TE Bvwg Beschluss 2019/3/21 W217 2186080-1

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Veröffentlicht am 21.03.2019
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Entscheidungsdatum

21.03.2019

Norm

BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W217 2186080-1/12E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M. sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, NÖ und das Burgenland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 16.01.2018, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", beschlossen:

I.

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückverwiesen.

II.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Frau XXXX (in der Folge: BF) ist seit 26.08.2015 Inhaberin eines Behindertenpasses. Der Grad der Behinderung wurde mit 60% festgesetzt.

Die BF beantragte am 16.05.2017 die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass. Dem Antrag wurde ein Konvolut an medizinischen Beweismitteln beigelegt.

2. In weiterer Folge wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten auf Grundlage der durch die BF vorgelegten Befunde sowie einer am 13.09.2017 durchgeführten Begutachtung durch Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, erstellt. Darin wurde Folgendes ausgeführt:

"(..) Anamnese:

Operationen: Zustand nach Adhäsiolyse nach Schnittentbindung (Drillingsgeburt) im AKH XXXX 1989-2005, seither Defäkationsproblem wegen nachgewiesener Lumeneinengung im Bereich des terminalen Ileums, keine unmittelbare therapeutische Konsequenz außer Antiflat 1-1-1, Iberogast und Kochsalz 500 mg, guter Ernährungszustand,

Zustand nach mehrmaliger Kieferoperation in den Jahren 2000 bis 2006 im AKH XXXX , nach wie vor Beschwerden wegen Schluckstörung, keine unmittelbare Indikation zu einer weiteren Operation,

Vorgutachten 05/2015 wegen Blasenentleerungsstörung, ADH-Syndrom, Varikositas, Asthma bronchiale, Wirbelsäulenschädigung, Laktoseintoleranz, Analfissur, Verwachsungen im Bauchraum und Visusstörung rechts auf 0,8: 60%

Blasenentleerungsstörung seit 2007, früher Selbstkatheterisierung, derzeit gibt der Antragwerberin an, dass sie Beschwerden beim Harnlassen habe, unwillkürlichen Harnverlust, es liegt kein neurologischer Befund vor, der letzte Befund stammt aus dem Jahr 2015, Vorlagenwechsel wird angegeben,

Syndrom der ADH Störung, Substitutionstherapie mit Hormonen, die der Antragwerber nicht benennen kann, der Antragwerber gibt wiederholte Synkopen an, keine objektiven Befunde vor, die dieses Vorbringen untermauern,

Stammvarikositas beidseits, keine Operation, Kompressionsstrumpf wird getragen, keine trophischen Hautschäden,

Degenerative Veränderung der Wirbelsäule, keine Operationen, keine motorischen Ausfälle, Parkemed 500 bei Bedarf, auch manchmal Voltaren,

Laktoseintoleranz idem, bei Vermeidungsstrategie Besserung, derzeit keine Ernährungsstörung nachweisbar,

Zustand nach Analfissur, derzeit keine rezenten Befunde vorliegen, die Antragwerber kann keine genauen Angaben machen, die gibt an das auch Hämorrhoiden bestünden, die derzeit nicht operiert werden müssen,

Verwachsungen im Bauchraum siehe oben bei Zustand nach Sectio (Drillingsschwangerschaft), idem zu Vorgutachten,

Visusstörung rechts auf 0,8 idem zu Vorgutachten, keine Glashilfe,

neue Leiden: Schmerzen in beiden Handgelenken, Abnützungserscheinung an beiden Handgelenken, Verbände werden getragen, Medikation:

Voltaren bei Bedarf,

Nikotin: 0, Alkohol: 0, P: 2,

Derzeitige Beschwerden:

Im Vordergrund stehen Beschwerden von Seiten beider Handgelenke, auch Beschwerden durch chronische Obstipation bei Verwachsungen nach stattgehabter Schnittentbindung,

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Berodual DA, Antiflat, Iberogast und verschiedene Kochsalz 500 mg, Prolia seit 2014 in halbjährlichen Abständen,

Sozialanamnese:

erlernter Diplomkrankenschwester, zuletzt im Krankenhaus im KH XXXX bis 2007 tätig gewesen, Kündigung wegen Krankheit, seither arbeitslos gemeldet, Berufsunfähigkeitspension seit 2013 bis 07/2018 befristet, 4 Kinder von denen 2 im Alter von 20 und 10 Jahren im gemeinsamen Hausverband leben, Antragwerber lebt in einer Wohnung im

1. Stock mit Lift,

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Ambulanzkarte der unfallchirurgischen Klinik des AKH XXXX vom 6.12.2016/Diagnose: Prellung rechten Ellbogengelenkes, Prellung des rechten Handgelenkes, konservative Therapie,

eJournal der chirurgischen Klinik vom 06.03.2017: ein palpabler Tumor subcutan am radialen Zeigefingergrundglied rechts, bei Beklopfen elektrisierendes Missempfindung entlang des radialen Zeigefingers, starke Schmerzen am DURG rechts mit eingeschränkter Beweglichkeit für Extension/Flexion 20/0/5°, Pro/Supination 10/0/80°, weitere Abklärung mittels Ultraschall und Handgelenksröntgen erforderlich,

Ophthalmologischer Befund vom 20.03.2017/Diagnose: Sicca-Syndrom, incipiente Katarakt beidseits, Schwarz-Bartter-Syndrom,

Hyponatriämie, St. p. Lasik beidseits, Anamnese: nach Gesichtsfelduntersuchung heute leichte Übelkeit gespürt, Visus rechts mit Korrektur: 0,8-0,9, Visus links mit Korrektur: 1,0,

Spaltlampe: geringe konjunktivale Reizung, ganz zarte Lasernarben beidseits, Zusammenfassung: Gesichtsfeld bei der Patientin, Patientin will derzeit keine Kataraktoperation,

Zuweisung der ophthalmologischen Klinik des AKH XXXX zum Schädel MRT zum Ausschluss einer Raumforderung, eines Hypophysenadenoms oder einer Chiasmaläsion, Untersuchung vom 03.04.2017: geringe Einschränkung der oberen Hemisphäre am rechten Auge, nahezu unauffälliger Gesichtsfelduntersuchung links,

Magnetresonanzbefund der Hände und Handgelenke beidseits vom 27.04.2017/Ergebnis: Ulna plus-Variante rechts mit einer Arthrose im Bereich des Ulnocarpalgelenkes und des distalen Radioulnargelenkes, links zeigt sich ebenfalls eine Kontinuitätsunterbrechung des Diskus mit einer leichten Ulna plus-Variante, zusätzlich Bild einer Rhizarthrose,

Vorgutachten 04/2013 vor dem Bundesverwaltungsgericht: wegen Blasenentleerungsstörung bei hypokontraktiler Detrusor und hypertensiver Harnblase,

Schwarz-Bartter-Syndrom, Varikositas beidseits, Asthma bronchiale,

Funktionseinschränkung der Wirbelsäule bei rezidivierenden Cervicalsyndrom, Laktosemalabsorption, Analfissur, Nephrolithiasis rechts: 50 %

Vorgutachten 05/2015: wegen Blasenentleerungsstörung bei hypokontraktiler Detrusor und hypertensiver Harnblase, Syndrom der inadäquat ADH-Sekretion, Varikositas beidseits, Asthma bronchiale, Funktionseinschränkung der Wirbelsäule rezidivierendem Cervicolumbalsyndrom, Laktosemalabsorption, Analfissur, Verwachsungen im Bauchraum mit rezidivierendem Subileus und abdominelle Beschwerden, Funktionseinschränkung im Bereich des rechten Handgelenkes nach rechts weiter Radiusfraktur und Visuseinschränkung rechts auf 0,8: 60%

Befundnachreichung: gastroenterologische Ambulanz des KH XXXX vom 07.01.2016/Diagnose: kontrastmittelaufnehmende Jejunumschlinge im Bereich des terminalen Ileums mit Wandverdickung und begleitender Lumeneinengung, chronische Obstipation, Vertigo, Zustand nach rezidivierenden Subileusattacken, Zustand nach Radiusfraktur rechts, SIADH, Hyponatriämie, Leukopenie, Typ C-Gastritis, Katarakt, Gesichtsfeldausfall, Nephrolithiasis, Leberhämangiom (Segment 52 +VIII), Laktoseintoleranz, Osteopenie, Zustand nach 5-maliger operativer Adhäsiolyse, Zustand nach Appendektomie, durchgeführte

Maßnahmen: Ileokoloskopie mit Stufen-PEs am 03.12.2016, wobei sich laut Befund keine Stenose bis 30cm im terminalen Ileums ergab, empfohlene Medikation: Pantoloc 20, Iberogast, Kochsalz 500 mg, Berodual DA, Optifibre, Magnosolv Granulat, Cal-D-Vita, Antiflat, Molaxole,

Befundnachreichung: Befundbericht der gastroenterologischen Ambulanz des KH XXXX vom 19.01.2016/Diagnose: kontrastmittelaufnehmende Jejunumschlinge im terminalen ist Ileum mit Wandverdickung und begleitender Lumeneinengung, chronische Obstipation, Vertigo, Zustand nach rezidivierenden Subileusattacken, Zustand nach Radiusfraktur rechts, SIADH, Hyponatriämie, Leukopenie, Typ C-Gastritis, Katarakt, Gesichtsfeldausfall, Nephrolithiasis, Leberhämangiom Segment II und VIII), Laktoseintoleranz, Osteopenie, Zustand nach 5-maliger operativer Adhäsiolyse, Zustand nach

Appendektomie, Verlauf: sowohl Histologie der Ileokoloskopie sowie auch das Calprotektin (14 mg/kg) sind unauffällig, empfohlene

Medikation: Antiflat, Berodual DA, Cal-D-Vita, Iberogast, Kochsalz 500 mg, Magnosolv Granulat, Molaxole, Oleovit D3 gtt, Optifibre, Pantoloc 20,

Befundnachreichung: eJournal der internistischen Klinik des AKH XXXX vom 21.10.2016/Diagnosen: mildes SIADH (mit oft inadäquat niedriger Natriumsausscheidung für eine SIADH), sodass eine alimentärer Effekt (geringe Natriumaufnahme bei Anorexie dazu kommt), Zustand nach mehrfachen unauffälligen Thorax CTs, rezidivierende Neutropenie, Zustand nach 2-maliger postoperativer Pulmonalembolie (19 97,2 1001),

Zustand nach sectio, Zustand nach Adhäsiolyse bei mehrfacher Bauchoperation, Osteopenie, Zustand nach Knieoperation, Asthma bronchiale,

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

guter Allgemeinzustand

Ernährungszustand:

guter Ernährungszustand

Größe: 159,00 cm Gewicht: 57,00 kg Blutdruck: 110/70

Klinischer Status - Fachstatus:

Sauerstoffsättigung der Raumluft: pO2: 96 %, Puls: 87/min, keine Ruhedyspnoe

Kopf: Zähne: Teil-Prothese, Fernbrille, Sensorium frei, Nervenaustrittspunkte unauff.,

Hals: keine Einflussstauung, Schilddrüse schluckverschieblich, Lymphknoten o.B.,

Thorax: symmetrisch,

Herz: normal konfiguriert, Herztöne rein, keine pathologischen Geräusche,

Lunge: vesikuläres Atemgeräusch, Basen gut verschieblich, son. Klopfschall,

Wirbelsäule: Halswirbelsäule frei beweglich, Kinn-Jugulum-Abstand 2cm, seichte linkskonvexe Skoliose der Brustwirbelsäule, Fingerbodenabstand 20cm, thorakaler Schober 30/33cm, Ott: 10/14cm, Hartspann der Lendenwirbelsäule,

Abdomen: weich, in Thoraxniveau, Hepar und Lien nicht palpabel, keine Resistenz tastbar, blande Narbe nach Appendektomie und Pfannenstieloperation,

Nierenlager: beidseits frei,

obere Extremität: frei beweglich bis auf endlagige Elevationsstörung beider Arme, Ellbogengelenke frei beweglich, keine Involutionsatrophie der Oberarmmuskulatur, Umfang des rechten Oberarmes: 26,5cm (links: 26cm), Unterarmumfang rechts: 23cm (links: 22cm), die Handgelenke werden nur endlagige bewegt, die Antragwerber gibt an eine geringen Bewegungsumfang zu haben, es werden Stützverbände an beiden Händen getragen, Umfang des rechten Handgelenkes: 15cm (links: 14,5cm), es wird eine endlagige Faustschlussstörung demonstriert, im Bereich des rechten Zeigefingers ein ca. 3cm durchmessender subkutanen Tumor, Globalfunktion und grobe Kraft beidseits erhalten, Nacken- und Kreuzgriff nicht demonstriert,

untere Extremität: frei beweglich, die weitere Untersuchung der unteren Extremitäten ist nicht möglich da die Antragwerber hat sich nicht auskleiden möchte, sie gibt an, nur mit Hilfe die Kompressionsstufe ausziehen zu können, daher lässt sich die Haut an den unteren Extremitäten hinsichtlich eventueller Hautschäden nicht beurteilen,

Gesamtmobilität - Gangbild:

unauff. Gangbild, keine Gehhilfe

Status Psychicus:

zeitlich und örtlich orientiert, ausgeglichene Stimmungslage, trotz Sprachbarriere ist eine für die Begutachtung ausreichende Kommunikation möglich,

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Blasenentleerungsstörung bei hypokontraktilem Detrusor und hypertensiver Blase

2

Syndrom der inadäquat ein ADH-Sekretion

3

Varikositas beidseits

4

Asthma bronchiale, Zustand nach 2-maliger Lungenembolie

5

Funktionseinschränkung der Wirbelsäule bei rezidivierendem Cervicolumbalsyndrom, Osteopenie

6

Laktosemalabsorption

7

Analfissur

8

Verwachsungsbauch mit rezidivierendem Subileus und abdominellen Beschwerden

9

Funktionseinschränkung im Bereich des rechten Handgelenkes nach schlecht verheilter Radiusfraktur, Schmerzhaftigkeit des linken Handgelenkes mit geringer Funktionsstörung

10

Visuseinschränkung rechts 0,8

11

geringgradige Gesichtsfeldstörung

12

geringgradige Funktionsstörung des rechten Zeigefingers bei subkutanem Tumor

13

Nephrolithiasis

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Keine wesentliche Änderung des Gesamtgesundheitszustandes seit der letzten Begutachtung

X Dauerzustand

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Gutachterliche Stellungnahme:

Im Gutachten wurde festgestellt, dass bei der AW keine höhergradige Funktionsstörung der unteren Extremitäten vorliegt. Es finden sich im klinischen Befund keine signifikanten motorischen Ausfälle. Die AW kann eine kurze Wegstrecke von mehr als 300 Metern zu Fuß ohne Unterbrechung, ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung, ohne große Schmerzen und ohne fremde Hilfe zurücklegen. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Es besteht keine massive hochgradige Atemnot schon bei geringster Belastung und keine Indikation für eine Langzeitsauerstofftherapie. Ein Herzleiden, welches eine hochgradige Einschränkung der Auswurfleistung zur Folge hat und eine signifikante Belastungsstörung verursacht, kann bei der klinischen Untersuchung und aufgrund der vorliegenden Befunde nicht ermittelt werden. Es liegen keine Befunde vor, die eine Kreislaufstörung mit Kollapsneigung dokumentieren. Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der psychischen, neurologischen und intellektuellen Funktionen vor; die Gefahreneinschätzung im öffentlichen Raum ist gegeben. Ein nachweislich therapierefraktäres schweres Anfallsleiden ist nicht dokumentiert. Die Inkontinenzsymptomatik kann durch geeignete Inkontinenzbehelfe ausreichend versorgt werden. Es liegt keine hochgradige Sehstörung oder Blindheit vor, die eine Orientierung in ungewohnter Umgebung wesentlich beeinträchtigt und sohin sind öffentliche Verkehrsmittel zumutbar."

3. Mit Bescheid vom 16.01.2018 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte ärztliche Gutachten verwiesen, welches ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.

4. Gegen diesen Bescheid wurde von der BF fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin führte sie aus, sie leide an Leukopenie und sei daher infolge ihrer niedrigen Leukozytwerte einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt, weshalb es ihr nicht möglich sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Des Weiteren leide sie an Schwindel, weswegen es bereits mehrmals zu Stürzen gekommen sei, zuletzt am 06.12.2016, wobei sie sich eine Prellung des rechten Ellbogens sowie eine Prellung des rechten Handgelenkes zugezogen habe. Ferner sei es ihr aufgrund der Funktionseinschränkungen im Bereich des rechten und auch des linken Handgelenkes nicht möglich, sich in öffentlichen Verkehrsmitteln sicher anzuhalten. Aufgrund der bei ihr vorliegenden multiplen Leiden liege sehr wohl eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, weshalb es ihr nicht zumutbar sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Auch lasse das allgemeinmedizinische Gutachten Feststellungen dazu vermissen, wie sich die Handgelenksschädigungen, die Leukopenie und der Schwindel auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken würden.

Unter einem wurde die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen der internen Medizin, Orthopädie/Chirurgie, Urologie sowie Augenheilkunde beantragt.

5. Die Beschwerde wurde samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 14.02.2018 zur Entscheidung vorgelegt.

6. In einer vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Stellungnahme vom 05.02.2019 des bereits befassten Allgemeinmediziners führt dieser aus:

"(..) Auf Basis des Gutachtens vom 11.12.2017 (siehe ABL 12-15) und der vorliegenden objektiven medizinischen Befunde, siehe ABL 25-32 (Befundbericht der gastroenterologischen Ambulanz des KH XXXX vom 09.01.2018/Diagnose: Magen Ausgangstenose unklarer Genese, Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, Leberhämangiom, Neurohypophyse Zyste, SIADH, St. P. Radiusfraktur rechts, Hyponatriämie, Leukopenie, Typ C- Gastritis, Katarakt mit Gesichtsfeldausfall, Nephrolithiasis, Laktoseintoleranz, Osteopenie, St. P. 5-maliger operativer Adhäsiolyse und Zustand nach Appendektomie, Laborbefund vom 19.12.2017 mit Leukopenie 2,66 G/l, Molekulare Diagnostik des AKH XXXX wegen Leukopenie ohne Malignitätshinweis, Perimetriebefund vom 01.02.2018 mit dokumentierter Gesichtsfeldeinschränkung nach stattgehabter Kataraktoperation, neurochirurgischer Befund des AKH XXXX vom 25.10.2017 mit Bestätigung einer 3mm großen Zyste im Bereich zwischen Adenom- 100 Neurohypophyse, endokrinologischer Befund des AKH XXXX vom 31.01.2018 mit Zuweisungsdiagnosen (Essstörung, Osteoporose, multiple hypodense, größenkonstante Leberraumforderung, Computertomographie des Thorax/Abdomens aus 2011 ohne zusätzlichen Hinweis auf Raumforderungen) wird folgender Sachverhalt ermittelt:

Die im Gutachten unter lf. Nr. 9) erfasste Gesundheitsschädigung ermöglicht es der Beschwerdeführerin sich in einem öffentlichen Verkehrsmittel während des üblichen Transports ausreichend an Haltegriffen oder Haltestangen zu sichern und erfüllt damit nicht die Kriterien der Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel.

Von den dauernden Gesundheitsschädigungen unter lf. Nr. 1) bis 13) geht keine hochgradige Schwäche mit einer Belastungsstörung aus, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar macht.

Die geltend gemachte Leukopenie mit geringgradiger Verminderung der Leukozytenzahl (lt. Befund vom 19.12.2017 auf 2.56 G/l, bei einem Referenzwert von 4,0- 10,0), ohne einschlägiges Therapieerfordernis und ohne signifikante Klinik hat keine hochgradige Einschränkung des Immunsystems zur Folge, so dass Menschenansammlungen per sie zu meiden wären. Sohin ist aus diesem Grund keine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel gegeben.

Ein persistierender Schwindel konnte weder bei der hierorts durchgeführten amtswegigen Untersuchung festgestellt werden, noch liegen objektive Befunde vor, die eine maßgebliche Beeinträchtigung des Gleichgewichtsorgans mit rezidivierender Sturzneigung belegen.

Es liegt keine hochgradige Sehstörung oder Blindheit vor, die eine Orientierung in ungewohnter Umgebung wesentlich beeinträchtigt und sohin sind öffentliche Verkehrsmittel zumutbar.

Kalkül:

Da bei der klinischen Untersuchung weder eine hochgradige Belastungsstörung, noch eine die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel maßgeblich beeinträchtigende Funktionsstörung an den Händen, eine höhergradige Störung des Immunsystems oder ein Schwindel, der die Stand- und Gehfähigkeit maßgeblich beeinträchtigt, festgestellt werden konnte, kann dem begehrte Berufungswerber auf Zusatzeintragungen der Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel nicht nachgekommen werden."

7. In einer hierzu erstatteten Stellungnahme vom 01.03.2019 begehrte die BF erneut die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Bereichen interne Medizin, Orthopädie/Chirurgie, Urologie und Augenheilkunde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Gesetzliche Bestimmungen:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch einen Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,

wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11.).

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 2. Satz ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).

Dazu hat die belangte Behörde im angefochtenen Verfahren nur ansatzweise Ermittlungen geführt:

Im gegenständlichen Fall erfolgte im Auftrag der belangten Behörde am 13.09.2017 eine Begutachtung aufgrund persönlicher Untersuchung durch einen Arzt für Allgemeinmedizin.

Im Sachverständigengutachten vom 11.12.2017 wurde hinsichtlich der beantragten Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zwar festgestellt, dass keine Behelfe erforderlich sind, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Auch in seiner Stellungnahme vom 05.02.2019 führt der Sachverständige aus, eine die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel maßgeblich beeinträchtigende Funktionsstörung an den Händen habe nicht festgestellt werden können. Dies obgleich er unter klinischer Status - Fachstatus in seinem Gutachten vom 11.12.2017 ausführt, "die Handgelenke werden nur endlagige bewegt, die Antragwerber gibt an eine geringen Bewegungsumfang zu haben, es werden Stützverbände an beiden Händen getragen, Umfang des rechten Handgelenkes: 15cm (links: 14,5cm), es wird eine endlagige Faustschlussstörung demonstriert, im Bereich des rechten Zeigefingers ein ca. 3cm durchmessender subkutanen Tumor, Globalfunktion und grobe Kraft beidseits erhalten, Nacken- und Kreuzgriff nicht demonstriert."

Ebenso hat sich der Sachverständige nicht mit der Frage auseinandergesetzt, mit welchen Auswirkungen, insbesondere mit welchen Schmerzen, eine Beförderung der BF in öffentlichen Verkehrsmitteln verbunden ist (vgl. zur rechtlichen Bedeutung der Art und des Ausmaßes von Schmerzen im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auch das Erkenntnis des VwGH vom 20. Oktober 2011, Zl. 2009/11/0032).

Es wurde sohin nicht schlüssig nachvollziehbar darauf eingegangen, wie sich die Funktionseinschränkungen der BF, insbesondere im orthopädischen Bereich, auf ihre individuelle Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen, auswirken. Zudem ist anzumerken, dass die BF bereits mit ihrem Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" medizinische Unterlagen betreffend ihre orthopädischen Leiden in Vorlage gebracht, die die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumindest in Frage stellen.

Nach der zitierten Rechtsprechung genügt es jedoch nicht, in den ärztlichen Sachverständigengutachten bloß die dauernden Gesundheitsschädigungen darzustellen, vielmehr hätten in dem Gutachten die Auswirkungen der Gesundheitsschädigungen der BF auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise aufgezeigt werden müssen. Im konkreten Fall hätte daher mit Hilfe des ärztlichen Sachverständigen u.a. festgestellt werden müssen, ob die BF - aus objektiver Sicht - über die erforderliche Kraft bzw. über die erforderliche Beweglichkeit (aktive und passive Gelenksfunktion, zielgerichtete Durchführung wiederkehrender Bewegungen, Faustschluss,..) verfügt, um öffentliche Verkehrsmittel (Anhalten an Einsteigegriffen und Haltestangen und Aussteigen) zu benützen.

Die belangte Behörde hat zur Überprüfung des Gesundheitszustandes der BF lediglich ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten eingeholt und hat es unterlassen, im Verfahren ein orthopädisches Gutachten nach erfolgter fachärztlicher Untersuchung durch eine/n Fachärztin/-arzt für Orthopädie einzuholen, wobei auf die Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen, einzugehen gewesen wäre.

Es besteht zwar kein Anspruch auf die Zuziehung von Sachverständigen eines bestimmten medizinischen Teilgebietes, jedoch ist im vorliegenden Fall das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten zur Beurteilung des bei der BF vorliegenden orthopädischen Beschwerdebildes nicht geeignet. So hat die BF bereits im Rahmen der Antragstellung orthopädische Leiden vorgebracht, und darüber hinaus auch entsprechende medizinische Beweismittel vorgelegt. Aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen liegen konkrete Anhaltspunkte vor, dass zusätzlich zur erfolgten Einholung eines Sachverständigengutachtens der Fachrichtung Allgemeinmedizin auch die Einholung eines Gutachtens der Fachrichtung Orthopädie unbedingt erforderlich ist, um eine vollständige und ausreichend qualifizierte Prüfung des Gesundheitszustandes der BF zu gewährleisten. Hinreichende Ausführungen zum aktuellen orthopädischen Gesundheitszustand der BF sind dem vorliegenden Gutachten nicht zu entnehmen. Eine qualifizierte Beurteilung des orthopädischen Gesundheitszustandes der BF ist somit im angefochtenen Verfahren nicht erfolgt. Die alleinige Heranziehung eines Sachverständigen der Fachrichtung Allgemeinmedizin durch die belangte Behörde ist somit offensichtlich sachwidrig erfolgt.

Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erforderliche Überprüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf dieser Grundlage nicht möglich. Der eingeholte medizinische Sachverständigenbeweis vermag die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen.

Ein Gutachten bzw. eine medizinische Stellungnahme, welche Ausführungen darüber vermissen lässt, aus welchen Gründen der ärztliche Sachverständige zu einer Beurteilung gelangt ist, stellt keine taugliche Grundlage für die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung dar (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde sohin unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens und unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen zusätzlich zu dem bereits eingeholten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten ein ärztliches Sachverständigengutachten der Fachrichtung Orthopädie, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF, einzuholen und die Ergebnisse bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben. Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird die BF mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.

Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung des Grades der Behinderung als so mangelhaft erweist, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes und angesichts der im gegenständlichen Fall unterlassenen Sachverhaltsermittlungen - nicht ersichtlich.

Im Übrigen scheint die Zurückverweisung der Rechtssache an die belangte Behörde auch vor dem Hintergrund der seit 01.07.2015 geltenden Neuerungsbeschränkung in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 46 BBG zweckmäßig. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass der BF im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Verfahrens keine Möglichkeit gegeben wurde, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Die BF hatte sohin keine Gelegenheit, der sachverständigen Beurteilung konkret und substantiiert entgegenzutreten, und auszuführen ob, gegebenenfalls welche, gutachterlichen Ausführungen dem tatsächlichen Leidensausmaß widersprechen.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall der BF noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rascher und kostengünstiger festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zu Spruchpunkt II:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

In den rechtlichen Ausführungen zu Punkt I.) wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, dass im Verfahren vor der belangten Behörde gravierende Ermittlungslücken bestehen sowie die Judikatur zu den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten für die behördliche Beurteilung der Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Lichte von § 42 Abs. 1 BBG dargestellt. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG wurde auf die aktuelle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) Bezug genommen.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W217.2186080.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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