Entscheidungsdatum
25.03.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W127 2208359-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Fischer-Szilagyi über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.09.2018, Zl. 1050367907-180522168, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer ist in die Republik Österreich eingereist und hat am 20.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 20.07.2017 erteilt (Spruchpunkt III.).
In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer habe seinen Lebensmittelpunkt im Iran gehabt und seit seiner Kindheit nicht mehr in Afghanistan gelebt. Sein mit ihm nach Österreich gereister Bruder, geboren am 01.01.2008, habe ebenfalls einen Asylantrag gestellt. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergebe sich ein Abschiebungshindernis, da er in Afghanistan keine Anbindungen und somit keine Existenzmöglichkeit habe. Ein Familienleben zum behaupteten Vater bestehe schon längere Zeit nicht und der Vater vernachlässige auch offenbar wegen einer Drogensucht eine allfällige Fürsorge außerhalb des Iran.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.08.2017 wurde die befristete Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers bis zum 20.07.2019 verlängert.
Mit Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 4, 107 Abs. 1, 125 und 127 StGB iVm § 28 Abs. 1 StGB und § 5 Z 4 JGG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
Am 06.06.2018 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend den Beschwerdeführer ein Verfahren zur Aberkennung des subsidiären Schutzes ein.
Am 27.07.2018 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde im Beisein einer Dolmetscherin, der gesetzlichen Vertreterin sowie einer Vertrauensperson einvernommen. Dem Beschwerdeführer wurde seine Verurteilung wegen des Verbrechens gemäß § 84 Abs. 4 StGB vorgehalten und er wurde darauf hingewiesen, dass ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei, weil er in Afghanistan keine Anbindungen und somit auch keine Existenzmöglichkeiten habe. In seinem Fall hätten sich Anhaltpunkte ergeben, dass dies nicht mehr der Fall sein könne und sich die Lage in seinem Herkunftsstaat - insbesondere in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat - "massiv geändert" habe. Dem Beschwerdeführer stehe es auch als fast 18-Jährigem frei, etwa nach Kabul oder Herat oder Mazar-e Sharif zurückzukehren und dort Aufenthalt zu nehmen bzw. dort zu arbeiten. Seit Zuerkennung des subsidiären Schutzes seien auch etliche Reintegrationsprogramme für alleinstehende Personen ohne familiären Anhang, die selbst auch nie im Herkunftsstaat gelebt hätten, eingeführt und seitdem mit Erfolg betrieben worden. Der Beschwerdeführer könne auch Unterstützung durch seine Familie aus dem Iran erhalten.
Dem Beschwerdeführer wurden die Länderfeststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Afghanistan zur Kenntnis gebracht und eine Frist bis 14.08.2018 für eine schriftliche Stellungnahme eingeräumt.
Im Rahmen der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer ein Konvolut von Bestätigungen, Zeugnissen und Empfehlungsschreiben betreffend seine Integration in Österreich zur Vorlage.
Mit Schreiben vom 08.08.2018 nahm die gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers zu der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beabsichtigten Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Stellung. Hinsichtlich einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif wurde ausgeführt, dass die dortige Sicherheits- und Versorgungslage unzureichend sei und eine innerstaatliche Fluchtalternative mangels Zumutbarkeit nicht bestehe. Bereits in den Länderfeststellungen werde von einer Verschlechterung der Lage in Afghanistan gesprochen und würden diese überdies die verschlechterte Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif nur unzureichend abbilden. Die beschwerdeführende Partei wies diesbezüglich insbesondere auf eine Präsentation der stellvertretenden Leiterin des UNHCR-Büros in Kabul am 12.03.2018 in Wien, eine Anfragebeantwortung von Amnesty International vom 05.02.2018, mehrere EASO-Berichte aus dem Jahr 2017 und einen Artikel von Friederike Stahlmann im Asylmagazin 03/2017 hin.
Mit Schreiben vom 09.08.2018 und 14.08.2018 wurden weitere Unterlagen betreffend die Integration des Beschwerdeführers in Österreich zur Vorlage gebracht.
Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die mit Bescheid vom 16.08.2017 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Es wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). In Spruchpunkt VII. wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
In der Begründung führte die belangte Behörde insbesondere aus, die Lage "sowohl in Afghanistan per se als auch speziell in Kabul" habe sich dahingehend geändert, dass seit Zuerkennung des subsidiären Schutzes "etliche Reintegrationsprogramme" für alleinstehende Personen ohne familiären Anhang bzw. die sich auch niemals im Herkunftsstaat aufgehalten hätten, eingeführt und seitdem mit Erfolg betrieben worden seien. Von einem realen Risiko einer Artikel 2 oder 3 widersprechenden Gefahr sei daher nicht auszugehen. Es handle sich beim Beschwerdeführer um einen arbeitsfähigen, gesunden, jungen Mann mit "offensichtlichem finanziellen Rückhalt" und einer qualifizierten Schulbildung sowie beruflichen Erfahrungen, "der sich durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kümmerliches Einkommen als Tagelöhner erzielen kann um sich damit ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren".
Zum Privat und Familienleben wurde festgehalten, der Beschwerdeführer verfüge außer seinem minderjährigen Bruder über keine engen Bindungen in Österreich und sei dieser Bruder nicht vom Beschwerdeführer abhängig. Der Beschwerdeführer spreche "ein wenig Deutsch" und gehe keiner erlaubten Beschäftigung nach. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies des Weiteren darauf hin, dass der Beschwerdeführer mit Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX wegen § 84 Abs. 4 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit einer Probezeit von drei Jahren verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer sei seit 2015 wegen 10 verschiedenen Strafrechtsdelikten angezeigt worden.
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde hinsichtlich Spruchpunkt I. des Bescheides die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 an und führte aus, zufolge der Beweiswürdigung und den Feststellungen würden die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status nicht oder nicht mehr vorliegen. Zu dem erlassenen Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit (§ 53 Abs. 3 FPG) darstelle.
Hiegegen wurde Rechtsmittel erhoben und der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im gesamten Umfang angefochten. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer mit seinem minderjährigen Bruder im Iran aufgewachsen sei und mit diesem nun im gemeinsamen Haushalt lebe. Zwischen den beiden bestehe eine enge emotionale Abhängigkeit und sorge der Beschwerdeführer täglich für seinen Bruder, koche für ihn und helfe ihm bei seinen Hausübungen. Zu der eingewendeten Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides wurde ausgeführt, die belangte Behörde habe eine eingebrachte Stellungnahme gänzlich unberücksichtigt gelassen und im Bescheid nicht dargelegt, inwiefern sich die Lage in Afghanistan oder die persönliche Situation im Vergleich zum Zeitpunkt der Erteilung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich geändert hätte und dadurch der Tatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erfüllt wäre.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe Ermittlungen zur aktuellen Lage in Kabul unterlassen. Die Vertreterin des Beschwerdeführers wies betreffend eine Verschlechterung der Sicherheits- und Versorgungslage neben den bereits in der Stellungnahme vom 08.08.2018 angeführten Länderberichten auf das Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 sowie insbesondere auf die UNHCR-Richtlinien zu Afghanistan vom 30.08.2018 hin, in denen UNHCR zur Schlussfolgerung gelange, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul generell nicht zur Verfügung stehe. UNHCR weise auch auf die extrem hohe Anzahl von Binnenvertriebenen in den Provinzhauptstädten und auf die "Rekorddürre" hin, infolge derer die Landwirtschaft zusammenbreche. Der Beschwerdeführer verfüge über keinerlei soziales Netzwerk in Afghanistan und seien die Voraussetzungen für eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative nicht gegeben. Es könne nicht festgestellt werden, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wesentlich und nachhaltig verändert bzw. verbessert hätten. Ebenso wenig seien Umstände in der Sphäre des Beschwerdeführers hervorgekommen, die im Fall einer Refoulement-Prüfung zu einem anderen Ergebnis führen würden.
Betreffend das verhängte Einreiseverbot und dessen Dauer wurde auf das Erfordernis einer Einzelfallprüfung und eine mangelnde Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers hingewiesen.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 25.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Mit Schreiben vom 24.10.2018 übermittelte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, bekennt sich zum schiitisch-muslimischen Glauben und hat am 20.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2016, Zl. 1050367907-150072335, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, da er in Afghanistan keine Anbindungen und somit keine Existenzmöglichkeit hatte.
Der Beschwerdeführer ist im Iran aufgewachsen und hat seit seiner Kindheit nicht mehr in Afghanistan gelebt. Er verfügt weiterhin über keine Anknüpfungspunkte in Afghanistan. Bis zu seiner Einreise in Österreich verfügte der Beschwerdeführer weder über Schul- bzw. Berufsausbildung noch über Berufserfahrung.
Der Beschwerdeführer ist bereits volljährig, arbeitsfähig und leidet an keinen schweren Erkrankungen. Er ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer lebt in Österreich mit seinem minderjährigen Bruder (geboren am 01.01.2008) im gemeinsamen Haushalt; die übrigen Familienangehörigen des Beschwerdeführers leben weiterhin im Iran. Der Beschwerdeführer hat in Österreich Deutschkurse, Kurse an der Volkshochschule sowie als außerordentlicher Schüler die Hauptschule besucht, die Pflichtschulabschlussprüfung bestanden und spricht Deutsch. Am 01.08.2018 hat der Beschwerdeführer eine Kfz-Techniker-Lehre begonnen.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , XXXX , wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig aufgrund von strafbaren Handlungen am 09.08.2015, 27.10.2015, 20.12.2015, 28.09.2016, 11.07.2016 und 16.04.2017 wegen §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 4, 107 Abs. 1, 125 und 127 StGB iVm § 28 Abs. 1 StGB und § 5 Z 4 JGG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten, Probezeit drei Jahre, verurteilt.
Zur allgemeinen Lage in Afghanistan und der Situation des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge sind 40 % Pashtunen, rund 30 % Tadschiken, ca. 10 % Hazara, 9 % Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen können allerdings weiterhin in Konflikten und Tötungen resultierten.
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Die Taliban umkämpften Distriktzentren, konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus.
Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4 % im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17 % im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte).
Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16 % aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.
Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich.
Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. In den Jahren 2016-2017 stieg die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6 % gelegen hatte, um 1 %. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40 % der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.
Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen.
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z.B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Religionszugehörigkeit, Sozialisation, Schulbildung und Arbeitserfahrung des Beschwerdeführers sowie zu seinen familiären Verhältnissen beruhen auf den gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des Asylverfahrens, die auch seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl dem angefochtenen Beschied zugrunde gelegt wurden.
Auch die Feststellungen zum Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und den vorgelegten Unterlagen.
Die Feststellungen betreffend die Straffälligkeit des Beschwerdeführers gründen auf der im Verwaltungsakt aufliegenden gekürzten Urteilsausfertigung des Landesgerichtes XXXX vom XXXX . Soweit im angefochtenen Bescheid auf weitere Anzeigen wegen strafbarer Handlungen des Beschwerdeführers hingewiesen wurde, ist festzuhalten, dass einem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten aktuellen Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich keine weiteren Verurteilungen des Beschwerdeführers zu entnehmen sind.
Die Länderfeststellungen beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen einen in den Kernaussagen schlüssigen Überblick über die aktuelle Lage in Afghanistan gewährleistet, und offenkundig auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt wurde.
Im Ergebnis ist auch nicht zu erkennen, dass sich seit der Erlassung des bekämpften Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 31.01.2019 und das ecoi.net-Themendossier "Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Chronologie für Kabul" vom 04.03.2019) versichert hat.
Die Vertreterin des Beschwerdeführers ist dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation entgegengetreten und hat im Rahmen der Stellungnahme vom 08.08.2018 sowie in der Rechtsmittelschrift zahlreiche weitere Länderberichte zu Afghanistan (insbesondere eine Stellungnahme von Amnesty International vom 05.02.2018, einen Artikel aus dem Jahr 2017 und ein Gutachten vom 28.03.2018 von Friederike Stahlmann sowie mehrere EASO-Berichte aus dem Jahr 2017) ins Treffen geführt. Auch die in diesen Berichten enthaltenen Informationen sind allerdings nicht geeignet, die in den Feststellungen zur Situation in Afghanistan enthaltenen Kernaussagen zu widerlegen, sondern sind überwiegend mit diesen in Einklang zu bringen, wenngleich sowohl die Sicherheitslage als auch die sozioökonomische Lage in Afghanistan teilweise schlechter dargestellt wurden. Auch vor dem Hintergrund der jüngsten Ausführungen des UNHCR in den Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 betreffend eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul ("UNHCR ist der Auffassung, dass angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar ist.") ist im Ergebnis nicht zu erkennen, dass Rückkehrern bei einer Neuansiedlung in der Stadt Kabul jedenfalls ernsthafter Schaden droht. Auch in den UNHCR-Richtlinien wird nicht davon ausgegangen, dass eine interne Schutzalternative in Kabul keinesfalls besteht, sondern dass diese "grundsätzlich" nicht verfügbar ist (vgl. auch EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018).
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).
Zu A)
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, 1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder 2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen.
Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2016 gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Aufgrund der Straffälligkeit des Beschwerdeführers leitete das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl am 06.06.2018 gemäß § 9 Abs. 3 AsylG 2005 ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ein.
Bei der nunmehr angefochtenen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stützte sich die belangte Behörde erkennbar auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ("nicht mehr vorliegen") und hielt in der Begründung fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status nicht mehr vorliegen würden und ein Endigungsgrund eingetreten sei.
In Anlehnung an Artikel 16 der Statusrichtline bedarf es hier (§ 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005) einer grundlegenden und dauerhaften Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland des Fremden. So ist es keineswegs ausreichend lediglich festzustellen, dass sich seit der ursprünglichen Antragstellung in Österreich die Gegebenheiten im Herkunftsstaat wesentlich gebessert haben und darauf basierend gegenwärtig keine reale Gefahr für den bislang subsidiär Schutzberechtigten besteht, im Falle seiner Abschiebung in dieses Land, Opfer einer Verletzung von Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder des 6. bzw. 13. ZPEMRK zu werden, respektive als Zivilperson ernsthaft am Leben oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bedroht zu sein. Um die Voraussetzungen der Aberkennung des Status des subsidiären Schutzes gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 objektiv zu erfüllen, muss eine entsprechende Nachhaltigkeit der positiven Veränderungen im Herkunftsland des Fremden gewährleistet sein. Dies erfordert im Regelfall eine längere Beobachtungsphase, anhand deren Verlaufs und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen sich das nachhaltige Ende der bisherigen Bedrohungssituation entsprechend verifizieren lässt (Schrefler-König/Gruber, Asylrecht, § 9 AsylG 2005, Anm. 11).
Die Anwendung dieses Tatbestandes setzt voraus, dass die Bedrohung, die der Grund für die Erteilung war, nachträglich weggefallen ist. Unter Bedachtnahme auf Artikel 16 Abs. 2 der Statusrichtlinie ist davon auszugehen, dass es sich um grundlegende Veränderungen im Herkunftsstaat handeln muss und dass vom Wegfall der Bedrohung erst nach einem angemessenen Beobachtungszeitraum ausgegangen werden darf. Es gilt insofern dasselbe wie hinsichtlich der Asylaberkennung nach § 7 Abs. 1 Z 2 iVm Artikel 1 Abschnitt C Z 5 der Genfer Flüchtlingskonvention (Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, S. 327).
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid entgegen richtlinienkonformer Interpretation der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 (vgl. Artikel 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011) eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht dargetan:
Die Gewährung des subsidiären Schutzes mit Bescheid vom 20.07.2016 begründete die belangte Behörde dahingehend, dass der Beschwerdeführer mangels Anbindungen in Afghanistan keine Existenzmöglichkeit in Afghanistan hätte.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde hinsichtlich einer seither eingetretenen Änderung der Lage im Herkunftsstaat insbesondere auf die Schaffung mehrerer Reintegrationsprogramme für alleinstehende Personen hingewiesen. Bei der Prüfung der Rückkehrsituation des Beschwerdeführers ist die belangte Behörde offenbar von einer innerstaatlichen Fluchtalternative in der Stadt Kabul ausgegangen. Eine Änderung der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers wurde vom Bundesamt insofern ins Treffen geführt, als der Entscheidung ein in Österreich absolvierter Pflichtschulabschluss, Arbeitserfahrung als Straßenkehrer, eine am 01.08.2018 begonnene Kfz-Lehre und die baldige Volljährigkeit des Beschwerdeführers zugrunde gelegt wurden.
Hiezu ist zunächst festzuhalten, dass sich die belangte Behörde bei der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 20.07.2016 nicht konkret auf die damalige Minderjährigkeit des Beschwerdeführers gestützt hat. Soweit davon auszugehen ist, dass diese dennoch im Rahmen der Prüfung einer Existenzmöglichkeit in Afghanistan berücksichtigt wurde, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer weiterhin kaum über Arbeitserfahrung verfügt und nach Aktenlage in seiner Muttersprache weder Lesen noch Schreiben kann. Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer sich seit seiner Kindheit nicht in Afghanistan aufgehalten hat, im Iran aufgewachsen ist, mit örtlichen Gegebenheiten in Kabul nicht vertraut ist und nunmehr seit 2015 in Österreich lebt, ist daher eine wesentliche Veränderung der Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht zu erkennen, zumal den Länderberichten entgegen den Ausführungen der belangten Behörde auch keine Verbesserung der Gesamtsituation für Rückkehrer nach Afghanistan bzw. insbesondere für eine Neuansiedlung in Kabul zu entnehmen ist.
Eine dauerhafte Verbesserung der Lage in Kabul, die wohl erst nach einem angemessenen Beobachtungszeitraum feststellbar wäre, ist aus den im Bescheid angeführten Länderberichten keineswegs erkennbar, denen etwa betreffend die aktuelle Sicherheitslage zu entnehmen ist, dass die einst als relativ sicher erachtete Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen und es im Jahr 2017 sowie in den ersten Monaten 2018 zu mehrerer "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul gekommen ist; im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Stadt Kabul zu verzeichnen. In wirtschaftlicher Hinsicht ist den ins Treffen geführten neuen Reintegrationsprogrammen für Rückkehrer eine zunehmend schwierige Situation am Arbeitsmarkt sowie bei der Wohnraumbeschaffung gegenüberzustellen. In den Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, die von der belangten Behörde bereits zu berücksichtigen gewesen wären, gelangt UNHCR angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage zur Auffassung, dass eine interne Schutzalternative in der Stadt Kabul grundsätzlich nicht verfügbar ist.
Darüber hinaus ist hinsichtlich der nunmehrigen Volljährigkeit des Beschwerdeführers und seiner Erwerbsfähigkeit festzuhalten, dass in Afghanistan auch eine Erwerbstätigkeit von Minderjährigen ab 15 Jahren zulässig ist, sofern sie "leichte Arbeiten" im Ausmaß von bis zu 35 Wochenstunden verrichten.
Eine grundlegende Änderung der Umstände ist daher zum Entscheidungszeitpunkt nicht erkennbar.
Die Voraussetzungen für die amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 liegen sohin gegenständlich nicht vor.
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass auch eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005 ("Nichtvorliegen" der Voraussetzungen) bei richtlinienkonformer Interpretation nur in Betracht kommt, wenn eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen, einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente, für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausschlaggebend war (vgl. Artikel 19 Abs. 3 lit. b StatusRL; siehe auch Filzwieser/Frank/?Kloibmüller/?Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 9, K1, Seite 716 bzw. E2, Seite 715 f). Dahingehende Hinweise sind dem Akt nicht zu entnehmen.
Aufgrund der Straffälligkeit des Beschwerdeführers sind auch die Voraussetzungen für eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 zu prüfen:
§ 9 Abs. 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:
"(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn
1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;
2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder
3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.
In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."
Ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (§ 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005), erfordert eine Gefährdungsprognose, wie sie in ähnlicher Weise auch in anderen asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt ist (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Z 3 und § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005; §§ 53 und 66 Abs. 1 FPG). Dabei ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Strafgerichtliche Verurteilungen des Fremden sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt (VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0246).
Der Verwaltungsgerichtshof verwies in seinem Erkenntnis vom 30.08.2017, Ra 2017/18/0155, auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13.12.2011, U 1907/19 (VfSlg. 19591), wonach eine Gefahr für die Sicherheit und Allgemeinheit eines Landes nur dann gegeben sei, wenn die Existenz oder territoriale Integrität eines Staates gefährdet sei oder, wenn besonders qualifizierte strafrechtliche Verstöße (z.B. Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Drogenhandel, bewaffneter Raub) vorlägen, da § 9 Abs. 2 (Z 2) AsylG 2005 in Umsetzung der Statusrichtlinie ergangen sei und daher richtlinienkonform interpretiert werden müsse.
In Anbetracht der einmaligen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Jugendstraftaten zu einer bedingten sechsmonatigen Freiheitsstrafe kommt daher eine Anwendung von § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 gegenständlich nicht in Betracht.
Im Hinblick auf den Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 (rechtskräftige Verurteilung wegen eines Verbrechens) ist zunächst festzuhalten, dass gemäß § 5 Z 10 des Jugendgerichtsgesetzes 1988 (JGG) die in gesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen Rechtsfolgen bei Jugendstraftaten nicht eintreten. Dementsprechend konnte eine Aberkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 in der Fassung vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 (FrÄG 2018), BGBl. I Nr. 56/2018, nicht auf eine Verurteilung wegen eines Verbrechens nach § 17 StGB gestützt werden, die wegen einer Jugendstraftat erfolgt ist (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0246).
Mit dem FrÄG 2018 wurde anlässlich des oben erwähnten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.01.2018 in dem § 2 AsylG 2005 angefügten Absatz 4 für den Anwendungsbereich des Asylgesetzes 2005 klargestellt, dass als maßgebliche gerichtliche Verurteilungen auch solche gelten, die wegen einer Jugendstraftat erfolgt sind (189 BlgNR 26. GP 21). Diese Bestimmung ist gemäß § 73 Abs. 20 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 mit 01.09.2018 in Kraft getreten.
Verurteilungen wegen Jugendstraftaten vor Inkrafttreten der genannten gesetzlichen Bestimmung am 01.09.2018 sind allerdings mangels einer ausdrücklichen Anordnung im Asylgesetz 2005 zur Beurteilung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 nicht heranzuziehen (vgl. zu § 9 Abs. 2 AsylG 2005 idF FrÄG 2009: VfGH 16.12.2010, U 1769/10).
Das gegen den Beschwerdeführer - wegen Jugendstraftaten - ergangene Strafurteil datiert vom XXXX und damit zwar nach Zuerkennung des subsidiären Schutzes, aber noch vor Inkrafttreten des FrÄG 2018. Sohin liegen aber auch die Voraussetzungen für eine Aberkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 nicht vor.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-369/17, Ahmed, und der nunmehr klargestellten Rechtslage seine bisherige Rechtsprechung, wonach bei Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Verbrechens zwingend und ohne Prüfkalkül der Asylbehörde eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 stattzufinden hat, nicht weiter aufrechterhalten hat. Vielmehr ist bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 - welcher nach der Intention des Gesetzgebers die Bestimmung des Artikels 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie umsetzt - jedenfalls auch eine Einzelfallprüfung durchzuführen, ob eine "schwere Straftat" im Sinne des Artikels 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie vorliegt. Dabei ist die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen und eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen. Es ist jedoch nicht unbeachtet zu lassen, dass auch der Europäische Gerichtshof dem in einer strafrechtlichen Bestimmung vorgesehenen Strafmaß eine besondere Bedeutung zugemessen hat (vgl. EuGH 13.09.2018, Ahmed, C-369/17, Rn. 55) und somit die Verurteilung des Fremden wegen eines Verbrechens zweifelsfrei ein gewichtiges Indiz für die Aberkennung darstellt, dieses Kriterium allein jedoch nach den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Aberkennung nicht ausreicht (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/18/0295).
Der Beschwerde war daher stattzugeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben. Dem Beschwerdeführer kommt demzufolge weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Afghanistan zu.
Damit mangelt es den übrigen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides an einer rechtlichen Grundlage, weshalb diese (ebenfalls) ersatzlos aufzuheben waren.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß 21 Abs. 7 BFA-VG in Verbindung mit § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W127.2208359.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.06.2019