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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der J-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. Mai 1997, Zl. MA 63 - J 54/97, betreffend Untersagung der Gewerbeausübung und Geschäftsführerbestellung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. Mai 1997 wurde - in Behebung des Bescheides der Erstbehörde vom 15. Jänner 1997 - "aufgrund der am 28. Mai 1996" von der Beschwerdeführerin erstatteten Anmeldung eines näher beschriebenen Gewerbes gemäß § 340 Abs. 7 GewO 1994 i.V.m. den §§ 9 und 339 Abs. 3 leg. cit. festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewerbeausübung nicht gegeben seien und es wurde die Ausübung des Gewerbes untersagt; gleichzeitig wurde gemäß § 345 Abs. 9 GewO 1994 i.V.m. § 345 Abs. 7 leg. cit. auf Grund der am 28. Oktober 1996 von der Beschwerdeführerin erstatteten Anzeige der Bestellung einer näher bezeichneten Person zum Geschäftsführer für die Ausübung des genannten Gewerbes festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes durch den Genannten nicht vorlägen und es wurde die Ausübung des Gewerbes durch diesen Geschäftsführer untersagt. Hiezu wurde - nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften - im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe das genannte Gewerbe bei der Erstbehörde am 28. Mai 1996 angemeldet. Dieser Gewerbeanmeldung seien keinerlei Unterlagen angeschlossen gewesen. Die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers sei nicht angezeigt worden. Die Gewerbeanmeldung sei ein konstitutiver Akt und es werde daher durch die Anmeldung das Gewerberecht begründet. Fehle ein wesentliches Element der Gewerbeanmeldung, dann liege keine Gewerbeanmeldung im Sinne des Gesetzes vor und es könne kein Gewerberecht entstehen. Im vorliegenden Fall habe sich daher die Prüfung betreffend die Erfüllung der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen auf den 28. Mai 1996 zu beziehen. Da die im § 339 Abs. 3 GewO 1994 angeführten Unterlagen am 28. Mai 1996 unbestritten nicht vorgelegt worden seien und auch kein gewerberechtlicher Geschäftsführer namhaft gemacht worden sei, sei das Gewerberecht am Tag der Anmeldung nicht entstanden. Die spätere Anzeige (vom 28. Oktober 1996) über die Bestellung einer näher bezeichneten Person zum gewerberechtlichen Geschäftsführer bei Ausübung dieses Gewerbes ändere daran nichts, weil in Ansehung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen auf den Anmeldezeitpunkt abzustellen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid - ihrem gesamten Vorbringen zufolge - im Recht auf Nichtuntersagung des von ihr angemeldeten Gewerbes verletzt. Sie bringt hiezu im wesentlichen vor, die Erstbehörde habe ihr mit Schreiben vom 8. Oktober 1996 mitgeteilt, dass die erstattete Gewerbeanmeldung ergänzungsbedürftig sei. Sie habe damit - ebenso wie in dem von ihr erlassenen Bescheid - zum Ausdruck gebracht, dass die Gewerbeanmeldung erst mit Einlangen der erforderlichen Unterlagen und Erklärungen abgeschlossen sei. Die Durchführung einer Gewerbeanmeldung in mehreren Akten sei nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung nicht ausdrücklich untersagt, somit rechtlich möglich und im Sinne einer bürgernahen Vollziehung der Gesetze auch zweckmäßig. Die Richtigkeit dieser Auffassung finde in den §§ 13 Abs. 3 AVG und 340 Abs. 6 GewO 1994 ihre Stütze. Daraus sei ersichtlich, dass der Gesetzgeber Zusätze und Ergänzungen grundsätzlich toleriere und den Zeitpunkt der wirksamen Stellung von Anbringen auch erst mit Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen für möglich erachte. Die belangte Behörde habe sich daher in Verkennung des Umstandes, dass die von der Beschwerdeführerin erstattete Gewerbeanmeldung erst am 28. Oktober 1996 vollständig abgeschlossen gewesen sei und somit dieser Tag als Tag der Anmeldung des Gewerbes anzusehen sei, mit der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstbehördlichen Bescheid inhaltlich nicht auseinandergesetzt, sondern die Gewerbeausübung mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen am 28. Mai 1996 rechtsirrig untersagt.
Gemäß § 340 Abs. 1 GewO 1994 - in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 63/1997 - hat die Bezirksverwaltungsbehörde auf Grund der Anmeldung des Gewerbes (§ 339 Abs. 1) zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch den Anmelder in dem betreffenden Standort vorliegen. Über das Ergebnis ihrer Feststellungen hat die Behörde einen Bescheid zu erlassen, sofern nicht die Bestimmung des Abs. 4 anzuwenden ist.
Liegen die im Abs. 1 erwähnten Voraussetzungen nicht vor, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde - unbeschadet eines Verfahrens nach § 366 Abs. 1 Z. 1 - dies gemäß § 340 Abs. 7 leg. cit. mit Bescheid festzustellen und die Ausübung des Gewerbes zu untersagen.
Gemäß § 340 Abs. 4 zweiter Satz GewO 1994 gilt als Tag der Gewerbeanmeldung jener Tag, an welchem alle erforderlichen Nachweise (§ 339 Abs. 3) bei der Behörde eingelangt sind.
Gemäß § 339 Abs. 3 GewO 1994 sind der Anmeldung anzuschließen:
1. Urkunden, die dem Nachweis über Vor- und Familiennamen der Person, ihre Wohnung, ihr Alter und ihre Staatsangehörigkeit dienen;
2. die Bescheinigung über die im Strafregister enthaltenen Verurteilungen oder darüber, dass das Strafregister keine solche Verurteilung enthält (Strafregisterbescheinigung);
3. falls ein Befähigungsnachweis für das betreffende Gewerbe vorgeschrieben ist, die entsprechenden Belege oder der Bescheid über die erteilte Nachsicht (§ 28);
4. falls eine juristische Person oder eine eingetragene Erwerbsgesellschaft die Anmeldung erstattet, der Nachweis ihres Bestandes, bei Personengesellschaften des Handelsrechtes die Glaubhaftmachung des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages (§ 10); ein als solcher Nachweis vorgelegter Auszug aus dem Firmenbuch darf nicht älter als sechs Monate sein.
Gemäß § 9 Abs. 1 GewO 1994 können juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts (offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften) sowie eingetragene Erwerbsgesellschaften (offene Erwerbsgesellschaften und Kommandit-Erwerbsgesellschaften) Gewerbe ausüben, müssen jedoch einen Geschäftsführer oder Pächter (§§ 39 und 40) bestellt haben.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, ist die im § 340 Abs. 1 GewO 1994 der Behörde aufgetragene Prüfung der Anmeldungsvoraussetzungen - von dem hier nicht bedeutsamen, in § 340 Abs. 6 GewO 1994 geregelten Fall der Erteilung einer Nachsicht abgesehen - wegen des sich aus § 5 Abs. 1 leg. cit. ergebenden konstitutiven Charakters der Gewerbeanmeldung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung abzustellen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1998, Zl. 98/04/0082, und die hier zitierte Vorjudikatur). Im Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 GewO 1994 müssen die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen i.S.d. § 340 Abs. 1 leg. cit. auch in Ansehung des bestellten Geschäftsführers in diesem Zeitpunkt gegeben sein (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 6. November 1995, Zl. 94/04/0057, und die hier zitierte Vorjudikatur).
Davon ausgehend vertritt die belangte Behörde zwar zu Recht die Auffassung, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes müssten im Anmeldungszeitpunkt erfüllt sein. Sie übersieht jedoch, dass dieser Zeitpunkt nicht notwendigerweise mit jenem der Einbringung des die Gewerbeanmeldung vornehmenden Schriftsatzes zusammenfallen muss; vielmehr ist, wenn diesem Schriftsatz nach § 339 Abs. 3 GewO 1994 erforderliche Nachweise nicht angeschlossen sind, jener Tag als Tag der Gewerbeanmeldung anzusehen, an dem alle nach § 339 Abs. 2 GewO 1994 erforderlichen Nachweise bei der Behörde eingelangt sind (vgl. § 340 Abs. 4 zweiter Satz GewO 1994).
Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat die Beschwerdeführerin der Erstbehörde am 28. Oktober 1996 zugleich mit der Anzeige der Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers "im Nachhang zu ihrer Gewerbeanmeldung vom 14.5.1996" mehrere, u.a. nach § 339 Abs. 3 GewO 1994 erforderliche Unterlagen vorgelegt. Wären der Behörde mit diesem Datum daher alle erforderlichen Nachweise i.S.d. § 339 Abs. 3 GewO 1994 vorgelegen, so wäre dieser Tag im Sinne des § 340 Abs. 4 zweiter Satz GewO 1994 als Tag der Gewerbeanmeldung anzusehen; die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen i.S.d. § 340 Abs. 1 GewO 1994 hätten in Ansehung des bestellten Geschäftsführers diesfalls (spätestens) am 28. Oktober 1996 gegeben sein müssen.
Entsprechende Feststellungen hat die belangte Behörde jedoch, weil sie meinte, die Erfüllung der gesetzlichen Anmeldungsvoraussetzungen seien ausschließlich auf den Zeitpunkt der Einbringung des Anmeldungsschriftsatzes der Beschwerdeführerin (28. Mai 1996) bezogen zu prüfen, unterlassen. Dadurch hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 3. März 1999
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997040138.X00Im RIS seit
20.11.2000