Entscheidungsdatum
28.03.2019Norm
BBG §40Spruch
W133 2187354-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 12.02.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Ein zuvor gestellter Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 19.08.2016 wurde mit Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet) vom 16.11.2016 abgewiesen, da auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens vom 03.11.2016 ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. festgestellt worden war. Dieser Bescheid vom 16.11.2016 erwuchs in Rechtskraft.
Die Beschwerdeführerin stellte am 11.07.2017 nach Durchführung einer Knietotalendoprothesen-Operation im Juni 2017 einen neuerlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde und legte medizinische Unterlagen vor.
Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie ein. In diesem Gutachten vom 12.02.2018 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
GdB %
1
Gelenkserkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis, Zustand nach Endoprothese rechtes Kniegelenk unterer Rahmensatz, da derzeit keine Allgemeinbeschwerden und bis auf Knieendoprothese freie Beweglichkeit der Gelenke
02.02.02
30
2
Netzhautdegeneration mit Visuseinschränkung beidseits Tab. Z3/K3
11.02.01
30
3
Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus mittlerer Rahmensatz, da orale Dauertherapie, stabile Stoffwechsellage
09.02.01
20
4
Zustand nach Gallenblasenentfernung unterer Rahmensatz, da keine Diätmaßnahmen
07.06.01
10
5
Zeitweilig leichtes Asthma bronchiale unterer Rahmensatz, da Bedarfstherapie bei guter Lungenfunktion
06.05.01
10
zugeordnet und
nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, Leiden 1 werde durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da es sich um ein maßgebliches Sinnesleiden handle. Leiden 3 bis 5 erhöhten nicht weiter, da keine maßgebliche wechselseitige Leidensbeeinflussung bestehe. Mit Ausnahme der Knieendoprothese rechts lägen seit dem Vorgutachten unveränderte Leiden vor. Im Vergleich zum Vorgutachten sei somit ein unveränderter Grad der Behinderung gegeben, da eine gut funktionierende Knieendoprothese rechts keine relevante Verschlechterung des Gelenksleidens aus dem rheumatischen Formenkreis ergebe.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.02.2018 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da sie mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 40 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung 40 v.H. betrage. Das Gutachten wurde der Beschwerdeführerin als Beilage des Bescheides übermittelt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 18.12.2017 fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin führt sie aus, sie habe bereits im Jahr 2016 um einen Behindertenpass angesucht, welcher ihr mit 40% verwehrt worden sei. Im Jahr 2017 habe sie eine Knieoperation gehabt und 42 Tage im Rollstuhl verbringen müssen. Sie habe keinen Meter gehen und schon gar nicht über Stiegen steigen können. Ihr Mann habe alles für sie machen müssen. Ihr nunmehriger Antrag sei wieder abgewiesen worden. Jetzt frage sie sich, was ein Mensch noch haben müsse, um in Österreich gleich behandelt zu werden. Der Beschwerde legte sie keine medizinischen Befunde bei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.
Sie brachte zuletzt am 11.07.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1) Gelenkserkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis, Zustand nach Endoprothese rechtes Kniegelenk, Zustand ohne Allgemeinbeschwerden und mit bis auf Knieendoprothese freier Beweglichkeit der Gelenke;
2) Netzhautdegeneration mit Visuseinschränkung beidseits;
3) Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus, wobei mit oraler Dauertherapie eine stabile Stoffwechsellage besteht;
4) Zustand nach Gallenblasenentfernung, wobei keine Diätmaßnahmen erfolgen;
5) Zeitweilig leichtes Asthma bronchiale, bei guter Lungenfunktion unter Bedarfstherapie.
Leiden 1 wird durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da es sich um ein maßgebliches Sinnesleiden handelt. Leiden 3 bis 5 erhöhen nicht weiter, da keine maßgebliche wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht. Mit Ausnahme der Knieendoprothese rechts liegen seit dem Vorgutachten unveränderte Leiden vor. Im Vergleich zum Vorgutachten ist somit ein unveränderter Grad der Behinderung gegeben, da eine gut funktionierende Knieendoprothese rechts keine relevante Verschlechterung des Gelenksleidens aus dem rheumatischen Formenkreis ergibt.
Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 40 v. H.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie vom 12.02.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.
Das von der Beschwerdeführerin erstattete Beschwerdevorbringen, dass Sie sich unter Verweis auf ihre starken Einschränkungen nach der Knieoperation ungleich behandelt fühle, da sie wieder einen abweisenden Bescheid erhalten habe, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, zumal zusammengefasst nur aktuell und dauerhaft vorliegende Funktionseinschränkungen für die vorzunehmende Einschätzung relevant sind. Die bestehenden Funktionseinschränkungen wurden im Gutachten vom 12.02.2018 durch die vorgenommene medizinische Beurteilung korrekt berücksichtigt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden Ausführungen verwiesen.
Unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse im Gutachten ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergeben sich aus der im Akt aufliegenden Kopie der Meldebestätigung und ihren eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.
Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie vom 12.02.2018. In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Der Gutachter setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Untersuchung auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen persönlicher Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung auch richtig eingestuft.
Die Beschwerdeeinwendungen beziehen sich ausschließlich auf das führende Leiden 1 und die damit in Zusammenhang stehendenden Einschränkungen nach der Knieoperation im Juni 2017. Führendes Leiden der Beschwerdeführerin ist die Gelenkserkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis bei einem Zustand nach Endoprothese des rechten Kniegelenkes im Juni 2017. Dieses wurde von dem Sachverständigen unter Berücksichtigung der im Rahmen der Untersuchung erhobenen vorliegenden Beweglichkeit korrekt der Positionsnummer 02.02.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet, welche generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen mittleren Grades betrifft. Diesbezüglich wurde im Gutachten folgender Status erhoben:
"Klinischer Status - Fachstatus:
Caput unauffällig,Collum o.B., HWS in R 50-0-50, F 10-0-10, KJA 1 cm, Reklination 14 cm. BWS-drehung 30-0-30, normale Lendenlordose, Schober 10/14 cm, FKBA 15 cm, Seitneigung bis 5 cm ober Patella. Kein Beckenschiefstand. Thorax symmetrisch, Abdomen unauffällig.
Beide Schultern in S 40-0-170, F 170-0-50, R bei F90 80-0-70, Ellbogen 0-0-135, Handgelenke 60-0-70, Faustschluß beidseits frei. Nacken-und Kreuzgriff möglich. Hüftgelenke in S 0-0-110, F 35-0-25, R 30-0-10, Kniegelenke rechts 0-5-115, mässig verdickt mit blander Narbe zu links 0-0-130, reizfrei, Sprunggelenke 15-0-45.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Gang in Straßenschuhen ohne Gehbehelf durchführbar, gering rechtshinkend. Zehenspitzenstand und Fersenstand gut möglich."
Aus dem Untersuchungsergebnis im Gutachten ergeben sich somit nur mäßige Funktionseinschränkungen ohne Allgemeinbeschwerden und mit bis auf die Knieendoprothese freier Beweglichkeit der Gelenke entsprechend der getroffenen Einschätzung mit dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 02.02.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung bewertet mit 30%. Es wurden von der Beschwerdeführerin auch keine Befunde vorgelegt, die dieser Beurteilung widersprechen würden.
Wie bereits oben festgehalten, vermag das von der Beschwerdeführerin erstattete Beschwerdevorbringen, dass sie sich unter Verweis auf ihre starken Einschränkungen nach der Knieoperation ungleich behandelt fühle, da sie wieder einen abweisenden Bescheid erhalten habe, der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, zumal zusammengefasst nur aktuell und dauerhaft vorliegende Funktionseinschränkungen für die vorzunehmende Einschätzung relevant sind. Die bestehenden Funktionseinschränkungen wurden im Gutachten vom 12.02.2018 durch die vorgenommene medizinische Beurteilung wie dargestellt korrekt berücksichtigt.
Bezüglich der Einschätzung der Leiden 2 bis 5 erstattete die Beschwerdeführerin keine Einwendungen, die diesbezüglichen Gutachtensausführungen wurden nicht bestritten.
Auch seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Bedenken hinsichtlich der gutachterlichen Beurteilung der Leiden 2 bis 5.
Der Gutachter berücksichtigte auch zutreffend den Umstand, dass die durch die Netzhautdegeneration vorliegenden beidseitigen Visuseinschränkungen ein maßgebliches Sinnesleiden darstellen, und somit das führende Leiden 1 um eine Stufe erhöht wird.
Dass der Gutachter die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin tatsachenwidrig beurteilt hätte, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden. Die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin wurden umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander nachvollziehbar und richtig berücksichtigt.
Das unsubstantiierte Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde ist somit nicht geeignet, das vorliegende fachärztliche Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Die Beschwerdeführerin ist dem Sachverständigengutachten im Rahmen der Beschwerde auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 12.02.2018. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990 idF BGBl. I Nr. 59/2018, lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45.
(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
....
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das vollständige, schlüssige und widerspruchsfreie orthopädische Sachverständigengutachten vom 12.02.2018 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 40 v. H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in dem Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen detaillierten Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen unsubstantiierten Einwendungen nicht geeignet, das vorliegende aktuelle Gutachten zu entkräften. Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt 40 v.H. beträgt.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 Bundesbehindertengesetz eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien stellten zudem keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W133.2187354.1.00Zuletzt aktualisiert am
06.06.2019