TE Bvwg Beschluss 2019/4/9 I404 2212380-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.04.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.04.2019

Norm

AlVG §24
AlVG §25
AlVG §38
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

I404 2212380-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Franz OPBACHER und Edith STIMPFL als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des AMS, Lienz vom 19.10.2018, wegen Widerrufs der Notstandshilfe für den Zeitraum 01.06.2018 bis 16.07.2018 und Rückforderung der Notstandshilfe in der Höhe von €

1.007,74 gemäß § 25 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) nach nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Arbeitsmarktservice Lienz zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Mit Bescheid vom 19.10.2018 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Lienz (in der Folge: belangte Behörde) aus, dass für XXXX (in der Folge: Beschwerdeführerin) der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum 01.06.2018 bis 16.07.2018 gemäß § 24 Abs. 2 iVm § 38 AlVG widerrufen und sie zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe gemäß § 25 Abs. 1 iVm § 38 AlVG in der Höhe von € 1.007,74 verpflichtet wird. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum vom 01.06.2018 bis 16.07.2018 zu Unrecht bezogen habe, da sie in einer vollversicherungspflichtigen Beschäftigung gewesen sei und Urlaubsentschädigung erhalten habe.

2. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig und zulässig Beschwerde erhoben und angegeben, dass sie bis 30.06.2018 geringfügig beschäftigt gewesen sei. Bei der einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses habe sie noch Anspruch auf Auszahlung von 11 Gutstunden gehabt, die wegen einer Fortbildung im April 2018 entstanden seien, außerdem habe sie noch 5 Resturlaubstage gehabt, was bei 2 Arbeitstagen pro Woche einem Zeitraum von 2,5 Wochen entspreche. Da diese Stunden am Ende des Dienstverhältnisses abgerechnet worden seien, sei von der TGKK auch die Zeit der Urlaubsersatzleistung zu einem vollversicherungspflichten Dienstverhältnis geworden.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 18.12.2018 wurde die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Rückforderungsbetrag auf € 1.168,86 erhöht wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin laut Auszug aus der Datenspeicherung des Hauptverbandes vom 01.07.2015 bis 31.05.2018 geringfügig beschäftigt gewesen sei. In der Zeit vom 01.06.2018 bis 30.06.2018 sei die Beschwerdeführerin pflichtversichert angestellt gewesen und vom 01.07.2018 bis 16.07.2018 sei ihr eine pflichtversicherte Urlaubsentschädigung gewährt worden. In der rechtlichen Würdigung wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin im Juni 2018 zusätzliche Mehrstunden geleistet habe und daher die Geringfügigkeitsgrenze im Juni 2018 überschritten habe. Die Beschwerdeführerin sei daher im Juni 2018 nicht als arbeitslos zu beurteilen und die Notstandshilfe für diesen Zeitraum zu widerrufen. Für den Juli 2018 habe die Beschwerdeführerin eine Urlaubsersatzleistung bezogen, was zu einem Ruhen im Sinne des § 16 Abs. 1 lit. l AlVG führe. Für die Rückforderung gemäß § 25 Abs. 1 AlVG komme es ausschließlich darauf an, ob ein Anspruch auf Urlaubsentschädigung nach objektiver Rechtslage bestanden habe oder nicht. Es sei unerheblich, ob die belangte Behörde vom Arbeitslosen durch unwahre Angaben oder das Verschweigen maßgebender Tatsachen in Unkenntnis des Anspruches geblieben sei. Da der Beschwerdeführerin an 46 Tagen Notstandshilfe in der Höhe von € 25,41 täglich bezogen habe, errechne sich ein Gesamtrückforderungsbetrag in der Höhe von €

1.168,86.

4. Am 24.12.2018 legte die Beschwerdeführerin dagegen ein als Einspruch bezeichnetes Rechtsmittel ein.

5. Mit Schreiben vom 08.01.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Im Rahmen einer ergänzenden Stellungnahme führte die belangte Behörde aus, dass der Widerruf der Notstandshilfe sich für Juni 2018 aus der nachträglichen Pflichtversicherung und ab Juli 2018 aus der Zuerkennung der Urlaubsentschädigung ergebe. Die Behörde verzichte auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

6. Mit Schreiben vom 18.03.2019 wurde dem BVwG eine Mitteilung der TGKK übermittelt, wonach es zu einer Korrektur des ehemaligen Dienstverhältnisses der Beschwerdeführerin gekommen sei.

7. Mit Schreiben vom 26.03.2019 führte die belangte Behörde dazu aus, dass sich nunmehr die Problematik des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG ergebe, zumal die Beschwerdeführerin im April 2018 vollversichert angemeldet worden sei und mit 01.05.2018 übergangslos in ein geringfügiges Dienstverhältnis beim selben Dienstgeber gewechselt habe. Somit wäre aus der Sicht der belangten Behörde die Notstandshilfe ab dem 16.05.2018 nach Prüfung der Sachlage, weshalb nunmehr der April vollversichert gewesen sei, gemäß § 24 AlVG zu widerrufen. Hinsichtlich der Rückforderung gemäß § 25 sei anzumerken, dass die Beschwerdeführerin das Vorliegen eines geringfügigen Dienstverhältnisses bei Antragstellung zwar bekannt gegeben habe, die Leistung der Mehrstunden bzw. die damit verbundene Auszahlung sei aber erst durch Überlagerungsmeldung des Hauptverbandes bekannt geworden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Rechtliche Beurteilung:

1.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

§ 6 BVwGG lautet wie folgt:

Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

§ 56 Abs. 2 des Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) in der geltenden Fassung lautet wie folgt:

Über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle beträgt zehn Wochen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Die §§ 1, 17 und 58 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten wie folgt:

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt.

Spruchpunkt A) Aufhebung und Zurückverweisung

1.2. Die §§ 28 Abs. 1 bis 3 und 31 VwGVG lauten wie folgt:

Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Beschlüsse

§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.

(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Die wesentlichen Bestimmungen des AlVG 1977 lauten wie folgt:

Arbeitslosigkeit

§ 12 (1) Arbeitslos ist, wer

1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,

2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund eines Einheitswertes, der kein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erwarten lässt, unterliegt oder auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und

3. keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt.

...

(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

...

h) wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, daß zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist.

Einstellung und Berichtigung des Arbeitslosengeldes

§ 24. (1) ...

(2) Wenn die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war, ist die Zuerkennung zu widerrufen. Wenn die Bemessung des Arbeitslosengeldes fehlerhaft war, ist die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. Der Widerruf oder die Berichtigung ist nach Ablauf von drei Jahren nach dem jeweiligen Anspruchs- oder Leistungszeitraum nicht mehr zulässig. Wird die Berichtigung vom Leistungsempfänger beantragt, ist eine solche nur für Zeiträume zulässig, die zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht länger als drei Jahre zurück liegen. Die Frist von drei Jahren nach dem Anspruchs- oder Leistungszeitraum verlängert sich, wenn die zur Beurteilung des Leistungsanspruches erforderlichen Nachweise nicht vor Ablauf von drei Jahren vorgelegt werden (können), bis längstens drei Monate nach dem Vorliegen der Nachweise.

Ohne Titel - (Verpflichtung zum Rückersatz einer Leistung und Rückforderung)

§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Falle des § 12 Abs. 8 das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, daß die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Ebenso ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn nachträglich festgestellt wird, daß auf Grund einer Anrechnung von Einkommen aus vorübergehender Erwerbstätigkeit gemäß § 21a keine oder nur eine niedrigere Leistung gebührt. Die Verpflichtung zum Rückersatz besteht auch hinsichtlich jener Leistungen, die wegen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels oder auf Grund einer nicht rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, dass die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten.

....

1.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Voraussetzungen, unter denen das Verwaltungsgericht von der in § 28 Abs. 3 VwGVG festgelegten Befugnis zur Aufhebung und Zurückverweisung Gebrauch machen darf, im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, näher präzisiert.

Danach hat die meritorische Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts Vorrang und bildet die Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme, deren Inanspruchnahme begründungspflichtig ist und die strikt auf den ihr gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Zur Aufhebung und Zurückverweisung ist das Verwaltungsgericht bei "krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken" befugt, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die Verwaltungsbehörde "jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen", "lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt" oder "bloß ansatzweise ermittelt" hat oder wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Behörde "Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer ‚Delegierung' der Entscheidung)".

1.4. Im gegenständlichen Verfahren wurde ausgesprochen, dass die der Beschwerdeführerin gewährte Notstandshilfe für den Zeitraum 01.06.2018 bis 16.07.2018 widerrufen und sie zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe verpflichtet wird. Der Widerruf wurde auf § 12 Abs. 1 AlVG bzw. § 16 Abs. 1 lit. l AlVG gestützt. Die belangte Behörde ging davon aus, dass die Beschwerdeführerin im Juni 2018 einer vollversicherungspflichtigen Beschäftigung nachging und daran anschließend eine Urlaubsersatzleistung erhielt, was zum Ruhen des Anspruchs auf Notstandshilfe führte.

Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, dass es im Juni 2018 zu einer Auszahlung für im April 2018 geleistete Überstunden aufgrund einer Fortbildung gekommen sei.

Trotz dieses Vorbringens hat die belangte Behörde keine Ermittlungen getätigt und sich ausschließlich auf die Abfrage der Datenspeicherung des Hauptverbandes gestützt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht eine rechtliche Bindung an die beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Versicherungsdaten nicht (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Juli 2013, Zl. 2011/08/0221, mwN). Solange die Pflichtversicherung nicht rechtskräftig - mit Bescheid - festgestellt worden ist, haben die zur Vollziehung des AlVG berufenen Behörden Tatsachenfeststellungen über alle relevanten Umstände der in Frage kommenden Tätigkeit zu treffen, die eine diesbezügliche rechtliche Beurteilung ermöglichen (vgl. etwa VwGH vom 24.04.2014, 2013/08/0049).

Mittlerweile ist einer Abfrage der Daten des Hauptverbandes zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin im April 2018 einer vollversicherungspflichten Beschäftigung nachging, nicht jedoch im Mai und Juni 2018. Dies wurde der belangten Behörde mitgeteilt und teilte diese mit Schreiben vom 26.03.2019 dem Gericht mit, dass sich nunmehr die Problematik des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG ergebe. Ihrer Ansicht nach, wäre nunmehr die Notstandshilfe ab dem 16.05.2018 zu widerrufen.

1.5. Im vorliegenden Fall liegt daher nach Ansicht des erkennenden Senates ein mangelhaft ermittelter Sachverhalt vor, zumal die belangte Behörde den Widerruf auf § 12 Abs. 1 AlVG bzw. § 16 Abs. 1 lit. l AlVG stützte und für den Widerruf § 25 Abs. 1 2. Satz anwendete.

Aufgrund der Aktenlage gibt es derzeit keine Anhaltspunkte, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich im verfahrensgegenständlichen Zeitraum einer vollversicherungspflichtigen Beschäftigung nachging.

Sollte die belangte Behörde daher die Ansicht vertreten, dass die Notstandshilfe allenfalls in einem anderen Zeitraum und aufgrund einer anderen Bestimmung zu widerrufen ist, wäre dies nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und unter Einbeziehung der Beschwerdeführerin vorzunehmen.

Aus dem vorgelegten Akt der belangten Behörde kann eine solche Überprüfung nicht durchgeführt kann. Die belangte Behörde hätte jedenfalls nicht ohne weitere Ermittlungen den Widerruf und die Rückforderung der Notstandshilfe feststellen dürfen.

1.6. Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst ist nicht im Interesse der Raschheit gelegen, weil nichts darauf hindeutet, dass die erforderliche Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst, verglichen mit der Feststellung durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung mit einem Zeitgewinn verbunden wäre. Es liegt auch kein Anhaltspunkt dafür vor, dass die Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Vergleich zur Feststellung durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre. Außerdem wäre es dem Gericht nicht möglich (auch) über einen anderen Zeitraum für den Widerruf der Notstandshilfe abzusprechen, da dies eine Überschreitung des Gegenstandes des Verfahrens darstellen würde.

Aufgrund dieser Ausführungen liegen daher alle Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 VwGVG vor und war daher der Bescheid der belangten Behörde aufzuheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Arbeitsmarktservice zurückverwiesen.

1.7. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid zu beheben war, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG im vorliegenden Fall nicht zulässig weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, abhängt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen und es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Dienstverhältnis, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Pflichtversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I404.2212380.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten