TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/28 W240 2216461-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.03.2019
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Entscheidungsdatum

28.03.2019

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W240 2216461-1/2E

W240 2216463-1/2E

W240 2216462-1/2E

W240 2216459-1/2E

W240 2216460-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerden von XXXX , alle StA. Kirgisistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 06.03.2019, Zl. 1219065604-190125476 (ad 1.), Zl. 1219066002-190125484 (ad 2.), Zl. 1219064705-190125492 (ad 3.),

Zl. 1219064803-190125506 (ad 4.) und Zl. 1219065005-190125514 (ad 5.) zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als

unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Ehegatten, die minderjährige Drittbeschwerdeführerin, der minderjährige Viertbeschwerdeführer sowie der minderjährige Fünftbeschwerdeführer sind deren gemeinsame Kinder. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Kirgisistans und reisten über Polen illegal in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein, wo sie am 30.07.2016 und am 12.10.2018 um internationalen Schutz ansuchten. Nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet brachten die Beschwerdeführer am 05.02.2019 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz ein.

Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.02.2019 brachte der Erstbeschwerdeführer vor, er sei mit seiner Familie nach der Ausreise aus dem Herkunftsstaat ein Jahr lang in Russland aufhältig gewesen und in weiterer Folge ab 30.08.2016 bis 04.02.2019 in Polen. Er habe in Polen legal gearbeitet und seine Kinder hätten den Kindergarten besucht. Er und seine Familie hätten in Polen zwei negative Bescheide erhalten und sie hätten daraufhin nach Hause fahren müssen. Die Polizei habe ihnen mitgeteilt, dass sie sich in Polen illegal aufhalten würden. Da der jüngste Sohn, der Fünftbeschwerdeführer, in Polen geboren sei, würde der Erstbeschwerdeführer befürchten, dass dieser in Polen bleiben würde, wenn die Familie abgeschoben werden würde. In Österreich würden seine Eltern seit eineinhalb Jahren und sein volljähriger Bruder seit 2013 leben. Der Erstbeschwerdeführer befürchte im Herkunftsstaat inhaftiert zu werden, im Juli 2015 sei ein Strafverfahren gegen den Erstbeschwerdeführer eröffnet worden. Auch sein in Österreich aufhältiger Bruder habe Probleme mit der Polizei im Herkunftsstaat gehabt.

Die Zeitbeschwerdeführerin tätigte bei der Erstbefragung am selben Tag gleichlautende Angaben über die Reiseroute und zum Aufenthalt in Polen wie der Erstbeschwerdeführer. Weiters gab sie an, dass sie nicht wisse, was in Polen noch passieren könne, sie hätten zwei negative Entscheidungen in Polen erhalten. Es sei ihnen gesagt worden, dass der Fünftbeschwerdeführer in Polen bleiben können, der Rest der Familie jedoch nicht. Die drei minderjährigen Kinder der Zweitbeschwerdeführerin würden sich seit deren Geburt bei ihr befinden. Sie stelle für diese ebenfalls einen Asylantrag in Österreich, für diese würden die gleichen Fluchtgründe wie für die volljährigen Beschwerdeführer gelten. Sie befürchte, dass der Erstbeschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in Kirgisistan inhaftiert werde, die Lage sei schwierig

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 08.02.2019 ein auf

Art. 18 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) gestützte Wiederaufnahmegesuch an Polen.

Mit Schreiben vom 15.02.2019 stimmte die polnische Dublinbehörde der Wiederaufnahme aller Beschwerdeführer gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Am 04.03.2019 erfolgten die niederschriftlichen Einvernahme des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin vor dem BFA im Beisein eines Rechtsberaters nach durchgeführter Rechtsberatung. Der Erstbeschwerdeführer gab im Wesentlichen an, Polen hätte sich Originaldokumente der Beschwerdeführer behalten. Er sei nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente. Er und die Zweitbeschwerdeführerin seien beide die gesetzlichen Vertreter der minderjährigen Beschwerdeführer. Die Kinder seien alle gesund, nur ein wenig verkühlt. In Österreich würden seine Eltern und ein Bruder leben, diese seien in Österreich asylberechtigt. Er stehe mit seinen Verwandten in Österreich in Kontakt, diese würden ihn und die restlichen Beschwerdeführer in der Unterkunft regelmäßig besuchen. Sie würden die Beschwerdeführer mit Geld und Lebensmittel unterstützen. Ein starkes Abhängigkeitsverhältnis zu den Eltern oder zum volljährigen Bruder bestehe nicht. Er habe zwei Mal in Polen eine negative Asylentscheidung erhalten, es sei ihm und seiner Familie mitgeteilt worden, dass die Beschwerdeführer aufgrund der Ausreiseentscheidung Polen verlassen müssten.

Der Erstbeschwerdeführer gab an zu befürchten, dass man seinen jüngsten Sohn, den Fünftbeschwerdeführer, in Polen behalte und die restliche Familie abschiebe, weil er für seinen Sohn keinen Asylantrag gestellt habe. Der Erstbeschwerdeführer habe in Polen immer gearbeitet und habe auch Unterstützung bekommen.

Gegen eine Überstellung nach Polen spreche laut Einschätzung des Erstbeschwerdeführers, dass er von Polen in den Herkunftsstaat abgeschoben werden würde und dann müsse er sich für alles verantworten, was sein Vater getan habe. Außerdem fürchte er, ohne seinen Sohn abgeschoben zu werden. Er sei nicht wegen seiner Eltern oder wegen seines Bruders nach Österreich gekommen, er habe in Polen bereits eine Arbeitserlaubnis besessen und gearbeitet. Die Beschwerdeführer hätten sich in Polen gut integriert und die polnische Sprache gelernt.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab bei der Einvernahme vor dem BFA am 04.03.2019 im Wesentlichen an, ihre Originaldokumente würden sich in Polen befinden. Sie sei gesund und nehme keine Medikamente. Der minderjährige Viertbeschwerdeführer sei unter Beobachtung eines Augenarztes, sie hätten am 23.04.2019 einen Termin. Er sei kurzsichtig und sei seine Hornhaut verkrümmt. Sie würden auf einen Termin warten, weil eine Brille keine Wirkung habe. Die anderen Kinder seien gesund. Ihre Schwiegereltern und ihr Schwager seien in Österreich, sie seien asylberechtigt. Mindestens einmal pro Woche würden diese Verwandten die Beschwerdeführer besuchen, täglich würden die Beschwerdeführer mit diesen telefonieren. Sie seien von den in Österreich asylberechtigten Verwandten nicht abhängig, würden jedoch moralisch und finanziell unterstützt werden. In Polen hätten sie zwei negative Entscheidungen erhalten und sie hätten abgeschoben werden sollen. In Polen seien sie zunächst in einer Betreuungsstelle aufhältig gewesen, ihr Ehemann habe gearbeitet, daher hätten sie sich eine Wohnung finanzieren können. Sie seien von keiner Organisation unterstützt worden. Bei einer Überstellung nach Polen würde die Abschiebung in den Herkunftsstaat drohen, außerdem würden sie den jüngsten Sohn wegnehmen, im zweiten negativen Bescheid in Polen sei der Name des jüngsten Sohnes (des Fünftbeschwerdeführers) nicht enthalten, sie hätten jedoch Sozialleistungen für den Sohn erhalten, sie hätten auch seine Geburtsurkunde behalten. Sie seien in Polen bereits gut integriert, ihre Tochter habe ihre Kindergartenfreunde in Polen zurückgelassen. Sie fürchte bei einer Abschiebung in den Herkunftsstaat, dass ihr die Kinder weggenommen werden würden.

Der anwesende Rechtsberater beantragte die Zulassung der Verfahren der Beschwerdeführer aus humanitären Gründen gemäß Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO iVm Art. 8 EMRK, weil sich die Eltern des Erstbeschwerdeführers in Österreich aufhalten und die Beschwerdeführer von diesen finanziell aber auch emotional unterstützt würden. In Polen hätten die Beschwerdeführer - eine junge Familie - keine familiären oder anderen sozialen Anknüpfungspunkte.

Folgende Unterlagen wurden vorgelegt:

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Heiratsurkunde

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Geburtsurkunde des Viertbeschwerdeführers

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Kopie Geburtsurkunde des Fünftbeschwerdeführers

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Negative Asylentscheidungen in Polen

2. Mit den angefochtenen Bescheiden wurde der Antrag aller fünf Beschwerdeführer auf internationalen Schutz jeweils ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Polen wurden in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert und gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

1. Allgemeines zum Asylverfahren

In erster Instanz für das Asylverfahren in Polen zuständig ist das Office for Foreigners (Urzad do Spraw Cudzoziemcow, UDSC), das dem Innenministerium untersteht. Es gibt ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten:

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(AIDA 2.2017; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 3.11.2017

2. Dublin-Rückkehrer

Es gibt keine Berichte über Zugangshindernisse zum Verfahren für Dublin-Rückkehrer. Personen, die im Rahmen der Dublin-Bestimmungen nach Polen zurückkehren, müssen bei der Grenzwache einen Asylantrag stellen oder die Wiedereröffnung eines etwaigen vorherigen Verfahrens beantragen. So eine Wiedereröffnung ist innerhalb von neun Monaten ab dessen Einstellung möglich. Sind diese neun Monate verstrichen, wird ihr Antrag als Folgeantrag betrachtet und auf Zulässigkeit geprüft. 2016 gab es keinen einzigen Fall, in dem ein Verfahren innerhalb der Neun-Monatsfrist wiedereröffnet worden wäre. Viele Rückkehrer zogen hingegen die freiwillige Rückkehr ins Herkunftsland einer Wiedereröffnung ihrer Verfahren vor. Dublin-Rückkehrer sind zu denselben Bedingungen zu Versorgung in Polen berechtigt wie alle anderen Antragsteller (AIDA 2.2017; vgl. EASO 24.10.2017).

Das medizinische Personal der Grenzwache beurteilt den Gesundheitszustand eines Rückkehrers nach seiner Überstellung nach Polen, auch im Hinblick auf seine speziellen Bedürfnisse. Außerdem werden im Einvernehmen mit dem Fremdenamt (UDSC) und dem medizinischen Personal die Möglichkeiten der Anpassung der Aufenthaltsverhältnisse in Polen an die gesundheitliche Situation des Antragstellers bzw. die eventuelle Notwendigkeit, ihn in einer fachlichen medizinischen Einrichtung unterzubringen, abgesprochen. Abhängig von dem Zustand der motorischen Fähigkeit des Ausländers stellt die Grenzwache den Transport eines bedürftigen Rückkehrers zum Aufnahmezentrum, einer medizinischen Einrichtung (falls er einer sofortigen Hospitalisierung bedarf) oder einer fachlichen medizinischen Einrichtung sicher. Personen mit einer vorübergehenden oder dauerhaften motorischen Behinderung, die eines Rollstuhls bedürfen, werden in einem für die Bedürfnisse der motorisch Behinderten angepassten Zentrum untergebracht. Falls der Ausländer einer Rehabilitation bedarf, wird medizinische Ausrüstung sichergestellt. Das medizinische Personal des Flüchtlingszentrums bestimmt die Bedürfnisse des Rückkehrers im Bereich der Rehabilitation und der medizinischen Ausrüstung. Es besteht die Möglichkeit, eine vom Arzt verordnete Diät anzuwenden. Das Fremdenamt garantiert einen Transport zu fachärztlichen Untersuchungen oder Rehabilitation. Der Transport zu ärztlichen Terminen in medizinischen Einrichtungen wird garantiert. Antragsteller, die schwer behindert, pflegebedürftig oder bettlägerig sind, deren Pflege in einem Flüchtlingszentrum nicht gewährleistet werden kann, werden in speziellen Pflegeanstalten oder Hospizen untergebracht. Diese Einrichtungen garantieren medizinische Leistungen samt der notwendigen Rehabilitation für Behinderte rund um die Uhr und professionell ausgebildetes Personal (VB 7.7.2017).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017

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EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query.

Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail

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VB des BM.I in Polen (7.7.2017): Bericht der polnischen Asylbehörde, per E-Mail

3. Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable

Als vulnerabel gelten in Polen laut Gesetz Minderjährige, Behinderte, Alte, Schwangere, alleinerziehende Elternteile, Opfer von Menschenhandel, ernsthaft Kranke, psychisch Beeinträchtigte, Folteropfer und Opfer psychischer, physischer bzw. sexueller Gewalt. Am Anfang und während des Asylverfahrens sind vom Gesetz gewisse medizinische und psychologische Identifikationsmechanismen vorgesehen und werden auch angewendet, wenn auch die Initiative dazu oft vom Antragsteller ausgehen muss. An der Grenze wendet die Grenzwache eigene Identifizierungsmechanismen für Vulnerable an, die von NGOs als ungenügend kritisiert werden. Einige NGOs behaupten, dass das im polnischen Gesetz vorgesehene Identifikationssystem für Vulnerable in der Praxis nicht funktioniere (AIDA 2.2017).

Die für die medizinische Versorgung von Asylwerbern in Polen zuständige Vertragsfirma Petra Medica ist vertraglich verpflichtet, einen Früherkennungsmechanismus für Vulnerable zu betreiben. Psychologische Versorgung inklusive Übersetzung ist in allen Unterbringungseinrichtungen vorhanden. Verfahren vulnerabler Personen werden priorisiert und alle Beamten im Umgang mit Vulnerablen geschult. Das Verfahren zur Identifizierung Vulnerabler wurde im Zuge eines Projekts mit einer NGO entwickelt. Die Bewertung spezieller Bedürfnisse geschieht durch einen Arzt während der Erstuntersuchung (epidemiologischer Filter). Werden psychische Probleme erkannt, wird der Betreffende zu einem Psychologen überwiesen. Wenn zu einem späteren Zeitpunkt Hinweise auf Vulnerabilität aufkommen, wird ebenfalls eine psychologische Untersuchung veranlasst. Gleiches gilt bei Hinweisen auf Folter. Wenn auch von NGOs behauptet wird, die Identifizierung der Vulnerabilität funktioniere in der Praxis nicht immer, kann Polen dennoch als positives Beispiel genannt werden, da der Identifikationsmechanismus verpflichtend ist, und konkrete Umsetzungsmaßnahmen festgelegt wurden (HHC 5.2017).

In Polen gibt es drei NGOs, die sich auf die psychologische Betreuung von vulnerablen Asylwerbern spezialisieren. Die NGO International Humanitarian Initiative arbeitet in Warschau und besucht nötigenfalls auch geschlossene Einrichtungen. Sie betreiben auch das Projekt "Protect" für Folteropfer. Die NGO Ocalenie Foundation arbeitet auch in Warschau und hat einen Psychologen, der Russisch und Englisch spricht. Die dritte ist die Stiftung Róznosfera, welche 2015-2016 ein Projekt mit Grenzwache und Asylbehörde zur Identifizierung von Vulnerablen betrieben hat. Andere NGOs bieten psychologische Hilfe aus finanziellen Gründen nur eingeschränkt und unregelmäßig an (AIDA 2.2017).

Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen sind auch entsprechend unterzubringen. Einige der Unterbringungszentren in Polen sind behindertengerecht angepasst. Drei Zentren haben spezielle Eingänge und Bäder für Rollstuhlfahrer, sieben andere Zentren haben gewisse Verbesserungen für diese Gruppe umgesetzt, und es gibt Rehabilitationsmaßnahmen. Traumatisierte Asylwerber (etwa Folteropfer) können in Einzelzimmern untergebracht werden. In Warschau gibt es ein Zentrum, speziell für alleinstehende Frauen mit Kindern. Es gibt spezielle Gegenmaßnahmen der Behörden in Kooperation mit UNHCR und NGOs (sogenannte Local Cooperation Teams) gegen geschlechterbasierte Gewalt in den Unterbringungszentren (AIDA 2.2017; vgl. HHC 5.2017).

Wenn Zweifel an der Minderjährigkeit eines Antragstellers bestehen, ist, mit Zustimmung des Antragstellers bzw. seines Vertreters, eine medizinische Altersfeststellung vorgesehen. Es gibt drei Möglichkeiten hierfür: allgemeine Untersuchung, Handwurzelröntgen und Zahnuntersuchung, in dieser Reihenfolge. Im Zweifelsfall wird die Minderjährigkeit angenommen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, wird der Betreffende als Erwachsener behandelt. Die Gesetze sehen vor, dass für unbegleitete Minderjährige auf Antrag der Asylbehörde vom lokalen Bezirksfamiliengericht ein Vormund (kurator) bestimmt werden muss, was in der Praxis auch ausnahmslos der Fall ist. Die Frist zur Bestellung beträgt drei Tage. Es gibt keine Berichte zur Einhaltung dieser Regel. Der Vormund ist nur für das Asylverfahren zuständig, nicht für andere Lebensbereiche des UMA. In den letzten Jahren gab es in der Praxis Probleme mit der zu geringen Zahl an Kandidaten für eine Vormundschaft. Meist wurden NGO-Mitarbeiter oder entsprechend engagierte Rechtswissenschaftsstudenten bestellt. Der Vormund soll während des Asylinterviews des unbegleiteten Minderjährigen anwesend sein, ebenso ein Psychologe (AIDA 2.2017).

Unbegleitete Minderjährige (UM) werden nicht in den herkömmlichen Unterbringungszentren für Asylwerber, sondern in verschiedenen Kinderschutzeinrichtungen in ganz Polen untergebracht. Auch die Unterbringung in Pflegefamilien ist möglich. 2016 waren die meisten UM (142 Anträge von UM gab es in jenem Jahr) in Einrichtungen in Ketrzyn, in der Nähe des dortigen Unterbringungszentrums untergebracht, andere auch in Przemysl oder Rzeszów. Wenn das Asylverfahren negativ ausgeht, bleibt der UM in der Unterbringung, in der er sich befindet. 2016 wurden zwölf Verfahren von UM eingestellt, weil sich diese dem Verfahren entzogen (absconded) (AIDA 2.2017). Unbegleitete Minderjährige unter 15 Jahren dürfen nicht in geschlossenen Einrichtungen untergebracht werden (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017

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HHC - Hungarian Helsinki Committee (5.2017): Unidentified and Unattended. The Response of Eastern EU Member States to the Special Needs of Torture Survivor and Traumatised Asylum Seekers, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1504851185_2017-05-hhc-unidentified-and-unattended.pdf, Zugriff 9.11.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/337193/479957_de.html, Zugriff 10.11.2017

4. Non-Refoulement

Gemäß polnischem Asylgesetz gilt ein Asylantrag als unzulässig, wenn ein anderes Land existiert, in dem der Antragsteller als Flüchtling behandelt wird und dort Schutz genießen kann bzw. in anderer Form vor Refoulement geschützt ist (first country of asylum). 2016 gab es in Polen 770 Unzulässigkeitsentscheidungen, aber es gibt keine Daten, wieviele davon auf die genannte Regelung zurückgehen (AIDA 2.2017).

Es gibt Berichte, wonach immer wieder potentiellen Antragstellern an der Grenze zu Weißrussland die Einreise nach Polen und der Zugang zum Asylverfahren verwehrt wird (AIDA 2.2017). Stattdessen werden sie nach Belarus zurückgeschickt. Die Grenzwache sagt, dass jene, denen die Einreise verweigert wurde, Wirtschaftsmigranten ohne Visa gewesen seien, die lediglich nach Westeuropa weiterreisen wollten (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). NGOs kritisieren, dass die Grenzwache diese Erkenntnis aus lediglich rudimentären zwei- bis dreiminütigen Befragungen (pre-screening interviews) gewinne. Das polnische Außenministerium wiederum sagt, dass das Gebiet, auf dem diese pre-screening interviews stattfinden, nicht polnisches Territorium sei (HRW 15.6.2017). Es wird weiter kritisiert, dass Belarus über kein funktionierendes Asylsystem verfüge, und daher die hauptsächlich tschetschenischen bzw. zentralasiatischen Schutzsuchenden einem Risiko ausgesetzt seien, in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt zu werden und dort Opfer von Folter oder Misshandlung zu werden. Diese Praxis dauert angeblich trotz mehrerer interim measures des EGMR weiter an (AI 5.7.2017).

Quellen:

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/336602/479283_de.html, Zugriff 10.11.2017

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AI - Amnesty International (5.7.2017): Public Statement: Poland:

EU Should Tackle Unsafe Returns to Belarus, https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1499329689_eur3766622017english.pdf, Zugriff 10.11.2017

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017

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HRW - Human Rights Watch (15.6.2017): Poland Ignores European Court Over Return of Asylum Seeker, https://www.ecoi.net/local_link/341960/485286_de.html, Zugriff 10.11.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/337193/479957_de.html, Zugriff 10.11.2017

5. Versorgung

Asylwerber müssen sich binnen zwei Tagen ab Antragstellung in einem Erstaufnahmezentrum registrieren, ansonsten wird das Verfahren eingestellt. Ab Registrierung im Erstaufnahmezentrum sind sie während des gesamten Asylverfahrens sowie ohne Unterschied zu materieller Unterstützung berechtigt, auch im Zulassungs- und im Dublinverfahren sowie bei Folgeanträgen und während laufender erster Beschwerde. Wenn Antragsteller nach einer erfolglosen Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid den Beschwerdeweg weiter beschreiten (Beschwerde an den Voivodeship Administrative Court in Warschau; 2. Beschwerdeinstanz), wird ihnen das Recht auf Versorgung aberkannt. Wenn das Gericht die angefochtene Entscheidung suspendiert, wird dem Beschwerdeführer das Recht auf Versorgung wieder zuerkannt. Jedoch hat der Voivodeship Administrative Court dies im Jahr 2016 meist nicht getan, was dazu führte, dass die betroffenen Beschwerdeführer ohne staatliche Versorgung blieben (AIDA 2.2017).

Generell werden Unterbringung, materielle Hilfe und Gesundheitsversorgung bis zu zwei Monate nach der endgülitigen Entscheidung im Asylverfahren (positiv wie negativ) gewährt. Wird das Verfahren allerdings schlicht eingestellt (z.B. in der Zulassungsphase), verkürzt sich dieser Zeitraum auf 14 Tage. Da Antragsteller mit einer abschließend negativen Entscheidung Polen binnen 30 Tagen zu verlassen haben und keine Versorgung mehr gewährt wird, wenn sie diese Frist zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden sie in der Praxis nur für 30 Tage weiterversorgt. Einzelne Asylwerber berichten jedoch, dass ihnen sogar ein längerer Verbleib im Zentrum gestattet wurde als rechtlich vorgesehen. Versorgung wird in Polen auch ohne Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten des AW gewährt. Für AW, die außerhalb des Zentrums wohnen, gibt es eine Zulage (AIDA 2.2017).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017

5.1. Unterbringung

Asylwerber, die in einem Zentrum leben, erhalten Unterkunft, medizinische Versorgung, Mahlzeiten (oder PLN 9,-/Tag für Selbstverpflegung), Taschengeld (PLN 50,-/Monat), Geld für Hygieneartikel (PLN 20,-/Monat), eine Einmalzahlung für Bekleidung (PLN 140,-), einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten) und Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben, erhalten eine finanzielle Beihilfe (von PLN 25,-/Tag für eine Einzelperson; bis hin zu PLN 12,50/Tag und Person für Familien mit vier oder mehr Familienmitgliedern), einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. 2016 erhielten durchschnittlich 1.735 Asylwerber Versorgung innerhalb der Zentren und 2.416 außerhalb der Zentren. Die Höhe der Unterstützungen liegt unter dem sogenannten "sozialen Minimum" und wird als zu gering kritisiert, um in Polen außerhalb der Zentren einen angemessenen Lebensstandard führen zu können. Vor allem Mieten in Warschau, wo die meisten AW ihr Asylverfahren abwickeln, sind damit schwer abzudecken. Dies trage dazu bei, dass AW oft zu mehreren in beengten Wohnungen oder unsicheren Verhältnissen lebten und oft illegaler Beschäftigung nachgehen müssten. Selbst für Familien reiche die Unterstützung gerade einmal für die Miete (AIDA 2.2017).

In Polen gibt es elf Unterbringungszentren mit insgesamt 2.331 Plätzen. Zwei der Zentren dienen der Erstaufnahme. Mit Überbelegung gibt es keine Probleme. Alle Zentren unterstehen der polnischen Asylbehörde UDSC, sieben der Zentren werden von Vertragspartnern geführt. Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren sind unterschiedlich. Gewisse Grundlagen müssen erfüllt werden, der Rest ist abhängig vom Willen und den finanziellen Möglichkeiten des Vertragspartners. Es gibt keine speziellen Zentren für AW im Grenzverfahren oder in Transitzonen (AIDA 2.2017).

Antragsteller dürfen sechs Monate nach Antragstellung arbeiten. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist wegen mangelnden Sprachkenntnissen usw. in der Praxis aber potentiell schwierig (AIDA 2.2017).

Es gibt spezielle Gegenmaßnahmen der Behörden in Kooperation mit UNHCR und NGOs (sogenannte Local Cooperation Teams) gegen geschlechterbasierte Gewalt in den Unterbringungszentren (AIDA 2.2017; vgl. HHC 5.2017). UNHCR und NGOs berichten über keine größeren oder anhaltenden Probleme von Missbrauch in den Zentren (USDOS 3.3.2017).

Polen verfügt außerdem über sechs geschlossene Unterbringungszentren (guarded centers) in Biala Podlaska, Bialystok, Lesznowola, Ketrzyn, Krosno Odrzanskie, und Przemysl mit zusammen 510 Plätzen (AIDA 2.2017).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017

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HHC - Hungarian Helsinki Committee (5.2017): Unidentified and Unattended. The Response of Eastern EU Member States to the Special Needs of Torture Survivor and Traumatised Asylum Seekers, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1504851185_2017-05-hhc-unidentified-and-unattended.pdf, Zugriff 9.11.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/337193/479957_de.html, Zugriff 10.11.2017

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5.2. Medizinische Versorgung

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Asylwerber in Polen mit laufendem Asylverfahren haben bezüglich medizinischer Versorgung, mit der Ausnahme von Kurbehandlungen, dieselben Rechte wie polnische Staatsbürger. Aufgrund einer Vereinbarung mit der polnischen Asylbehörde ist die Firma Petra Medica für die medizinische Versorgung von Asylwerbern verantwortlich, genauer medizinische Basisversorgung, Spezialbehandlung, Zahnbehandlung, Versorgung mit Medikamenten und psychologische Betreuung. Die psychologische Betreuung steht sowohl in den Asylzentren, wenn Asylwerber dort wohnhaft sind, aber auch in den Beratungsstellen der Asylbehörde in Warschau, für die diejenige, die außerhalb der Zentren wohnen, zur Verfügung. Die folgenden Leistungen werden im Rahmen der psychologischen Betreuung angeboten:

psychologische Unterstützung, Bildungsaktivitäten, Psychotherapie in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie und Krisenintervention. Die erwähnten Maßnahmen basieren auf Standards der polnischen Psychologischen Vereinigung. Wenn die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung festgestellt wird, wird der Patient entsprechend seines Alters in eine Klinik für psychische Gesundheit für Kinder oder Erwachsene eingewiesen (UDSC 19.6.2017).

Asylwerber in Polen haben ab Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung, das auch dann weiterbesteht, wenn die materielle Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder eingestellt wird. Gesetzlich garantiert ist medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für versicherte polnische Staatsbürger. Die medizinische Versorgung von AW wird öffentlich finanziert. Seit 1.7.2015 wird die medizinische Versorgung von AW durch die Vertragsfirma Petra Medica gewährleistet. Sie umfasst in jedem Unterbringungszentrum auch psychologische Versorgung. Pro 120 AW sind vier Stunden Zuwendung durch einen Psychologen vorgesehen. Das umfasst Identifizierung von Vulnerablen und grundlegende Behandlung. AW können aber auch an Psychiater oder psychiatrische Einrichtungen überwiesen werden. NGOs zeigen sich damit nicht zufrieden, beklagen den Mangel an PTSD-Behandlungen und einige NGOs meinen sogar, die spezialisierte Behandlung von traumatisierten AW und Folteropfern wäre in Polen nicht möglich. Zusätzlich bieten NGO-Psychologen in Unterbringungszentren ihre Dienste an, in manchen Zentren aber nicht regelmäßig. Die Psychologen in den Unterbringungszentren sprechen in der Regel auch Russisch. Darüber hinausgehende Übersetzung wird durch die zuständige Abteilung der Petra Medica gewährleistet. Manchmal ist bei der medizinischen Behandlung die Übersetzung bzw. mangelnde interkulturelle Kompetenz des medizinischen Personals ein Problem. Ebenfalls ein Problem ist, dass einige der Spitäler, die mit Petra Medica in der Behandlung von Asylwerbern zusammenarbeiten, weit von den Unterbringungszentren entfernt liegen, während die nächstgelegenen medizinischen Einrichtungen von Asylwerbern nur im Notfall frequentiert werden dürfen (AIDA 2.2017; vgl. HHC 5.2017).

Petra Medica ist aufgrund einer Vereinbarung mit der polnischen Asylbehörde verantwortlich für die medizinische Versorgung von Asylwerbern in Polen. In den Empfangszentren wird ein Gesundheits-Check, darunter auch der sogenannte epidemiologische Filter auf Tuberkulose, Infektionskrankheiten, Geschlechtskrankheiten und parasitäre Erkrankungen, vorgenommen. In den Unterbringungszentren wird ambulante medizinische Versorgung, darunter medizinische Grundversorgung, Zahnbehandlung, psychologische Betreuung und Versorgung mit Medikamenten geboten. Wenn nötig, werden Patienten für Tests oder Spezialbehandlung in medizinische Einrichtung der Petra Medica oder andere Vertragseinrichtungen überwiesen. Psychologische Betreuung findet im Zentrum statt, in Spezialfällen kann auch in spezialisierte Kliniken überwiesen werden. Rehabilitationsmaßnahmen sind mit Genehmigung der Abteilung Sozialwohlfahrt der UDSC möglich. Wenn AW außerhalb der Zentren leben, erhalten sie die Behandlung ebenfalls in den oben genannten Einrichtungen oder in relevanten Einrichtungen in den Hauptstädten der Woiwodschaften (Verwaltungsbezirke, Anm.). Wenn nötig, kann eine Überweisung in das nächstgelegene Krankenhaus erfolgen, das mit Petra Medica zusammenarbeitet. Außerhalb des Zentrums konsumierte Leistungen werden über Petra Medicas Patient Registration Coordinator serviciert (werktags zu den Bürozeiten). Wenn ein Patient sich dorthin wendet und er die nötigen Daten bereitstellen kann, wird die Behandlung genehmigt, Einrichtung und Datum für die Durchführung der Leistung ermittelt und dem Betreffenden mitgeteilt. Bei Akutfällen, in der Nacht und an Feiertagen, stehen entweder die übliche landesweite Versorgung bzw. medizinische Notdienste zur Verfügung. Um in den Unterbringungszentren und beim Foreigner Service Team Medikamente zu erhalten, ist eine entsprechende Verschreibung nötig. Wer außerhalb der Zentren lebt und Sozialhilfezahlungen erhält, kann verschriebene Medikamente erhalten, indem er das Rezept an Petra Medica schickt oder diese selbst kauft und sich die Kosten hinterher ersetzen lässt (UDSC 12.12.2016; vgl. PM o.D.).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017

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HHC - Hungarian Helsinki Committee (5.2017): Unidentified and Unattended. The Response of Eastern EU Member States to the Special Needs of Torture Survivor and Traumatised Asylum Seekers, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1504851185_2017-05-hhc-unidentified-and-unattended.pdf, Zugriff 9.11.2017

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MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):

Auskunft MedCOI, per E-Mail

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PM - Petra Medica (o.D.): Opieka medyczna dla Cudzoziemców, http://www.petramedica.pl/nasza-oferta/oferta-dla-pacjentow-indywidualnych/opieka-medyczna-dla-cudzoziemcow, Zugriff 10.11.2017

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UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (12.12.2016): Auskunft der polnischen Asylbehörde, per E-Mail

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UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (19.6.2017): Auskunft der polnischen Asylbehörde, per E-Mail

6. Schutzberechtigte

Internationaler Schutz wird unbefristet erteilt. Die Aufenthaltskarte, welche die Nutznießer erhalten, ist aber immer nur für drei Jahre gültig (verlängerbar). Subsidiärer Schutz sowie Humanitärer Schutz werden ebenfalls unbefristet erteilt. Die Aufenthaltskarte, welche die Nutznießer in beiden Fällen erhalten, ist aber immer nur für zwei Jahre gültig (verlängerbar). Nach frühestens fünf Jahren legalen Aufenthalts in Polen können Fremde unter bestimmten Voraussetzungen eine Langzeitaufenthaltsberechtigung beantragen (AIDA 2.2017).

Schutzberechtigte dürfen nach Erhalt der Entscheidung noch für max. zwei Monate in der Unterbringung für Asylwerber bleiben. Sie genießen volle Niederlassungsfreiheit in ganz Polen. Der Staat bietet keine eigenen Unterbringungsmöglichkeiten für Schutzberechtigte, nur einige Gemeinden bieten spezielle Wohnungen zu diesem Zweck an (z.B. fünf pro Jahr in Warschau). Innerhalb des zwölf Monate dauernden Individual Integration Program (IPI), erhalten Schutzberechtigte jedoch eine Zulage für das Anmieten einer Wohnung. Berichten zufolge vermieten aber viele Vermieter nicht gerne an Flüchtlinge bzw. verlangen höhere Mieten. Manche NGOs meinen, Flüchtlinge würden sich in Polen Obdachlosigkeit und Armut gegenübersehen. Schutzberechtigte haben in Polen vollen Zugang zum Arbeitsmarkt wie polnische Bürger, jedoch sind in der Praxis Sprachkompetenz und Qualifikation der Flüchtlinge oft ein Problem. Schutzberechtigte haben Zugang zum allgemeinen polnischen Sozialsystem wie polnische Bürger auch. Humanitär Aufenthaltsberechtigte oder Geduldete (tolerated stay) haben lediglich Zugang zu Unterbringung, Verpflegung, Kleidung und speziell gewidmeten Leistungen. Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte müssen sich krankenversichern und haben dann Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem wie polnische Bürger. Innerhalb des zwölf Monate dauernden Individual Integration Program (IPI), wird die Krankenversicherung noch von der öffentlichen Hand übernommen, danach muss diese entweder von einem etwaigen Arbeitgeber oder vom Schutzberechtigten selbst übernommen werden. Kinder unter 18 Jahren haben immer Zugang zu medizinischer Versorgung, die in ihrem Fall voll vom Staat übernommen wird. Die Krankenversicherung in Polen deckt die meisten medizinischen Behandlungen ab, lediglich einige Zahnbehandlungen, Medikamentenkosten und einige Heilbehelfe sind nicht umfasst. Das Polish Centre for Rehabilitation of Torture Victims der Foundation International Humanitarian Initiative bietet Folteropfern und Traumatisierten im Rahmen von Projekten Hilfe (AIDA 2.2017).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017

Die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer seien zurückzuweisen, weil gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO Polen für die Prüfung der Anträge zuständig sei. Im gegenständlichen Fall sei keine drohende Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte der Beschwerdeführer im Falle der Überstellung der Familie nach Polen ersichtlich. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Die Außerlandesbringung stelle auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK dar.

3. Gegen die Bescheide betreffend die Beschwerdeführer wurde Beschwerde erhoben. Darin wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges insbesondere ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall eine Einzelfallprüfung zur Beurteilung der Frage, ob den Beschwerdeführern in Polen eine Verletzung durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe, erforderlich gewesen, verwiesen wurde auf den Fall Tarakhel. Es drohe Obdachlosigkeit und menschenunwürdige Bedingungen für die Beschwerdeführer in Polen. Hinsichtlich der Länderbericht zu Polen wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführer in Polen rassistischen Übergriffen ausgesetzt wären und unter unzumutbaren Bedingungen leben müssten. Weiters wurde abermals auf die in Beziehung zu den in Österreich lebenden Verwandten sowie auf die Befürchtungen der volljährigen Beschwerdeführer verwiesen, dass ihr jüngster Sohn in Polen verbleiben würde, wenn die restliche Familie in den Herkunftsstaat abgeschoben würde. Die Zweitbeschwerdeführerin leide zudem sehr unter der Angst vor der Abschiebung nach Kirgisistan und der drohenden Abnahme ihres Sohnes, sie habe Alpträume und leide unter Schlaflosigkeit. Zum Beweis, dass der Erstbeschwerdeführer aus denselben Gründen wie sein Vater in Kirgisistan verfolgt werde, wurde auf die Einvernahme des Vaters des Erstbeschwerdeführers verwiesen. Es drohe eine Kettenabschiebung in den Herkunftsstaat der Beschwerdeführer und Österreich hätte in die Sache selbst eintreten müssen.

Zusammen mit der Beschwerde wurde der Bescheid betreffend den Vater des Erstbeschwerdeführers vom 08.11.2017 übermittelt, mit dem diesen der Asylstatus in Österreich zuerkannt wurde sowie eine Kopie der Niederschrift des Vaters des Erstbeschwerdeführers beim BFA vom 18.09.2017. Zudem wurde eine Kopie eines Schreibens in ausländischer Sprache übermittelt, welches laut Beschwerdeausführungen, ein Schreiben aus Kirgisistan sei, wonach gegen den Erstbeschwerdeführer ein Strafverfahren eröffnet worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Ehegatten, die minderjährige Drittbeschwerdeführerin, minderjährige Viertbeschwerdeführer sowie der minderjährige Fünftbeschwerdeführer sind deren gemeinsame Kinder. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Kirgisistans und reisten über Polen illegal in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein, wo sie am 30.07.2016 und am 12.10.2018 um internationalen Schutz ansuchten. Nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet brachten die Beschwerdeführer am 05.02.2019 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz ein.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 08.02.2019 ein auf

Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO gestützte Wiederaufnahmegesuch an Polen.

Mit Schreiben vom 15.02.2019 stimmte die polnische Dublinbehörde der Wiederaufnahme aller Beschwerdeführer gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen der angefochtenen Bescheide zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Polen an, wobei nach Einsicht in aktuelle Länderberichte darauf hinzuweisen ist, dass keine Hinweise auf eine für das Asylverfahren relevante Änderung der aktuellen Situation in Polen im gegenständlichen Fall vorliegen.

Konkrete, in den Personen der beschwerdeführenden Parteien gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.

Intensiv ausgeprägte private oder berufliche Bindungen der beschwerdeführenden Parteien bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht. Die Beschwerdeführer waren von den Eltern des Erstbeschwerdeführers und seinem volljährigen in Österreich niedergelassenen Bruder bis zu ihrer illegalen Einreise getrennt und haben auch danach mit diesen Verwandten nicht im gemeinsamen Haushalt gelebt. Es kommt lediglich zu regelmäßigen Besuchskontakten und es werden die Beschwerdeführer, welche in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung beziehen, teilweise materiell durch die in Österreich lebenden Verwandten unterstützt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Polen Gefahr laufen würden, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

In Polen sind Asylwerber Übergriffen welcher Art auch immer nicht schutzlos ausgeliefert. Die polnischen Sicherheitsbehörden sind schutzwillig und schutzfähig.

Die Beschwerdeführer sind gesund, einzig der Viertbeschwerdeführer leidet an einer Hornhautverkrümmung. In der Beschwerde wurde erstmals behauptet, die Zweitbeschwerdeführerin leide sehr unter der Angst vor der Abschiebung nach Kirgisistan und der drohenden Abnahme ihres Sohnes, sie habe Alpträume und leide unter Schlaflosigkeit. Medizinische Unterlagen wurden nicht übermittelt.

In Polen sind alle Krankheiten behandelbar; die medizinische und psychologische Versorgung für Asylwerber ist in Polen ausreichend gewährleistet. Es sind dort alle gängigen Medikamente erhältlich.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Reiseweg der Beschwerdeführer, der illegalen Einreise in das Gebiet der Mitgliedstaaten über Polen und der Asylantragstellung dort ergeben sich aus dem Vorbringen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in Zusammenhalt mit den vorliegenden EURODAC-Treffermeldungen der Kategorie "1" zu Polen.

Die Feststellung bezüglich der Zustimmung Polens zur Übernahme aller Beschwerdeführer nach Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO ergibt sich aus dem durchgeführten - im Verwaltungsakt dokumentierten - Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der polnischen Dubli

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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