gekommen seien, um eine Besserung für Afghanistan zu bewirken. Er habe nicht die Angst gewinnen lassen wollen. Er sei stolz darauf gewesen, an der Seite zu arbeiten, die gegen den Radikalismus, gegen die Korruption vorgehen würden.

Auf die Frage des Richters, aus welchen Gründen er die Dolmetschertätigkeit wieder beendet habe, antwortete der Beschwerdeführer, seine Mutter sie sei stets in Sorge gewesen, wenn sie aus den Nachrichten erfahren hätte, dass irgendwo in Afghanistan wieder ein Dolmetscher getötet worden sei. Er würde seine Mutter und ihre offene Denkweise sehr schätzen.

Seine Probleme wegen der Dolmetschertätigkeit hätten im April 2015 angefangen. Das Elternhaus sei gegen Abend von bewaffneten Taliban angegriffen worden. Die Taliban hätten mit den Füßen und mit den Händen gegen die Haustüre getreten, bis der Vater des Beschwerdeführers die Haustüre geöffnet habe. Einer der Männer habe gerufen, ob T. der Spion, der Amerikaner anwesend sei. Der Vater sei nervös geworden und habe gefragt, was denn los sei. Die Männer hätten das Haus gestürmt, alles durcheinandergebracht und herumgewühlt. Sie seien auf der Suche nach dem Beschwerdeführer gewesen und hätten seinen Namen gerufen. Sie hätten den Beschwerdeführer als Spion beschimpft und ihn mit perversen Ausdrücken bedacht. Der Beschwerdeführer habe seiner Mutter ein Mobiltelefon geschenkt, damit sie Familienfotos und Fotos von ihm anschauen könne. Die Mutter sei in Panik geraten und habe geweint und geschrien. Die Männer hätten ihr gesagt, ihr Sohn sei vom Islam abgefallen, er sei ein Spion und sie hätten das Recht ihn zu töten. Die Mutter habe ihr Mobiltelefon an sich nehmen wollen, damit die Männer nicht die Fotos sehen könnten. Die Männer seien handgreiflich geworden und hätten die Mutter des Beschwerdeführers mit einem Kolben einer Kalaschnikow auf die Schulter getroffen. Daraufhin sei sie zu Boden gestürzt. Nachdem die Männer den Beschwerdeführer nicht gefunden hätten, seien sie abgezogen. Da die Mutter Lähmungserscheinungen bekommen habe, sei sie am nächsten Tag, in Begleitung des Vaters und des Onkels mütterlicherseits nach Kabul aufgebrochen. Der Beschwerdeführer sei von seinen Eltern angerufen worden und habe seine Mutter im Krankenhaus in Kabul besucht. Die Mutter des Beschwerdeführers habe einen Bruch im Schulterbereich erlitten. Sie könne ihren Arm nicht vollständig hochheben. Die Eltern des Beschwerdeführers hätten den Vorfall geschildert und gesagt, dass es die Taliban gewesen seien und sie den Beschwerdeführer töten würden.

Der Richter hielt dem Beschwerdeführer vor, dass er bei der belangten Behörde angegeben habe, dass seine Mutter "mit einem Kolben" geschlagen worden sei, andererseits, dass sie in Folge der Schläge eine Stiege hinuntergestürzt sei. Der Beschwerdeführe antwortet, dass sie zuerst mit einem Gewehrkolben geschlagen worden sei. In Folge sei sie ausgerutscht und die Treppen hinuntergestürzt. Der Beschwerdeführer erläuterte, dass ihm erzählt worden sei, dass es auch am Tag des Vorfalls geregnet habe.

Auf die Frage des Richters, warum diese Bedrohung erst mehr als dreieinhalb Jahre nach Beendigung der Dolmetschertätigkeit angefangen habe, meinte der Beschwerdeführer, die Taliban seien auf Rache aus. Der Abzug der Amerikaner würde den Taliban Raum für ihre Entfaltung geben. Er sei auch davon überzeugt, dass er verraten worden sei. Die Taliban hätten auch offiziell verkündet, dass jene Personen, die den Islam leugnen würden, vor den Amerikaner getötet werden würden.

Der Beschwerdeführer habe sich danach in Kabul aufgehalten. Es sei ihm psychisch gesehen sehr schlecht gegangen. Er habe am ganzen Körper gezittert, nachdem er seine Mutter gesehen hätte und ihm erzählt worden sei, was geschehen sei. Er sei sich bewusst gewesen, dass seine Mutter wegen ihm all das über sich ergehen habe lasse müssen. Am nächsten Tage habe sein Cousin mütterlicherseits angerufen und ihn mitgeteilt, dass er am Bazar, an mehreren Stellen, Fotos von dem Beschwerdeführer gesehen habe. Auf einem Zettel sei darunter in Handschrift mit Tusche geschrieben gestanden: "Vom Islam abgefallen, ein Verräter, ein Spion". Der Beschwerdeführer gab an, er könne so einen Zettel nicht vorlegen, er sei nicht darauf vorbereitet gewesen, dass man Aufnahmen von ihm veröffentlichen würde. Er hätte sich immer gedacht, dass die Menschen in der ländlichen Region auch technisch unterentwickelt seien. Sein Cousin habe ihn ein- bis zweimal angerufen, es sei dem Beschwerdeführer sehr schlecht gegangen. Er hat einmal den Bruder des Beschwerdeführers kontaktiert und habe anschließend den Beschwerdeführer sprechen wollen. Der Beschwerdeführer sei überfordert gewesen und sei in Panik geraten.

Der Richter hielt dem Beschwerdeführer vor, dass er vor der belangten Behörde einerseits davon gesprochen habe, dass ihn sein Cousin nur einmal angerufen habe. Andererseits habe er dort auch angegeben, dass er mehrmals vom Cousin angerufen worden sei. Welche Aussage würde stimmen? Der Beschwerdeführer gab an, dass der Cousin ihn einmal direkt kontaktiert habe und das, was er erzählt habe, habe den Beschwerdeführer den Boden unter den Füßen weggerissen. Der Cousin habe dann über die Geschwister des Beschwerdeführers versucht, mehrere Mal mit dem Beschwerdeführer zu sprechen.

Der Beschwerdeführer erklärte nachgefragt, dass er 2012 oder 2013 telefonisch einmal persönlich bedroht worden sei. Der Anrufer hätte dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass er "ungläubig" sei, sowie seine eigene Religion und Identität leugnen würde. Es sei seine Pflicht, sich am "Heiligen Krieg" zu beteiligen. Der Beschwerdeführer wisse nicht, wer der Anrufer gewesen sei. Dieser habe mit unbekannter Nummer angerufen. Es sei eine männliche Stimme gewesen. Bei diesem Gespräch sei ihm auch ein Vers aus dem Koran vorgetragen und ihm vorgehalten worden, er sei kein Moslem. Der Beschwerdeführer habe alles mit "Ja" und "OK" beantwortet. Dieses Telefonat sei eine Vorwarnung gewesen, die erste Stufe. Er habe das Telefongespräch beendet und sich nicht mehr darum gekümmert.

Auf die Frage des Richters, warum er bei Erstbefragung vor der Polizei nichts von den Problemen seiner Familie mit den Taliban erwähnt hätte, antwortete der Beschwerdeführer er hätte es erwähnt. Der Richter gab dem Beschwerdeführer den wesentlichen Inhalt des bei der Erstbefragung angegeben Fluchtgrundes wieder. Der Beschwerdeführer erklärte, er hätte auch erwähnt, dass das Haus überfallen worden sei und dass man hinter ihm her gewesen sei.

Der Beschwerdeführer gab an, keinen direkten Kontakt mit den Taliban gehabt zu haben, denn dieser Umstand wäre sein Tod gewesen. Es wäre für die Taliban, nach ihrer Ideologie, ein Sieg gewesen, wenn sie den Beschwerdeführer auslöschen hätten können.

Der unmittelbare Anlass für die Ausreise des Beschwerdeführers, sei der Überfall auf das Elternhaus und die Verletzung seiner Mutter gewesen. Er habe seine Heimat sehr geliebt und nicht geplant, sie zu verlassen. Darüber hinaus, habe das Mädchen, welches er geliebt habe, dort gelebt. Er habe im zweiten Monat nach dem afghanischen Kalender (D: 21.04. - 21.05.2015) die Heimat verlassen. Er habe illegal mit Schlepperhilfe über den Iran seine Reise angetreten. Es sei eine schwierige Flucht gewesen. Er sei nicht mit seinem Mädchen ausgereist, weil die Kultur in Afghanistan sehr streng sei. Er hätte dem Mädchen sehr geschadet, wenn er sie motiviert hätte, unerlaubter Weise mit ihm mitzugehen. Es wäre eine weitere Straftat gewesen.

Er würde mit seiner Mutter telefonisch in Kontakt stehen. Er habe Mitleid mit ihr, sie sei sehr geschwächt. Er würde sich nach dem Wohlergehen seiner Mutter erkundigen. Sie sei auch nach Indien geflogen, um dort wegen ihrer fortgeschrittenen Lähmung behandelt zu werden.

Er versuche seine psychischen Probleme durch Fitness zu umgehen. Er habe genug Energie um nicht in Selbstmitleid zu verfallen.

Auf die Frage des Richters, was er in Österreich mache, antwortete der Beschwerdeführer in seiner Unterkunft in Tirol habe er für etwa 60 Neuankömmlinge, im Büro übersetzt. In einer etwas größeren Unterkunft in Innsbruck habe er die Putzkolonne kontrolliert und sei zum Hausmeister ernannt worden. Diese Tätigkeit hätte er ungefähr zweieinhalb Jahre ausgeübt. Er hätte sich um defekte Türen, Fenster, Waschbecken und alles, was sonst angefallen, gekümmert. Danach hätte er für den Magistrat die Grünanlage gepflegt. Der Beschwerdeführer habe in einem Fitnessstudio trainiert. Die Leiterin des Fitnessstudios habe den Beschwerdeführer gefragt, ob er Interesse daran hätte, als Sicherheitsperson dort zu arbeiten. Zurzeit würde er als Security in einer Flüchtlingsunterkunft arbeiten.

Der Beschwerdeführer gab an, er habe Deutschkurse besucht, auch die, die von der Unterkunft veranstaltet worden seien. Er habe den A2-Kurs abgeschlossen. Er sei sprachlich aber nicht sehr begabt. Er würde Sport betreiben um zielstrebig zu sein. Es sei ihm bewusst, dass er die Sprache gut erlernen müsse, um auf den eigenen Beinen stehen zu können.

Der Beschwerdeführer könne keine Vereinsmitgliedschaften vorweisen, er lebe die Freiheit als Mensch aus, ungebunden zu sein. Er hätte eine positive Einstellung und das, was ich wisse, versuche er auch über "Facebook" zu verbreiten. Er hätte zahlreiche österreichische Freunde.

Der Beschwerdeführer gab an, wenn er nach Afghanistan zurückkehren müsste, würde ihm das zustoßen, was seinen Freunden zugestoßen sei, die zuerst gequält und dann getötet worden seien. Es sei ihm bewusst, dass jeder Mensch sterben werde, er wolle aber nicht durch diese Leute getötet werden. Seit über 30 Jahren werde im Namen des Islams getötet, kleine Kinder kämen zu Schaden, und es werde den Menschen die Lebensgrundlage weggenommen.

Auf die Frage des Richters, ob er nicht wieder nach Kabul zurückkehren könne, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbracht hätte, die engsten Familienangehörigen aufhältig seien und er nicht unmittelbar persönlich bedroht worden sei, antwortete der Beschwerdeführer, er wolle Gerechtigkeit, respektiere die Gesetzeslage und die Entscheidung, die getroffen werde. Man hätte ihn in Afghanistan getötet, wenn man seiner habhaft geworden wäre, seine Mutter sei misshandelt worden. Er wolle nicht getötet werden. Eine Rückkehr würde für ihn zu 100 % bedeuten, dass er getötet werde. Es werde ihm vorgeworfen, dass er die Feinde der Taliban, die Amerikaner, unterstützt hätte. Es sei auch dem amerikanischen Kongress und den Senatoren bekannt, dass in erster Linie, Übersetzer Zielscheiben seien. In offiziellen Aussendungen würde dieser Umstand bekanntgegeben werden.

Der Beschwerdeführer gab an, er könne nicht nach Mazar-e Sharif oder Herat gehen, denn im Bazar sei er als ein Verräter dargestellt worden. Er erklärte, dass die Mullahs, die die radikale Schiene verfolgen würden, sich überall befänden, somit würde er in ganz Afghanistan keine Sicherheit haben. Unlängst hätten die Radikalen eine Feuerpause von drei Tagen angekündigt und tatsächlich sei kein einziger Vorfall während diesen drei Tagen aufgezeichnet worden. Daran merke man, über wieviel Macht die Radikalen verfügen würden.

Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers erkundigte sich wieviel Geld der Beschwerdeführer als Dolmetscher verdient habe. Er habe 715 US-Dollar verdient. Wenn es mehrere Missionen in Kabul bzw. in der Umgebung gegeben habe, vor allem nachts über, da habe der Beschwerdeführer wesentlich mehr verdient. Die Familie des Beschwerdeführers würde ein Eigentumshaus und ausreichend Geld besitzen. Sie würden den Beschwerdeführer hier in Österreich unterstützen. Er habe Afghanistan nicht aus wirtschaftlichen Gründen verlassen. Er habe ein gutes Leben gehabt und einen Neuwagen gefahren.

Er habe sich in Österreich nicht strafbar gemacht, jedoch habe er aus Unkenntnis einmal vergessen eine Fahrkarte im Bus zu erstehen und sei bestraft worden.

In Österreich, wolle er bei einem Fitnesstrainerausbildung machen. Er trainiere seit drei Jahren in einem Fitnessstudio und habe dadurch die Grundvoraussetzungen erworben. Er werde sich aber nicht mit einer Arbeit zufriedengeben geben. Er könne auch als Sicherheitsperson arbeiten, das hänge von der Entscheidung in diesem Verfahren ab. Danach werde er sich beruflich entwickeln.

Auf die Frage des Richters, ob der Beschwerdeführer alles angegeben habe, antwortete er, er hätte alles angegeben, wobei er nicht frei von Fehlern sei. Er würde ihm passieren, dass ihm Dinge entfallen, er hätte jedoch dem Richter die Wahrheit erzählt. Er hätte sich mit niemandem beraten, sondern nur das Vorgefallene erzählt. Es sei im wichtig, dass er sich selbst in den Spiegel schauen könne. Er habe nichts ausgeschmückt. Er hätte keinerlei Sicherheit in irgendeiner Provinz, denn seine Fotos seien veröffentlicht worden.

Anm. Beschwerdeführer war bei der Erzählung von seiner Mutter sehr emotional, er hat geweint.

Am 29.01.2019 übermittelte der Rechtsvertreter eine Stellungnahme des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer bezog sich auf BVwG W 104 217862-1. Hier wurde auf die UNHCR Eligibility Guidelines v.

Aug. 2018 Bezug genommen: "Dolmetscher, die für die amerikanische Armee gearbeitet habe, stellen herausragende Ziele der Taliban dar und können in ganz Afghanistan gefunden und mit dem Tod bedroht

werden. ... Der Beschwerdeführer würde sich daher bei seiner

Rückkehr einer exzeptionellen, akuten Bedrohungssituation durch regierungsfeindliche Kräfte ausgesetzt sehen. Seine Furcht ist daher wohlbegründet, aus politischen Gründen verfolgt zu werden, zumal der Staat ihm aufgrund der Fähigkeit des Taliban-Geheimdienstes, ihn aufzuspüren und der Durchsetzung des Staatsapparates mit

Taliban-Spionen keinen effektiven Schutz gewähren kann." ... "Eine

innerstaatliche Fluchtalternative besteht für ihn nicht, weil im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan von einer derartigen Verfolgung auszugehen wäre. ..."

Der Beschwerdeführer sei der einzige Übersetzer aus seinem Dorf für die internationalen Streitkräfte und die Amerikaner gewesen. Dies sei auf den Stützpunkten und außerhalb der Heimatprovinz bekannt gewesen. Für den Fall, dass der Beschwerdeführer durch Taliban, deren Unterstützer, Helfer oder ähnliches entdeckt werden würde, würde das eine massive Verfolgung nach sich ziehen, wobei er als Verräter mit Übergriffen bis zu Ermordung zu rechnen hätte. Das Netzwerk der Taliban sei dicht und betreffe ganz Afghanistan.

Der Beschwerdeführer sei seit mehreren Jahren in Österreich aufhältig und sei um eine Integration in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht bemüht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und wurde am XXXX im Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Parwan geboren, wo er nur bis zum sechsten Lebensjahr lebte. Anschließend hielt er sich bis zu seiner Ausreise in Kabul auf. Er ist sunnitischer Moslem, hat aber sehr liberale bzw. distanzierte Ansichten zur Religion. Bereits als Kind wurde er entführt.

Er hat zwölf Jahre lang die Schule besucht, aber auch eine Schneiderlehre absolviert und in der Folge eine Lehrerausbildung für Mathematik, Geschichte und Englisch erhalten. Er ist ledig und hat keine Kinder. Seine Eltern, vier Schwestern und drei Brüder leben alle in Kabul. Nach mehreren anderen beruflichen Tätigkeiten hat der Beschwerdeführer 2010/2011 als Dolmetscher im Nahebereich der US-Armee gearbeitet. Während seiner Dolmetschertätigkeit hatte er keine Probleme, zum Beispiel mit den Taliban. Er beendete diese aber aus Rücksicht auf seine Mutter, die große Angst um ihn hatte, nachdem immer wieder Meldungen über die Ermordung von Dolmetschern aufgetaucht sind. Im April 2015 wurde dann das Haus seiner Eltern während seiner Abwesenheit von den Taliban auf der Suche nach dem Beschwerdeführer gestürmt, wobei dieser (in Abwesenheit) beschimpft und bedroht wurde. Seine Mutter wurde misshandelt und schwer verletzt und leidet sie nach einem Armbruch nach wie vor unter Lähmungserscheinungen. In der Folge tauchten dann im Bazar Fotos von dem Beschwerdeführer mit dem Text "Vom Islan abgefallen - ein Verräter und Spion" auf. Weiters wurde der Beschwerdeführer telefonisch bedroht, wobei ihm auch der Abfall vom Glauben vorgehalten wurde.

Der Beschwerdeführer verließ dann im April/Mai 2015 Afghanistan und ließ seine damalige Freundin zurück. Der Beschwerdeführer hat in Österreich schon als Hausmeister, Freiflächenarbeiter und Securitymitarbeiter gearbeitet. Er geht regelmäßig ins Fitnesstudio und hat auch dort schon als Security gearbeitet. Er möchte in Österreich eine Ausbildung machen und in der Folge als Fitnesstrainer arbeiten. Er hat Deutschkurse bis A2 abgeschlossen, aber noch kein Diplom erworben, verfügt aber über einen großen österreichischen Freundes- und Bekanntenkreis. Er leidet unter keinen schwerwiegenden organischen oder psychischen Problemen und führt auch in Österreich kein Familienleben. Der Beschwerdeführer ist unbescholten.

Zu Afghanistan wird folgendes verfahrensbezogen festgestellt:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

Quellen:

CNN - Cable News Network (27.1.2019): US-Taliban peace talks in Doha a 'significant step',

https://edition.cnn.com/2019/01/27/asia/us-taliban-afghan-peace-talks-doha-intl/index.html.

Zugriff

31.1.2019

DP - Die Presse (28.1.2019): Afghanistan vor dramatischer Wende,

https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5570225/Afghanistan-vor-dramatischer-Wende.

Zugriff 31.1.2019 FP - Foreign Policy (29.1.2019): Will Zalmay Khalilzad Be Known as the Man Who Lost Afghanistan?, https://foreignpolicy.com/2019/01/29/will-zalmay-khalilzad-be-known-as-the-manwho-lost-afghanistan-envoy-taliban/. Zugriff 31.1.2019

IM - Il Messaggero (28.1.2019): Afghanistan. fonti Difesa: "Entro un anno via truppe italiane". Moavero: "Apprendo ora". Lega: "Nessuna decisione",

https://www.ilfattoquotidiano.it/2019/01/28/afghanistan-entro-un-anno-ritiro-del-contingente-

italiano-moavero-lo-apprendo-ora-trenta-non-ne-ha-parlato-con-me/4930395/. Zugriff 31.1.2019

Internazionale (30.1.2019): La trattativa in Afghanistan arriva con 17 anni di ritardo,

https://www.internazionale.it/opinione/gwynne-dyer/2019/01/30/trattativa-afghanistan-ritardo.

Zugriff 31.1.2019

NYT - The New York Times (28.1.2019): U.S. and Taliban Agree in Principle to Peace Framework. Envoy Says.

https://www.nytimes.com/2019/01/28/world/asia/taliban-peace-deal-afghanistan.html. Zugriff 31.1.2019

Tolonews (28.1.2019): US Peace Envoy Visits Kabul To Consult On Talks With Taliban.

https://www.tolonews.com/afghanistan/us-peace-envoy-visits-kabul-consult-talks-taliban.

Zugriff

31.1.2019

WP - The Washington Post (30.1.2019): The real challenge for Afghanistan isn't negotiating with the Taliban.

https://www.washingtonpost.com/opinions/global-opinions/the-real-challenge-forafghanistan-isnt-negotiating-with-the-taliban/2019/01/30/12229732-23ee-11e9-ad53-

824486280311 story.html?noredirect=on&utm term=.b049b43b3c79. Zugriff 31.1.2019

Kommentar:

Die Lage vor Ort wird weiterhin beobachtet und gegebenenfalls wird mit weiteren Kurzinformationen reagiert.

KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am

zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.- amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

Quellen:

AJ - Al Jazeera (20.1.2019): Taliban attack in Afghanistan's Logar kills eight security forces,

https://www.aljazeera.com/news/2019/01/taliban-attack-afghanistan-logar-kills-security-forces-

190120093626695.html. Zugriff 22.1.2019

IM - Il Messaggero (22.1.2019): Afghanistan, sangue sul disimpegno Usa: autobomba dei talebani contro scuola militare, 130 vittime,

https://www.ilmessaggero.it/pay/edicola/afghanistan autobomba morti talebani-4246561.html,

Zugriff 22.1.2019

NYT - The New York Times (21.1.2019): After Deadly Assault on Afghan Base, Taliban Sit for Talks With U.S. Diplomats, https://www.nytimes.com/2019/01/21/world/asia/afghanistan-talibanattack-intelligence-wardak.html. Zugriff 22.1.2019

Reuters (15.1.2019): Afghan Taliban claim lethal car bomb attack in

Kabul.https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast-idUSKCN1P909T. Zugriff 22.1.2019

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (14.1.2019): Four Killed, 90 Wounded In Kabul CarBomb Attack, https://www.rferl.org/a/huge-blast-rocks-foreign-compound-in-kabul/29709334.html. Zugriff 22.1.2019

TG - The Guardian (21.1.2019): Taliban kill 'more than 100 people' in attack on Afghan military base, https://www.theguardian.com/world/2019/jan/21/taliban-kill-more-than-100-in-attack-onafghan-military-base, Zugriff 22.1.2019

TN - The National (15.1.2019): Kabul attack: Taliban Claims truck bomb and warns of more to follow, https://www.thenational.ae/world/mena/kabul-attack-taliban-claims-truck-bomb-and-warns-

of-more-to-follow-1.813516. Zugriff 22.1.2019

Tolonews (21.1.2019) US, Taliban Hold Talks In Qatar With Peace Still Distant,

https://www.tolonews.com/afghanistan/us-taliban-hold-talks-qatar-peace-still-distant. Zugriff 22.1.2019

KII vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabu l

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den

verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach den Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018)

Quellen:

AJ - Al Jazeera (30.12.2018): Afghan presidential elections postponed until July 20: official, https:// www.aljazeera.com/news/2018/12/afghan-presidential-elections-postponed-july-20-official-

181230185336213.html, Zugriff 8.1.2019

AJ - Al Jazeera (25.12.2018): Kabul attack: Gunmen storm government building, kill dozens,

https://www.aljazeera.com/news/southasia/2018/12/gunmen-storm-kabul-government-compound-

gun-battle-ensues-181224115249492.html, Zugriff 8.1.2019

IEC - Independent Electoral Commission (o.D.): 2018 Afghanistan Wolesi Jirga Elections, http://www.iec.org.af/results/en/home, Zugriff 17.12.2018

NYT - The New York Times (24.12.2018): Militants Storm Afghan Offices in Kabul, Killing Dozens, https://www.nytimes.com/2018/12/24/world/middleeast/kabul-militant-attack.html. Zugriff 8.1.2019

ORF - Österreichischer Rundfunk (24.12.2018): Tote bei Angriff auf Regierungsgebäude in Kabul, https://orf.at/stories/3105448/, Zugriff 8.1.2019

Reuters (30.12.2018): Afghanistan to delay presidential election to July: election body,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-election/afghanistan-to-delay-presidential-election-

to-july-election-body-idUSKCN1OT0FR. Zugriff 8.1.2018

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (6.12.2018): Afghan Commission Invalidates All Kabul Votes In October Parliamentary Election, https://www.rfer!.org/a/afghan-commission-invalidates-allkabul-votes-in-october-parliamentary-election/29640679.html. Zugriff 17.12.2018

TAZ - Die Tageszeitung (6.12.2018): Erste Wahl, dann das Chaos,

https://www.taz.de/Parlamentswahl-in-Afghanistan/!5553677/, Zugriff 17.12.2018

Telepolis (15.12.2018): Chaos nach Parlamentswahlen, https://www.heise.de/tp/features/Chaosnach-Parlamentswahlen-4248743.html, Zugriff 17.12.2018

Tolonews (7.1.2019) IEC Accused of Making 'Fake Result Sheets' For Polling Stations,

https://www.tolonews.com/elections-2018/%E2%80%98iec-make-fake-result-sheets-polling-

stations%E2%80%99, Zugriff 8.1.2019

Tolonews (25.12.2018): Kabul Attack Death Toll Rises To 43,

https://www.tolonews.com/afghanistan/kabul-attack%C2%A0death-toll-rises-43. Zugriff 8.1.2019

Tolonews (12.12.2018): IEC Resumes Recounting Of Kabul Votes Under New Method,

https://www.tolonews.com/index.php/elections-2018/iec-resumes-recounting-kabul-votes-under-

new-method, Zugriff 17.12.2018

Tolonews (8.12.2018): IECC Conditions Decision To Review Kabul Votes,

https://www.tolonews.com/index.php/elections-2018/iecc-conditions%C2%A0decision

%C2%A0%C2%A0review-kabul-votes. Zugriff 17.12.2018

WP - The Washington Post (30.12.2018): Afghanistan's presidential elections delayed until July,

https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistans-presidential-elections-delayed-

until-julv/2018/12/30/038faea0-0c45-11e9-8f0c-6f878a26288a storv.html?

noredirect=on&utm term=.07428f9afbb6, Zugriff 8.1.2019

ZO - Zeit Online (24.12.2018): Mindestens 32 Tote bei Angriff in Kabul,

https://www.zeit.de/news/2018-12/24/mindestens-32-tote-bei-angriff-in-kabul-181224-99-340827.

Zugriff 8.1.2018

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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