TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/1 W233 2193676-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.04.2019
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Entscheidungsdatum

01.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs2

Spruch

W233 2193676-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger des Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2018, Zahl:

1093590303-151691519, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.06.2018 zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet

abgewiesen, dass Spruchpunkt VIII. des gegenständlichen Bescheides zu lauten hat: "Gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 haben Sie Ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 23.01.2018 verloren."

II. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 12.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Diesen Antrag begründete er im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.11.2015 damit, dass er vor circa einem Jahr zum Christentum konvertiert sei. Da er kein Moslem mehr sei, sei sein Leben im Iran bedroht.

1.3. Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX zu XXXX v wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel gemäß § 241e Abs. 3 StGB, des versuchten Diebstahls gemäß §§ 15 iVm 127 StGB und des Diebstahls gemäß §127 StGB zu einer Geldstrafe von 200 Tagsätzen zu je EUR 4,-, im Uneinbringlichkeitsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 100 Tagen verurteilt.

1.4. Am 08.08.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen dieser Einvernahme bestätigte er die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben und brachte ergänzend vor, er habe während seines Militärdienstes in der Kaserne einen geborenen Christen kennengelernt, welcher ihn zum Christentum bekehrt habe. Er habe mit diesem die Hauskirche besucht. In der Kaserne habe er als Chauffeur gearbeitet. Er habe eine Bibel und ein Skriptum zum Thema Christentum besessen, welches er anderen Soldaten geborgt habe. So sei das Skriptum entdeckt worden. Er sei zu diesem Zeitpunkt auf Urlaub gewesen und sei, als er davon erfahren habe, geflohen. Der Beschwerdeführer brachte vor, er sei am XXXX in Wien getauft worden. Weiters legte er zwei Dokumente, die die Festnahme im Iran wegen Alkoholmissbrauchs, Handel mit alkoholischen Getränken und Auseinandersetzungen mit Beamten während deren Dienstausübung belegen sollen. Das Urteil laute auf zwei Jahre Freiheitsstrafe, 80 Peitschenhiebe und 20 Mio. iranische Rial Geldstrafe. Die Dokumente nahm er wieder an sich und gab an, diese hätten nichts mit dem Fluchtgrund zu tun.

1.5. Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu

XXXX wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 173 Abs. 2 Z 3 lit a und b StPO die Untersuchungshaft verhängt.

1.6. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB und des Vergehens des versuchten Diebstahls gemäß §§ 15 iVm 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

1.7. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der versuchten schweren Körperverletzung gemäß §§ 15 iVm 84 Abs. 4 StGB, des Vergehens der Nötigung gemäß § 105 Abs. 1 StGB, des Verbrechens des räuberischen Diebstahls gemäß §§ 127 iVm 131 erster Satz StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB, des Vergehens der Veruntreuung gemäß § 133 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu XXXX zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt, wobei ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 16 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Gegen dieses Urteil erhob die Staatsanwaltschaft XXXX Berufung, welcher mit Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX vom XXXX zu XXXX stattgegeben wurde. Mit dem Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX wurde die Anwendung des § 43a Abs. 3 StGB, also die teilbedingte Strafnachsicht aus dem Urteil ausgeschaltet. Der Beschwerdeführer wurde somit rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in Höhe von 24 Monaten verurteilt.

1.8. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 28.03.2018 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 12.10.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. (Spruchpunkt II.) ab. Unter einem wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Festgestellt wurde, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 18 Abs 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem XXXX 2018 verloren hat (Spruchpunkt VIII.) und gemäß § 52 Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IX.).

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nachweislich am 04.04.2018 zugestellt.

1.9. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 19.04.2018 fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften.

1.10. Die Beschwerdevorlage langte am 26.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.11. Mit hg. Erkenntnis vom 02.05.2018, GZ W233 2193676-1/3Z wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

1.12. Zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts fand am 21.06.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertreterin und eines Zeugen eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen, seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie in Österreich befragt wurde. Das Bundesamt hat sich mit Schreiben vom 25.04.2018 für die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung entschuldigt. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran, Stand 09.05.2018, in das Verfahren eingebracht und mit dem vertretenen Beschwerdeführer erörtert.

1.13. In seiner Stellungnahme vom 04.07.2018 brachte der Beschwerdeführer vor, er fürchte im Falle einer Rückkehr in den Iran die Verfolgung sowohl wegen seiner Abkehr vom Islam als auch wegen Desertion vom Militärdienst. Er sei im Iran auch wegen Alkoholbesitz und Alkoholkonsum verurteilt worden und habe sich durch Geldzahlung freikaufen können. Weiters wurde auf die Situation von Konvertiten im Iran hingewiesen. Zu seinen strafgerichtlichen Verurteilungen wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sein Fehlverhalten einsehe und bereue, die Straftatgen begangen zu haben. Er sie noch jung und unerfahren gewesen. Trotz seiner strafgerichtlichen Verurteilung wegen zweier Verbrechenstatbeständen stelle der Beschwerdeführer keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bzw. für die öffentliche Ordnung dar und sei somit der Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG 2005 nicht erfüllt.

1.14. Am 17.07.2018 veranlasste das Bundesverwaltungsgericht eine Übersetzung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen. Die Übersetzung langte am 12.09.2018 am Bundesverwaltungsgericht ein.

1.15. Mit Verfahrensanordnung vom 03.12.2018, GZ: W233 2193676-1/20Z ersuchte das Bundesverwaltungsgericht das XXXX Bundeskriminalamtes, die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente auf Unverfälschtheit zu überprüfen.

Der kriminaltechnische Untersuchungsbericht langte am 18.01.2019 am Bundesverwaltungsgericht ein.

1.16. Der Beschwerdeführer legte im Verfahren folgende Dokumente/Unterlagen vor:

* Dokumente in arabischer Schrift (AS 63 - 70) - Übersetzung im Akt;

* Schreiben von Pastor XXXX des Vienna Christian Centers, aus welchem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer den iranischen Gottesdienst sowie die Jüngerschaftsschule besucht und am XXXX getauft wurde, datiert mit 02.12.2016 (AS 71);

* Internationaler Führerschein, ausgestellt von der Islamischen Republik Iran (AS 73 f);

* Taufzertifikat, ausgestellt vom Vienna Christian Center (AS 75).

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des Beschwerdeführers, beinhaltend die Befragung vom 05.11.2015 (Erstbefragungen) sowie vom 08.08.2017 (niederschriftliche Einvernahme), den gegenständlichen Bescheid vom 23.03.2018 und die Beschwerde vom 19.04.2018; durch die Einvernahme des Beschwerdeführers und eines Zeugen vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.06.2018; durch Einsichtnahme in die im Verlauf des Verfahrens vorgelegten Unterlagen und Stellungnahmen; durch Einsichtnahme in die strafgerichtlichen Urteile; durch Einsichtnahme in den kriminaltechnischen Untersuchungsbericht; durch Einsichtnahme in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS, IZR und ZMR sowie durch Einsichtnahme in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran (Stand 05.06.2018). Demnach steht folgender Sachverhalt fest:

2. Feststellungen:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

2.1.1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger des Iran und Angehöriger der Volksgruppe der Perser. Seine Identität steht fest.

2.1.2. Der Beschwerdeführer wurde als Moslem im Iran geboren. Er ist ledig und hat keine Kinder. Im Iran hat er zwölf Jahre lang die Schule besucht und als Automechaniker gearbeitet.

2.1.3. Im Iran leben weiterhin die Eltern des Beschwerdeführers, mit denen er telefonisch in Kontakt steht. Der Vater des Beschwerdeführers ist Angestellter in einem Taxiunternehmen, die Mutter ist Hausfrau. Außerdem leben weitere weitschichtige Verwandte im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers.

2.1.4. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

2.2. Zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers in Österreich:

2.2.1. Der Beschwerdeführer ist im Jahr 2015 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seitdem durchgehend im Bundesgebiet auf.

2.2.2. Im Bundesgebiet leben keine Verwandte des Beschwerdeführers. In Deutschland leben eine Schwester und ein Bruder des Beschwerdeführers.

2.2.3. Der Beschwerdeführer wurde im Bundesgebiet mehrfach strafgerichtlich verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX 2017 zu XXXX v wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel gemäß § 241e Abs. 3 StGB, des versuchten Diebstahls gemäß § 15 iVm § 127 StGB und des Diebstahls gemäß §127 StGB zu einer Geldstrafe von 200 Tagsätzen zu je EUR 4,-, im Uneinbringlichkeitsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 100 Tagen verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2018 zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB und des Vergehens des versuchten Diebstahls gemäß § 15 iVm § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Das Landesgericht stellt fest, dass der Beschwerdeführer einem anderen eine zwei Zentimeter lange Rissquetschwunde im Bereich des linken Scheitelbeines zugefügt habe, indem er ihm mit einem Teller auf den Kopf geschlagen habe. Weiters habe er in einem Elektrowarengeschäft einen Travel Adapter und eine Panzerschutzfolie für ein Handy in seiner Jackentasche und im Unterhosenbund verborgen und ohne zu bezahlen das Geschäft verlassen.

Bei den Strafbemessungsgründen wurde mildernd die teilweise geständige Verantwortung berücksichtigt und dass es teilweise beim Versucht geblieben ist. Erschwerend wirkten sich das Zusammentreffen zweier Vergehen und die einschlägige Vorstrafe aus.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2018 zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der versuchten schweren Körperverletzung gemäß §§ 15 iVm 84 Abs. 4 StGB, des Vergehens der Nötigung gemäß § 105 Abs. 1 StGB, des Verbrechens des räuberischen Diebstahls gemäß § 127 iVm § 131 erster Satz StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB, des Vergehens der Veruntreuung gemäß § 133 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2018 zu XXXX zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt, wobei ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 16 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der Beschwerdeführer wurde für schuldig befunden, er habe versucht, einen anderen schwer zu verletzen oder an der Gesundheit zu schädigen, indem er das schlafende Opfer mit einem Messer attackierte und mit Fäusten auf dessen Gesicht einschlug, wodurch das Opfer eine rund dreieinhalb Zentimeter lange Schnittwunde an der Stirn und eine rund einen Zentimeter lange oberflächliche Stichwunde an der Außenseite sowie Schürfungen an der Innenseite des Unterschenkels erlitten habe. Er wurde weiters für schuldig befunden, eine dazukommende Person unter Vorhalt eines Messers aufgefordert zu haben, dass diese verschwinden solle und sie somit am Unterlassen der Hilfeleistung behindert zu haben.

Festgestellt wurde darüber hinaus, dass der Beschwerdeführer einer Frau, mit der er zuvor in einer Beziehung gestanden sei, ein Mobiltelefon im Wert von EUR 279,90 weggenommen habe. Als diese ihn aufgefordert habe, das Handy zurückzugeben und ihm gefolgt sei, habe er sie zur Seite gestoßen, mit seiner Umhängetasche ausgeholt und der Frau einen gezielten wuchtigen Schlag gegen deren Kopf versetz, wodurch diese zu Boden gestürzt und benommen liegen geblieben sei. Durch den Schlag habe sie eine Rissquetschwunde im Bereich des linken Scheitels erlitten. Durch die angewendete Gewalt sei es dem Beschwerdeführer gerade darauf angekommen, das Handy, von dem er gewusst habe, dass er darauf keinen Anspruch hatte, zu erhalten.

Der Beschwerdeführer habe außerdem mehrere Ziegelsteine gegen die Scheibe eines Fensters geworfen, wodurch dieses zu Bruch gegangen seien und ein Schaden von EUR 701,- entstanden sei.

Er wurde außerdem für schuldig befunden, eine Karte der Wiener Linien, welche ihm zur Verfügung gestellt worden war, nicht zurückgegeben und auf Aufforderung die Zurückgabe verweigert, die Karte behalten und in sein eigenes Vermögen überführt zu haben.

Darüber hinaus habe er während aufrechter Beziehung das Handy der Frau kontrollieren wollen. Da sie ihm die Aushändigung verweigert habe, habe er das Handy aus ihrer Handtasche herausgenommen. Daraufhin sei es zum Streit gekommen, im Zuge dessen der Beschwerdeführer mit seinem Kopfhörer gegen den linken Oberschenkel des Opfers und in weiterer Folge mit seinen Händen gegen ihren ganzen Körper geschlagen und dem Opfer leichte Körperverletzungen zugefügt habe.

Bei der Strafbemessung wurden erschwerend das Zusammentreffen von fünf Vergehen und zwei Verbrechen und, die Verletzung eines Opfers, die einschlägige Vorstrafe, der rasche Rückfall und die Tatbegehung während eines anhängigen Gerichtsverfahrens berücksichtigt. Mildernd gewertet wurde das teilweise Geständnis zu einem Faktum, die Tatbegehung teilweise vor Vollendung des 21. Lebensjahres bei zwei Fakten sowie dass es bei einem Faktum beim Versuch geblieben ist.

Gegen dieses Urteil erhob die Staatsanwaltschaft XXXX Berufung, welcher mit Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX vom XXXX .2018 zu XXXX stattgegeben wurde. Mit dem Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX wurde die Anwendung des § 43a Abs. 3 StGB und somit die teilbedingte Strafnachsicht aus dem Urteil ausgeschaltet. Der Beschwerdeführer wurde somit rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in Höhe von 24 Monaten verurteilt.

Ausgeführt wurde im Wesentlichen, dass dem Angriff auf ein wehrloses und schlafendes Opfer Heimtücke innewohne, der Beschwerdeführer die momentane Wehrlosigkeit des anderen ausgenützt habe und daher die besonderen Erschwerungsgründe des §§ 33 Abs. 1 Z 6 und 7 StGB als verwirklicht anzusehen seien. Außerdem habe der Beschwerdeführer bei der Tatbegehung zwar ein vorne abgerundetes "Buttermesser" verwendet, dessen Klinge aber kleinfingerseitig aus der Faust des Beschwerdeführers herausgeragt habe, sodass das derartige Versetzen von Faustschlägen gerade ins Gesicht eine entsprechende Brutalität und Gewaltbereitschaft verdeutliche. Insgesamt bestehe beim Beschwerdeführer eine offenkundige Bereitschaft, das eigene soziale Umfeld auf vielfältige Weise zu schädigen. Überdies könne das zu einem Faktum als mildern angerechnete teilweise Geständnis angesichts der zahlreichen Vorwürfe kaum messbares Gewicht entfalten. Die weit überwiegend fehlende Verantwortungsübernahme bzw. die trotz bestehender Vorstrafen und anhängigem Strafverfahren vorhandene Bereitschaft, eine Vielzahl von Tathandlungen mit steigendem Aggressionspotential zu begehen, lasse schon aus rein spezialpräventiven Gründen die Ausschaltung teilbedingter Strafnachsicht als notwendig erscheinen. Auch die in der Berufung angesprochenen generalpräventiven Erfordernisse würden gerade bei Gewaltbereitschaft, die sich gezielt die Wehrlosigkeit des Anderen zunutze mache, bedingen, ein deutliches Signal an die Allgemeinheit zu setzen.

Der Beschwerdeführer befindet sich in Haft, zunächst seit 03.10.2017 in Untersuchungshaft, nunmehr in Strafhaft.

2.2.4. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer über entscheidungserhebliche Deutschkenntnisse verfügt. Der Beschwerdeführer hat keine Deutschzertifikate vorgelegt.

2.2.5. Der Beschwerdeführer hat bis Jänner 2017 regelmäßig das Vienna Christian Center besucht und an zwei Kursen zur Vorbereitung der Taufe teilgenommen. Er wurde schließlich am XXXX getauft. Im Entscheidungszeitpunkt steht der Beschwerdeführer mit den Gemeindemitgliedern nicht mehr in Kontakt.

2.2.6. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet eine entscheidungserhebliche soziale Integration erlangt hat.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

2.3.1. Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen, er sei aufgrund seiner Konversion zum Christentum im Iran verfolgt, kann den Feststellungen mangels Glaubwürdigkeit nicht zugrunde gelegt werden. Der Beschwerdeführer ist nicht nach reiflicher Überlegung und aus innerer Glaubensüberzeugung zum Christentum konvertiert.

Es kann darüber hinaus nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer wegen eines mit ihm in Zusammenhang gebrachten christlichen Skriptums von staatlicher Stelle Verfolgung droht.

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Iran Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Regierung oder durch andere Personen aufgrund seiner behaupteten Konversion zum christlichen Glauben drohen würde.

2.3.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Iran vom Militärdienst desertiert ist und ihm deshalb Verfolgung durch die iranische Militärpolizei oder andere Sicherheitsbehörden droht.

2.3.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer wegen Alkoholbesitzes und -konsum im Iran rechtskräftig verurteilt wurde und ihm aufgrund dieser Verurteilung im Falle einer Rückkehr Verfolgung droht.

2.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Iran:

2.4.1. Der Beschwerdeführer verfügt im Iran über ein soziales Netzwerk, von welchem Hilfestellung zu erwarten ist. Insbesondere leben die Eltern des Beschwerdeführers weitgehend unbehelligt in Ardebil.

2.4.2. Der Beschwerdeführer kann bei einer Rückkehr in den Iran grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung, Unterkunft befriedigen. Es kann nicht festgestellt werden, dass er in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten könnte.

2.4.3. Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK.

2.4.4. Zur maßgeblichen Situation im Iran werden folgende Feststellungen getroffen (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran, Stand 09.05.2018):

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit heutigem Datum in das LIB IRAN übernommen (Relevant für Abschnitt Gefälschte Dokumente).

Gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente sind im Iran einfach erhältlich. Die vorgelegten Dokumente sind in den meisten Fällen echt, der Inhalt gefälscht oder verfälscht. Sowohl die von iranischen Behörden als auch von der afghanischen Botschaft im Iran ausgestellten Dokumente bestätigen unrichtige Angaben. Eine Überprüfung ist seitens der Botschaft nicht möglich. Die Überprüfungen von Dokumenten im Wege des Vertrauensanwaltes mussten eingestellt werden, da ihm seitens iranischer Stellen dies eindringlich nahegelegt wurde. Die Überprüfung von Haftbefehlen kann von der Botschaft aufgrund des Datenschutzes nicht durchgeführt werden. Die Überprüfung von Dokumenten von Afghanen (Aufenthaltsbestätigungen, Arbeitserlaubnis,...) ist auch kaum möglich, da deren Erfassung durch die staatlichen Behörden selten erfolgt, viele illegal im Land sind, geduldet werden und sich auch die Wohnorte häufig ändern. Allfällige allgemeine Erhebungen durch den Vertrauensanwalt führen daher zu nicht wirklich belastbaren, da nicht überprüfbaren Aussagen. Die afghanische Botschaft hat laut UNHCR jedenfalls kürzlich begonnen, Identitätsnachweise an afghanische Personen im Iran auszustellen (ÖB Teheran 9.2017).

Sicherheitslage

Auch wenn die allgemeine Lage als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land, speziell in den größeren Städten. Sie haben in der Vergangenheit gelegentlich zu Kundgebungen geführt, besonders während (religiösen) Feiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Das Risiko von Anschlägen kann nicht ausgeschlossen werden (EDA 21.3.2016). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 10.5.2017b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen (AA 10.5.2017b, vgl. BMEIA 10.5.2017).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gab es vor einigen Jahren wiederholte Anschlagsserien gegen lokale Repräsentanten aus Justiz, Sicherheitskräften und sunnitischem Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr bereits seit Frühjahr 2009 intensiviertes Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt Kampfhandlungen zwischen Militär und kurdischen Separatistenorganisation wie PJAK und DPIK, mit mehreren Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK am 6. und 7. September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. In Kurdistan besteht ein erhöhtes Aufkommen an Sicherheitskräften, mit häufigen Kontrollen bzw. Checkpoints ist zu rechnen (AA 21.3.2016b, vgl. BMeiA 10.5.2017).

Rechtsschutz/Justizwesen

Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2016). In der Verfassung ist eine unabhängige Justiz verankert, in der Praxis steht sie unter politischem Einfluss. Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Der Oberste Führer ernennt den Chef der Judikative. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 3.3.2017, vgl. AI 22.2.2017).

Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Er ist laut Art. 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz formalen Verbots in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen insbesondere in politischen Verfahren ausgesetzt (AA 8.12.2016).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung des Iran steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß Art. 167, 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

-

Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

-

Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

-

Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

-

Spionage für fremde Mächte;

-

Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

-

Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Das Sondergericht für Geistliche und die Revolutionsgerichte waren besonders empfänglich für Druck seitens der Geheimdienste und anderer Sicherheitsbehörden, die darauf drängten, Angeklagte schuldig zu sprechen und harte Strafen zu verhängen (AI 22.2.2017).

Im Juni 2015 trat die neue Strafprozessordnung in Kraft, die nahezu ein Jahrzehnt in Arbeit war. Es sind nun einige überfällige Reformen im Justizsystem enthalten, wie Einschränkungen der provisorischen Untersuchungshaft bei Fällen von Fluchtgefahr oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit, striktere Regulierungen betreffend Befragungen von beschuldigten Personen und die Ausweitung des Rechts auf einen Anwalt. Nichtsdestotrotz scheitert die Strafprozessordnung an vielen großen Mängeln im iranischen Strafjustizsystem (AI 11.2.2016). Justizbedienstete des Ministeriums für Geheimdienste, der Revolutionsgarden und anderer Behörden setzten sich ständig über Bestimmungen hinweg, die die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsah, wie das Recht auf einen Anwalt unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft und das Recht auf Aussageverweigerung. Strafverteidiger erhielten oft keine vollständige Akteneinsicht und konnten ihre Mandanten erst unmittelbar vor Prozessbeginn treffen. Untersuchungshäftlinge befanden sich über lange Zeiträume hinweg in Einzelhaft und hatten entweder überhaupt keinen Kontakt zu einem Rechtsbeistand und ihrer Familie oder nur sehr selten. Unter Folter erzwungene "Geständnisse" wurden vor Gericht als Beweismittel zugelassen. Richter begründeten ihre Urteile häufig nicht ausreichend, und die Justizverwaltung machte die Urteile nicht öffentlich zugänglich. Die Staatsanwaltschaft nutzte Paragraph 48 der Strafprozessordnung, um Gefangenen einen Rechtsbeistand ihrer Wahl zu verweigern (AI 22.2.2017, vgl. ÖB Teheran 10.2016).

Das iranische Strafrecht ist islamisch geprägt. Es ist kodifiziert im "Gesetz über die islamischen Strafen" vom 30. Juli 1991. Die letzte Änderung des Gesetzes trat am 18.06.2013 in Kraft. Zudem existieren einige strafrechtliche Nebengesetze, darunter das Betäubungsmittelgesetz sowie das Antikorruptionsgesetz. Die statuierten Straftatbestände und Rechtsfolgen enthalten zum Teil unbestimmte Formulierungen. Den Kern des "Scharia-Strafrechts", also des islamischen Strafrechts mit seinen z.T. erniedrigenden Strafen wie Auspeitschung, Verstümmelung, Steinigung, sowie der Todesstrafe bilden die Abschnitte zu den Qesas-und Hudud-Delikten:

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"Hudud" (Verstoß gegen das Recht Gottes) enthält Straftatbestände, die im Koran und in der Sunna genauer beschrieben sind, wie z.B. Diebstahl, Raub, Alkoholgenuss, Sexualstraftaten inkl. Homosexualität und Unzucht, sowie Verbrechen gegen Gott. Zu all diesen Tatbeständen enthält das Gesetz detaillierte Beweisregelungen, nach denen der Täter jeweils nur bei Geständnis oder ihn belastenden Aussagen mehrerer Zeugen verurteilt werden soll.

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"Qesas"(Vergeltung) ist gekennzeichnet durch das Prinzip der körperlichen Vergeltung für die Tatbestände Mord und Körperverletzung mit Folge des Verlustes von Gliedmaßen. Hierbei können Geschädigte oder deren Familie selbst bestimmen, ob sie auf Vergeltung bestehen oder sich mit einer Schadensersatzzahlung zufrieden geben ("Diyeh" oder "Dyat", sog. Blutgeld; Minimalsatz rund 31.500 €). Für die in Art. 13 der Verfassung genannten religiösen Minderheiten ist Blutgeld in gleicher Höhe zu zahlen wie für die Tötung von Muslimen (AA 9.12.2015).

Die "Taazirat"-Vorschriften (vom Richter verhängte Strafen), Strafnormen, die nicht auf religiösen Quellen beruhen, bezwecken in erster Linie den Schutz des Staates und seiner Institutionen. Während für Hudud- und Qesas-Straftaten das Strafmaß vorgeschrieben ist, hat der Richter bei Taazirat-Vorschriften einen gewissen Ermessensspielraum (AA 9.12.2015).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, u.U. ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, für die Betroffenen gefährlich. So wurden etwa im Mai 2016 mehr als 30 Studenten wegen Teilnahme an einer Party mit Alkohol und Tanz zu je 99 Peitschenhieben verurteilt. Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch Auspeitschungen wer-den zum Teil öffentlich vollstreckt. Berichten zufolge werden auch die Strafen der Amputation (z.B. von Fingern bei Diebstahl) und der Blendung noch angewandt - auf die Anwendung letzterer kann die/der ursprünglich Verletzte jedoch gegen Erhalt eines Abstandsgeldes verzichten (ÖB Teheran 10.2016).

Entgegen anfänglicher Erwartungen ist in der Strafrechtsnovelle die Steinigung als Bestrafung für Ehebruch noch immer vorgesehen, auch wenn der Richter auf eine andere Form der Hinrichtung ausweichen kann. Darüber hinaus wurden alternative Maßnahmen für Kinder im Alter von 9 bis 15 implementiert, wie zum Beispiel Besuche beim Psychologen oder die Unterbringung in einer Besserungsanstalt, Auch nach neuem Strafrecht ist die Verhängung der Todesstrafe für Minderjährige möglich, wobei im Einzelfall auch die mangelnde Reife des Täters festgestellt und stattdessen eine Haft- oder Geldstrafen verhängt werden kann (AA 9.12.2015).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Häftlinge ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse. Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach iStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind allerdings keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist (AA 8.12.2016).

Körperstrafen sowie die Todesstrafe sind nach wie vor an der Tagesordnung. Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, "Mohareb", Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen, sowie auf Vergehen wie Drogenkonsum oder außerehelichen Geschlechtsverkehr (ÖB Teheran 10.2016).

Es gibt verfahrensrechtliche Bestimmungen, die den Richtern die Anweisung geben, Quellen zu kontaktieren, wenn es keinen Gesetzestext zum Vorfall gibt. Weiters gibt es eine Bestimmung im Strafgesetzbuch, die Richtern ermöglicht, sich auf ihr persönliches Wissen zu berufen, wenn sie Urteile fällen (ICHR 7.12.2010).

Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung zur Vollstreckung der Gesetze und Aufrechterhaltung der Ordnung. So das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums und die Revolutionsgarden, die direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Die Sicherheitskräfte werden nicht als völlig effektiv bei der Verbrechensbekämpfung angesehen und Korruption und Straffreiheit sind weiter problematisch. Menschenrechtsgruppen beschuldigten reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Missbräuche der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter diszipliniert (US DOS 3.3.2017).

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami) ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer. Organisatorisch den Pasadaran unterstellt ist die sog. Bassij-Bewegung, ein paramilitärischer Freiwilligenverband, dem auch Frauen angehören. Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst ("Vezarat-e Etela'at") mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität. Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz. Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem "Hohen Rat für den Cyberspace" beschäftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfälle und Verletzungen von Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU-Menschenrechtssanktionsliste (AA 8.12.2016).

Die "Sepah Pasdaran" (Revolutionsgarden) sind heute die mächtigste Instanz im Iran, sowohl politisch, als auch wirtschaftlich und militärisch. Die reguläre Armee spielt neben den Pasdaran eine sehr sekundäre Rolle. Die Pasdaran sind mit modernsten Waffen ausgerüstet. Sie sind schlagkräftig und entscheiden alle militärischen Fragen, und die reguläre Armee ist dagegen völlig in den Hintergrund geraten. Inzwischen gelten sie auch als die größte wirtschaftliche Macht des Landes. Die Pasdaran bekommen zum einen Konzessionen für alle größeren infrastrukturellen Projekte im Iran. Ob es um Staudämme geht oder um den Straßenbau, den Bau von Häfen oder Flughäfen: An allen Großprojekten sind die Pasdaran beteiligt. Darüber hinaus kontrollieren sie die Häfen und Flughäfen und damit auch den gesamten Markt, Aus- und Einfuhren und vor allem auch den Schwarzmarkt. Sie können Waren ins Land bringen und ausführen, ohne Zoll oder Steuern zu bezahlen. Die Pasdaran sind auch beteiligt an Ölprojekten. Die Pasdaran sind an den Entscheidungen sowohl im Atomstreit als auch in sonstigen politisch wichtigen Angelegenheiten direkt mitbeteiligt. Sie sind sehr stark involviert in das Atomprogramm. Ihre ehemaligen Kommandeure sitzen an den Schalthebeln der Macht. 2005 hat Mahmud Ahmadinedschad, als er zum ersten Mal zum Staatspräsidenten gewählt wurde, die meisten und wichtigsten Schlüsselpositionen mit Kommandanten der Pasdaran besetzt (DW 13.6.2013). Sie sind eng mit der Politik verzahnt und konnten in den vergangenen Jahren ihren wirtschaftlichen Einfluss ausbauen. Sie sind in allen Sektoren aktiv, mit teilweise monopolartigen Stellungen in der Rüstungs- und Bauindustrie, bei Energieprojekten, im Schmuggel von Konsumgütern und im Telekommunikationssektor (DW 13.6.2013, vgl. FH 2016).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da vor allem die Basijis nicht nach iranisch-rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander. Viele Schätzungen nehmen an, dass heute mehrere Millionen Basijis im Iran tätig sind. Bereits auffälliges Hören (insb. westlicher) Musik, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen kann den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügelung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden. Zu Verhaftungen kommt es immer wieder auch, wenn (junge) Menschen gemischtgeschlechtliche Partys feiern oder sie sich nicht an die Bekleidungsvorschriften halten. Manchmal kann bei Frauen schon ein zu kurzer/ enger Mantel oder das Hervorlugen von Haarsträhnen unter dem Kopftuch für eine Verhaftung, bei Männern zu eng anliegende Jeans, das Tragen von Goldschmuck oder ein außergewöhnlicher Haarschnitt reichen (ÖB Teheran 10.2016).

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet alle Formen der Folter, um Geständnisse oder andere Informationen zu erlangen, es gibt aber glaubwürdige Berichte, dass Sicherheitskräfte und Gefängnispersonal Häftlinge folterten oder missbrauchten. Einige Gefängnisse, einschließlich das Evin Gefängnis (Trakt 209 ist unter Kontrolle des Geheimdienstes) in Teheran sind berüchtigt für grausame und anhaltende Folter von politischen Gefangenen (US DOS 3.3.2017, vgl. AA 8.12.2016). Menschenrechtsorganisationen berichteten, dass Verweigerung von medizinischer Versorgung in Gefängnissen als Bestrafung genutzt wurde (US DOS 3.3.2017, vgl. AI 22.2.2017).

Es war nach wie vor üblich, Inhaftierte zu foltern und anderweitig zu misshandeln, insbesondere während Verhören, um auf diese Weise "Geständnisse" zu erpressen. Gefangene, die sich in Gewahrsam des Ministeriums für Geheimdienste oder der Revolutionsgarden befanden, mussten routinemäßig lange Zeiträume in Einzelhaft verbringen, was den Tatbestand der Folter erfüllte. Vorwürfen von Inhaftierten, dass sie gefoltert oder anderweitig misshandelt worden seien, gingen die Behörden grundsätzlich nicht nach. In einigen Fällen drohten sie den Betreffenden weitere Folter und harte Strafen an. Richter ließen weiterhin unter Folter erpresste "Geständnisse" als Beweismittel gegen Angeklagte zu, obwohl dies nach der Strafprozessordnung von 2015 nicht zulässig ist. In der Strafprozessordnung war nicht geregelt, wie Richter und Staatsanwälte vorzugehen haben, um Foltervorwürfe zu untersuchen und sicherzustellen, dass Geständnisse freiwillig erfolgen. Andere Bestimmungen der Strafprozessordnung, wie z. B. die Garantie, dass ein Gefangener unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft das Recht auf einen Rechtsbeistand hat, wurden in der Praxis häufig ignoriert, wodurch Folter begünstigt wurde (AI 22.2.2017).

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich massiv von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe sind nach wie vor an der Tagesordnung. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen (auf welche vom "Geschädigten" gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden kann). Zwar wurde im Jahr 2002 ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, jedoch wurde dies im Jahr 2009 vom damaligen Justizsprecher für nicht bindend erklärt. Es befinden sich noch mehrere Personen beiderlei Geschlechts auf der "Steinigungsliste". Seit 2009 sind jedoch keine Fälle von Steinigungen belegbar. Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch) (ÖB Teheran 10.2016, vgl. UN Human Rights Council 13.3.2017). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen - teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 10.2016).

Korruption

Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Bereich vor, aber die Regierung implementierte dieses Gesetz nicht effektiv, und so blieb Korruption ein ernstes und allgegenwärtiges Problem in allen drei Staatsgewalten. Es bestehen zahlreiche staatliche Behörden um die Korruption zu bekämpfen, darunter das Antikorruptionshauptquartier und die Antikorruptionsarbeitsgruppe, das Komitee zur Bekämpfung der Korruption in der Wirtschaft und die Organisation der Generalinspektion. Von allen Regierungsmitgliedern (einschließlich Ministerrat und Mitglieder des Wächterrats, Schlichtungsrat und der Expertenversammlung) wird ein jährlicher Bericht über die Vermögenslage verlangt. Es gibt keine Information, ob diese Personen sich an die Gesetze halten (US DOS 3.3.2017, vgl. FH 2017). Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption; nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit (AA 8.12.2016).

Transparency International führt Iran in seinem Korruptionsindex von 2016 auf Platz 131 von 176 untersuchten Ländern (2015: Platz 130 von 168 untersuchten Ländern) (TI 25.1.2017, vgl. GIZ 3.2017c). Es konnte sich im Iran kaum eine eigenständige Wirtschaft entwickeln, dieses Problem wird durch die weit verbreitete Korruption noch verschärft (GIZ 3.2017c).

Wehrdienst

Die Länge des verpflichtenden Wehrdienstes ist von den individuellen Verhältnissen abhängig und beträgt 18 bis 24 Monate. Aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen können Wehrpflichtige ausgemustert werden. Studenten können, wenn sie im Ausland studieren möchten, unter Hinterlegung einer Kaution (150.000.000 IRR, ca. 4.000,-€) zurückgestellt werden (AA 8.12.2016).

Wehrdienstpflichtige, d.h. männliche Staatsangehörige über 18 Jahren, die nicht etwa aufgrund eines Studiums vorübergehend von der Wehrdienstpflicht befreit sind, dürfen mit wenigen Ausnahmen vor Ableistung ihres Wehrdienstes das Land nicht verlassen (d.h. sie erhalten erst danach einen Reisepass). Angehörige der Streitkräfte und der Polizei dürfen das Land nur mit Zustimmung ihres Dienstes verlassen. Es gibt einige Möglichkeiten, nur einen kürzeren Wehrdienst abzuleisten, etwa für Iraner, deren Väter bereits im Irak-Iran-Krieg gekämpft haben. Die Zustände beim iranischen Militär sind in der Regel wesentlich härter als in europäischen Streitkräften (berichtet wird regelmäßig über unzureichende Verpflegung, unzureichende Ausrüstung, drakonische Strafen etc). Da Homosexualität offiziell als Krankheit gilt, werden Homosexuelle vom Militärdienst befreit und können keine Beamtenfunktionen ausüben. Es gibt keinen Wehrersatzdienst. In besonderen Fällen, etwa Sportler oder bei guten Beziehungen zu relevanten Stellen, kann nach einer 60-tägigen Grundausbildung jedoch eine Art "Ersatzdienst" für weitere 22 Monate u.a. in Ministerien oder bei Sportverbänden absolviert werden (ÖB Teheran 10.2016).

Männer, die keinen Wehrdienst ableisten und auch nicht vom Wehrdienst ausgenommen sind, kommen nicht für Jobs in der Regierung in Frage und haben üblicherweise auch keinen Zugang zu gut bezahlten Jobs. Sie können zudem auch keinen Reisepass beantragen (Al Monitor 19.12.2013)

Mit 21.3.2015 wird der Wehrdienst für alleinstehende Männer auf 24 Monate verlängert. Für verheiratete Wehrpflichtige reduziert sich die Dauer um drei Monate pro Kind (Voice of America 10.10.2014).

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Die Strafen bei Nichtmeldung variieren abhängig von der Frage, ob sich das Land im Kriegszustand befindet oder nicht. Personen, die sich zu spät melden, sind verpflichtet zusätzlich drei Monate Wehrdienst zu verüben. Wehrpflichtige, die sich zu spät oder gar nicht melden und aufgegriffen werden, erhalten ihre Bescheinigung über die Ableistung des Wehrdienstes teilweise mit erheblicher Verspätung. Ein Freikauf von der Wehrpflicht ist nicht mehr möglich. Religionsführer Khamenei hat aber die Jahrgänge bis einschließlich 1975, die bislang keinen Wehrdienst geleistet hatten, freigestellt (AA 8.12.2016).

Junge Männer ab 18 Jahren, die zum Wehrdienst einberufen wurden und sich nach der Einberufung nicht bei den Behörden melden, werden als Wehrdienstverweigerer betrachtet. Im Iran gibt es keinen Wehrersatzdienst, und eine Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen wird nicht

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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