TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/1 W107 2187854-1

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Veröffentlicht am 01.04.2019
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Entscheidungsdatum

01.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W107 2187854-1/8E

Schriftliche Ausfertigung des am 30.01.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Sibyll BÖCK über die Beschwerde des mj. XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gesetzlich vertreten durch seinen Vater XXXX , dieser vertreten durch Mag. Dr. Helmut BLUM, Rechtsanwalt, Mozartstraße 11/6, 4020 Linz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.01.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.01.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Eltern (Beschwerdeführer zu W107 2187812-1 und W107 2187849-1) des am XXXX in XXXX , Österreich, geborenen, minderjährigen Beschwerdeführers stellten nach schlepperunterstützter illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet zunächst für sich und am 22.03.2016 sodann auch für ihren Sohn, den mj. Beschwerdeführer, gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren.

2. Mit Bescheiden des BFA vom jeweils 26.01.2018 wurden die Anträge des Beschwerdeführers und seiner Eltern auf internationalen Schutz jeweils sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer und seinen Eltern nicht erteilt (Spruchpunkt III) und gegen den Beschwerdeführer und seine Eltern eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers und seiner Eltern nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

3. Mit Schreiben vom 23.02.2018 erhoben der Beschwerdeführer, gesetzlich vertreten durch seinen Vater, und die Eltern des Beschwerdeführers, vertreten durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter, gemeinsam vollinhaltliche Beschwerde wegen behaupteter Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Bescheide.

4. Am 02.03.2018 legte das BFA die (gemeinsam erhobene) Beschwerde und die dazugehörigen Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

5. Am XXXX wurden den Eltern des gegenständlichen Beschwerdeführers Zwillinge (Beschwerdeführer zu W107 2199255-1 und W107 2199252-1) in XXXX , Österreich, geboren. Für diese wurden durch die Mutter des Beschwerdeführers als gesetzliche Vertreterin beim BFA ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz im Familienverfahren gestellt, welche in weiterer Folge mit Bescheiden des BFA abgewiesen wurden.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 30.01.2019 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari, des ausgewiesenen Rechtsvertreters und einer Vertrauensperson eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer die Eltern des Beschwerdeführers im Familienverfahren zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz einvernommen wurden. Die belangte Behörde verzichtete schriftlich auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.

Gemeinsam mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden dem Beschwerdeführer die zum damaligen Zeitpunkt aktuellsten Länderinformationen zu Afghanistan übermittelt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden zudem die am Tag der mündlichen Verhandlung aktuellsten und den Parteien elektronisch zugänglichen Länderinformationen, insbesondere das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan und die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, in das Verfahren eingeführt.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung verkündete die Richterin das gegenständliche Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen. Der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Vater, verzichtete nach Belehrung über die Folgen des Verzichts ausdrücklich auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof.

Eine Ausfertigung der Niederschrift vom 30.01.2019 samt Belehrung wurde den Eltern des Beschwerdeführers und deren Rechtsvertretung am Tag der mündlichen Verhandlung persönlich ausgefolgt und dem BFA schriftlich übermittelt.

7. Am 06.02.2019 beantragte das BFA die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den zugrundeliegenden Verwaltungsakt, insbesondere durch Einsicht in die im Verfahren vorgelegten Dokumente, Unterlagen und Befragungsprotokolle, Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Einsicht in die ins Verfahren eingebrachten Länderberichte sowie Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Grundversorgungssystem und die Geburtsurkunde des Beschwerdeführers.

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der - im Entscheidungszeitpunkt minderjährige - Beschwerdeführer ist am XXXX in XXXX , Österreich, geboren, führt den im Spruch angeführten Namen und ist Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan. Er stellte am 22.03.2016, gesetzlich vertreten durch seine Eltern, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren. Im Zeitpunkt der Antragstellung war der minderjährige Beschwerdeführer ledig.

Seine Mutter XXXX (W107 2187849-1) und sein Vater XXXX (W107 2187812-1) reisten im Herbst 2015 unter Umgehung der Einreisebestimmungen schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 06.11.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer hält sich seit Geburt gemeinsam mit seinen Eltern und seinen beiden in Österreich geborenen, jüngeren Zwillingsbrüdern, mj. XXXX und mj. XXXX (W107 2199252-1 und W107 2199255-1), in Österreich auf und lebt mit diesen zusammen in einem Haushalt.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner Minderjährigkeit strafunmündig und daher in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.04.2019, Zl. W107 2187849-1/14E, wurde der Beschwerde der Mutter des Beschwerdeführers stattgegeben und ihr der Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt. Im Falle der Mutter des Beschwerdeführers ist kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verfahrensakt des Beschwerdeführers und jenem seiner Mutter (W107 2187849-1).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und Allgemeines:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg. cit.).

§ 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem BFA die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

3.2. Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Im vorliegenden Fall wurde der Mutter des Beschwerdeführers mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.04.2019, Zl. W107 2187849-1/14E, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dieser damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Anhand der Ermittlungsergebnisse war davon auszugehen, dass sich die Mutter des Beschwerdeführers angesichts ihrer auf ein selbstbestimmtes Leben gerichteten Einstellung ("westliche Gesinnung") aus wohlbegründeter Furcht wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet und in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (vgl. das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.04.2019, Zl. W107 2187849-1/14E). Es liegt auch in Bezug auf die Mutter des Beschwerdeführers keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vor.

Gemäß § 34 Abs. 2 iVm Abs. 5 AsylG 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 AsylG 2005).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat.

Der - im Entscheidungszeitpunkt - minderjährige und ledige Beschwerdeführer ist der Sohn von XXXX (Beschwerdeführerin zu W107 2187849-1). Somit ist der Beschwerdeführer als Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu betrachten.

Der Beschwerdeführer ist nicht straffällig geworden. Gegen die Mutter des Beschwerdeführers ist kein Asylaberkennungsverfahren anhängig.

Dem Beschwerdeführer war daher gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, dh. der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).

Der Beschwerde war daher stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, vertreten durch seine Eltern, am 22.03.2016 - somit nach dem 15.11.2015 - gestellt wurde, wodurch insbesondere § 2 Abs. 1 Z 15 und § 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall bereits Anwendung finden.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I 24/2016 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu. Diese Aufenthaltsberechtigung verlängert sich kraft Gesetzes nach Ablauf dieser Zeit um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Aberkennungsverfahrens nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

Da § 3 Abs. 4 AsylG 2005 gemäß Abs. 4b leg. cit. in einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 mit der Maßgabe gilt, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen richtet, von dem das Recht abgeleitet wird (im gegenständlichen Fall von der Mutter des Beschwerdeführers, welche ihren Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 stellte und somit über eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung verfügt), verfügt auch der Beschwerdeführer über eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W107.2187854.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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