TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/27 W265 2215109-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.03.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

27.03.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W265 2215109-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 04.01.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, bevollmächtigt vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (in der Folge auch als KOBV bezeichnet) stellte am 21.08.2018 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte dabei zwei medizinische Befunde vor.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Augenheilkunde unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.

In dem auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 27.11.2018 basierenden allgemeinmedizinischen Gutachten vom selben Tag wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"Anamnese:

Beide Schultern wurden operiert, da hat die Sehne am Knochen gerieben, da wurde das Schulterdach abgeschliffen, bds. vor einigen Jahren.

Beim Heben immer noch Beschwerden, besonders rechts, da steht der Arm beim Heben an, dann macht er eine Rückwärtsbewegung, dann hüpft die Sehne rüber, dann geht es wieder.

Hüfte rechts wurde mehrfach infiltriert vor einigen Jahren. Schmerzen bei Belastung, manchmal auch in Ruhe, so wie jetzt nach 40 Min. Autofahren.

Die Knie schmerzen bei längerem Knien, das sei laut Orthopäden normal, altersbedingt, wenn er länger kniet, kann er nicht mehr aufstehen ohne Aufstützen.

Bisher keine Operation.

Bandscheibenprolaps der Halswirbelsäule heuer im Sommer, er hat schon 3x einen Prolaps der HWS gehabt, auch 2x der LWS.

Physikalische Therapie und Wurzelblockade wurden gemacht.

Massagen lässt er sich immer noch privat machen, sonst ginge es gar nicht.

Schmerzen ganz unterschiedlich, vorwiegend im Hinterkopf, 300 Tage im Jahr, die Orthopäden meinen, dass die Bandscheiben nicht die Kopfschmerzen verursachen, es wurde auch schon eine Gefäßuntersuchung durchgeführt. Nachts schlafen je nach lage die Finger 4-5 links oder alle Finger der rechten Hand ein.

Teilweise schläft er ruhig, dann kommt es wieder vor, dass er jede Stunde munter wird, und sich umlagern muss, da kommen auch noch die Kopfschmerzen dazu, von denen er munter wird.

Derzeitige Beschwerden:

Siehe oben.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Sirdalud bei Bedarf

Dedolor bei Bedarf

Durotriv alle 2-3 Tage

Physikalische Therapie, Massagen

Sozialanamnese:

verheiratet, 1 Tochter, LKW-Fahrer und Baggerfahrer, dzt. AMS

Rehabgeld wurde beantragt, ev. Umschulung, Untersuchung auf der PVA ist schon gewesen, Bescheid hat er noch nicht erhalten

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

MRT der HWS des KH Amstetten vom 26.06.2018:

Multisegmentäre Spondylose

Osteochondrose mit Modic-I Veränderungen auf Niveau C5/C6 mit einem breitbasigen rechts

intraforaminell eintauchenden Bandscheibenprolaps mit Neuroforamenstenose rechts mehr als links.

Beginnende Neuroforamenstenose rechts auf Niveau C6/C7 aufgrund von degenerativen Veränderungen.

Streckhaltung.

Multisegmentare Facettengelenksarthrosen.

Befund des Radiologen Dr. Stadlbauer vom 20.01.2015:

Schulter rechts:

Regelrechter Stand des Humeruskopfes am Glenoid. Keine nennenswerten Zeichen der Omarthrose. Geringe AC-Gelenksarthrose. Keine periarticulären Verkalkungen.

Ergebnis: Geringe AC-Gelenksarthrose.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Normal, athletisch

Ernährungszustand:

normal

...

Klinischer Status - Fachstatus:

Haut: Rosiges Kolorit,

Sichtbare Schleimhäute: feucht, gut durchblutet

Kopf: Capilitium unauffällig

Augen: unauffällig

Gehör: unauffällig

Hals: Schilddrüse palpatorisch unauffällig, schluckverschieblich, keine Lymphknoten palpabel

Thorax: symmetrisch,

Herz: normofrequent, Hertöne rein und rhythmisch

Lunge: Vesikuläratmen

Abdomen: auf Thoraxniveau, weich, kein Druckschmerz, Leber am Rippenbogen, Milz nicht palpabel, Darmgeräusche unauffällig

Nierenlager: nicht klopfdolent

Wirbelsäule:

Becken- und Schulterstand gerade

Halswirbelsäule: Kinn-Jugulum-Abstand 2 QF, Rotation bds. 40°, Seitneigen bds. 30°

Brustwirbelsäule: Seitneigen bds. bis knapp über die Kniegelenke

Lendenwirbelsäule: nicht klopfdolent

Vorbeugen: FBA 10 cm bei durchgestreckten Kniegelenken, 0 bei gebeugten Rückbeugen: 20°

Obere Extremitäten:

Schultergelenke: Arme vorhalten und seitlich 140°, Nacken- und Schürzengriff bds. möglich, endlagig schmerzhaft

Ellenbogengelenke: Beugung, Streckung und Unterarmdrehung unauffällig

Handgelenke und Finger: unauffällig, Grob- und Spitzgriff bds. durchführbar

Faustschluß bds. vollständig möglich, Kraftgrad 5 bds.

Untere Extremitäten:

Keine Beinödeme, Fußpulse gut palpabel, Beinlänge seitengleich

Hüftgelenke: bds. S 0-0-100, R 40-0-20

Kniegelenke: bds. S 0-0-130, bds. bandstabil

Sprunggelenke: bds. S 30-0-40,

Zehen- und Fersenstand bds. möglich

Kraftgrad 5 bds.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt alleine, selbst gehend mit normalen Schuhen ohne Gehhilfe zur Untersuchung.

Gangbild: unauffälliger, sicherer Gang

Status Psychicus:

Wach, voll orientiert, gut kontaktfähig, Stimmung und Affekt unauffällig, Antrieb normal, Ductus kohärent, Gedächtnis unauffällig, emotionale Kontrolle gut, soziale Funktionsfähigkeit gut

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates Wahl dieser Richtsatzposition bei maßgeblichen morphologischen Veränderungen von Wirbelsäule und Schultergelenken mit chronischen Schmerzen, wiederkehrendem Taubheitsgefühlen der Finger, unterer Rahmensatz bei guter Beweglichkeit und Fehlen von erheblichen neurologischen Ausfällen.

02.02.02

30

 

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

 

 

...

[x] Dauerzustand

..."

Mit Schreiben vom 29.11.2018 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer, vertreten durch den KOBV, das Ergebnis des ärztlichen Beweisverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme ein. Der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 04.01.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Dem Beschwerdeführer sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem Beiblatt, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Mit dem Bescheid wurde dem Beschwerdeführer das ärztliche Sachverständigengutachten übermittelt.

Mit Schreiben vom 19.02.2019 erhob der durch den KOBV vertretene Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte er im Wesentlichen vor, die erfolgte Einstufung des festgestellten Leidens entspreche keinesfalls dem tatsächlichen Schweregrad. Aufgrund der bestehenden Wirbelsäulenschädigung leide der Beschwerdeführer immer wieder an Sensibilitätsstörungen in beiden Händen und Beinen (ziehender Schmerz). Es würden auch funktionelle Einschränkungen im Bereich der Schulter und Arme bestehen. Dem Beschwerdeführer sei es nur unter Schmerzen möglich, seine Arme zu heben und den Schützengriff durchzuführen. Es liege auch keine Kraftlosigkeit in den Armen vor. Weiters leide er unter Kniebeschwerden, welche nicht im Gutachten berücksichtigt worden seien. Dem Beschwerdeführer sei es aufgrund dieses Leidens nicht möglich, sich zu bücken oder zu knien. Es würden auch Probleme beim Bergauf- sowie beim Bergabgehen bestehen. Eine Einstufung des Knieleidens mit einem Grad der Behinderung würde gerechtfertigt. Im Zusammenwirken des eingestuften Leidens unter der laufenden Nummer 1 und dem Knieleiden liege auch eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vor, welche eine Einstufung mit einem Gesamtgrad der Behinderung von mindestens 50 v.H: rechtfertigen würde. Das vorliegende allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten sei zur Beurteilung des vorliegenden Zustandsbildes keinesfalls ausreichend, die Einholung von entsprechenden Fachgutachten wäre unbedingt notwendig gewesen. nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müsse ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinne enthalten. Es werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen der Neurologie und Orthopädie beantragt. Der Beschwerde wurden MRT-Befunde der Knie vom 2801.2019 angeschlossen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 21.08.2018 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Beim Beschwerdeführer besteht folgende Funktionseinschränkung, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird:

1. Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkung, deren Ausmaß und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 27.11.2018 zu Grunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 30 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus dem Akt; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 27.11.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag.

In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wird auf die Art des Leidens des Beschwerdeführers und dessen Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffene Einschätzung, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Befund, entspricht der festgestellten Funktionsbeeinträchtigung. Die Gesundheitsschädigung wurde nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Insoweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde ausführt, er leide an Sensibilitätsstörungen in beiden Händen und Beinen, so ist zunächst festzuhalten, dass das wiederkehrende Taubheitsgefühl in den Fingern im festgestellten Leiden mitberücksichtigt ist. Der Beschwerdeführer gab auch im Rahmen der Anamnese in der persönlichen Untersuchung am 27.11.2018 an, ihm würden nachts die Finger "einschlafen". Betreffend die Beine schilderte der Beschwerdeführer während der Untersuchung hingegen keinerlei diesbezügliche Symptome und konnten auch weder durch die vorgelegten Befunde noch in der Statuserhebung Hinweise auf Lähmungserscheinungen in den Beinen gefunden werden. Dieses Vorbringen ist somit nicht durch medizinische Unterlagen belegt.

Die Schmerzen in den Schultern und Armen sind ebenfalls von der gewählten Positionsnummer mitumfasst. Entgegen dem Beschwerdevorbringen besteht beim Beschwerdeführer jedoch eine gute Beweglichkeit in den Armen. Sämtliche Bewegungen waren - wenn auch zum Teil unter Schmerzen - durchführbar und unauffällig. Der Kraftgrad zeigte sich in der persönlichen Untersuchung in beiden Armen mit 5 als normal.

Dem Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer auch an Kniebeschwerden leide, welche nicht berücksichtigt worden seien, ist entgegenzuhalten, dass sich die Knie in der Statuserhebung durch den Sachverständigen unauffällig zeigten. Sowohl Beweglichkeit als auch Bandstabilität sind als unauffällig dokumentiert, ebenso das Gangbild. Der Beschwerdeführer selbst gab im Rahmen der Anamnese leidglich an, seine Knie würden bei längerem knien schmerzen, was laut seinem Orthopäden aber normal und altersbedingt sei. Dass es ihm, wie nunmehr erstmals in der Beschwerde vorgebracht, überhaupt nicht möglich sei, zu knien oder sich zu bücken, ist auf Basis der vorgelegten Befunde und der persönlichen Untersuchung nicht nachvollziehbar. Beim Vorbeugen betrug der Finger-Boden-Abstand mit durchgestreckten Kniegelenken 10 cm, bei gebeugten 0cm, was ebenfalls ein unauffälliges Ergebnis darstellt. Die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde vorgelegten MRT-Befunde der Knie vom 28.01.2019 waren ebenfalls nicht geeignet, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung mit einem höheren Grad der Behinderung herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung des Leidenszustandes zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen. Die Untersuchung wurde demnach aufgrund eines Verdachts auf eine Meniskusläsion oder einen Knorpelschaden durchgeführt, zeigt im Ergebnis jedoch ein unauffälliges Resultat ohne Hinweis für Rissbildungen, mit erhaltenem Knorpelüberzug und ohne Gelenkserguss.

Der Beschwerdeführer ist dem auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 27.11.2018 im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 27.11.2018. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 27.11.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers selben Tag zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 30 v.H. beträgt. Die Funktionseinschränkung wurde im Gutachten entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Der Beschwerdeführer ist diesem medizinischen Sachverständigengutachten, wie bereits erwähnt, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093). Er legte im Rahmen der Beschwerde keine neuen Befunde vor, die zu einer Änderung der Beurteilung führen könnten.

Da der Sachverhalt feststeht und die Sache daher entscheidungsreif ist, war dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf Einholung weiterer Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen Neurologie und Orthopädie nicht Folge zu geben, zumal bereits ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt wurde und der Entscheidung zu Grunde gelegt wird. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass kein Rechtsanspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes besteht.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anders bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG - trotz des in der Beschwerde gestellten Antrages auf eine mündliche Verhandlung - nicht entgegen. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W265.2215109.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten