TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/13 G310 2173970-1

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Veröffentlicht am 13.03.2019
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Entscheidungsdatum

13.03.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

G310 2173970-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, slowakische Staatsangehörige, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.09.2017, Zahl XXXX, wegen einer Ausweisung, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid

ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Schreiben vom 01.09.2017, wurde die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Niederösterreich, von der Einleitung eines Aufenthaltsbeendigungsverfahrens in Kenntnis gesetzt, und diese zugleich zur dahingehenden Stellungnahme binnen zwei Wochen aufgefordert.

Mit am 14.09.2017 beim BFA eingelangten Schreiben nahm die BF dazu Stellung und legte unter anderem eine Kopie ihrer e-card, einen Mietvertrag vom 21.11.2008 und einen Kontoauszug (Stand 31.03.2017) vor.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA, durch Hinterlegung zugestellt am 05.10.2017, wurde die BF gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.). Die Ausweisung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die BF weder Arbeitnehmerin noch Selbstständige sei und nicht über ausreichende Existenzmittel verfüge.

Mit am 17.10.2017 beim BFA eingelangten Schreiben, erhob die BF Beschwerde gegen den zuvor genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG). Darin wurde zusammenfassend ausgeführt, dass die BF ab 2008 teilweise in Österreich und der Slowakei gelebt habe, nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahr 2010 habe sie die Eigentumswohnung in der Slowakei um Euro 48.900,- verkauft und ihren Lebensmittelpunkt seither in Österreich. Sie habe am 07.04.2017 eine Anmeldebescheinigung beantragt und sei diese anhand der vorgelegten Unterlagen ausgestellt worden. Die Situation habe sich seitdem nicht verändert. Die Ausgleichszulage habe sie nicht beantragt, weil sie die Ausgleichszulage brauche, sondern weil sie die Ausgleichszulage haben wolle. Ihr Sohn lebe seit Juli 2017 mit ihr gemeinsam in der seit 2008 gemieteten Wohnung, da er seit August 2017 in Österreich arbeite.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 19.10.2017 vom BFA vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum) und ist slowakische Staatsangehörige. Die BF verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache.

Die BF ist seit XXXX.2008 in XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet. Die BF ist verwitwet und bewohnt gemeinsam mit ihrem volljährigen Sohn eine Mietwohnung in XXXX.

Am 07.04.2017 stellte die BF einen Erstantrag auf eine Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger gemäß § 53 NAG und wurde ihr diese mit 07.04.2017 ausgestellt.

Die BF bezieht vom slowakischen Staat eine Altersrente in Höhe von (iHv) Euro 339,70 und eine Witwenpension iHv Euro 125,90, somit insgesamt einen Pensionsbetrag iHv Euro 465,60 (Stand 01.01.2017). Seit 27.02.2017 ist die BF bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (im Folgenden: NÖGKK) mit "Auslandsbetreuter Wohnsitz in Österreich" registriert.

Die BF verfügt auf ihrem Konto, lautend auf ihren Namen, bei der XXXX über ein Guthaben iHv ca. Euro 34.000.

Die BF bezog zu keinem Zeitpunkt ihres Aufenthalts in Österreich Sozialleistungen und erweist sich in strafrechtlicher Hinsicht als unbescholten.

Am 04.05.2017 stellte die BF bei der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA), Landesstelle Niederösterreich, einen Antrag auf Pensionsausgleichszulage. Die gegen den abweisenden Bescheid der PVA beim Landesgericht XXXX als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachte Klage wurde von der BF mit 18.01.2018 zurückgezogen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Das BVwG nahm zudem Einsicht in das Fremdenregister, das Strafregister und das Zentrale Melderegister der Republik Österreich und holte weiters einen Sozialversicherungsdatenauszug ein.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität (Name, Geburtsdatum) und Familienstand der BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die Feststellungen zum Aufenthalt und zur Hauptwohnsitzmeldung in Österreich, zur Versicherungsmeldung bei der NÖGKK, zu den vom slowakischen Staat ausbezahlten Pensionsbezügen und zu dem Kontoguthaben der BF beruhen auf den Feststellungen im Bescheid in Zusammenschau mit den im Akt inneliegenden Unterlagen. Die Feststellungen zu den Lebensumständen und den familiären Anknüpfungspunkten der BF in Österreich ergeben sich überwiegend aus den diesbezüglichen glaubhaften Angaben der BF in der Beschwerde und werden diese durch die vorgelegten Unterlagen (Mietvertrag, Anmeldebescheinigung des Sohnes) bestätigt und untermauert. An der Echtheit und Richtigkeit dieser Nachweise sind auch keine Zweifel entstanden.

Der Nichtbezug von Sozialleistungen ergibt sich aus dem Inhalt des die BF betreffenden Sozialversicherungsauszuges und folgt die strafgerichtliche Unbescholtenheit der BF dem Amtswissen des erkennenden Gerichts (Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich).

Die Feststellung, dass die Klage gegen den abweisenden Bescheid der PVA von der BF zurückgezogen wurde, ergibt sich aus der entsprechenden Mitteilung des Landesgerichtes XXXX vom 13.12.2018 (OZ 4).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die belangte Behörde hat mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid gegen die BF eine Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, iVm. § 55 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, ausgesprochen und diese damit begründet, dass der BF das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht in Österreich von mehr als drei Monaten gemäß § 51 Abs. 1 NAG nicht zukomme, weil sie weder über ausreichende Existenzmittel verfüge noch einer Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmerin nachgehe.

Die Anwendung der für den gegenständlichen Sachverhalt maßgeblichen Rechtslage ergibt Folgendes:

Die BF ist aufgrund ihrer slowakischen Staatsangehörigkeit EWR-Bürger iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 66 Abs. 1 FPG können EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat gemäß § 66 Abs. 2 FPG das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

Gemäß § 66 Abs. 3 FPG ist die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Gemäß § 51 Abs. 1 NAG ("Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate") sind EWR-Bürger auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind (Z 1); für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen (Z 2), oder als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen (Z 3).

Der mit "Anmeldebescheinigung" betitelte § 53 NAG lautet:

"§ 53. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), haben, wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen.

(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass sowie folgende Nachweise vorzulegen:

1. nach § 51 Abs. 1 Z 1: eine Bestätigung des Arbeitgebers oder ein Nachweis der Selbständigkeit;

2. nach § 51 Abs. 1 Z 2: Nachweise über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz;

3. nach § 51 Abs. 1 Z 3: Nachweise über die Zulassung zu einer Schule oder Bildungseinrichtung und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz sowie eine Erklärung oder sonstige Nachweise über ausreichende Existenzmittel;

4. nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;

5. nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern ab Vollendung des 21. Lebensjahres und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung;

6. nach § 52 Abs. 1 Z 4: ein Nachweis des Bestehens einer dauerhaften Beziehung mit dem EWR-Bürger;

7. nach § 52 Abs. 1 Z 5: ein urkundlicher Nachweis einer zuständigen Behörde des Herkunftsstaates der Unterhaltsleistung des EWR-Bürgers oder des Lebens in häuslicher Gemeinschaft oder der Nachweis der schwerwiegenden gesundheitlichen Gründe, die die persönliche Pflege durch den EWR-Bürger zwingend erforderlich machen."

Der mit "Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern" betitelte § 53a NAG lautet:

"§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

1. Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2. Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3. durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1. zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2. sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3. drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1. sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2. der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder

3. der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat."

Der mit "Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate" betitelte § 55 NAG lautet:

"(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs 3 und 54 Abs 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Wie den von der BF in Vorlage gebrachten Unterlagen, aber auch dem Datenbestand aus der Sozialversicherung entnommen werden kann, bezieht die BF eine monatliche (slowakische) Pension von Euro 465,60, hat die BF auf ihrem Konto über ein Guthaben von ca. Euro 34.000, verfügt die BF über umfassenden Krankenversicherungsschutz und hat im Bundesgebiet weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage bezogen.

Bei der Beurteilung, ob ein Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 lit. b der Freizügigkeitsrichtlinie - in Österreich umgesetzt durch § 51 Abs. 1 Z 2 NAG 2005 - in Anspruch nehmen zu können, ist eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation jedes Betroffenen vorzunehmen, ohne die beantragten Sozialleistungen zu berücksichtigen, was notwendig impliziert, dass die Beantragung von Sozialleistungen und allenfalls ein Bezug derselben nicht schon per se bedeutet, dass keine ausreichenden Existenzmittel vorliegen (vgl. EuGH 11.11.2014, Dano, C-333/13; EuGH 19.09.2013, Brey, C-140/12). (VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0047)

Nach Art. 8 Abs. 4 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38 EG) dürfen die Mitgliedstaaten keinen festen Betrag für die Existenzmittel festlegen, die sie als ausreichend betrachten, sondern müssen die persönliche Situation des Betroffenen berücksichtigen. Demgemäß ist bei der Beurteilung, ob ein Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 lit. b der Freizügigkeitsrichtlinie in Anspruch nehmen zu können, eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation jedes Betroffenen vorzunehmen (vgl. EuGH (Große Kammer) 11.11.2014, Dano, C-333/13). Die Mitgliedstaaten können zwar einen bestimmten Betrag als Richtbetrag angeben, sie können aber nicht ein Mindesteinkommen vorgeben, unterhalb dessen ohne eine konkrete Prüfung der Situation des einzelnen Betroffenen angenommen würde, dass er nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt (vgl. EuGH 19.9.2013, Brey, C-140/12). Es bedarf also bei der Frage, ob ausreichende Existenzmittel zur Verfügung stehen, einer konkreten Einzelfallbeurteilung (vgl. VwGH 10.4.2014, 2013/22/0034). (VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0222).

Die österreichische Ausgleichszulage hat Sozialhilfecharakter, soweit sie dem Empfänger im Fall einer unzureichenden Rente ein Existenzminimum gewährleisten soll (vgl. EuGH 29.4.2004, Skalka, C- 160/02). Die Ausgleichszulage kann als "Sozialhilfeleistung" (iSd Art. 7 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2004/38/EG) angesehen werden. Der Umstand, dass ein EWR-Bürger zum Bezug dieser Leistung berechtigt ist, kann einen Anhaltspunkt dafür darstellen, dass er nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt (vgl. EuGH 19.9.2013, Brey, C-140/12). (VwGH 04.10.2018, Ra 2017/22/0218).

Unter Beachtung des vorgelegten slowakischen Pensionsbescheides und des Kontoauszuges in Zusammenschau mit dem Versicherungsdatenauszug ist von einer Erfüllung der Voraussetzungen iSd. § 51 Abs. 1 Z 2 NAG (ausreichende Existenzmittel und umfassender Krankenversicherungsschutz) durch die BF auszugehen. Die BF verfügt neben ihrem vorhandenen Kapital iHv ca. 34.000 über eine regelmäßige - wenn auch geringe - Pension iHv Euro 465,60. Die Stellung des Antrages auf Ausgleichszulage indiziert, dass die BF nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt, doch ist bei Berücksichtigung der konkreten Situation, dass die BF über ein nicht unerhebliches Kapital auf ihrem Konto verfügt und auch bislang zur Selbsterhaltung im Bundesgebiet fähig war, davon auszugehen, dass die BF die Kriterien gemäß § 51 Abs. 1 Z 2 NAG erfüllt.

Demzufolge kommt der BF aktuell gemäß §§ 51 Abs. 1 Z 2 iVm. 55 Abs. 1 NAG ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu.

Die Ausweisung erfolgte daher nicht zu Recht (Spruchpunkt I.). Dies bedingt auch die Gegenstandslosigkeit des der BF gewährten Durchsetzungsaufschubs (Spruchpunkt II.). In Stattgebung der Beschwerde war der angefochtene Bescheid daher ersatzlos aufzuheben.

Unbeschadet dessen ist festzuhalten, dass es das BFA unterlassen hat festzustellen, seit wann sich die BF kontinuierlich im Bundesgebiet aufhält, zumal die BF vorbringt sich seit 2010 durchgehend im Bundesgebiet aufzuhalten bzw. nach dem Tod ihres Mannes ihren Lebensmittelpunkt nach Österreich verlagert zu haben. Dabei wäre auch der Aspekt zu prüfen gewesen, ob die BF in Österreich bereits ein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht im Sinne des § 53a NAG erworben hat, welches von der (weiteren) Erfüllung der Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nach § 51 NAG unabhängig ist. Voraussetzung für den Erwerb des unionsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts ist ein rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt im Bundesgebiet von mehr als fünf Jahren. Die Behörde hat es unterlassen den Sachverhalt zur Beurteilung des Aufenthaltsstatus der BF im Hinblick auf § 53a NAG zu ermitteln und erweist sich die ein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht der BF verneinende Entscheidung der belangten Behörde als unzureichend begründet (vgl. dazu auch VwGH 16.02.2012, 2009/01/0062: hinsichtlich der bloß deklarativen Wirkung einer Anmeldebescheinigung).

Im Ergebnis war der Beschwerde sohin stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da im vorliegenden Fall bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Ausweisung, Durchsetzungsaufschub, Gegenstandslosigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G310.2173970.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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