TE Vwgh Beschluss 1999/3/4 98/16/0253

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Veröffentlicht am 04.03.1999
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Index

L10013 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Niederösterreich;
L34003 Abgabenordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

ABGB §1478;
BAO §197;
BAO §209a Abs2;
BAO §239;
BAO §295;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art144;
GdO NÖ 1973 §61;
LAO NÖ 1977 §158a Abs2;
LAO NÖ 1977 §186;
LAO NÖ 1977 §218;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, in der Beschwerdesache der F AG in W, vertreten durch Cerha, Hempel & Spiegelfeld, Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien I, Parkring 2, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Kottingbrunn vom 23. Juli 1998, Zl. 1998/Re.-Rsb, betreffend Rückzahlung der Grundsteuer für die Jahre 1983 bis 1991, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Marktgemeinde Kottingbrunn Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Finanzamt Baden hatte mit mehreren Bescheiden vom März 1983 Grundsteuermessbeträge in der Höhe von insgesamt S 13.752,-- per 1. Jänner 1983 festgesetzt. Gegen diese Bescheide hatte die Beschwerdeführerin am 9. Mai 1983 Berufung erhoben.

Nach Ergehen einer abweislichen Berufungsvorentscheidung und der abweislichen Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 15. November 1991 hatte der Verwaltungsgerichtshof auf Grund einer Beschwerde die genannte Berufungsentscheidung mit Erkenntnis vom 30. April 1993, Zl. 92/17/0005, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

In Entsprechung des Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses gab die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland der Berufung vom 9. Mai 1983 mit Bescheid vom 28. Februar 1996 statt und setzte die erwähnten Grundsteuermessbeträge für die näher bezeichnete wirtschaftliche Einheit per 1. Jänner 1983 mit S Null fest.

Mit dem Antrag vom 31. Jänner 1997 begehrte die Beschwerdeführerin von der Gemeindeabgabenbehörde die Rückzahlung der für diese - von den Grundsteuermessbeträgen betroffenen - Grundstücke für den Zeitraum 1983 bis 1996 entrichteten Grundsteuer. Mit dem im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde Kottingbrunn erlassenen Bescheid vom 28. Februar 1997 erfolgte die Grundsteuervorschreibung per 1. Jänner 1992 mit S Null. Am 19. März 1997 wurde die Grundsteuer für die Jahre 1992 bis 1996 zurückgezahlt. Betreffend den Zeitraum 1983 bis einschließlich 1991 ging die Entscheidungsbefugnis auf Grund des Devolutionsantrages auf den Gemeinderat der Beschwerdeführerin als Abgabenbehörde zweiter Instanz über.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Rückzahlung der für die Jahre 1983 bis 1991 entrichteten Grundsteuer ab. Dies mit der Begründung, im Falle einer nachträglichen Abänderung bzw. Aufhebung des einem Abgabenbescheid zugrundeliegenden Messbescheides sei gemäß § 218 NÖ Abgabenordnung (NÖ AO) der abgeleitete Abgabenbescheid ohne Rücksicht darauf, ob Rechtskraft eingetreten sei, grundsätzlich von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen. Eine derartige Maßnahme sei jedoch gemäß § 223 Abs. 1 NÖ AO nur bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig. Gemäß § 156 Abs. 1 NÖ AO verjähre das Recht, eine Abgabe festzusetzen, in fünf Jahren. Die Verjährung beginne gemäß § 157 lit. a NÖ AO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden sei. Da gemäß § 28 a Grundsteuergesetz 1955 der Abgabenanspruch der Gemeinde jeweils mit Beginn des Kalenderjahres, für 1991 sohin am 1.1.1991 entstanden sei, habe die Verjährungsfrist gemäß § 157 lit. a NÖ AO am 1. Jänner 1992 zu laufen begonnen. Für den Zeitraum vor dem 1. Jänner 1991 sei daher bereits die Bemessungsverjährung eingetreten. Eine Unterbrechung bzw. eine Hemmung dieser Frist erfolge nicht. Daraus ergebe sich, dass der Rückzahlungsanspruch für die Jahre 1983 bis einschließlich 1991 verjährt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Rückzahlung der Grundsteuer für die Jahre 1983 bis 1991 verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin brachte dazu eine Äusserung ein.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 61 der NÖ Gemeindeordnung kann gegen den Bescheid eines Gemeindeorganes in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde aus dem Bereich der Landesvollziehung Vorstellung bei der Landesregierung erheben, wer in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Durch diese Regelung der NÖ Gemeindeordnung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein Instanzenzug im Sinne des Art. 144 B-VG eingerichtet worden (vgl. Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 27. November 1990, B 734/90; § 16 Abs. 1 FAG).

Die gegen den Bescheid des Gemeinderates erhobene Beschwerde ist daher wegen Nichterschöpfung des Instanzenzuges als unzulässig zurückzuweisen, weil eine zulässig gewesene Vorstellung nicht erhoben wurde.

Daran ändert auch der Umstand der unrichtig erteilten Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides, wonach gegen den Bescheid Beschwerde an den Verwaltungs- und/oder Verfassungsgerichtshof eingebracht werden kann, nichts.

In der Sache selbst ist - ungeachtet der Zurückweisung - zu bemerken:

Einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, steht der Eintritt der Verjährung gemäß § 158a Abs. 1 NÖ AO nicht entgegen.

Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 62) ab, so steht gemäß § 158a Abs. 2 NÖ AO der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt eingebracht wurde.

Der erste Tatbestand des § 209a Abs. 2 BAO (entspricht § 158a Abs. 2 NÖ AO) hat zur Voraussetzung, dass "eine Abgabenfestsetzung" von der Erledigung einer Berufung abhängt. Das kann, wie gesagt bedeuten, dass eine Abgabenfestsetzung von einem in Berufung gezogenen Grundlagenbescheid abhängt und trotz Verjährung der bisher nicht erflossene Abgabenbescheid, der ein Folgebescheid ist, (erstmalig) erlassen werden darf, aber auch, dass unter diesen Voraussetzungen ein schon ergangener (sogar rechtskräftiger) Abgabenbescheid nach Ablauf der Verjährung geändert oder aufgehoben werden darf, § 295 BAO (entspricht § 218 NÖ AO) somit in den vorangeführten Fällen trotz Verjährung Anwendung finden darf.

Der zweite Tatbestand des Abs. 2 erfasst Fälle, in denen eine Abgabenfestsetzung von der Erledigung eines "in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages" abhängig ist und der Antrag vor Verjährung des anknüpfenden Abgabenanspruches eingebracht wurde. Ist nun die Erledigung dieses Antrages für die Abgabenfestsetzung präjudiziell, so steht die Verjährung dem folgenden Abgabenbescheid nicht entgegen, gleichgültig ob die voranzugehende grundlegende Erledigung vor oder nach Ablauf der Verjährung der Abgabe ergeht.

Werden beispielsweise Anträge auf Zuteilung eines Steuermessbetrages gemäß § 197 BAO vor Ablauf der für die abgeleiteten Abgaben maßgebenden Bemessungsverjährungsfrist eingebracht, die davon berührten (auf die vorgeschalteten Bescheide aufbauenden) Abgabenbescheide aber erst nach Ablauf der Bemessungsverjährungsfrist erlassen, dann ist diese Festsetzung nach § 209a Abs. 2 BAO zulässig (Stoll, BAO-Kommentar, 2208 und 2209, zu § 209a BAO).

Die Rechtslage der NÖ AO entspricht in den im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen der BAO. Die von Stoll zur BAO vertretene Ansicht gilt auch im Bereich der NÖ AO. Auf Grund der im Mai 1983 gegen die Festsetzung des Grundsteuermessbetrages erhobenen Berufung war der Berufungsbescheid vom 28. Februar 1996 ergangen, mit dem für den 1. Jänner 1983 die Grundsteuermessbeträge rechtskräftig mit Null festgesetzt wurde. Demnach stand der Abgabenbehörde bei der im Wege der Folgeänderung nach § 218 NÖ AO zu erlassenden abgeleiteten Abgabenbescheide für die Jahre ab 1983 nach § 158a NÖ AO die Festsetzungsverjährung nicht entgegen. Dem trägt auch die Bestimmung des § 223 NÖ AO Rechnung, der eine Folgeänderung nach § 218 NÖ AO bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässt, jedoch gerade den im Beschwerdefall vorliegenden Fall des § 158a Abs. 2 NÖ AO ausdrücklich davon ausnimmt, sodass auch nach Ablauf der Verjährungsfrist eine solche Folgeänderung nach § 218 NÖ AO zulässig ist.

Die sich durch die Erlassung der neuen Abgabenbescheide gegenüber den vorangegangenen Abgabenbescheiden ergebenden Guthaben sind dann unter den sonstigen Voraussetzungen des § 186 NÖ AO auf Antrag zurückzuzahlen. Ein solcher Rückzahlungsanspruch erlischt gemäß § 1478 ABGB nach 30 Jahren (vgl. hg. Erkenntnis vom 14. März 1986, Zl. 85/17/0048).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 4. März 1999

Schlagworte

Verwaltungsgerichtsbarkeit Erschöpfung des Instanzenzuges im Sinne des B-VG Art131 Abs1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998160253.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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