Entscheidungsdatum
01.04.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W133 2213114-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 05.12.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:
Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass vom 01.08.2018 wird stattgegeben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer stellte am 01.08.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet), welcher nach dem Antragsformular auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass galt, und legte medizinische Unterlagen vor.
Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie ein. In diesem Gutachten vom 10.10.2018 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen der Leidensposition
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
GdB %
1
Frontale Gangstörung unterer Rahmensatz, da schon kognitive Einbußen, aber Teilselbständigkeit gegeben, Fortbewegung mit Hilfsmittel möglich
04.09.02
50
zugeordnet und
nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Bezüglich der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führte der Gutachter zusammengefasst aus, dass aus nervenärztlicher Sicht keine Funktionseinschränkungen vorlägen, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwerten. Es liege zwar eine Einschränkung der Motorik vor, die aber mit Hilfsmittel kompensiert werden könne.
Die belangte Behörde räumte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 10.10.2018 ordnungsgemäß Parteiengehör zu diesem Gutachten ein.
Mit Schreiben vom 24.10.2018 erstattete der rechtlich unvertretene Beschwerdeführer unter Mithilfe seiner Lebensgefährtin eine Stellungnahme, worin er ausführt, er verstehe die Ablehnung nicht. Er könne, je nach Tagesverfassung, oft nicht einmal 100 Meter mit den Stöcken gehen. Auch das Aussteigen sei ohne die Hilfe der Lebensgefährtin praktisch unmöglich. Er könne keine öffentlichen Verkehrsmittel benützen, da auch oft eine Verwirrtheit bestehe und er sich nicht zurechtfinde.
Seitens des ärztlichen Dienstes erfolgte neuerlich eine Befassung des Facharztes für Neurologie, welcher auch das Gutachten vom 10.10.2018 erstellt hatte. In seinem ergänzenden Gutachten vom 13.11.2018 kam der Gutachter zu einer unveränderten Beurteilung. Er stellte - abweichend vom ersten Gutachten - fest, dass zwar eine Einschränkung der Motorik vorliege, aber keine Krücken, sondern Walkingstöcke verwendet würden.
Die belangte Behörde räumte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 13.11.2018 ordnungsgemäß Parteiengehör auch zu diesem ergänzenden Gutachten ein.
Mit Schreiben vom 26.11.2018 erstattete der Beschwerdeführer wieder unter Mithilfe seiner Lebensgefährtin eine Stellungnahme, worin er ausführt, er sende nun einen neuen Ärztlichen Befundbericht von Herrn XXXX und ersuche um Berücksichtigung, und legte diesen Befundbericht vom 08.11.2018 der Stellungnahme bei. Darin wird unter anderem ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Er könne nicht alleine stehen ohne Sturzgefahr, er könne keine 50 Meter frei gehen und auch mit Stockhilfe - er benütze 2 Walkingstöcke - sei er nicht ohne Aufsicht mobil. Dazu komme eine subkortikale Demenz, welche die Entscheidungsfreiheit einschränke. Der Arzt ersuchte um nochmalige Überprüfung dieses Verfahrens.
Seitens des ärztlichen Dienstes erfolgte neuerlich eine Befassung des Facharztes für Neurologie, welcher auch die Gutachten vom 10.10.2018 und 13.11.2018 erstellt hatte. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 04.12.2018 kam der Gutachter neuerlich zu einer unveränderten Beurteilung. Begründend führte er aus, anlässlich der Begutachtung habe der Beschwerdeführer angegeben, als Medikation nur Neuromultivit einzunehmen, eine selbständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sei relativ flüssig möglich gewesen und die kognitiven Defizite hätten kein Ausmaß erreicht, dass eine Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel gegeben wäre.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 05.12.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass ab. Begründend stützte sich die belangte Behörde auf die Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens, wonach die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht gegeben seien.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 12.01.2019 fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin verweist er - wieder unter Mithilfe seiner Lebensgefährtin - im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen, insbesondere den Befundbericht XXXX . Weiters seien ihm mittlerweile auch die Lenkerberechtigung aufgrund seiner Behinderungen entzogen und Pflegegeld der Stufe 3 zuerkannt worden. Er ersuchte nochmals um Ausstellung eines Parkausweises, welcher für den Transport des Beschwerdeführers mit dem PKW dringend erforderlich sei, und die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung. Der Beschwerde legte er nochmals den Befundbericht XXXX vom 08.11.2018, den Pflegegeldbescheid der PVA vom 21.12.2018 und den Bescheid der LPD Wien vom 08.01.2019, womit ihm die Lenkberechtigung entzogen worden war, vor.
Am 16.01.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Mit Schreiben vom 15.02.2019 räumte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien rechtliches Gehör zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme und zur beabsichtigten rechtlichen Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes ein.
Beide Parteien traten den Ergebnissen der Beweisaufnahme und der beabsichtigten rechtlichen Beurteilung nicht entgegen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.
Er brachte am 01.08.2018 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass bei der belangten Behörde ein.
Er hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Bei dem 77 Jahre alten Beschwerdeführer bestehen Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden, durch ein vaskuläres Parkinson-Syndrom und eine sensomotorische axonale Polyneuropathie.
Der Beschwerdeführer ist nicht in der Lage, alleine ohne Sturzgefahr zu stehen, und ist auch mit Stockhilfe (unter Benützung von 2 Walkingstöcken) nicht ohne Aufsicht mobil. Zusätzlich ist auch die subkortikale Demenz des Beschwerdeführers zu berücksichtigen.
Dem Beschwerdeführer wurde aufgrund der starken Einschränkungen durch die bestehenden Leiden mittlerweile mit Bescheid der PVA vom 21.12.2018 - bereits aufgrund eines ersten Antrages - ein Pflegegeld der Stufe 3 zuerkannt.
Weiters wurde dem Beschwerdeführer ebenfalls nach Bescheiderlassung mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 08.01.2019 die Lenkerberechtigung entzogen. Auch diese Führerscheinentziehung erfolgte aufgrund der starken Einschränkungen des Beschwerdeführers, seiner verlangsamten Reaktionsgeschwindigkeit, verminderten Leistungsfähigkeit und des Umstandes, dass der Beschwerdeführer nicht mehr in der Lage ist, einfache Aufgaben zu lösen und einfache Fragen zu beantworten.
In Gesamtwürdigung dieser aktuellen Ermittlungsergebnisse ist dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der belegten erheblichen Einschränkungen nicht mehr zumutbar.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergeben sich aus der im Akt aufliegenden Kopie der Meldebestätigung und den eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.
Die bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergeben sich aus den Beweismitteln, welche der Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegt hat, welche nicht der Neuerungsbeschränkung unterliegen, da sie allesamt vor der Beschwerdevorlage vorgelegt wurden:
Der neurologische Befundbericht XXXX vom 08.11.2018, dem ebenfalls eine Erhebung des neurologischen Status des Beschwerdeführers zugrunde liegt, widerspricht klar der Beurteilung des Amtssachverständigen. XXXX gelangt auf Basis der Behandlungs- und Untersuchungsergebnisse zur Diagnose eines vaskulären Parkinson-Syndroms und einer sensomotorischen axonalen Polyneuropathie sowie zur Beurteilung, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage ist, alleine ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen, er ohne Sturzgefahr auch nicht mehr alleine stehen kann und er auch mit Stockhilfe (unter Benützung von 2 Walkingstöcken) nicht ohne Aufsicht mobil ist. Zusätzlich berücksichtigte der Neurologe auch die subkortikale Demenz des Beschwerdeführers. Da auch diesem Befund eine ausführliche Statuserhebung zugrunde liegt, die zeitlich auch nach der persönlichen Untersuchung durch den Amtssachverständigen stattgefunden hat, und der Amtssachverständige in seinen ergänzenden Stellungnahmen nicht nachvollziehbar aufklären konnte, warum trotzdem seinen Erwägungen zu folgen wäre, erweist sich der vorgelegte Befundbericht als beweiskräftiger als die Beurteilungen des Amtssachverständigen. XXXX weist auch ausdrücklich darauf hin, dass der Leidenszustand des Beschwerdeführers, der auf fehlendem Hirn- und Nervengewebe beruht, pharmakologisch nicht beeinflussbar ist, sodass auch das Argument des Amtssachverständigen, der Beschwerdeführer nehme nur das Medikament Neuromultivit, nicht überzeugen kann.
Dem Beschwerdeführer wurde weiters aufgrund der starken Einschränkungen durch die bestehenden Leiden mittlerweile mit Bescheid der PVA vom 21.12.2018 - bereits aufgrund eines ersten Antrages - ein Pflegegeld der Stufe 3 zuerkannt.
Weiters wurde dem Beschwerdeführer ebenfalls nach Bescheiderlassung mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 08.01.2019 die Lenkerberechtigung entzogen. Auch diese Führerscheinentziehung erfolgte aufgrund der starken Einschränkungen des Beschwerdeführers, seiner verlangsamten Reaktionsgeschwindigkeit, verminderten Leistungsfähigkeit und des Umstandes, dass der Beschwerdeführer nicht mehr in der Lage ist, einfache Aufgaben zu lösen und einfache Fragen zu beantworten.
Die belangte Behörde ist dem Ermittlungsergebnis nicht entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) BGBl. Nr. 283/1990, idF des BGBl. I Nr. 59/2018, lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
......
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:
"§ 1 ....
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: 1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)......
b)......
......
2. ...... 3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des
Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und - erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder - erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder - erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder - eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder - eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)......"
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird - soweit im Beschwerdefall relevant - Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise) - (nunmehr seit der Novelle BGBl. II Nr. 263/2016 unter § 1 Abs. 4 Z. 3 geregelt):
"Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
..........
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.
.........
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-
arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-
Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-
hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-
Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-
COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-
Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-
mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden.
.........
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
-
Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
-
hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
-
schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
-
nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
-
anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),
-
schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
-
fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
-
selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
......."
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
-
vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
-
laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
-
Kleinwuchs
-
gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
-
bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.
......."
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, bestehen beim Beschwerdeführer aufgrund der vorliegenden Erkrankung dauerhaft erhebliche Einschränkungen neurologischer Funktionen, eine subkortikale Demenz und auch erhebliche kognitive Einschränkungen.
In Gesamtwürdigung dieser aktuellen Ermittlungsergebnisse ist dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der belegten erheblichen Einschränkungen nicht mehr zumutbar.
Die belangte Behörde ist dieser rechtlichen Beurteilung nicht entgegengetreten.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W133.2213114.1.00Zuletzt aktualisiert am
06.06.2019