TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/2 W240 2176943-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.04.2019
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Entscheidungsdatum

02.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W240 2176943-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , XXXX , StA. Äthiopien gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.10.2017, Zl. 17-1165126400/170981688, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.11.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 und 4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, idgF. der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine äthiopische Staatsangehörige, gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte am 23.08.2017 für sich und ihren minderjährigen Sohn einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag (23.08.2017) wurde sie einer Erstbefragung unterzogen. Sie gab an verheiratet zu sein. Ihr Sohn sowie ihr Mann seien in Österreich. Sie habe eigentlich schon immer aus ihrem Herkunftsstaat weggewollt und als sie im Jahr 2011 ihren Sohn auf die Welt gebracht habe, habe sie erst recht nach Europa zum Vater ihres Sohnes flüchten wollen. Zielland habe sie keines gehabt, sie habe einfach zu ihrem Mann wollen. Als alleinerziehende Mutter habe sie ständig Probleme gehabt. Zurück wolle sie nicht, da die Leute sie ihn ihrer Heimat als Prosituierte ansehen würden, da ihr Mann nicht bei ihr lebe. Die Leute hätten sie mit Steinen beworfen und beschimpft.

Nach Zulassung zum Asylverfahren erfolgte am 10.10.2017 eine niederschriftliche Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Die Beschwerdeführerin gab zu ihrem Ausreisegrund im Wesentlichen wie folgt an:

"(...)

F: Wie geht es Ihnen. Sind Sie psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?

A: Ja, ich bin dazu in der Lage. Ich habe keine physischen oder psychischen Probleme.

F: Haben Sie irgendwelche Krankheiten und wenn ja, welche?

A: Nein.

F: Wurden Ihnen Medikamente verschrieben oder nehmen Sie Medikamente zu sich?

A: Nein.

F: Sind Sie in Österreich in ärztlicher Behandlung? Wie lange wird die Behandlung noch dauern?

A: Ich hatte einmal Magenbeschwerden, diese wurden versorgt und ich habe keine Beschwerden mehr.

Aufforderung: Sie werden weiter aufgefordert, im Fall eines Arztbesuches von Ihnen und Ihrem Sohn hier in Österreich, unaufgefordert, unverzüglich nach einer Behandlung dem BFA einen Kurzbericht bzw. Attest über die Behandlung oder weiters sonstige zweckdienliche, medizinische Auskunft gebende Schreiben vorzulegen. Haben Sie das verstanden?

A: Ja.

F: Sind Sie damit einverstanden, dass die ho. Behörde sowie in einem allfälligen Beschwerdeverfahren dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Einsicht in bereits vorliegende und künftig erhobene ärztliche Befunde nehmen kann, sowie dass die Sie behandelnden Ärzte, als auch behördlich bestellte ärztliche Gutachter wechselseitig Informationen zu den Ihre Person betreffenden erhobenen ärztlichen Befunde austauschen können? Sind Sie weiters mit der Weitergabe Ihrer medizinischen Daten an die Sicherheitsbehörde und die für die Grundversorgung zuständigen Stellen einverstanden? Sie können Ihre Zustimmung danach jederzeit widerrufen.

A: Ja, ich bin damit einverstanden.

F: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

A: Ich kann mich erinnern, ich habe damals die Wahrheit gesagt, aber ich war etwas gestresst an dem Tag.

(...)

Erklärung: Sie haben am 23.08.2017 beim BFA um Asyl ersucht. Sie wurden am selben Tag von der Polizei bereits zu Ihrem Asylverfahren, d. h. zu Ihrem Reiseweg und den Gründen Ihrer Ausreise, befragt. Können Sie sich an Ihre damaligen Angaben erinnern? Waren Ihre damals gemachten Angaben vollständig und entsprechen diese der Wahrheit? Wollen Sie selbst zu diesen Angaben noch etwas hinzufügen oder etwas sagen, was Sie noch nicht angeführt haben?

A: Ja, ich kann mich noch daran erinnern. Meine Angaben sind vollständig, ich habe damals alles gesagt, mehr habe ich selbst nicht dazu anzuführen. Ich habe die Wahrheit gesagt. Andere Gründe gibt es nicht. Es könnte aber sein, dass weil ich nervös bin manche Sachen etwas anders gesagt oder verstanden wurden.

F: Wie haben Sie die Einvernahmesituation in der Erstbefragung wahrgenommen?

A: Die Anhaltung waren für mich und mein Kind schwierig, dadurch war ich gestresst, aber ansonsten war alles in Ordnung.

(...)

Verwandte außerhalb des Heimatlandes:

Meine Ehemann und mein Sohn sind hier in Österreich. Mein Ehemann ist in einem anderen

Heim als mein Sohn und ich. Wir warten noch auf die Zusammenführung. Wir haben aber

Kontakt.

Ehemann XXXX

Geburtsdatum Ich weiß, dass er 29 ist und im Neujahr geboren ist

Adresse Seine genaue Anschrift weiß ich nicht. Er hat aber gestern bei mir übernachtet und mir gezeigt wo das Bundesamt ist.

(...)

Beruflicher Werdegang:

Beschäftigungsart XXXX

Von Vor 3.5 Jahren habe ich damit begonnen

Bis Für 4 oder 5 Monate

Dienstgeber XXXX "

Anmerkung Zwischen 600 und 700 Bir im Monat

F: Möchten Sie eine Pause machen?

A: Nein.

Angaben zur Person und Lebensumständen:

Ich bin in Addis Ababa geboren und dort bei meinen Eltern aufgewachsen. Meine Mutter ist verstorben als ich 9 Jahre alt war. Mein Vater hat mich dann alleine großgezogen. Er war als Gelegenheitsarbeiter tätig. Als ich aufgewachsen bin war meine Familie eher arm und wir haben in einem gemeinsamen Zimmer gelebt, welches wir gemietet haben.

F: Haben Sie bislang eine Ehe geschlossen?

A: Ich habe im Mai 2010 in der Türkei geheiratet. Es waren mein Mann, sein Freund, der bei ihm wohnte, haben alle Freunde und Bekannte für diese Hochzeit zusammengerufen. Die Freunde waren auch die Zeugen bei der Hochzeit. Die Freunde waren alle von Seite meines Mannes, ich hatte niemanden dort, sondern war in einem Familienhaus tätig. Daher hatte ich keinen Kontakt zu anderen Menschen, aber viele seiner Freunde wurden meine Freunde.

F: Aus welchem Grund waren Sie in der Türkei?

A: Ich bin als Haushaltsgehilfin in der Türkei und war "Mädchen für Alles" dort.

F: Wie lange waren Sie in der Türkei?

A: Ich kam 2009, aber 2010 zurück nach Äthiopien.

F: Was hat Ihr Ehemann in der Türkei gemacht?

A: Ich weiß nicht was er dort gemacht hat. Ich weiß auch nicht den Grund für seinen Aufenthalt.

F: Woher kommt Ihr Ehemann?

A: Eritrea.

F: Warum hat er Eritrea verlassen?

A: Er hatte dort Probleme, eines der Probleme war seine Religion und er sprach sehr ungern darüber.

F: Welcher Religion folgt Ihr Ehemann?

A: Protestant. Ich selbst bin orthodox, er nicht. Aber ich glaube er ist "Pentecostal".

F: Waren Sie zuvor schon einmal verheiratet?

A: Nein.

F: War Ihr Mann zuvor schon jemals verheiratet und gibt es Kinder aus dieser Beziehung?

A: Nein, soweit ich weiß nicht.

F: Gibt es bezüglich Ihrer Heirat eine Urkunde, Fotos oder andere Unterlagen?

A: Bei der Zeremonie wurde alles auf ein Blatt Papier geschrieben, aber dieses Papier befand sich bei meinem Ehemann, ich weiß aber nicht, wo es ist. Zuletzt war es aber bei ihm.

F: Wo wurde Ihr Sohn geboren?

A: Mein Sohn wurde im Krankenhaus in Addis Ababa geboren.

F: Haben Sie Dokumente bezüglich dieser Geburt?

A: Ich hatte vom Krankenhaus nur ein Schreiben von der Entbindung, aber Geburtsurkunde gibt es keine. Der Grund dafür war, dass sowohl Mutter wie der Vater zusammen das Dokument beantragen müssen. Dies war in meinem Fall nicht möglich.

F: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie? Wie gestaltet sich der Kontakt zu Ihrer Familie? Kommunizieren Sie auch über soziale Netzwerke und andere Medien?

A: Zurzeit nicht. Ich habe die Nummer verloren.

Anmerkung: Die Antragstellerin wirkt sehr betrübt als Sie dies sagt und braucht etwas um sich zu sammeln.

Anordnung Pause 15 Minuten Beginn: 11:15 Ende: 11:30

F: Haben Sie Probleme mit Ihrem Vater?

A: Nein, mit meinem Vater habe ich keine Probleme. Er hat aber sein Leben geopfert um mich großzuziehen und nun bin ich weg und habe keinen Kontakt zu ihm.

F: Haben Sie noch Freunde oder Bekannte in der Heimat?

A: Keine richtigen Freunde, nur ein paar Bekannte.

F: Haben Sie Kontakt zu Ihren Freunden und Bekannten?

A: Nein.

F: Waren Sie nur in Ihrem Heimatort oder kennen Sie sich in Äthiopien aus und wenn ja, wo haben Sie sich in Äthiopien schon aufgehalten bzw. wohin sind Sie gereist (z.B. Verwandtenbesuche, Schulaufenthalte etc.?)

A: Ich war nur im meinem Heimatort, der Hauptstadt.

F: Inwieweit beherrschen Sie die Sprache Ihres Heimatlandes?

A: Amharisch ist meine Muttersprache

F: Inwieweit sind Ihnen die gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten Ihres Heimatlandes vertraut?

A: Ich bin damit vertraut.

Angaben zum Fluchtweg:

F: Wann haben Sie sich entschlossen die Heimat zu verlassen?

A: Nach der Geburt meines Sohnes hatte ich bereits beschlossen das Land zu verlassen.

F: Wieso haben Sie bis vor kurzem mit der Ausreise gewartet?

A: Weil ich keine Möglichkeit hatte auszureisen.

F: Können Sie sich an Ihre Angaben zum Reiseweg, die Sie bei der Polizei gemacht haben, erinnern?

A: Ja.

F: Haben Sie zum Reiseweg noch etwas zu sagen?

A: Nein, nicht über den Reiseweg.

F: Bei welcher Botschaft haben Sie denn Ihr Visum bekommen?

A: Frankreich.

F: Auf welchen Namen wurde dieses Visum ausgestellt?

A: Meinen eigenen Namen.

F: Mit welcher Fluglinie sind Sie ausgereist?

A: Ethiopian Airlines

F: Haben Sie Ihr Heimatland legal verlassen?

A: Ja und ich wurde auch am Flughafen bei der Ausreise kontrolliert.

F: Wie viel hat die Reise gekostet?

A: Ich weiß es nicht. Ich habe das Ticket nicht selbst besorgt. Mein Vater hat sich um alles gekümmert.

F: Haben Sie in einem anderen Land schon einmal einen Asylantrag gestellt?

A: Nein.

F: Warum sind Sie ausgerechnet nach Österreich gereist?

A: Weil mein Mann hier ist, ich wollte eine Zusammenführung der Familie.

F: Warum haben Sie keinen Einreiseantrag bei der österreichischen Botschaft in Äthiopien gestellt?

A: Mein Vater hat alles organsiert und dann hat er gesagt, ich sollte nach Frankreich und dann weiter nach Österreich.

F: Möchten Sie zum Fluchtweg noch etwas angeben, was Ihnen wichtig ist?

A: Nein, das war alles.

Angaben zum Fluchtgrund:

F: Sind Sie in Ihrer Heimat oder in einem anderen Land vorbestraft bzw. haben Sie im Herkunftsland, oder hier Strafrechtsdelikte begangen?

A: Nein, aber ich bin ohne Dokumente eingereist.

F: Werden Sie in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat jemals von den Behörden angehalten, festgenommen oder verhaftet?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrer Heimat Probleme mit den Behörden?

A: Nein.

F: Waren Sie in Ihrer Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Rasse verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Religion verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Nationalität, Volksgruppe oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt?

A: Nein.

F: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie zum Verlassen der Heimat veranlasst haben (freie Erzählung)!

A: Der Hauptgrund, warum ich nach Österreich gekommen bin, ist, weil ich zu meinem Ehemann wollte. Ich war in der Türkei für die Arbeit und als ich zurückgekommen bin war und schwanger und brachte mein Kind auf die Welt. Für die Nachbarschaft und andere Leute, war ich ohne Ehemann mit einem Kind, wie eine Prostituierte und wurde von ihnen geahndet.

Anmerkung: Die Stimme der Antragstellerin bricht mehrmals als sie dies schildert und sie weint währenddessen.

Da die Geburt kompliziert und ich 1,5 Tage in den Wehen lag, kam mein Sohn zur Welt. Nach der Geburt hatte ich Probleme mit der der Kontrolle des Stuhlganges. Die Ahndungen wurden schlimmer und andere Leute meinten "ich würde riechen". Dies haben sie in meiner Nähe gesagt und ich habe sensibel darauf reagiert. Die Beschimpfungen für meinen Sohn wurden auch immer schlimmer und er wurde als Bastard bezeichnet. Dies wollte ich nicht hinnehmen und mein Vater, wie ich zuvor erwähnte, hat für mich quasi sein Leben geopfert, in dem er meine Ausreise ermöglicht und organsiert hat. Es war nicht leicht, auch finanziell. Sein Ziel und mein Ziel war, dass ich von diesen verbalen Angriffen zu entkommen und wichtig, ist auch dass ich mit meinem Mann zusammen sein kann. Ebenso war es für mich wichtig meinen Sohn endlich sagen konnte wo sein Vater ist. Er hatte die Angriffe und Verhetzungen mitbekommen. Ich wollte auch, dass er Selbstachtung kennen lernt und auch seinen Vater kennen lernt. Dies war der Grund für die Ausreise.

F: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals, ob Sie noch etwas Asylrelevantes angeben möchten oder etwas vorbringen möchten, was Ihnen wichtig erscheint, ich jedoch nicht gefragt habe?

A: Es ist mir wichtig meinen Sohn vor solchen Angriffen und Beschimpfungen als Bastard zu bewahren. Ich musste etwas tun und meinen Sohn zeigen, dass er einen Vater hat. Es war mir auch wichtig zu meinem Mann zu kommen. Deswegen habe ich beschlossen auszureisen.

Ich wollte von der Schikane wegkommen. Ich habe keine weiteren Gründe mehr vorzubringen.

F: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?

A: Das gleiche Leben würde mich dort erwarten. Ich konnte meinen Sohn auch nicht beschützen und mein Mann ist hier in Österreich und ich wollte auch zu ihm.

F: Hätten Sie Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden im Falle Ihrer Rückkehr?

A: Nein.

F: Warum sind Sie nicht in eine andere Stadt oder in einen anderen Landesteil gezogen?

A: Dies hätte ich tun können, dort hätte ich aber andere Probleme gehabt und mein Sohn hätte trotzdem keinen Vater.

F: Gibt es einen Grund warum Ihr Ehemann nicht mit Ihnen in Äthiopien leben könnte?

A: Er ist Eritreer, ich glaube er hätte nicht nach Äthiopien kommen können, er hat auch keine Dokumente. Noch dazu ist er ja Eritreer und hätte kein Interesse nach Äthiopien zu kommen, weil die beiden Länder verfeindet sind. Während ich schwanger zurück aus der Türkei nach Äthiopien bin, war er im Gefängnis in der Türkei, weil er illegal und ohne Dokumente aus der Türkei ausreisen wollte.

F: Welche Personen haben Sie und Ihren Sohn geahndet?

A: Die Nachbarschaft. Die Personen in der Umgebung ich gelebt habe, manchmal auch Freunde von meinem Vater.

(...)

Anmerkung: Der Antragstellerin wird erklärt, dass es die Möglichkeit einer DNA Analyse erklärt um die Vaterschaft Ihres Sohnes festzustellen. Diesbezüglich zeigt Sie Interesse und es wird ihr erklärt, dass die genauen Möglichkeiten Sie noch schriftlich erreichen würden oder es einen zweiten Termin diesbezüglich geben wird.

F: Wissen Sie über die aktuelle politische Lage und über die Sicherheitslage in Ihrer Heimat Bescheid?

A: Gelegentlich höre ich etwas.

(...)

F: Haben Sie nahe Verwandte oder Familienangehörige in Österreich?

A: Ja, meinen Ehemann und meinen Sohn.

F: Wo leben Ihre Verwandten?

A: Mein Vater ist noch in Äthiopien, mein Sohn und Ehemann sind hier in Österreich.

F: Haben Sie mit diesen Personen jemals in einem gemeinsamen Haushalt belebt und wenn ja, wann, wo und wie lange?

A: Wir haben noch nicht zusammen gelebt. Mein Sohn ist aber bei mir im Heim. Mit Erlaubnis darf mich mein Mann aber besuchen und auch dort übernachten.

F: Haben Sie und Ihr Ehemann zuvor zusammen gelebt?

A: Nein, auch nie.

(...)

F: Haben Sie für Ihre Kinder spezielle Asylgründe vorzutragen, oder sollen für Ihren Sohn die gleichen Asylgründe gelten?

A: Ich habe seine Asylgründe heute bereits mit ausgeführt.

F: Haben Ihre Kinder gesundheitliche Probleme?

A: Nein.

(...)"

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.10.2017, Zl. 17-1165126400/170981688, wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchpunkt II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien abgewiesen, unter Spruchpunkt III. eine Rückkehrentscheidung für unzulässig erklärt und eine Aufenthaltsberechtigung erteilt.

In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Äthiopien getroffen. Die Beschwerdeführerin sei gemeinsam mit ihrem Sohn nach Österreich gereist und habe keinerlei Probleme mit den Behörden in ihrem Heimatstaat gehabt. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerin verheiratet sei. Sie werde in ihrer Heimat nicht von staatlicher Seite verfolgt und es habe keine Verfolgung aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit festgestellt werden können. Die Beschwerdeführerin habe ihr Heimatland verlassen, da sie zu dem in Österreich lebenden Vater ihres Sohnes habe wollen. Die Beschwerdeführerin habe familiäre Anknüpfungspunkte in ihrer Heimat, sei jung und arbeitsfähig. Es sei davon auszugehen, dass sie in ihrem Heimatland in der Lage sei, sich notfalls mit Hilfstätigkeiten ein ausreichendes Auskommen zu sichern und daher nicht in eine hoffnungslose Lage kommen würde.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht gegen die (abweisenden) Spruchpunkte I. und II. Beschwerde. Zusammengefasst wurde darin ausgeführt, die getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig und würden sich nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin befassen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich konkret mit der Situation einer alleinstehenden Frau und alleinerziehenden Mutter in Äthiopien auseinanderzusetzen sowie mit der medizinischen Versorgung bei Erkrankungen einer Stuhlinkontinenz. In der gesamten Einvernahme sei die Beschwerdeführerin nicht näher danach befragt worden, wie sich ihr Leben als alleinstehende Frau in Äthiopien gestaltet habe. Auch hinsichtlich des Vorbringen zu ihren gesundheitlichen Beschwerden habe es keine näheren Fragen gegeben. Weiters habe es die Behörde verabsäumt zu ermitteln, ob die traditionelle Ehe, welche die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann in der Türkei geschlossen habe, die übliche Form der Eheschließung in Äthiopien (bzw. Eritrea, StA des Mannes) sei. Die Definition eines Flüchtlings im Sinne der GFK treffe auf die Beschwerdeführerin zu, da sie in ihrem Herkunftsstaat als alleinstehende Frau und Mutter diskriminiert worden sei und ihr Sohn schon als Bastard bezeichnet worden sei. Somit wäre der Beschwerdeführerin aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der alleinstehenden und alleinerziehenden Frauen internationaler Schutz gem. § 3 AsylG zu gewähren gewesen. In eventu sei ihr aber jedenfalls der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

Der Beschwerde beigelegt waren folgende Unterlagen:

-

ärztlicher Kurzbericht vom 06.11.2017 mit dem Befund: "Keine Marisken, keine Fissuren, Ampulle leer, kein Blut am Finderling, Sphinktertonus herabgesetzt [Anm. BVwG: Spannungszustand des Schließmuskels]". Und der Verordnung von Beckenbodentraining bei einem niedergelassenen Physiotherapeuten und einem vereinbarten Termin am Beckenbodenzentrum des Universitätsklinikums

-

Persönliches, am Computer geschriebenes Schreiben der Beschwerdeführerin

4. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den 16.11.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an, in der die Beschwerdeführerin, vertreten durch die ARGE Rechtberatung sowie der angebliche Ehemann der Beschwerdeführerin als Zeugen einvernommen wurden.

Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung legte die Beschwerdeführerin folgende Unterlagen vor:

-

Befund vom 04.07.2018 einer Universitätsklinik für Frauenheilkunde über die Geburt am 30.06.2018

-

Befund über eine Hochrisikoschwangerschaft vom 20.06.2018

-

Foto über die behauptete Hochzeit in der Türkei

Ergänzend zu dem bereits übermittelten Länderinformationsblatt wurde dem Beschwerdevorbringen entsprechend aktuelle Länderberichte zu Äthiopien zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

Die Vertreterin der Beschwerdeführerin gab folgende Stellungnahme ab:

"Bei der BF handelt sich um eine junge Frau, die kein soziales Netz in Äthiopien zur Verfügung hat und Angehörige der Volksgruppe der Amhara ist. Desweiteren benötigt sie medizinische Versorgung, die sie in Äthiopien nicht ausreichend erhalten hat. Da ihre Kinder in Österreich einen Asylstatus haben und äthiopische Staatsangehörige sind, ist es ihnen schon deshalb untersagt, nach Äthiopien zu reisen bzw. dort leben zu können und auch ihr Ehemann ist eritreischer Staatsangehöriger und könnte in Äthiopien keinen legalen Aufenthalt führen. Daher würde die BF bei einer allfälligen Rückkehr nach Äthiopien als alleinstehende Frau ohne familiäre Unterstützung und ohne Berufsausbildung diskriminiert werden. Diese Diskriminierungen würden aufgrund der Zusatzelemente der Stuhlinkontinenz, die Intensität einer asylrelevanten Verfolgung erreichen bzw. würde sie zumindest ein "real risk" in Äthiopien erfahren. Zum Beweis dafür wird einerseits eine SFH-Länderanalyse vom 13.10.2009 vorgelegt und andererseits auf das Erkenntnis des BVwG vom 02.12.2014 zur Zahl I403 1434631/1/18E verwiesen. Wo in einem ähnlich gelagerten Fall eine Frau aus Äthiopien subsidiärer Schutz zuerkannt wurde. Sollte das Gericht nicht zu der Überzeugung kommen, dass der BF originär Asyl zuzuerkennen ist, muss darauf hingewiesen werden, dass sich im Verfahren ergeben hat, dass bereits vor der Einreise eine aufrechte Ehe mit dem asylberechtigten Zeugen bestanden hat. Diesbezüglich wird auf das Erkenntnis vom VwGH zur Zahl Ra 2016/18/0277 vom 27.06.2017 verwiesen. In dem ausgeführt wird, dass auch eine traditionell geschlossene Ehe als Familienleben gilt und ist der BF daher im Rahmen des Familienverfahrens derivativ Asyl zuzuerkennen."

Der Beschwerdeführerinvertreterin wurden Kopien der vorliegenden Berichte und Feststellungen ausgefolgt und eine Frist bis zum 07.2.2018 für eine allfällige schriftliche Stellungnahme eingeräumt.

Am 23.22.2018 langte eine Stellungnahme ein, in der abermals vorgerbacht wurde, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Frau mit mittlerweile zwei minderjährigen Kindern handle. Bei einer allfälligen Rückkehr werde sie als alleinstehende Frau angesehen, da ihr Ehemann eritreischer Staatsangehöriger sei, der in Österreich den Status eines Asylberechtigten genieße. Bereits in der Verhandlung sei erörtert worden, dass es ihrem Mann weder faktisch noch rechtlich möglich sei in Äthiopien zu leben. Die Beschwerdeführerin leide an Stuhlinkontinenz und habe nicht die ausreichende medizinische Behandlung in ihrem Heimatland erhalten. Sie sei vielmehr aufgrund ihrer Krankheit und dem damit verbundenen Geruch von der Gesellschaft ausgegrenzt und diskriminiert worden. Seit ihrer Ausreise aus Äthiopien habe sie keinerlei soziale und familiäre Anknüpfungspunkte mehr in ihrer Heimat. Sie wisse nichts über den Verbleib ihres Vaters und wäre somit bei einer allfälligen Rückkehr auf sich alleine gestellt. Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation bezeichne die Sicherheitslage in Äthiopien als prekär. Zudem bestätige es die Aussage der Beschwerdeführerin keine ausreichende medizinische Behandlung erhalten zu haben. Abermals werde zudem darauf verwiesen, das die Beschwerdeführerin vor ihrer Einreise eine Ehe mit einem nun in Österreich Asylberechtigten geschlossen habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist verheiratet, äthiopische Staatsbürgerin und hält sich derzeit gemeinsam mit ihrem Ehemann XXXX und den zwei minderjährigen Söhnen XXXX und XXXX in Österreich auf. Die Beschwerdeführerin ehelichte ihren Ehemann 2010 in der Türkei.

Am 23.08.2017 stellte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführerin ist nicht straffällig geworden.

Mit Bescheid vom 24.07.2017, Zl. 15-1050096510°-°150051575, wurde ihrem Ehegatten der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Auch dem Sohn ( XXXX ) wurde im Rahmen des Familienverfahrens mit Bescheid vom 18.10.2017, Zl. 17-1165125000-170981696, Asyl gewährt. Es ist kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig.

Zu Äthiopien wird Folgendes verfahrensbezogen festgestellt:

Relevante Bevölkerungsgruppen/ Frauen und Kinder

Frauen sind nach der äthiopischen Verfassung gleichberechtigt. Allerdings beinhalten Gesetze diskriminierende Regelungen, wie z.B. die Anerkennung des Ehemanns als legales Familienoberhaupt und als einzigen Fürsorgeberechtigten für Kinder über 5 Jahre (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). In der gesellschaftlichen Realität haben Frauen eine schwächere Position als Männer, nur wenige Frauen haben Führungsämter in Wirtschaft und Politik inne (AA 24.5.2016). Die Situation von Frauen ist oft von körperlich sehr harter Arbeit, Benachteiligung und Bevormundung, von traditioneller Rollenzuschreibung und Gewalterfahrungen geprägt (GIZ 1.2017b).

Trotz steigender Tendenz ist die Einschulungsquote für Mädchen nach wie vor deutlich niedriger als bei Buben. Das gilt auch für den Hochschulbereich. Insbesondere auf dem Land werden Frauen diskriminiert und verfügen über nur sehr eingeschränkte Entfaltungsmöglichkeiten (AA 24.5.2016; vgl. GIZ 1.2017b). In den Städten ist die Situation der meisten Frauen deutlich besser als auf dem Land. Vor allem in der noch in der Entstehung befindlichen neuen Mittelschicht sind die Töchter mindestens genauso gut ausgebildet wie die Söhne. Von den neu immatrikulierten Studierenden im Jahr 2011 waren bereits über 46% Frauen. Berufstätige Mütter sind in Addis Abeba an der Tagesordnung (GIZ 1.2017b).

Vergewaltigung (Strafmaß: bis zu 20 Jahre) und häusliche Gewalt sind verboten aber dennoch weit verbreitet. Die Durchsetzung der Gesetzeslage ist dürftig, häufig auch mangels Anzeige (USDOS 13.4.2016). Häusliche Gewalt wird meist nicht gerichtlich verfolgt oder als Scheidungsgrund anerkannt. Vergewaltigung in der Ehe ist kein Strafdelikt (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Traditionelle Praktiken zum Nachteil von Frauen, wie Beschneidung, Kinderehe und Brautraub mit Zwangsverheiratung stehen unter Strafe, kommen aber, insbesondere in ländlichen Gegenden, weiterhin vor (AA 24.5.2016).

Weibliche Genitalverstümmelung (Female Genitale Mutilation, FGM) ist seit der Reformierung des Strafgesetzbuches 2005 gemäß Art. 565 mit Geldstrafe ab 500 Birr (ca. 20 Euro) oder mit mindestens dreimonatiger, in besonders schweren Fällen mit bis zu 10 Jahren Gefängnisstrafe bedroht (AA 24.5.2016). Die Regierung setzt das Verbot von FGM jedoch nicht aktiv um und bestraft Personen nicht, die FGM ausführen (USDOS 13.4.2016). Trotz sinkender Zahlen - nach unterschiedlichen Quellen hat sich die Zahl der Neuverstümmelungen inzwischen auf 25-40% der Mädchen verringert - ist Genitalverstümmelung nach wie vor mit großen regionalen Unterschieden weit verbreitet. Die Zahlen schwanken auch hier zwischen 56% und über 70% landesweit. Am häufigsten ist sie in ländlichen Gebieten der an Dschibuti und Somalia grenzenden Regionen Somali und Afar sowie in der gesamten Region Oromia anzutreffen. In den Grenzregionen Tigray (Grenze zu Eritrea) und Gambella (Grenze zum Südsudan) ist FGM am wenigsten verbreitet. Die Regierung sowie äthiopische und internationale Organisationen führen Kampagnen gegen Genitalverstümmelung durch (AA 24.5.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (24.5.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2017b): Äthiopien - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/aethiopien/gesellschaft/#c1307, Zugriff 2.1.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Ethiopia, http://www.ecoi.net/local_link/322481/461958_de.html, Zugriff 2.1.2017

Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 26. Mai 2015 zu

Äthiopien: Frau mit unehelichem Kind

Frage an die SFH-Länderanalyse:

Wie ist die Situation von alleinstehenden Frauen mit einem unehelichen Kind?

Die Informationen beruhen auf einer zeitlich begrenzten Recherche (Schnellrecherche) in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die uns derzeit zur Verfügung stehen.

Diskriminierung

Eine Repräsentantin der International Labour Organization (ILO) sagte gegenüber Migrant-Rights am 10. April 2014 bezüglich äthiopischen Rückkehrerinnen aus Saudi Arabien, dass viele Frauen mit unehelichen Kindern zurückkommen. Dies werde in der konservativen äthiopischen Gesellschaft als unakzeptabel angesehen. Die Frauen würden als Prostituierte bezeichnet.

Katie Kuschminder, eine Migrationsexpertin an der Universität der Vereinten Nation in Maastricht, weist auch im Zusammenhang mit Rückkehrerinnen aus arabischen Staaten auf deren besondere Verletzlichkeit hin. Über 60 Prozent der Rückkehrerin-nen finden keinen Arbeit, die Hälfte von denjenigen, die eine Arbeit haben, sind un-terbeschäftigt. Das treibt viele Frauen zu erneuter Migration. Auch das Staatssekretariat für Migration SEM (ehemals BFM) beschreibt in seinem Bericht zur Factfinding-Mission im Jahr 2010, dass es für eine alleinstehende Frau sehr problematisch sei, sich in der Hauptstadt zu etablieren. Es sei schwierig, eine Arbeit zu finden und die Löhne seien niedrig. Bezüglich lediger Mütter meint das SEM im Gegensatz zu anderen Quellen, dass zahlreiche Mütter in Äthiopien nicht verheiratet seien. Das werde von der Gesellschaft zwar allgemein akzeptiert, in einzelnen ländlichen Regionen wür-den ledige Mütter jedoch diskriminiert und teilweise sogar von den Eltern verstossen. Verstossene ledige Mütter würden meist nach Addis Abeba ziehen. Aber auch dort ist die Situation für eine alleinstehende Frau sehr problematisch, wie verschiedene Quellen und auch das SEM darlegen.

Die SFH hat bereits in früheren Auskünften die schwierige Lage von alleinstehenden Frauen in Äthiopien beschrieben. Auch das Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation ACCORD hat im Oktober 2014 verschiedene Quellen zitiert, welche die schwierige Situation von alleinstehenden Frauen bei einer Rückkehr belegen.

SFH:

SFH, Äthiopien: Rückkehr einer jungen, alleinstehenden Frau, 13. Oktober 2009:

www.fluecht-lingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/afrika/athiopien/aethiopien-rueckkehr-einer-jungen-al-leinstehenden-frau.pdf.

Äthiopien - Mütter mit unehelichen Kindern - Schnellrecherche - 26. Mai 2015

SFH, Äthiopien: Gewalt gegen Frauen, 20. Oktober 2010:

www.fluechtlingshilfe.ch/as-sets/herkunftslaender/afrika/athiopien/aethiopien-gewalt-gegen-frauen.pdf.

Kontrolle über die Sexualität von Frauen

In ländlichen Gebieten ist es für die Familie wichtig, dass die Töchter erfolgreich verheiratet werden. Eine unverheiratete Tochter oder eine Tochter, die unverheiratet schwanger wird, wird als grosse Schande für die Familie gesehen (Country of Origin Research and Information (CORI), Januar 2010). Beschneidung und Zwangsheirat von sehr jungen Mädchen wird oft damit begründet, dass auf diese Weise Mädchen vor vorehelichem Geschlechtsverkehr und unehelichen Schwangerschaften geschützt werden (CORI, Januar 2010; Young Lives, Februar 2013). Auch die Volksgruppe der Oromo, die rund einen Drittel der Bevölkerung Äthiopiens ausmachen, verheiraten ihre Mädchen in sehr jungen Jahren (SEM, 1. Mai 2010).

Nach Art. 40 des äthiopischen Revised Family Code gibt es verschiedene Formen der Ehe und es wird keine Unterscheidung zwischen einer standesamtlichen oder traditionellen Ehe vorgenommen. (Article 40 - Various Forms of Marriage Equivalent, No distinction shall be made as to whether the marriage has been concluded before an officer of civil status or according to the forms prescripted by religion or custom).

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Verfahrensakt der Beschwerdeführerin und jenem des Ehegatten der Beschwerdeführerin.

Die Feststellung zur Ehe der Beschwerdeführerin mit XXXX vor der Einreise nach Österreich ergibt sich im Detail aus den Angaben der Beschwerdeführerin in der Erstbefragung, der Einvernahme vor dem BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, den übereinstimmenden Angaben des Ehegatten der Beschwerdeführerin insbesondere im Rahmen der Beschwerdeverhandlung, weiters seinen Angaben bei seiner Erstbefragung und der Einvernahme vor dem BFA, insbesondere dem persönlich glaubhaften Eindruck im Rahmen der Beschwerdeverhandlung.

Die Feststellung, dass die Ehe der Beschwerdeführerin mit XXXX nach christlich-orthodoxem Recht seit der Heirat in der Türkei im Jahr 2010 vor der Einreise nach Österreich geschlossen hat, welche eine Ehe im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 22 Asylgesetz darstellt, ergibt sich insbesondere aufgrund der diesbezüglich gleichlautenden und daher glaubwürdigen Angaben der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung, dem äthiopischen Ehegesetz und dem notorischen Amtswissen aufgrund der Einsicht in Materialien zur äthiopischen Ehe.

Gemäß § 16 Abs. 2 IPR ist im gegenständlichen Fall die Form der Eheschließung im Ausland, nämlich in der Türkei, erfolgt und ist nach dem Personalstatus der Verlobten zu beurteilen in Verbindung mit dem IPRG (siehe die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung).

Bereits bei seiner Erstbefragung am 17.01.2015 machte der Ehegatte der Beschwerdeführerin Angaben zu dieser und seinem Sohn. Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 04.04.2017 führte er aus, traditionell mit der Beschwerdeführerin verheiratet zu sein und machte nähere Ausführungen zu der Zeremonie. So schilderte er den Ort, die anwesenden Zeugen und den Ablauf der Feier.

Die Beschwerdeführerin tätigte die im Wesentlichen die gleichen Ausführungen wie ihr Ehemann und konnte ihre Hochzeit genau im Detail beschreiben ebenso wie ihr Ehemann. Ihre Angaben erweckten keinesfalls den Eindruck auswendig gelernt bzw. mit ihrem Ehegatten abgesprochen zu sein, sondern sie schilderte wie ihr Ehemann lebensnah, emotional und detailliert die Geschehnisse um die Eheschließung sowie die Feierlichkeiten zur Hochzeit vor der Einreise in Österreich in der Türkei. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann hinterließen einen überaus glaubhaften Eindruck durch ihre Angaben zu ihrer Eheschließung und konnte in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG nachvollziehbar darbringen, dass ihre Ehe bereits vor der Einreise nach Österreich geschlossen wurde, sie legten zudem ein Hochzeitsfoto vor. Den vermeintlichen Widerspruch, dass im Rahmen der Erstbefragung vom Ehemann die Beschwerdeführerin als Lebensgefährtin angeführt wurde, konnte dieser im Rahmen der Beschwerdeverhandlung schlüssig und glaubhaft erklären. Glaubhaft und nachvollziehbar hatte der Beschwerdeführer ebenso wie bei der Einvernahme vor dem BFA und im Rahmen der Beschwerdeverhandlung angegeben, dass er keine Unterlagen habe über die traditionelle Eheschließung, dies sei der Grund, warum im Protokoll der Erstbefragung die Beschwerdeführerin als Lebensgefährtin angeführt wurde. Glaubhaft nachvollziehbar gab bereits die Beschwerdeführerin an, dass es eine Heiratsurkunde über die Heirat in der Türkei gab, diese habe ihr Ehemann immer besessen. Befragt im Rahmen der Beschwerdeverhandlung, wo die Heiratsurkunde sei, gab der Ehemann der Beschwerdeführerin diesbezüglich glaubhaft an, diese Heiratsurkunde leider verloren zu haben auf der Flucht bzw. Weiterreise von der Türkei nach Österreich. Im gegenständlichen Fall wird aufgrund des persönlich glaubhaften Eindruckes im Rahmen der Beschwerdeverhandlung dem Vorbringen, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann in der Türkei vor der Einreise nach Österreich geheiratet haben in Anwesenheit von näher bezeichneten Zeugen.

Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann wurden - wie im Wesentlichen übereinstimmend dargelegt - durch den Segen eines Priesters verheiratet. Es handelt sich dabei um eine in Äthiopien gesellschaftlich anerkannte und übliche Form der Eheschließung, wie unter anderem in verschiedenen Berichten im Internet nachzulesen ist:

Nach Art. 40 des äthiopischen Revised Family Code, welcher im Rahmen der Beschwerdeverhandlung in das gegenständliche Verfahren eingebracht wurde, gibt es verschiedene Formen der Ehe und es wird keine Unterscheidung zwischen einer standesamtlichen oder traditionellen Ehe vorgenommen. (Article 40 - Various Forms of Marriage Equivalent, No distinction shall be made as to whether the marriage has been concluded before an officer of civil status or according to the forms prescripted by religion or custom).

"Eine Heirat findet in der Regel durch eine kirchliche Hochzeit statt. Ein Priester kann die Ehe aber auch nur absegnen. Eine Scheidung ist von Rechts wegen vorgesehen und kann ausgehandelt werden." (http://de.wikipedia.org/wiki/Amharen; Zugriff am 14.11.2018 sowie 01.04.2019)

Dass es in Äthiopien keine Unterscheidung zwischen einer standesamtlichen oder traditionellen Ehe gibt, zeigt auch folgendes Zitat:

"Eheschließungen in Äthiopien werden meist mündlich oder schriftlich durchgeführt. Im Zuge dessen werden auch Vereinbarungen abgemacht, wo die Privilegien des jeweiligen Ehepartners festgelegt werden. Gesetzlich gibt es in Äthiopien drei Formen der Eheschließung; eine kirchliche Trauung, bei welcher zahlreiche Verwandte und Freunde eingeladen werden, eine öffentliche Trauung, welche vor einer bürgerlichen Person abgehalten wird und eine "common-law" Vereinigung, wobei hier das Einverständnis und die Regeln der Familie übernommen werden." (Stefanie Kainz/Franziska Preiss:

Hindern Rituale die Entwicklung? Eine soziologische Studie über die Feiern von Geburt, Hochzeit und Beerdigung in Äthiopien Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Arts der Studienrichtung Soziologie an der Karl-Franzens-Universität Graz 2012; abrufbar unter

http://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/download/pdf/225156?originalFilename=true;

Zugriff am 14.11.2018 sowie 01.04.2019)

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher im gegenständlichen Fall festzustellen, dass die Beschwerdeführerin vor der Einreise nach Österreich durch die erfolgte Segnung durch den Priester in der Türkei eine Ehe mit dem in Österreich asylberechtigten XXXX geschlossen hat. Die Eheschließung fand daher vor der Einreise nach Österreich statt, und es liegt ein Familienverfahren im Sinne des § 34 Asylgesetz vor, da die Beschwerdeführerin als Familienangehörige von im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 22 anzusehen ist.

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat, welche den Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgehalten und denen im Zuge der fristgerecht eingelangten Stellungnahme nicht entgegengetreten wurde, stützen sich auf die zitierten Quellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Spruchpunkt I

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Gemäß § 34 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 gilt der Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Gemäß § 2 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat;

Gemäß § 34 Abs. 2 hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (Z 1) und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7) (Z 3).

Gemäß § 34 Abs 4 hat die Behörde Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten unter den Voraussetzungen der Abs 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asyl

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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